Bemerkungen über die Farben 


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Ludwig Wittgenstein

Bemerkungen über die Farben

 

Diese digitale Ausgabe ist eine Reproduktion von L. Wittgenstein, Bemerkungen über die Farben. Herausgegeben von G. E. M. Anscombe. University of California Press, Berkeley and Los Angeles, 1977. Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für das Herkunftsland des Werks und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers.



Ludwig Wittgenstein

Bemerkungen über die Farben


Teil I.

1. Ein Sprachspiel: Darüber berichten, ob ein bestimmter Körper heller oder dunkler als ein andrer sei. – Aber nun gibt es ein verwandtes: Über das Verhältnis der Helligkeiten bestimmter Farbtöne aussagen. (Damit ist zu vergleichen: Das Verhältnis der Längen zweier Stäbe bestimmen – und das Verhältnis zweier Zahlen bestimmen.) Die Form der Sätze in beiden Sprachspielen ist die gleiche: "X ist heller als Y". Aber im ersten ist es eine externe Relation und der Satz zeitlich, im zweiten ist es eine interne Relation und der Satz zeitlos.

2. In einem Bild, in welchem ein Stück weißes Papier seine Helligkeit vom blauen Himmel kriegt, ist dieser heller als das weiße Papier. Und doch ist in einem andern Sinne Blau die dunklere, Weiß die hellere Farbe. (Goethe). Auf der Palette ist das Weiß die hellste Farbe.

3. Lichtenberg sagt, nur wenige Menschen hätten je reines Weiß gesehen. So verwenden also die Meisten das Wort falsch? Und wie hat er den richtigen Gebrauch gelernt? – Er hat nach dem gewöhnlichen Gebrauch einen idealen konstruiert. Und das heißt nicht, einen bessern, sondern einen in gewisser Richtung verfeinerten, worin etwas auf die Spitze getrieben wird.

4. Und freilich kann ein so konstruierter uns wieder über den tatsächlichen Gebrauch belehren.

5. Wenn ich von einem Papier sage, es sei rein weiß, und es würde Schnee neben das Papier gehalten und dieses sähe nun grau aus, so würde ich es in seiner normalen Umgebung doch mit Recht weiß, nicht hellgrau, nennen. Es könnte sein, daß ich, im Laboratorium etwa, einen verfeinerten Begriff von Weiß verwendete (wie z.B. auch einen verfeinerten Begriff der genauen Zeitbestimmung).

6. Was läßt sich dafür sagen, daß Grün eine primäre Farbe ist, keine Mischfarbe von Blau und Gelb? Wäre es richtig zu sagen: "Man kann das nur unmittelbar erkennen, indem man die Farben betrachtet?" Aber wie weiß ich, daß ich dasselbe mit den Worten "primäre Farbe" meine wie ein Andrer, der auch geneigt ist, Grün eine primäre Farbe zu nennen? Nein, – hier entscheiden Sprachspiele.

7. Es gibt die Aufgabe, zu einem gegebenen Gelbgrün (oder Blaugrün) ein weniger gelbliches (oder bläuliches) zu mischen, – oder aus einer Anzahl von Farbmustern auszuwählen. Ein weniger gelbliches ist aber kein bläuliches Grün (und umgekehrt), und es gibt auch die Aufgabe, ein Grün zu wählen, oder zu mischen, das weder gelblich noch bläulich ist. Ich sage "oder zu mischen", weil ein Grün dadurch nicht zugleich bläulich[1] und gelblich wird, daß es durch eine Art der Mischung von Gelb und Blau zustandekommt.

8. Menschen könnten den Begriff der Zwischenfarbe oder Mischfarbe haben auch wenn sie nie Farben durch Mischung (in welchem Sinne immer) erzeugten. Es könnte sich in ihren Sprachspielen immer nur darum handeln, schon vorhandene Zwischen – oder Mischfarben zu suchen, zu wählen.

9. Wenn nun auch nicht Grün eine Zwischenfarbe von Gelb und Blau ist, könnte es nicht Leute geben, für die es ein bläuliches Gelb, ein rötliches Grün gibt? Leute also, deren Farbbegriffe von den unsern abwichen – da ja auch die Farbbegriffe der Farbenblinden von denen der Normalen abweichen und nicht jede Abweichung vom Normalen muß eine Blindheit, ein Defekt sein.

10. Wer gelernt hat, zu einem gegebenen Farbton einen gelblicheren, weißlicheren, rötlicheren zu finden oder zu mischen, u.s.f., Wer also den Begriff der Zwischenfarbe kennt, den fordre nun auf, uns ein rötliches Grün zu zeigen. Er mag diesen Befehl nun einfach nicht verstehen und etwa so reagieren, als hätte man von ihm verlangt, nach einem regelmäßigen Viereck, Fünfeck, Sechseck ein regelmäßiges Eineck zu zeigen. Wie aber, wenn er, ohne zu zögern, auf ein Farbmuster wiese (etwa auf ein schwärzliches Braun, wie wir es nennen würden)?

11. Wem ein Rötlichgrün bekannt wäre, der sollte im Stande sein, eine Farbenreihe herzustellen, die mit Rot anfinge, mit Grün endet und, auch für uns vielleicht, einen kontinuierlichen Übergang zwischen ihnen bildet. Es würde sich dann zeigen, daß dort, wo wir jedesmal den gleichen Ton, von Braun z.B., sehen, er einmal Braun, einmal Rötlichgrün sähe. Daß er z.B. zwei chemische Verbindungen, die für uns die gleiche Farbe haben, nach der Farbe unterscheiden könnte und die eine braun die andre rötlichgrün nennte.

12. Stell dir vor, alle Menschen mit seltenen Ausnahmen wären rot-grün-blind. Oder auch den andern Fall: alle Menschen wären entweder rot-grün-, oder blau-gelb-blind.

13. Denken wir uns ein Volk von Farbenblinden, und das könnte es leicht geben. Sie würden nicht die gleichen Farbbegriffe haben wie wir. Denn auch angenommen sie redeten z.B. Deutsch, hätten also alle deutschen Farbwörter, so würden sie sie doch anders gebrauchen als wir, und anders zu gebrauchen lernen.

Oder haben sie eine fremde Sprache, so würde es uns schwer, ihre Farbwörter in die unsern zu übersetzen.

14. Wenn es aber auch Menschen gäbe, denen es natürlich wäre den Ausdruck "rötlichgrün" oder "gelblichblau" in konsequenter Weise zu verwenden, und [die] dabei vielleicht auch Fähigkeiten verrieten, die uns fehlen, so wären wir dennoch nicht gezwungen anzuerkennen, sie sähen, Farben, die wir nicht sehen. Es gibt ja kein allgemein anerkanntes Kriterium dafür, was eine Farbe sei, es sei denn, daß es eine unserer Farben ist.

15. In jedem ernsteren philosophischen Problem reicht die Unsicherheit bis an die Wurzeln hinab.

Man muß immer darauf gefaßt sein, etwas ganz Neues zu lernen.

16. Die Beschreibung der Phänomene der Farbenblindheit gehört in die Psychologie: also auch die der Phänomene des normalen Sehens? Die Psychologie beschreibt nur die Abweichungen der Farbenblindheit vom normalen Sehen.

17. Runge (in dem Brief, den Goethe in der Farbenlehre abdruckt) sagt, es gebe durchsichtige und undurchsichtige Farben. Weiß sei eine undurchsichtige Farbe.

Dies zeigt die Unbestimmtheit im Begriff der Farbe, oder auch der Farbengleichheit.

18. Kann ein durchsichtiges grünes Glas die gleiche Farbe haben wie ein undurchsichtiges Papier, oder nicht? Wenn ein solches Glas auf einem Gemälde dargestellt würde, so wären die Farben auf der Palette nicht durchsichtig. Wollte man sagen, die Farbe des Glases wäre auch auf dem Gemälde durchsichtig, so müßte man den Komplex von Farbflecken, der das Glas darstellt, seine Farbe nennen.

19. Wie kommt es, daß etwas Durchsichtiges grün, aber nicht weiß sein kann?

Durchsichtigkeit und Spiegeln gibt es nur in der Tiefendimension eines Gesichtsbilds.

Der Eindruck des durchsichtigen Mediums ist der, daß etwas hinter dem Medium liegt. Vollkommene Einfärbigkeit des Gesichtsbilds kann nicht durchsichtig sein.

20. Etwas Weißes hinter einem gefärbten durchsichtigen Medium erscheint in der Farbe des Mediums, etwas Schwarzes schwarz. Nach dieser Regel muß Schwarz auf weißem Grund durch ein 'weißes durchsichtiges' Medium wie durch ein farbloses gesehen werden.

21. Runge: "Wenn man sich ein bläuliches Orange, ein rötliches Grün, oder ein gelbliches Violett denken will, wird einem zu Muthe wie bei einem südwestlichen Nordwinde..... Weiß sowohl als Schwarz sind beide undurchsichtig oder körperlich..... Weißes Wasser wird man sich nicht denken können, was rein ist; so wenig wie klare Milch."

22. Wir wollen keine Theorie der Farben finden (weder eine physiologische, noch eine psychologische), sondern die Logik der Farbbegriffe. Und diese leistet, was man sich oft mit Unrecht von einer Theorie erwartet hat.

23. "Weißes Wasser wird man sich nicht denken können etc." Das heißt, man kann nicht beschreiben (z.B. malen), wie etwas weißes Klares aussähe, und das heißt: man weiß nicht, welche Beschreibung, Darstellung, diese Worte von uns fordern.

24. Es ist nicht ohne weiters klar, von welchem durchsichtigen Glas man sagen soll, es habe die gleiche Farbe, wie ein undurchsichtiges Farbmuster. Wenn ich sage "Ich suche ein Glas von dieser Farbe" (wobei ich auf ein farbiges Papier deute), so wird das etwa heißen, daß etwas Weißes, durch das Glas gesehen, ausschauen soll wie mein Muster.

Ist das Muster rosa, himmelblau, lila, so wird man sich das Glas trübe denken, aber vielleicht auch klar und nur schwach rötlich, bläulich oder violett gefärbt.

25. Im Kino kann man manchmal die Vorgänge im Film so sehen, als lägen sie hinter der Leinwandfläche, diese aber sei durchsichtig, etwa eine Glastafel. Das Glas nähme den Dingen ihre Farbe und ließe nur Weiß, Grau und Schwarz durch. (Wir treiben hier nicht Physik, sondern betrachten Weiß und Schwarz als Farben ganz wie Grün und Rot.) – Man könnte also denken, daß wir uns hier eine Glastafel vorstellen, die weiß und durchsichtig zu nennen wäre. Und doch sind wir nicht versucht, sie so zu nennen: Bricht also die Analogie mit einer durchsichtigen grünen Tafel, z.B., irgendwo zusammen?

26. Von einer grünen Tafel würden wir etwa sagen: sie gäbe den Dingen hinter ihr eine grüne Färbung; also vor allem dem Weißen hinter ihr.

27. "Man kann sich das nicht vorstellen", wenn es sich um die Logik handelt, heißt: man weiß nicht, was man sich hier vorstellen soll.

28. Würde man von meiner fiktiven Glastafel im Kino sagen, sie gäbe den Dingen hinter ihr eine weiße Färbung?

29. Konstruiere aus der Regel für den Augenschein des durchsichtigen Färbigen, die du vom durchsichtigen Grünen, Roten etc. abliest, den Schein des durchsichtigen Weißen! Warum geht es nicht?

30. Jedes gefärbte Medium verdunkelt, was dadurch gesehen wird, es schluckt Licht: Soll nun mein weißes Glas auch verdunkeln? Und je dicker es ist, desto mehr? So wäre es also eigentlich ein dunkles Glas!

31. Warum kann man sich durchsichtig-weißes Glas nicht vorstellen, auch wenn es in Wirklichkeit keins gibt? Wo geht die Analogie mit dem durchsichtigen gefärbten schief?

32. Sätze werden oft an der Grenze von Logik und Empirie gebraucht, so daß ihr Sinn über die Grenze hin und her wechselt und sie bald als Ausdruck einer Norm, bald als Ausdruck einer Erfahrung gelten.

(Denn es ist ja nicht eine psychische Begleiterscheinung – so stellt man sich den 'Gedanken' vor –, sondern die Verwendung, die den logischen vom Erfahrungssatz unterscheidet.)

33. Man redet von der 'Farbe des Goldes' und meint nicht Gelb. "Goldfarben" ist die Eigenschaft einer Oberfläche, welche glänzt, oder schimmert.

34. Es gibt Rotglut und Weißglut: Wie aber sähe Braunglut und Grauglut aus? Warum kann man sich diese nicht als einen schwächeren Grad der Weißglut denken?

35. "Das Licht ist farblos." Wenn, dann in dem Sinne, wie die Zahlen farblos sind.

36. Was leuchtend aussieht, sieht nicht grau aus. Alles Grau sieht beleuchtet aus.

37. Was man als leuchtend sieht, sieht man nicht als grau. Wohl aber kann man es als weiß sehen.

38. Man könnte also etwas jetzt als schwach leuchtend, jetzt als grau sehen.

39. Ich sage nicht (wie die Gestaltpsychologen), daß der Eindruck des Weißen so und so zustande komme. Sondern die Frage ist gerade: Was die Bedeutung dieses Ausdrucks, die Logik des Begriffes ist.

40. Denn, daß man sich etwas 'grauglühendes' nicht denken kann, gehört nicht in die Physik, oder Psychologie der Farbe.

41. Man sagt mir, eine gewisse Substanz brenne mit grauer Flamme. Ich kenne doch nicht die Farbe der Flammen sämtlicher Substanzen; warum sollte das also nicht möglich sein?

42. Man redet von einem 'dunkelroten Schein', aber nicht von einem 'schwarzroten'.

43. Eine glatte weiße Fläche kann spiegeln: Wie nun, wenn man sich irrte, und was in ihr gespiegelt erscheint, wirklich hinter ihr wäre und durch sie gesehen würde? Wäre sie dann weiß und durchsichtig?

44. Man spricht von einem 'schwarzen' Spiegel. Aber wo er spiegelt, verdunkelt er zwar, aber sieht nicht schwarz aus, und was durch ihn gesehen wird, erscheint nicht 'schmutzig', sondern 'tief'.

45. Die Undurchsichtigkeit ist nicht eine Eigenschaft der weißen Farbe. Sowenig, wie Durchsichtigkeit eine Eigenschaft der grünen.

46. Und es genügt auch nicht zu sagen, das Wort "weiß" werde eben nur für die Erscheinung von Oberflächen angewandt. Es könnte sein, daß wir zwei Wörter für "grün" hätten: eines nur für grüne Oberflächen, das andre für grüne durchsichtige Gegenstände. Es bliebe also die Frage, warum es kein dem Wort "weiß" entsprechendes Farbwort für etwas Durchsichtiges gibt.

47. Ein Medium, wodurch ein schwarz und weißes Muster (Schachbrett) unverändert erscheint, wird man nicht ein weißes nennen, auch wenn dadurch die andern Farben an Färbigkeit verlieren.

48. Man könnte einen weißen Glanz nicht "weiß" nennen wollen und so nur das nennen, was man als Farbe einer Oberfläche sieht.

49. Von zwei Stellen meiner Umgebung, die ich, in einem Sinne, als gleichfarbig sehe, kann mir, in anderem Sinne, die eine als weiß, die andre als grau erscheinen.

In einem Zusammenhang ist diese Farbe für mich weiß in schlechter Beleuchtung, in einem andern grau in guter Beleuchtung,

Dies sind Sätze über die Begriffe 'weiß' und 'grau'.

50. Der Eimer, der hier vor mir steht, ist glänzend weiß lackiert, es wäre absurd, ihn "grau" zu nennen, oder zu sagen "Ich sehe eigentlich ein helles Grau." Aber er hat ein weißes Glanzlicht, das weit heller ist als seine übrige Fläche, und diese ist teils dem Licht zu-, teils abgeneigt, ohne doch anders gefärbt zu erscheinen. (Zu erscheinen, nicht nur zu sein.)

51. Es ist nicht dasselbe, zu sagen: der Eindruck des Weißen oder Grauen kommt unter solchen Bedingungen zustande (kausal), und: er ist ein Eindruck in einem bestimmten Zusammenhang von Farben und Formen.

52. Weiß als Stoffarbe (in dem Sinne, in welchem man sagt, Schnee ist weiß) ist heller als jede andre Stoffarbe: Schwarz dunkler. Hier ist die Farbe eine Verdunklung, und ist dem Stoff jede solche entzogen, so bleibt Weiß, und darum kann man es "farblos" nennen.

53. Es gibt zwar nicht Phänomenologie, wohl aber phänomenologische Probleme.

54. Daß nicht alle Farbbegriffe logisch gleichartig sind, sieht man leicht. Z.B. den Unterschied zwischen den Begriffen 'Farbe des Goldes' oder 'Farbe des Silbers' und 'gelb' oder 'grau'.

55. Eine Farbe 'leuchtet' in einer Umgebung. (Wie Augen nur in einem Gesicht lächeln). Eine 'schwärzliche' Farbe – z.B. Grau – 'leuchtet' nicht.

56. Die Schwierigkeiten, die wir beim Nachdenken über das Wesen der Farben empfinden (mit denen Goethe in der Farbenlehre sich auseinandersetzen wollte) liegen schon in der Unbestimmtheit unseres Begriffs der Farbengleichheit beschlossen.

57.

["Ich empfinde X"

"Ich beobachte X"

X steht im ersten und zweiten Satz nicht für den gleichen Begriff, wenn auch vielleicht für den gleichen Wortausdruck, z.B. für "einen Schmerz". Denn fragt man "was für einen Schmerz?” so könnte ich im ersten Fall antworten "Diesen" und den Fragenden etwa mit einer Nadel stechen. Im zweiten Falle muß ich auf dieselbe Frage anders antworten; z.B. "Den Schmerz in meinem Fuß".

Auch könnte das X im zweiten Satz für "meinen Schmerz" stehen, aber nicht im ersten.]

58. Denk, jemand zeigte auf eine Stelle der Iris in einem Rembrandtschen Auge und sagt: "Die Wände in meinem Zimmer sollen in dieser Farbe gemalt werden."

59. Ich male die Aussicht von meinem Fenster; eine bestimmte Stelle, bestimmt durch ihre Lage in der Architektur eines Hauses, male ich mit Ocker. Ich sage, ich sehe diese Stelle in dieser Farbe. Das bedeutet nicht, daß ich hier die Farbe Ocker sehe, denn dieser Farbstoff mag, so umgeben, heller, dunkler, rötlicher (etc.) aussehen als Ocker. "Ich sehe diese Stelle, wie ich sie hier mit Ocker gemalt habe, nämlich als ein stark rötliches Gelb."

Wie aber, wenn man von mir verlangte, den genauen Farbton anzugeben, den ich dort sehe? – Wie soll er angegeben werden, und wie bestimmt werden? Man könnte verlangen, daß ich ein Farbmuster (ein rechteckiges Stück Papier von dieser Farbe) herstelle. Ich sage nicht, daß ein solcher Vergleich ohne jedes Interesse wäre, aber er zeigt uns, daß nicht von vornherein klar ist, wie Farbtöne zu vergleichen sind und was "Gleichheit der Farbe" bedeutet.

60. Denken wir uns ein Gemälde in kleine, annäherend einfärbige Stücke zerschnitten und diese dann als Steine eines Zusammenlegspiels verwendet. Auch wo ein solcher Stein nicht einfarbig ist, soll er keine räumliche Form andeuten, sondern einfach als flacher Farbfleck erscheinen. Erst im Zusammenhang mit den andern wird er ein Stück blauen Himmels, ein Schatten, ein Glanz, durchsichtig oder undurchsichtig, etc. Zeigen uns die einzelnen Steine die eigentlichen Farben der Stellen des Bildes?

61. Man neigt dazu, zu glauben, die Analyse unsrer Farbbegriffe führe am Ende zu den Farben von Stellen unsres Gesichtsbilds, welche nun von jeder räumlichen oder physikalischen Deutung unabhängig sind; denn hier gibt es weder Beleuchtung, noch Schatten, noch Glanz, etc., etc.

62. Daß ich sagen kann, diese Stelle in meinem Gesichtsfeld sei graugrün, bedeutet nicht, daß ich weiß, was eine genaue Kopie des Farbtons zu nennen wäre.

63. Ich sehe auf einer (nicht färbigen) Photographie einen Mann mit dunklem Haar und einen Buben mit glatt zurückgekämmtem blondem Haar vor einer Art Drehbank stehen, die zum Teil aus schwarz gestrichenen Gußteilen, teils aus glatten Wellen, Zahnrädern, u.a. besteht, daneben ein Gitter aus hellem verzinkten Draht. Die bearbeiteten Eisenflächen sehe ich eisenfärbig, das Haar des Jungen blond, das Gitter zinkfarbig, obgleich alles durch hellere und dunklere Töne des photographischen Papiers dargestellt ist.

64. Aber sehe ich wirklich die Haare auf der Photographie blond? Und was spricht dafür? Welche Reaktion des Betrachters soll zeigen, daß er sie blond sieht, und nicht nur aus den Tönen der Photographie schließt, sie seien blond? – Würde von mir verlangt, daß ich jene Photographie beschreibe, so würde ich es am direktesten mit jenen Worten tun. Ließe man diese Art der Beschreibung nicht gelten, so müßte ich nun erst nach einer andern suchen.

65. Wenn selbst das Wort "blond" blond klingen kann, wieviel eher können die photographierten Haare blond aussehen!

66. "Kann man sich nicht denken, daß gewisse Menschen eine andere Farbengeometrie als die unsere hätten?" Das heißt doch: Kann man sich nicht Menschen mit andern Farbbegriffen als den unsern denken? Und das heißt wieder: Kann man sich nicht vorstellen, daß Menschen unsre Farbbegriffe nicht haben, und daß sie Begriffe haben, die mit unsern Farbbegriffen auf solche Art verwandt sind, daß wir sie auch "Farbbegriffe" nennen würden?

67. Sich dein Zimmer am späten Abend an, wenn Farben kaum mehr zu unterscheiden sind – und nun mach Licht und male, was du früher im Halbdunkel gesehen hast. – Wie vergleicht man die Farben auf so einem Bild mit denen des halbdunkeln Raums?

68. Auf die Frage "Was bedeuten die Wörter 'rot', 'blau', 'schwarz', 'weiß'," können wir freilich gleich auf Dinge zeigen, die so gefärbt sind, – aber weiter geht unsre Fähigkeit die Bedeutungen dieser Worte zu erklären nicht! Im übrigen machen wir uns von ihrer Verwendung keine, oder eine ganz rohe, zum Teil falsche, Vorstellung.

69. Ich kann mir einen Logiker vorstellen, der erzählt, er sei jetzt dahin gelangt, "2 × 2 = 4" wirklich denken zu können.

70. Die Goethesche Lehre von der Entstehung der Spektralfarben ist nicht eine Theorie, die sich als ungenügend erwiesen hat, sondern eigentlich gar keine Theorie. Es läßt sich mit ihr nichts vorhersagen. Sie ist eher ein vages Denkschema nach Art derer, die man in James's Psychologie findet. Es gibt auch kein experimentum crucis, das für, oder gegen diese Lehre entscheiden könnte.

71. Wer mit Goethe übereinstimmt, findet, Goethe habe die Natur der Farbe richtig erkannt. Und Natur ist hier nicht, was aus Experimenten hervorgeht, sondern sie liegt im Begriff der Farbe.

72. Eins war für Goethe unumstößlich klar: Aus Dunkelheiten kann sich kein Helles zusammensetzen – wie aus mehr und mehr Schatten kein Licht entsteht. Und dies ließe sich so ausdrücken: Wenn man Lila ein weißlich-rötlich-Blau nennt, oder Braun ein schwärzlich-rötlich-Gelb, – so kann man nun Weiß kein gelblich-rötlich-grünlich-Blau, oder dergleichen, nennen. Weiß ist nicht eine Zwischenfarbe anderer Farben. Und das können Versuche mit dem Spektrum weder bekräftigen noch widerlegen. Es wäre aber auch falsch zu sagen "Schau Dir die Farben nur in der Natur an, und Du wirst sehen, daß es so ist." Denn über die Begriffe der Farben wird man durch Schauen nicht belehrt.

73. Ich kann mir nicht denken, daß Goethes Bemerkungen über die Charaktere der Farben und Farbenzusammenstellungen für den Maler nützlich sein können; kaum für den Dekorateur. Die Farbe eines blutunterlaufenen Auges könnte als Farbe eines Wandbehangs prächtig wirken. Wer vom Charakter einer Farbe redet, denkt dabei immer nur an eine bestimmte Art ihrer Verwendung.

74. Gäbe es eine Harmonielehre der Farben, so würde sie etwa mit einer Einteilung der Farben in Gruppen anfangen und gewisse Mischungen, oder Nachbarschaften verbieten, andre erlauben. Und sie würde, wie die Harmonielehre, ihre Regeln nicht begründen.

75. Es mag Geistesschwache geben, denen man den Begriff 'morgen' nicht beibringen kann, oder den Begriff 'ich', oder das Ablesen der Uhrzeit. Sie würden den Gebrauch des Wortes 'morgen' nicht erlernen, etc.

Wem kann ich nun beschreiben, was diese nicht erlernen können? Nicht nur dem, der es erlernt hat? Kann ich dem A nicht mitteilen, B könne höhere Mathematik nicht erlernen, auch wenn A sie nicht beherrscht? Versteht nicht der das Wort "Schach" anders, der das Spiel gelernt hat, als der es nicht gelernt hat? Es bestehen Unterschiede zwischen der Verwendung, die jener von dem Wort machen kann, und der Verwendung, die dieser gelernt hat.

76. Heißt ein Spiel beschreiben immer: eine Beschreibung geben, durch die man es lernen kann?

77. Hat der Normalsehende und der Farbenblinde den gleichen Begriff von der Farbenblindheit? Ein Farbenblinder kann nicht nur unsre Farbwörter, sondern auch das Wort "Farbenblind" nicht so verwenden lernen wie ein Normaler. Er kann z.B. die Farbenblindheit nicht auf die gleiche Weise feststellen wie dieser.

78. Es könnte Menschen geben, die unsre Ausdrucksweise, Orange sei ein rötliches Gelb, nicht verstünden, und nur dann geneigt wären, so etwas zu sagen, wo sie einen Farbübergang von Gelb über Orange nach Rot vor Augen sehen. Und für solche müßte der Ausdruck "rötliches Grün" keine Schwierigkeit haben.

79. Die Psychologie beschreibt die Phänomene des Sehens. – Wem macht sie die Beschreibung? Welche Unwissenheit kann diese Beschreibung beheben?

80. Die Psychologie beschreibt, was beobachtet wurde.

81. Kann man dem Blindem beschreiben, wie das ist, wenn Einer sieht? – Doch. Ein Blinder lernt manches über den Unterschied des Blinden vom Sehenden. Aber die Frage war schlecht gestellt; als wäre Sehen eine Tätigkeit und es gäbe von ihr eine Beschreibung.

82. Ich kann doch Farbenblindheit beobachten; warum also Sehen nicht? – Ich kann beobachten, welche Farburteile ein Farbenblinder – oder auch ein Normalsichtiger – unter gewissen Umständen fällt.

83. Man sagt manchmal (wenn auch mißverständlich) "Nur ich kann wissen, was ich sehe". Aber nicht: "Nur ich kann wissen, ob ich farbenblind bin." (Noch auch: "Nur ich kann wissen, ob ich sehe, oder blind bin.")

84. Die Aussage "Ich sehe einen roten Kreis" und die "Ich sehe (bin nicht blind)" sind logisch nicht gleichartig. Wie prüft man die Wahrheit der ersten, wie die Wahrheit der zweiten?

85. Aber kann ich glauben zu sehen, und blind sein, oder glauben blind zu sein, und sehen?

86. Könnte in einem Lehrbuch der Psychologie der Satz stehen "Es gibt Menschen, welche sehen"? Wäre das falsch? Aber wem wird hier etwas mitgeteilt?

87. Wie kann es unsinnig sein zu sagen "Es gibt Menschen, welche sehen", wenn es nicht unsinnig ist zu sagen "Es gibt Menschen, welche blind sind"?

Aber angenommen, ich hätte nie von der Existenz blinder Menschen gehört und eines Tages teilt man mir mit "Es gibt Menschen, welche nicht sehen", müßte ich diesen Satz so ohne weiteres verstehen? Muß ich mir, wenn ich selber nicht blind bin, bewußt sein, daß ich die Fähigkeit des Sehens habe, und daß es also Leute geben kann, die sie nicht haben?

88. Wenn der Psychologe uns lehrt "Es gibt Menschen, welche sehen", so können wir ihn fragen: "Und was nennst Du 'Menschen, welche sehen'?" Darauf müßte die Antwort sein: Menschen, die unter den und den Umständen sich so und so benehmen.

Teil II.

1. Man könnte von dem Farbeindruck einer Fläche reden, womit nicht die Farbe gemeint wäre, sondern das Zusammen der Farbtöne, das den Eindruck einer braunen Fläche (z.B.) ergibt.

2. Die Beimischung des Weiß nimmt der Farbe das Farbige; dagegen nicht die Beimischung von Gelb. – Ist das am Grunde des Satzes, daß es kein klar durchsichtiges Weiß geben kann?

3. Was aber ist das für ein Satz: daß die Beimischung des Weißen der Farbe das Farbige nimmt?

Wie ich es meine, kann's kein physikalischer Satz sein.

Hier ist die Versuchung sehr groß, an eine Phänomenologie, ein Mittelding zwischen Wissenschaft und Logik, zu glauben.

4. Was ist denn das Wesentliche des Trüben? Denn rotes, gelbes Durchsichtiges ist nicht trübe, weißes ist trübe.

5. Ist trüb das, was die Formen verschleiert, und verschleiert es die Formen, weil es Licht und Schatten verwischt?

6. Ist nicht weiß das, was die Dunkelheit aufhebt?

7. Man redet zwar von 'schwarzem Glas', aber wer durch rotes Glas eine weiße Fläche sieht, sieht sie rot, durch 'schwarzes' Glas nicht schwarz.

8. Man bedient sich, um klar zu sehen, oft gefärbter Brillengläser, aber nie trüber.

9. "Die Beimischung von Weiß verwischt den Unterschied zwischen Hell und Dunkel, Licht und Schatten": bestimmt das die Begriffe näher? Ich glaube schon.

10. Wer das nicht fände, hätte nicht die entgegengesetzte Erfahrung; sondern wir würden ihn nicht verstehen.

11. In der Philosophie muß man immer fragen: "Wie muß man dieses Problem ansehen, daß es lösbar wird?"

12. Denn hier (wenn ich die Farben betrachte z.B.) ist da erst nur eine Unfähigkeit irgend eine Ordnung in den Begriffen zu machen.

Wir stehen da, wie der Ochs vor der neu gestrichenen Stalltür.

13. Denk daran, wie ein Maler die Durchsicht durch ein rötlich gefärbtes Glas darstellen würde. Es ist ja ein kompliziertes Flächenbild, was sich da ##ergiebt. D.h., das Bild wird nebeneinander eine Menge von Abschattungen von Rot und andern Farben enthalten. Und analog, wenn man durch ein blaues Glas sähe.

Wie aber, wenn man ein Bild malte, in dem dort, wo früher etwas bläulich oder rötlich wurde, es weißlich wird?

14. Ist der ganze Unterschied hier, daß die Farben durch den rötlichen Schein nicht ihre Sattheit verlieren, wohl aber durch den weißlichen?

Ja, man spricht gar nicht von einem 'weißlichen Schein'!

15. Wenn bei einer gewissen Beleuchtung alles weißlich aussähe, so würden wir nicht schließen, das Leuchtende müsse weiß ausschaun.

16. Die phänomenologische Analyse (wie sie z.B. Goethe wollte) ist eine Begriffsanalyse und kann der Physik weder ##beistimmen, noch widersprechen.

17. Wie aber, wenn es irgendwo so wäre: das Licht eines weißglühenden Körpers ließe die Sachen hell aber weißlich, also farbschwach, erscheinen, das Licht eines rotglühenden rötlich, etc.? (Nur eine unsichtbare, dem Auge nicht wahrnehmbare Quelle, ließe sie in Farben leuchten.)

18. Ja, wie wenn die Dinge nur dann in ihren Farben leuchteten, wenn, in unserm Sinne, kein Licht auf sie fällt, wenn z.B. der Himmel schwarz wäre? Könnte man dann nicht sagen: nur bei schwarzem Licht erscheinen uns die vollen Farben?

19. Aber wäre hier nicht ein Widerspruch?

20. Ich sehe nicht, daß die Farben der Körper Licht in mein Auge reflektieren.

Teil III.

24.3.50

1. ? In einem Bild muß das Weiß die hellste Farbe sein.

2. In der Tricolore kann z.B. das Weiß nicht dunkler sein als Blau und Rot.

3. Hier gibt es eine Art Farbmathematik.

26.3

4. Aber auch das reine Gelb ist heller als das reine, satte Rot, oder Blau. Und ist dies ein Satz der Erfahrung? – Ich weiß z.B. nicht, ob Rot (d.h. das reine) heller oder dunkler ist als Blau; ich müßte sie sehen, um es sagen zu können. Und doch, wenn ich es gesehen hätte, so wüßte ich's nun ein für alle mal, wie das Resultat einer Rechnung.

Wo trennen sich hier Logik und Erfahrung (Empirie)?

5. Das Wort, dessen Bedeutung nicht klar ist, ist "rein", oder "satt". Wie lernen wir diese Bedeutung? Wie zeigt es sich, daß Menschen das Gleiche damit meinen? Ich nenne eine Farbe (z.B. Rot) "satt", wenn sie weder Schwarz noch Weiß enthält, weder schwärzlich noch weißlich ist.

Aber diese Erklärung dient nur einer vorläufigen Verständigung.

6. Welche Wichtigkeit hat der Begriff der satten Farbe?

7. Es ist hier offenbar eine Tatsache wichtig: daß nämlich Menschen einem Punkt im Farbkreis eine besondere Stellung einräumen. Daß sie sich diesen Punkt nicht mühsam merken müssen, sondern Alle immer leicht zu demselben Punkt finden.

8. Gibt es eine 'Naturgeschichte der Farben', und wieweit ist sie analog einer Naturgeschichte der Pflanzen? Ist diese nicht zeitlich, jene unzeitlich?

9. Wenn wir sagen, daß "sattes Gelb ist heller als sattes Blau" kein Satz der Psychologie ist (denn nur so könnte er Naturgeschichte sein) – so heißt das: Wir verwenden ihn nicht als naturgeschichtlichen Satz, und die Frage ist dann: wie sieht die andere, unzeitliche, Verwendung aus?

10. Denn nur so ließe sich der 'farbmathematische' Satz vom naturgeschichtlichen unterscheiden.

11. Oder auch: die Frage ist die: kann man hier zwei Verwendungen (klar) unterscheiden?

12. Hast du dir zwei Farbtöne A und B eingeprägt, und A ist heller als B, und nennst du danach einen Farbton "A" und einen andern "B", dieser aber ist heller als jener: so hast du die Farbtöne falsch benannt. (Das ist Logik).

13. Der Begriff der 'satten' Farbe sei von solcher Art, daß das satte X nicht einmal heller, einmal dunkler sein kann als das satte Y; d.h., daß es keinen Sinn hat, zu sagen, es sei einmal heller, ein andermal dunkler. Dies ist eine Begriffsbestimmung und gehört wieder zur Logik.

Ob ein so bestimmter Begriff nützlich sei, oder nicht, ist hier nicht entschieden.

14. Es könnte dieser Begriff nur eine sehr beschränkte Verwendung haben. Und zwar darum, weil, was wir für gewöhnlich ein sattes X nennen, ein Farbeindruck innerhalb einer bestimmten Umgebung ist. Vergleichbar dem 'durchsichtigen' X.

15. Gib Beispiele von einfachen Sprachspielen mit dem Begriff der 'satten Farben'!

16. Ich nehme an, gewisse chemische Verbindungen, z.B. die Salze einer bestimmten Säure, hätten satte Farben und könnten so erkannt werden.

17. Oder es ließe sich die Heimat gewisser Blumen nach der Sattheit ihrer Farben erraten. So daß man z.B. sagen könnte: "Das muß eine Alpenblume sein, weil ihre Farbe so intensiv ist.”

18. In so einem Fall könnte es aber helleres und dunkleres sattes Rot etc. geben.

19. Und muß ich nicht zugeben, daß Sätze oft an der Grenze von Logik und Empirie gebraucht werden, so daß ihr Sinn über die Grenze hin und her wechselt und sie bald Ausdruck einer Norm sind, bald als Ausdruck der Erfahrung behandelt werden.

Denn es ist ja nicht der 'Gedanke' (eine psychische Begleiterscheinung), sondern seine Verwendung (etwas, was ihn umgibt), die den logischen Satz vom Erfahrungssatz unterscheidet.

20. Das falsche Bild verwirrt, das richtige Bild hilft.

21. Die Frage wird z.B. sein: Läßt sich, was "sattes Grün" heißt, dadurch beibringen, daß man lehrt,[1] was sattes Rot, oder Gelb, oder Blau ist?

22. Der 'Glanz', das 'Glanzlicht', kann nicht schwarz sein. Ersetzte ich das Helle der Glanzlichter in einem Bild durch Schwarze, so wären's nun nicht schwarze Glanzlichter: und zwar nicht einfach darum, weil in der Natur das Glanzlicht nur so und nicht anders entsteht, sondern auch weil wir auf ein Licht an dieser Stelle in bestimmter Weise reagieren. Eine Flagge mag gelb und schwarz, eine andere gelb und weiß sein.

23. Durchsichtigkeit im Bild gemalt wirkt anders als Undurchsichtigkeit.

24. Warum ist ein durchsichtiges Weiß nicht möglich? – Mal einen durchsichtigen roten Körper, und dann ersetze Rot durch Weiß!

Schwarz und Weiß haben bei der Durchsichtigkeit einer Farbe schon ihre Hand im Spiele.

Ersetzt du das Rot durch Weiß, so kommt der Eindruck der Durchsichtigkeit nicht mehr zustande; wie der Eindruck der Körperlichkeit nicht, wenn Du aus der Zeichnung  Bemerkungen ueber die Farben III-24-a.png  die Zeichnung  Bemerkungen ueber die Farben III-24-b.png  machtest.

27.3

25. Warum ist eine satte Farbe nicht einfach: diese, oder diese, oder diese, oder diese? – Weil man sie auf andere Art wiedererkennt, oder bestimmt.

26. Was uns mißtrauisch machen kann, ist, daß Manche drei Grundfarben zu erkennen glaubten, Manche vier. Manche hielten dafür, daß Grün eine Zwischenfarbe von Blau und Gelb sei, und mir z.B. kommt das falsch vor auch abgesehen von jeder Erfahrung.

Blau und Gelb, sowie Rot und Grün, erscheinen mir als Gegensätze – aber das mag einfach daherrühren, daß ich gewöhnt bin, sie im Farbenkreis an entgegengesetzten Punkten zu sehen.

Ja, welche Wichtigkeit hat für mich (sozusagen psychologisch) die Frage nach der Zahl der Reinen Farben?

27. Ich scheine ein logisch Wichtiges zu sehen: Wenn man Grün eine Zwischenfarbe von Blau und Gelb nennt, dann muß man z.B. auch sagen können, was ein nur leicht bläuliches Gelb heißt, oder ein nur etwas gelbliches Blau. Und diese Ausdrücke sagen mir gar nichts. Aber könnten sie nicht einem Andern etwas sagen?

Wer mir also die Farbe einer Wand so beschreibe, "Sie war ein etwas rötliches Gelb," den könnte ich so verstehen, daß ich aus einer Zahl von Mustern ein annähernd richtiges wählen könnte. Wer die Farbe aber so beschriebe, sie sei ein etwas bläuliches Gelb, dem könnte ich so ein Muster nicht zeigen. – Man pflegt hier zu sagen, man könne sich in einem Falle die Farbe vorstellen, im andern nicht, – aber dieser Ausdruck ist irreführend, denn man braucht hier gar nicht an das Auftauchen eines Bildes vor dem inneren Auge zu denken.

28. Wie es ein absolutes Gehör gibt und Leute, die es nicht besitzen, so könnte man sich doch denken, daß es mit Bezug auf das Farben sehen eine große Zahl verschiedener Veranlagungen gäbe.

Vergleiche z.B. den Begriff 'satte Farbe' mit 'warme Farbe'. Müßten alle Leute 'warme' und 'kalte' Farben kennen? Es sei denn, daß man sie einfach lehrt, eine bestimmte Disjunktion von Farben so, bezw. so zu nennen.

Könnte nicht z.B. ein Maler gar keinen Begriff von 'vier reinen Farben' haben, ja es lächerlich finden, von solchen zu reden?

29. Oder auch so: Was ginge Menschen ab, denen dieser Begriff gar nicht natürlich ist?

30. Frage so: Weißt du, was "rötlich" bedeutet? Und wie zeigst du, daß du's weißt?

Sprachspiele: "Zeige ein rötliches Gelb (Weiß, Blau, Braun)!" – "Zeige ein noch rötlicheres!" – "Ein weniger rötliches!" etc. Beherrschst du nun diese Spiele, so wird verlangt, "Zeig ein etwas rötliches Grün!” Nimm nun zwei Fälle an: Der eine: Du zeigst daraufhin auf eine Farbe (und immer auf die gleiche), z.B. (etwa) auf ein Olivgrün – der andere: Du sagst, "Ich weiß nicht, was das heißt," oder "Das gibt's nicht."

Man könnte geneigt sein zu sagen, der Eine habe einen andern Farbbegriff als der Andre; oder einen andern Begriff von '...lich.'

31. Wir reden von "Farbenblindheit" und nennen sie einen Defekt. Aber es könnte leicht mehrere verschiedene Anlagen geben, von denen keine gegen die andre offenbar minderwertig ist. – Und denk auch daran, daß ein Mensch durch's Leben gehen kann, ohne daß seine Farbenblindheit bemerkt wird, bis eine besondere Gelegenheit sie zum Vorschein bringt.

32. So können also verschiedene Menschen verschiedene Farbbegriffe haben? – Etwas verschiedene. In einem oder dem andern Zug verschiedene. Und das wird ihre Verständigung mehr, oder weniger, oft beinahe gar nicht beeinträchtigen.

33. Hier möchte ich eine allgemeine Bemerkung über die Natur der philosophischen Probleme machen. Die philosophische Unklarheit ist quälend. Sie wird als beschämend empfunden. Man fühlt: man kennt sich nicht aus, wo man sich auskennen sollte. Und dabei ist es doch nicht so. Wir können sehr wohl leben, ohne diese Unterscheidungen, auch ohne sich hier auszukennen.

34. Wie hängen Farbenmischung und "Zwischenfarbe" zusammen? Man kann offenbar von Zwischenfarben in einem Sprachspiel reden, worin Farben gar nicht durch Mischung erzeugt werden, sondern nur vorhandene Farbtöne gewählt werden.

Und doch ist ein Gebrauch des Begriffes der Zwischenfarbe auch, die Farbenmischung zu erkennen, die einen Farbton erzeugt.

35. Lichtenberg sagt, nur wenige Menschen hätten je reines Weiß gesehen. So verwenden also die Meisten das Wort falsch? Und wie hat er den richtigen Gebrauch gelernt? – Vielmehr: er hat aus dem tatsächlichen einen Idealgebrauch konstruiert. Wie man eine Geometrie konstruiert. Aber mit "Ideal" ist hier nicht etwas besonders Gutes, sondern nur etwas auf die Spitze getriebenes gemeint.

36. Und freilich kann so ein erfundener uns wieder über den wirklichen Gebrauch belehren.

Und es könnte auch sein, daß wir, z.B. für wissenschaftliche Zwecke, einen neuen Begriff des 'reinen Weiß' einführen.

(Ein solcher neuer Begriff entspräche dann etwa dem chemischen Begriff eines 'Salzes'.)

37. Inwiefern ist Weiß und Schwarz mit Gelb, Rot und Blau zu vergleichen, und inwiefern nicht?

Hätten wir eine gewürfelte Tapete aus roten, blauen, grünen, gelben, schwarzen und weißen Quadraten, so wären wir nicht geneigt zu sagen, sie sei aus zweierlei Bestandteilen zusammengesetzt, aus 'färbigen' und 'unfärbigen' etwa.

38. Denken wir uns nun, daß Menschen nicht farbige und schwarzweiß Bilder kontrastierten, sondern farbige und blau-weiß Bilder. D.h.: könnte nicht auch Blau als keine eigentliche Farbe empfunden (und d.h. gebraucht) werden?

39. Meinem Gefühl nach löscht Blau das Gelb aus, – aber warum sollte ich nicht ein etwas grünliches Gelb ein "bläuliches Gelb" nennen und Grün eine Zwischenfarbe von Blau und Gelb, und ein stark bläuliches Grün ein etwas gelbliches Blau?

40. In einem grünlichen Gelb merke ich noch nichts Blaues. – Grün ist für mich eine besondere Station auf dem farbigen Wege von Blau nach Gelb, und Rot ist auch eine.

41. Was hätte Einer vor mir voraus, der einen direkten Farbenweg zwischen Blau und Gelb kennte? Und wie zeigt es sich, daß ich so einen Weg nicht kenne? – Liegt alles an den mir möglichen Sprachspielen mit der Form "...lich"?

42. Man wird sich also fragen müssen: wie sähe es aus, wenn Menschen Farben kennten, die auch unsre Normalsichtigen nicht kennen? Diese Frage wird sich im allgemeinen nicht eindeutig beantworten lassen. Denn es ist nicht ohne weiteres klar, daß wir von solchen Abnormen sagen müssen, sie kennten andere Farben. Es gibt ja kein allgemein anerkanntes Kriterium dafür, was eine Farbe sei, es sei denn, daß es eine unsrer Farben ist.

Und doch ließen sich Umstände denken, unter welchen wir sagen würden, "Diese Leute sehen außer den unsern noch andere Farben."

28.3.

43. Man muß in der Philosophie nicht nur in jedem Fall lernen, was über einen Gegenstand zu sagen ist, sondern wie man über ihn zu reden hat. Man muß immer wieder erst die Methode lernen wie er anzugehen ist.

44. Oder auch: In jedem ernstern Problem reicht die Unsicherheit bis in die Wurzeln hinab.

45. Man muß immer gefaßt sein, etwas gänzlich Neues zu lernen.

46. In den Farben: Verwandschaft, und Gegensatz. (Und das ist Logik.)

47. Was heißt es, "Das Braun ist dem Gelb verwandt"?

48. Heißt es, daß sich die Aufgabe, ein etwas bräunliches Gelb zu wählen, ohne weiteres verstünde? (Oder ein etwas gelblicheres Braun.)

49. Die färbige Vermittlung zwischen zwei Farben.

50. "Gelb ist dem Rot verwandter als dem Blau." –

51. Der Unterschied zwischen Schwarz-Rot-Gold und Schwarz-Rot-Gelb. – Gold gilt hier als Farbe.

52. Tatsache ist, daß wir im Stande sind, uns über die Farben der Dinge mittels sechs Farbnamen zu verständigen. Auch, daß wir die Wörter "Rötlichgrün," "Gelblichblau" etc. nicht verwenden.

53. Beschreibung eines Zusammenlegspiels durch die Beschreibung der Steine. Ich nehme an, daß diese nie eine räumliche Form erkennen lassen, sondern uns als flache ein- oder mehrfarbige Stückchen erscheinen. Erst zusammengesetzt wird etwas ein 'Schatten', ein 'Glanz', eine 'konkave oder konvexe einfärbige Fläche' etc.

54. Ich kann sagen: Dieser Mann unterscheidet nicht Rot und Grün. Kann ich aber sagen: Wir Normalen unterscheiden Rot und Grün? Wir könnten aber sagen: "Wir sehen hier zwei Farben, jener nur eine."

55. Die Beschreibung der Phänomene der Farbenblindheit gehört zur Psychologie. Also auch die der Phänomene des normalen Farbensehens? Gewiß, – aber was setzt so eine Beschreibung voraus, und für wen ist es eine Beschreibung, oder besser: welcher Hilfsmittel bedient sie sich? Wenn ich sage, “Was setzt sie voraus?" so heißt das, "Wie muß Einer auf sie schon reagieren, um sie zu verstehen?" "Wer in einem Buch die Phänomene der Farbenblindheit beschreibt, beschreibt sie mit den Begriffen der Sehenden."

56. Dieses Papier ist an verschiedenen Stellen verschieden hell; aber kann ich sagen, es sei nur an gewissen Stellen weiß, an den andern aber grau?? – Ja, wenn ich es malte, würde ich allerdings für die dunklern Stellen ein Grau mischen.

Eine Flächenfarbe ist eine Qualität einer Fläche. Man könnte also versucht sein, sie keinen reinen Farbbegriff zu nennen. Aber was wäre dann ein reiner?!

57. Es ist nicht richtig, daß in einem Bild das Weiße stets die hellste Farbe sein muß. Wohl aber in einer flächenhaften Kombination von Farbflecken. Ein Bild könnte ein Buch weißen Papiers im Schatten darstellen und heller als dieses einen gelb, oder blau, oder rötlich leuchtenden Himmel. Beschreibe ich aber eine ebene Fläche, eine Tapete z.B.: sie bestehe aus rein gelben, roten, blauen, weißen und schwarzen Quadraten, so können die gelben nicht heller sein als die weißen, die roten nicht heller als die gelben.

Darum waren die Farben für Goethe Schatten.

58. Es scheint einen fundamentalern Farbbegriff zu geben, als den der Oberflächenfarbe. Er wäre, möchte man denken, darzustellen entweder durch kleine farbige Elemente des Gesichtsfeldes, oder durch leuchtende Punkte nach Art der Sterne. Aus diesen Punktfarben, oder kleinen Farbflecken setzten sich auch die größeren farbigen Ausdehnungen zusammen. So daß man also den Farbeindruck von einer Oberfläche beschreiben könnte, indem man die vielen kleinen Farbflecken in ihren Lagen angäbe.

Aber wie soll man z.B. so ein kleines Farbmuster mit einem Stück der größeren Oberfläche vergleichen? Welche Umgebung soll das Farbmuster haben?

59. Wir sind im gewöhnlichen Leben beinahe von lauter unreinen Farben umgeben. Um so merkwürdiger, daß wir einen Begriff von reinen Farben gebildet haben.

29.3

60. Warum reden wir nicht von einem 'reinen' Braun? Ist der Grund davon bloß die Stellung des Braun zu den andern 'reinen' Farben, seine Verwandschaft mit ihnen allen? – Braun ist vor allem nur Oberflächenfarbe. D.h.: es gibt kein klares Braun, sondern nur ein Trübes. Auch: Braun enthält Schwarz. – (?) – Wie müßte sich ein Mensch benehmen, daß man von ihm sagen könnte, er kenne ein reines, primäres, Braun?

61. Wir müssen uns immer wieder die Frage vorhalten: Wie lernt der Mensch die Bedeutung der Farbnamen?

62. Was heißt "Braun enthält Schwarz"? Es gibt mehr und weniger schwärzliches Braun. Gibt es eins, was gar nicht mehr schwärzlich ist? Es gibt gewiß nicht eins, welches gar nicht gelblich ist.

63. Wenn wir so weiter überlegen, so fallen uns nach und nach 'interne Eigenschaften' einer Farbe ein, an die wir anfangs nicht gedacht hatten. Und das kann uns den Gang einer philosophischen Untersuchung zeigen. Wir müssen immer gewärtig sein, daß eine neue, die wir nicht bedacht haben, uns einfällt.

64. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß unsre Farbwörter den Eindruck einer Fläche charakterisieren, auf der unser Blick herumschweift. Dazu sind sie da.

65. "Braunes Licht". Angenommen es werde vorgeschlagen, ein Lichtsignal auf der Straße sollte braun sein.

66. Es ist nur zu erwarten, daß wir Adjektive finden werden, die (wie ja z.B. "schillernd") Farbcharakteristika einer ausgedehnten Fläche sind, oder auch einer kleinen Ausdehnung in einer bestimmten Umgebung ("schimmernd", "flimmernd", "glänzend", "leuchtend").

67. Ja, die reinen Farben haben nicht einmal besondere allgemein gebrauchte Namen, so wenig wichtig sind sie uns.

68. Denken wir uns jemand malte jedes beliebige Stück der Natur, und zwar in den naturgetreuen Farben. Jeder Flächenteil so eines Gemäldes hat eine bestimmte Farbe. Welche Farbe? Wie bestimme ich ihren Namen? Soll sie den Namen des Pigments haben, das er aufgetragen hat, unter dem es z.B. zu kaufen ist? Aber könnte nicht in der besondern Umgebung ein solches Pigment ganz anders aussehen als auf der Palette?

69. So kämen wir also vielleicht dazu, kleinen Farbstückchen auf einem schwarzen Grund (z.B.) besondere Namen zu geben.

Ich will damit eigentlich zeigen, daß es gar nicht a priori klar ist, welches die einfachen Farbbegriffe sind.

30.3

70. Es ist nicht wahr, daß eine dunklere Farbe zugleich eine schwärzlichere ist. Das ist ja klar. Ein sattes Gelb ist dunkler, aber nicht schwärzlicher als ein Weißlichgelb. Aber Amber ist auch nicht ein 'schwärzliches Gelb'. (?) Und doch redet man, auch von einem 'schwarzen' Glas oder Spiegel. – Liegt die Schwierigkeit darin, daß ich mit "Schwarz" wesentlich eine Oberflächenfarbe meine?

Ich würde von einem Rubin nicht sagen, er habe ein schwärzliches Rot, denn das würde auf Trübe deuten. (Anderseits erinnere dich, daß sich Trübe und Durchsichtigkeit malen lassen.)

71. Ich behandle die Farbbegriffe ähnlich wie die Begriffe der Sinnesempfindungen.

72. Die Farbbegriffe sind ähnlich zu behandeln wie die Begriffe der Sinnesempfindungen.

73. Es gibt nicht den reinen Farbbegriff.

74. Woher aber dann die Täuschung? Ist sie nicht eine vorschnelle Vereinfachung in der Logik wie jede andre?

75. D.h.: die verschiedenen Farbbegriffe sind wohl eng mit einander verwandt, die verschiedenen 'Farbwörter' haben einen verwandten Gebrauch, aber es sind mancherlei Unterschiede.

76. Runge sagt, es gebe durchsichtige und undurchsichtige Farben. Aber ein Stück grünes Glas wird in einem Bild darum nicht mit einem andern Grün gemalt als grünes Tuch.

77. Es ist ein eigentümlicher Schritt der Malerei, ein Glanzlicht durch eine Farbe darzustellen.

78. Die Unbestimmtheit im Begriff der Farbe liegt vor allem in der Unbestimmtheit des Begriffs der Farbengleichheit, also der Methode des Vergleichen der Farben.

79. Es gibt Goldfarbe, aber Rembrandt hat einen goldenen Helm nicht mit Goldfarbe dargestellt.

80. Was macht Grau zu einer neutralen Farbe? Ist es etwas Physiologisches, oder etwas Logisches?

Was macht die bunten Farben zu bunten? Liegt es im Begriff, oder in Ursache und Wirkung?

Warum nimmt man in den 'Farbenkreis' nicht Weiß und Schwarz auf? Nur weil das gegen ein Gefühl in uns streitet?

81. Es gibt kein leuchtendes Grau. Gehört das zum Begriff des Grau, oder zur Psychologie, also zur Naturgeschichte, des Grau? Und ist es nicht seltsam, daß ich das nicht weiß?

82. Daß die Farben ihre charakteristischen Ursachen und Wirkungen haben, das wissen wir.

83. Grau ist zwischen zwei Extremen (Schwarz und Weiß), und kann eine Tönung von jeder andern Farbe annehmen.

84. Wäre es denkbar, daß jemand alles, was wir weiß sehen, schwarz sähe, und umgekehrt?

85. In einem bunten Muster könnte Schwarzes und Weißes neben Rotem und Grünem etc. sein, ohne als andersartig sich abzusondern.

Nur im Farbenkreis fiele es heraus. Schon weil sich Schwarz und Weiß mit allen andern Farben mischen; besonders auch: beide mit ihrem Gegenpol.

86. Kann man sich nicht vorstellen, daß Menschen eine andere Farbengeometrie hätten, als unsre normale? Und das heißt natürlich: kann man es beschreiben, kann man der Aufforderung es zu beschreiben ohne weiteres nachkommen, weiß man also unzweideutig, was von uns verlangt wird?

Die Schwierigkeit ist offenbar die: Zeigt uns nicht gerade die Farbengeometrie, wovon die Rede ist, daß nämlich von den Farben die Rede ist?

87. Die Schwierigkeit es sich vorzustellen (oder es sich auszumalen) ist also eigentlich die, zu wissen, wann man sich das ausgemalt hat. D.h., die Unbestimmtheit der Aufforderung, es sich vorzustellen.

88. Die Schwierigkeit ist also, zu wissen, was hier als das Analogon eines uns Bekannten zu betrachten ist.

89. Eine Farbe, die als Farbe einer Wand 'schmutzig' wäre, ist es darum nicht in einem Gemälde.

90. Ich bezweifle, daß Goethes Bemerkungen über die Charaktere der Farben für einen Maler nützlich sein können. Kaum für einen Dekorateur.

91. Gäbe es eine Harmonielehre der Farben, so würde sie etwa mit einer Einteilung der Farben in verschiedene Gruppen anfangen und gewisse Mischungen oder Nachbarschaften verbieten, andere erlauben; und sie würde, wie die Harmonielehre, ihre Regeln nicht begründen.

92. Kann uns das kein Licht aufstecken über die Art jener Unterscheidungen zwischen den Farben?

93. [Wir sagen nicht, A wisse etwas, B das Gegenteil. Setzt man aber statt "wissen" "glauben", so ist es ein Satz.]

94. Runge an Goethe: "Wenn man sich ein bläuliches Orange, ein rötliches Grün oder ein gelbliches Violett denken will, wird einem so zu Muthe wie bei einem südwestlichen Nordwinde."

Ebendaselbst: "Weiß sowohl als Schwarz sind beide undurchsichtig oder körperlich..... Weißes Wasser wird man sich nicht denken können, was rein ist, so wenig wie klare Milch. Wenn das Schwarze bloß dunkel machte, so könnte es wohl klar sein; da es aber schmutzt, so kann es solches nicht."

95. In meinem Zimmer um mich her sind verschieden gefärbte Gegenstände. Es ist leicht, ihre Farben anzugeben. Wenn ich aber gefragt würde, welche Farbe ich jetzt von hier aus, an dieser Stelle meines Tisches etwa, sehe, so könnte ich darauf nicht antworten; die Stelle ist weißlich (weil der braune Tisch hier von der hellen Wand aufgehellt wird), sie ist jedenfalls weit heller als das Übrige des Tisches, aber ich könnte nicht aus Farbmustern eins auswählen, das die gleiche Färbung hätte wie diese Stelle des Tisches.

96. Daß es mir – oder Allen – so scheint, daraus folgt nicht, daß es so ist.

Also: Daraus, daß uns Allen dieser Tisch braun erscheint, folgt nicht, daß er braun ist. Aber was heißt es nur: "Dieser Tisch ist am Ende doch nicht braun"? – So folgt also doch daraus, daß er uns braun erscheint, daß er braun ist?

97. Nennen wir nicht eben den Tisch braun, der dem Normalsichtigen unter gewissen Umständen braun erscheint? Wir könnten uns freilich jemand denken, dem die Dinge unabhängig von ihrer Farbe einmal so, einmal so gefärbt schienen.

98. Daß es den Menschen so scheint, ist ihr Kriterium dafür, daß es so ist.

99. So scheinen und so sein mag freilich in Ausnahmsfällen von einander unabhängig sein, aber das macht sie nicht logisch unabhängig; das Sprachspiel liegt nicht in der Ausnahme.

100. Goldig ist eine Oberflächen-farbe.

101. Wir haben Vorurteile die Verwendung der Wörter betreffend.

102. Auf die Frage "Was bedeutet 'rot', 'blau', 'schwarz', 'weiß'?", können wir freilich gleich auf Dinge, die so gefärbt sind, zeigen, – aber das ist auch alles: weiter geht unsre Fähigkeit die Bedeutungen zu erklären nicht.

103. Im übrigen machen wir uns von ihnen keine, oder eine ganz rohe, zum Teil falsche Vorstellung.

104. 'Dunkel' und 'schwärzlich' sind nicht der gleiche Begriff.

105. Runge sagt, das Schwarz 'schmutzt': was heißt das? Ist das eine Wirkung des Schwarzen auf's Gemüt? Ist hier eine Wirkung der Beimischung der schwarzen Farbe gemeint?

106. Worin liegt es, daß ein dunkles Gelb nicht als 'schwärzlich' empfunden werden muß, auch wenn wir es dunkel nennen?

Die Logik der Farbbegriffe ist eben viel komplizierter als es scheinen möchte.

107. Die Begriffe 'matt' und 'glänzend'. Wenn man sich unter 'Farbe' etwas denkt, was die Eigenschaft eines Punktes im Raum ist, dann haben die Begriffe matt und glänzend keinen Bezug auf diese Farbbegriffe.

108. Die erste 'Lösung' für das Problem der Farben, die uns einfällt, ist daß die 'reinen' Farbbegriffe sich auf Punkte oder unteilbare kleine Flecken im Raum beziehen. Frage: wie sind die Farben zweier solchen Punkte zu vergleichen? Einfach indem man den Blick von dem einem zum andern wendet? Oder durch den Transport eines farbigen Gegenstands? Wenn dieses, wie weiß man, daß dieser Gegenstand seine Farbe dabei nicht geändert hat; wenn jenes, wie kann man die Farbpunkte mit einander vergleichen, ohne daß der Vergleich durch ihre Umgebung beeinflußt wird?

109. Ich könnte mir einen Logiker vorstellen, der erzählt, er sei jetzt dahin gelangt, daß er 2 × 2 = 4 wirklich denken könne.

110. Wenn du dir über die Rolle der Logik in den Farbbegriffen nicht klar bist, beginne mit dem einfachen Fall eines gelblichen Rot, z.B.. Dies gibt es, daran zweifelt niemand. Wie lerne ich den Gebrauch des Wortes "gelblich"? Durch Sprachspiele des Ordnens z.B.

Ich kann also lernen, in Übereinstimmung mit andern, gelbliche und gelblichere Rot, Grün, Braun und Weiß zu erkennen.

Dabei mache ich selbstständige Schritte wie in der Arithmetik. Die Aufgabe, ein gelbliches Blau zu finden, mag der Eine durch ein Grünblau lösen, der Andre nicht verstehen. Wovon hängt das ab?

111. Ich sage Grünblau enthält kein Gelb; wenn mir ein Andrer sagt, doch, es enthält Gelb, wer hat Recht? Wie ist es zu prüfen? Unterscheiden sich die beiden nur durch ihre Worte? – Wird nicht der Eine ein reines Grün anerkennen, das weder zum Blauen noch zum Gelben neigt? Und was ist der Nutzen hievon? In welchen Sprachspielen läßt sich das verwenden? – Er wird jedenfalls die Aufgabe lösen können, grüne Dinge auszusondern, die nichts Gelbliches haben, und solche, die kein Blau enthalten. Darin wird der Trennungspunkt 'Grün' bestehen, den der Andre nicht kennt.

112. Der Eine wird ein Sprachspiel erlernen können, das der Andre nicht erlernen kann. Und darin muß ja auch alle Art der Farbenblindheit bestehen. Denn könnte der 'Farbenblinde' die Sprachspiele des Normalen lernen, warum sollte man ihn von gewissen Berufen ausschließen?

113. Hätte man also Runge auf diesen Unterschied von Grün und Orange aufmerksam gemacht, so hätte er vielleicht die Idee, es gäbe nur drei Grundfarben, aufgegeben.

114. Inwiefern nun gehört, ob einer ein Spiel erlernen oder nicht erlernen kann, der Logik und nicht der Psychologie an?

115. Ich sage: Wer dies Spiel nicht spielen kann, hat diesen Begriff nicht.

116. Wer hat den Begriff 'morgen'? Von wem sagen wir, er hätte ihn?

117. Ich sah auf einer Photographie einen Buben mit glatt zurückgekämmtem blondem Haar und einer schmutzigen hellen Jacke und einen Mann mit dunklem Haar vor einer Maschine stehen, die zum Teil aus schwarz gestrichenen Gußteilen, teils aus bearbeiteten, glatten Wellen, Zahnrädern u.a. bestand, und daneben ein Gitter aus hellem verzinktem Draht. Das bearbeitete Eisen hatte Eisenfarbe, das Haar des Jungen war blond, die Gußteile schwarz, das Gitter zinkfarbig, obgleich alles nur durch hellere und dunklere Töne des photographischen Papiers dargestellt war.

118. Es mag Geistesschwache geben, denen man den Begriff 'morgen' nicht beibringen kann, oder den Begriff 'ich', oder das Ablesen der Uhrzeit. Er würde den Gebrauch des Wortes "morgen" nicht erlernen etc.

119. Wem kann ich nun mitteilen, was dieser Geistesschwache nicht erlernen kann? Nicht nur dem, der es selbst erlernt hat? Kann ich Einem nicht mitteilen, der und der könnte höhere Mathematik nicht erlernen, auch wenn jener sie nicht beherrscht? Und doch: weiß er, wer höhere Mathematik gelernt hat, nicht genauer? Versteht nicht der das Wort "Schach" anders, der das Spiel gelernt hat, als der es nicht kann? Was nennt man "eine Technik beschreiben"?

120. Oder so: Haben der Normalsehende und der Farbenblinde den gleichen Begriff der Farbenblindheit?

Und doch versteht der Farbenblinde die Aussage "Ich bin farbenblind" und auch die gegenteilige.

Ein Farbenblinder kann nicht nur unsre Farbnamen sondern auch das Wort "farbenblind" nicht ganz so verwenden lernen wie ein Normaler. Er kann z.B. die Farbenblindheit nicht immer feststellen, wo der Normale es kann.

121. Und wem kann ich beschreiben, was wir Normalen alles erlernen können?

Auch das Verstehen der Beschreibung setzt schon voraus, daß er etwas gelernt hat.

122. Wie kann ich Einem beschreiben, wie wir das Wort "morgen" gebrauchen? Ich kann ein Kind dies lehren; aber das heißt nicht, ihm den Gebrauch beschreiben.

Aber kann ich doch die Praxis von Leuten beschreiben, die einen Begriff haben, z.B. 'rötlichgrün', den wir nicht besitzen? – Ich kann diese Praxis doch jedenfalls niemand lehren.

123. Kann ich denn auch nur sagen: "Diese Leute nennen dies (ein Braun etwa) rötlichgrün"? Wäre es dann eben nur ein andres Wort für etwas, wofür auch ich eins habe? Wenn sie wirklich einen anderen Begriff haben als ich, so muß sich das darin zeigen, daß ich mich in ihrem Wortgebrauch nicht ganz auskenne.

124. Ich habe aber doch immer wieder gesagt, man könnte sich denken, daß unsre Begriffe anders wären, als sie sind. War das alles Unsinn?

11.4

125. Die Goethesche Lehre von der Entstehung des Spektrums ist nicht eine Theorie der Entstehung, eine die sich als ungenügend erwiesen hat, sondern eigentlich gar keine Theorie. Es läßt sich durch sie nichts vorhersagen. Sie ist eher ein vages Denkschema nach Art derer, die wir in James's Psychologie finden. Es gibt für die Goethesche Farbenlehre kein experimentum crucis.

Wer mit Goethe übereinstimmt findet, daß Goethe die Natur der Farbe richtig erkannt hat. Und die 'Natur' ist hier nicht eine Summe von Erfahrungen, die Farben betreffend, sondern [liegt] im Begriff der Farbe.

126. Eins war Goethe klar: Aus Dunkelheiten kann sich kein Helles zusammensetzen – wie eben aus mehr und mehr Schatten nicht Licht entsteht. Das aber ließe sich so ausdrücken: Wenn man z.B. Lila ein "rötlich-weißlich-blau" nennt, oder Braun ein "rötlich-schwärzlich-gelb", so kann man nun Weiß kein "gelblich-rötlich-grünlich-blau" (oder dergleichen) nennen. Und das wird auch von Newton nicht bewiesen. Weiß ist nicht in diesem Sinne eine Mischfarbe.

12.4

127. 'Die Farben', das sind nicht Dinge, die bestimmte Eigenschaften haben, so daß man ohne weiteres nach Farben suchen, sich Farben vorstellen könnte, die wir noch nicht kennen, oder uns jemand vorstellen können, der andere kennt als wir. Es ist schon möglich, daß wir unter gewissen Umständen sagen würden, Leute kennten Farben, die wir nicht kennen, aber gezwungen sind wir zu diesem Ausdruck nicht. Denn es ist nicht gesagt, was wir als ausreichende Analogien zu unsern Farben ansehen sollen, um das sagen zu können. Es ist hier ähnlich, wie wenn man von infrarotem 'Licht' spricht; es ist guter Grund dafür, es zu tun, aber man kann dies auch für einen Mißbrauch erklären.

Und ähnlich geht es mit meinem Begriffe: 'im Körper des Andern Schmerzen haben'.

128. Ein Stamm von lauter Farbenblinden könnte sehr wohl leben; aber hätten sie alle unsre Farbnamen entwickelt, und wie entspräche ihre Nomenklatur der unsern? Wie sähe hier die ihnen natürliche Sprache aus?? Wissen wir's? Hätten sie vielleicht drei Grundfarben: Blau, Gelb und ein Drittes, was die Stelle von Rot und Grün einnimmt? – Wie, wenn wir so einem Stamm begegneten und seine Sprache lernen wollten? Wir würden da auf gewisse Schwierigkeiten stoßen.

129. Könnte es nicht Menschen geben, die unsre Ausdruckweise, daß Orange ein rötliches Gelb ist (etc.) nicht verstünden und die nur dort geneigt wären, so etwas zu sagen, wo ein Orange (z.B.) in einem wirklichen Farbübergang von Rot nach Gelb vorkommt? Und für solche könnte es auch leicht ein rötliches Grün geben.

Sie könnten also nicht 'die Mischfarbe analysieren', unsern Gebrauch von X-lich Y nicht erlernen. (Ähnlich Menschen ohne absolutes Gehör.)

130. Und wie wäre es mit den Menschen, die nur Farb-Form Begriffe hätten? Soll ich von ihnen sagen, sie sähen nicht, daß ein grünes Blatt und ein grüner Tisch, wenn ich ihnen diese zeige, die gleiche Farbe haben, oder: daß sie etwas gemein haben? Wie, wenn sie 'darauf nicht verfallen sind' verschieden geformte gleichfärbige Gegenstände mit einander zu vergleichen? Dieser Vergleich hatte, in Folge ihrer besonderen Umgebung, keine Wichtigkeit für sie, oder nur ganz ausnahmsweise Wichtigkeit, so daß es zur Bildung eines Sprachinstruments nicht kam.

131. Ein Sprachspiel: Über die größere Helligkeit oder Dunkelheit von Körpern berichten. – Aber nun gibt es ein damit verwandtes: über das Verhältnis der Helligkeiten bestimmter Farben auszusagen. (Zu vergleichen: Verhältnis der Längen zwei bestimmter Stäbe – Verhältnis zwei bestimmter Zahlen).

Die Form der Sätze in beiden ist die gleiche ("X heller als Y"). Aber im ersten Sprachspiel sind sie zeitlich, im zweiten unzeitlich.

132. In einer bestimmten Bedeutung von "weiß" ist Weiß die hellste aller Farben.

In einem Bild, in welchem ein Stück weißes Papier seine Helligkeit vom blauen Himmel kriegt, ist dieser heller als das Weiße. Und doch ist, in anderm Sinne, Blau die dunklere, Weiß die hellere Farbe (Goethe). Von einem Weiß und einem Blau auf der Palette, wäre dies heller als jenes. Auf der Palette ist das Weiß die hellste Farbe.

133. Ich mag mir ein bestimmtes Grau-grün so einprägen, daß ich es ohne ein Muster immer richtig wiedererkenne. Das reine Rot (Blau etc.) aber kann ich mir sozusagen immer wieder konstruieren. Es ist eben ein Rot, welches weder auf die eine noch auf die andre Seite neigt, und ich erkenne es ohne ein Muster, wie z.B. den rechten Winkel im Gegensatz zu einem beliebigen spitzen oder stumpfen.

134. In diesem Sinne gibt es nun vier (oder mit Weiß und Schwarz sechs) reine Farben.

135. Eine Naturgeschichte der Farben müßte über ihr Vorkommen in der Natur berichten, nicht über ihr Wesen. Ihre Sätze müßten zeitliche Sätze sein.

136. Nach Analogie mit den andern Farben müßte eine schwarze Zeichnung auf weißem Grunde, gesehen durch ein durchsichtiges weißes Glas, unverändert als schwarze Zeichnung auf weißem Grunde erscheinen. Denn Schwarz muß Schwarz bleiben und Weiß, da es auch die Farbe des durchsichtigen Körpers ist, bleibt unverändert.

137. Man könnte sich ein Glas denken, wodurch Schwarz als Schwarz, Weiß als Weiß und alle andern Farben als Töne von Grau gesehen werden; sodaß, dadurch gesehen, alles wie auf einer Photographie ausschaut.

Aber warum sollte ich das "weißes Glas" nennen?

138. Die Frage ist: Ist die Bildung 'ein durchsichtiger weißer Körper' wie die 'regelmäßiges Zweieck'?

139. Ich kann einen Körper betrachten und etwa eine matte weiße Fläche sehen, d.h. den Eindruck so einer Fläche erhalten, oder den Eindruck der Durchsichtigkeit (ob sie nun vorhanden ist oder nicht). Dieser Eindruck mag durch die Verteilung der Farben hervorgebracht werden und an ihm sind Weiß und die andern Farben nicht in gleicher Weise beteiligt.

(Ich habe eine grünlich angestrichene Blechkuppel für durch scheinendes grünliches Glas gehalten, ohne zur Zeit zu wissen, welche Besonderheit der Farbenverteilung diesen Schein hervorbrachte.)

140. Und in dem Gesichtseindruck eines durchsichtigen Körpers kann wohl Weiß vorkommen, z. B. als Spiegelung, als Glanzlicht. D.h.: Wenn der Eindruck als durchsichtig empfunden wird, wird das Weiß, was wir sehen, eben nicht als Weiß des Körpers gedeutet.

141. Ich schaue durch ein durchsichtiges Glas: folgt daraus, daß ich nicht Weiß sehe? Nein, aber ich sehe nicht das Glas als weiß. Aber wie geht das zu? Es kann auf verschiedene Weise zugehen. Ich mag das Weiß mit beiden Augen als dahinterliegend sehen. Aber ich mag das Weiß auch einfach durch seine Stellung als Glanz sehen (auch wenn es vielleicht kein Glanz ist). Und doch handelt sich's hier um ein Sehen, nicht nur um ein Dafürhalten. Und es ist auch gar nicht zweiäugiges Sehen nötig, um etwas als hinter dem Glas liegend zu sehen.

142. Die verschiedenen Farben haben mit dem räumlichen Sehen nicht alle den gleichen Zusammenhang.

143. Und es ist gleichgültig, ob man dies durch die in der Kindheit von uns gesammelte Erfahrung erklärt, oder nicht.

144. Jener Zusammenhang ist wohl der zwischen Räumlichkeit und Licht und Schatten.

145. Man kann auch nicht sagen, Weiß sei wesentlich die Eigenschaft einer – visuellen – Oberfläche. Denn es wäre denkbar, das Weiß nur als Glanzlicht vorkäme, oder als Farbe einer Flamme.

146. Ja es kann auch ein in Wirklichkeit durchsichtiger Körper uns weiß erscheinen; aber er kann uns nicht als weiß und durchsichtig erscheinen.

147. Das aber sollte man nicht so ausdrücken: Weiß sei keine durchsichtige Farbe.

148. 'Durchsichtig' ließe sich mit 'spiegelnd' vergleichen.

149. Ein Element des Gesichtsraums kann weiß oder rot sein, aber weder durchsichtig noch undurchsichtig.

150. Durchsichtigkeit und Spiegeln gibt es nur in der Tiefendimension eines Gesichtsbildes.

151. Warum kann eine visuell einfarbige Ebene im Gesichtsfeld nicht bernsteinfarbig (amber) sein? Dies Farbwort bezieht sich auf ein durchsichtiges Medium; wenn daher ein Maler ein Glas mit bernsteinfarbenem Wein malt, so könnte man etwa die Fläche des Bildes, die es darstellt, "bernsteinfarbe" nennen, aber nicht ein einfarbiges Element dieser Fläche.

152. Könnten nicht auch glänzendes Schwarz und mattes Schwarz verschiedene Farbnamen haben?

153. Von etwas, was durchsichtig ausschaut, sagen wir nicht, es schaue weiß aus.

154. "Kann man sich nicht denken, daß Menschen eine andere Farbengeometrie hätten als wir?" – D.h. doch: Kann man sich nicht Menschen mit andern Farbbegriffen denken als den unsern; und das heißt wieder: Kann man sich nicht vorstellen, daß Menschen unsre Farbbegriffe nicht haben, und daß sie Begriffe haben, die mit unsern Farbbegriffen in solcher Weise verwandt sind, daß wir sie auch "Farbbegriffe" nennen möchten?

155. Wenn Menschen gewöhnt wären, immer nur grüne Quadrate und rote Kreise zu sehen, so könnten sie einen grünen Kreis mit Mißtrauen wie eine Mißgeburt betrachten und z.B. sogar sagen, es sei eigentlich ein Rotkreis, habe aber etwas von einem ...

Wenn Menschen nur Formfarbbegriffe hätten, so hätten sie also ein eigenes Wort für rotes Quadrat und ein eigenes für roten Kreis und eins für grünen Kreis, etc. Sehen sie aber nun eine neue grüne Figur, soll ihnen da keine Ähnlichkeit mit dem grünen Kreis, etc., auffallen? Und soll ihnen keine Ähnlichkeit zwischen grünem und rotem Kreis auffallen? Aber wie will ich, daß es sich zeige, daß ihnen die Ähnlichkeit auffällt?

Sie könnten z.B. einen Begriff des Zusammenpassens' haben; und dennoch nicht darauf verfallen, Farbwörter zu gebrauchen.

Es gibt ja auch Stämme, die nur bis 5 zählen, und diese haben wahrscheinlich die Notwendigkeit nicht empfunden, zu beschreiben, was so nicht zu beschreiben ist.

156. Runge: "Schwarz schmutzt". Das heißt, es nimmt der Farbe die Buntheit, aber was heißt das? Schwarz nimmt der Farbe die Leuchtkraft. Aber ist das etwas Logisches, oder etwas Psychologisches? Es gibt ein leuchtendes Rot, ein leuchtendes Blau etc., aber kein leuchtendes Schwarz. Schwarz ist die dunkelste der Farben. Man sagt "tief schwarz", aber nicht "tief weiß".

'Ein leuchtendes Rot' heißt aber nicht ein helles Rot. Auch ein dunkles Rot kann leuchten. Aber eine Farbe leuchtet durch ihre Umgebung, in ihrer Umgebung.

Grau aber leuchtet nicht.

Nun scheint aber Schwarz eine Farbe zu trüben, Dunkelheit jedoch nicht. Ein Rubin also könnte danach immer dunkler werden, ohne doch je trüb zu werden, würde er aber schwarzrot, so würde er trüb. Nun, Schwarz ist eine Oberflächenfarbe. Das Dunkel nennt man keine Farbe. Im Gemälde kann das Dunkel auch durch Schwarz dargestellt werden.

Der Unterschied zwischen Schwarz und, etwa einem dunkeln Violett ist ähnlich dem zwischen dem Klang der großen Trommel und dem Klang einer Pauke. Vom ersten sagt man, es sei ein Geräusch, kein Ton. Es ist matt und ganz schwarz.

157. Sieh dein Zimmer am späten Abend an, wenn Farben kaum mehr zu unterschieden sind; und nun mach Licht und male was du im Dämmerlicht gesehen hast. Es gibt Bilder von Gegenden oder Räumen im Halbdunkel: Aber wie vergleicht man die Farben auf so einem Bild mit den im Halbdunkel gesehenen? Wie verschieden ist diese Vergleichung von der zweier Farbmuster, die ich zugleich vor mir habe und zum Vergleich aneinander lege!

158. Was läßt sich dafür sagen, daß Grün eine primäre Farbe ist und keine Mischfarbe von Blau und Gelb? Wäre diese Antwort richtig hier: "Man kann das nur direkt erkennen, indem man die Farben betrachtet"? Aber wie weiß ich, daß ich dasselbe mit den Worten "primäre Farbe" meine wie ein Andrer, der auch geneigt ist, Grün eine primäre Farbe zu nennen? Nein, hier gibt es Sprachspiele, die diese Frage entscheiden.

Es gibt ein mehr oder weniger bläuliches (oder gelbliches) Grün und es gibt die Aufgabe, zu einem gegebenen Gelblichgrün (oder Blaugrün) ein weniger gelbliches (oder bläuliches) zu mischen, oder aus einer Anzahl von Farbmustern auszuwählen. Ein weniger gelbliches ist aber kein bläulicheres Grün (u.u.), und es gibt auch die Aufgabe, ein Grün zu wählen – oder zu mischen – das weder gelblich noch bläulich ist. Und ich sage "oder zu mischen", weil ein Grün dadurch nicht zugleich gelblich und bläulich, weil es etwa durch ein Mischen von Gelb und Blau zustandekommt.

159. Denke daran, daß in einer glatten weißen Fläche Dinge sich spiegeln können, deren Spiegelbilder also hinter der Flache zu liegen scheinen und in gewissem Sinn durch sie gesehen werden.

160. Wenn ich von einem Papier sage, es sei rein weiß und es würde Schnee danebengehalten und es sähe nun grau aus, so würde ich es in seiner normalen Umgebung und für die gewöhnlichen Zwecke weiß, nicht hellgrau nennen. Es könnte sein, daß ich, im Laboratorium etwa, einen andern in gewissem Sinn verfeinerten Begriff von Weiß verwendete. (Wie ich dort manchmal auch einen verfeinerten Begriff der 'genauen' Zeitbestimmung verwende.)

161. Die reinen satten Farben haben eine ihnen spezifische wesentliche relative Helligkeit. Gelb z.B. ist heller als Rot. Ist Rot heller als Blau? Ich weiß es nicht.

162. Wer den Begriff der Zwischenfarben erhalten hat, seine Technik beherrscht, wer also zu gegebenen Farbtönen weißlichere, gelblichere, bläulichere finden, oder mischen kann, u.s.f., den fordere man nun auf, ein rötliches Grün zu wählen oder zu mischen.

163. Wem ein Rötlichgrün bekannt wäre, der sollte im Stande sein, eine Farbenreihe herzustellen, die mit Rot anfinge, mit Grün endet und, auch für uns, etwa einen kontinuierlichen Übergang zwischen ihnen bildet. Es könnte sich dann zeigen, daß dort, wo wir etwa jedesmal den gleichen Ton von Braun sähen, er einmal Braun, einmal Rötlichgrün sähe. Daß er z.B. zwei chemische Verbindungen, die für uns die gleiche Farbe hätten, nach der Farbe unterscheiden könnte und die eine "ein Braun", die andre ein "Rötlichgrün" nennte.

164. Um die Phänomene der Rotgrünblindheit zu beschreiben, brauche ich nur zu sagen, was der Rotgrünblinde nicht erlernen kann; um aber die Phänomene des normalen Sehens' zu beschreiben, müßte ich aufzählen, was wir tun können.

165. Wer die 'Phänomene der Farbenblindheit' beschreibt, beschreibt ja nur die Abweichungen des Farbenblinden vom Normalen, nicht auch sein ganzes übriges Sehen.

Aber könnte sie nicht auch die Abweichungen des normalen Sehens von totaler Blindheit beschreiben? Man könnte fragen: zu wessen Belehrung? Kann man mich davon unterrichten, daß ich einen Baum sehe?

Und was ist ein 'Baum' und was 'sehen'?

166. Man kann z.B. sagen: So handelt der Mensch mit einer Binde vor den Augen, und so der Sehende ohne Binde. Mit einer Binde reagiert er so und so, ohne Binde geht er schnell auf der Gasse, begrüßt seine Bekannten, nickt Diesem und Jenem zu, vermeidet beim Überqueren leicht die Wagen und Zweiräder, usw., usw. Schon den Neugeborenen erkennt man als Sehenden daran, daß er Bewegungen mit den Augen folgt. Etc. etc. – Die Frage ist: Von wem soll die Beschreibung verstanden werden? Nur vom Sehenden, oder auch vom Blinden?

Es ist z.B. sinnvoll zu sagen "Der Sehende unterscheidet mit den Augen einen unreifen Apfel von einem reifen". Aber nicht: "Der Sehende unterscheidet einen grünen von einem roten Apfel." Denn was ist 'rot' und 'grün'?

Randbemerkung: "Der Sehende unterscheidet einen Apfel, der ihm grün scheint, von einem, der ihm rot scheint."

Aber kann ich nicht sagen, "Ich unterscheide einen solchen Apfel von einem solchen" (indem ich auf einen roten und grünen zeige)? Aber wie, wenn jemand auf zwei für mich ganz gleiche Äpfel zeigt und das sagte?! Anderseits könnte er mir sagen "Für dich sehen diese beiden ganz gleich aus, du könntest sie daher verwechseln; aber ich sehe einen Unterschied, ich kann jeden jederzeit wiedererkennen." Das kann durch einen Versuch bestätigt werden.

167. Welche Erfahrung lehrt mich, daß ich Rot und Grün unterscheide?

168. Die Psychologie beschreibt die Phänomene des Sehens. Wem macht sie die Beschreibung? Welche Unwissenheit kann diese Beschreibung beheben?

169. Wenn ein Sehender nie von einem Blinden gehört hätte, – könnte man ihm das Verhalten der Blinden nicht beschreiben?

170. Ich kann sagen: "Der Farbenblinde kann einen grünen Apfel von einem roten nicht unterscheiden", und das läßt sich zeigen. Kann ich aber sagen: "Ich kann einen grünen Apfel von einem roten unterscheiden?" Nun, etwa: durch den Geschmack. – Aber doch z.B.: "Ich kann einen Apfel, den ihr 'grün' nennt, von einem, den ihr 'rot' nennt, unterscheiden," also "Ich bin nicht farbenblind".

171. Dieses Papier ist an verschiedenen Stellen verschieden hell; aber sieht es mir an den dunkleren Stellen grau aus? Der Schlagschatten meiner Hand ist zum Teil grau. Wo sich das Papier vom Licht wegneigt aber, sehe ich es weiß, wenn auch dunkler, auch wenn ich, um es zu malen, ein grau mischen müßte. Ist damit nicht ähnlich, daß man den entfernteren Gegenstand oft nur als entfernter nicht aber kleiner sieht? Daß man also nicht sagen kann "Ich merke, daß er kleiner ausschaut und schließe daraus, daß er entfernter ist", sondern ich merke, daß er entfernter ist, ohne sagen zu können, wie ich's merke.

172. Der Eindruck des (färbigen) durchsichtigen Mediums ist der, daß etwas hinter dem Medium liegt. Vollkommene Einfärbigkeit des Gesichtsbilds kann daher nicht durchsichtig sein.

173. Etwas Weißes hinter einem gefärbten durchsichtigen Medium erscheint in der Farbe des Mediums, etwas Schwarzes schwarz. Nach dieser Regel muß eine schwarze Zeichnung auf weißen Papier hinter einem weißen durchsichtigen Medium so erscheinen wie hinter einem farblosen.

Das ist hier nicht ein Satz der Physik, sondern eine Regel der räumlichen Deutung unserer Gesichtserfahrung. Man könnte auch sagen, es sei eine Regel für den Maler: "Wenn du etwas Weißes hinter einem durchsichtigen Roten darstellen willst, so mußt du's rot malen." Malst du's weiß, so sieht es nicht hinter der Roten liegend aus.

174. Dort, wo das weiße Papier nur um ein Weniges schwächer beleuchtet ist, erscheint es keineswegs grau, sondern immer weiß.

175. Die Frage ist: Wie muß unser Gesichtsbild beschaffen sein, wenn es uns ein durchsichtiges Medium zeigen soll? Wie muß z.B. die Farbe des Mediums zur Geltung kommen? Sprechen wir physikalisch – obwohl es uns hier nicht unmittelbar auf Gesetze der Physik ankommt – so müßte durch ein rein grünes Glas alles mehr oder weniger dunkel Grün ausschauen. Der hellste Ton wäre der des Mediums. Was man dadurch sieht, hat also Ähnlichkeit mit einer Photographie. Überträgt man das auf's weiße Glas, so sollte alles wieder wie photographiert ausschauen, aber in Tönen zwischen Weiß und Schwarz. Und warum sollte man so ein Glas, – wenn es eins gäbe – nicht weiß nennen wollen? Spricht irgend etwas dagegen, bricht die Analogie mit anders gefärbten Gläsern irgendwo zusammen?

176. Ein grüner Glaswürfel sieht, wenn er vor uns liegt, grün aus: Der Gesamteindruck ist grün; so sollte also der des weißen Würfels weiß sein.

177. Wo muß der Würfel weiß erscheinen, damit wir ihn weiß und durchsichtig nennen können?

178. Gibt es darum kein Analogon mit Weiß zu einem durchsichtigen grünen Glas, weil die Verwandtschaften und Gegensätze zwischen Weiß und den übrigen Farben anders sind als zwischen Grün und ihnen?

179. Fällt Licht durch rotes Glas, so wirft es einen roten Schein; wie sieht nun ein weißer Schein aus? Soll Gelb im weißen Schein weißlich werden, oder bloß hell? Und Schwarz grau, oder soll es Schwarz bleiben?

180. Wir kümmern uns hier nicht um die Tatsachen der Physik, außer insofern sie Gesetze des Augenscheins bestimmen.

181. Es ist nicht ohne weiters klar, von welchem durchsichtigen Glas man sagen soll, es habe die 'gleiche Farbe' wie ein Stück grünes Papier.

182. Ist z.B. das Papier rosa, lila, himmelblau, so wird man sich das Glas etwa trübe denken, aber man könnte auch ein nur schwach rötliches etc. klares Glas meinen. Darum wird manchmal etwas farbloses "weiß" gennant.

183. Die Farbe eines durchsichtigen Glases, könnte man sagen, sei die, in welcher eine weiße Lichtquelle, dadurch gesehen, erscheint.

Ungetrübt weiß aber erscheint diese durch ein farbloses Glas.

184. Im Kino ist es oft möglich die Vorgänge im Film so zu sehen, als lägen sie hinter der Leinwandebene und diese sei durchsichtig wie eine Glastafel. Zugleich aber würde sie den Vorgängen ihre Farbe nehmen und nur Weiß, Grau und Schwarz durchlassen. Nun ist man aber nicht versucht, sie eine durchsichtige weiße Glastafel zu nennen.

Wie würde man denn Dinge durch eine grüne Glastafel sehen? Ein Unterschied wäre natürlich, daß diese den Unterschied zwischen hell und dunkel vermindern würde, während jene andre diesen Unterschied nicht berühren soll. Eine 'graue durchsichtige' Tafel würde ihn dann etwa vermindern.

185. Von einer grünen Glastafel würde man etwa sagen, sie gäbe Dingen ihre Farbe. Tut das aber meine 'weiße' Tafel? – Gibt das grüne Medium den Dingen seine Farbe, dann vor allem den weißen.

186. Eine dünne Schicht eines gefärbten Mediums färbt die Dinge nur schwach: Wie soll ein dünnes 'weißes' Glas sie färben? Soll es ihnen noch nicht alle Farbe entziehen?

187. "Weißes Wasser wird man sich nicht denken können, was rein ist, ..." Das heißt: man kann nicht beschreiben, wie etwas weißes Klares aussähe, und das heißt: man weiß nicht, welche Beschreibung von Einem durch diese Worte gefordert wird.

188. Wir wollen keine Theorie der Farben finden (weder eine physiologische, noch eine psychologische), sondern die Logik der Farbbegriffe. Und diese leistet, was man sich oft mit Unrecht von einer Theorie erwartet hat.

189. Damit daß Einem die Farbwörter durch Hinweisen auf farbige Stücke Papier erklärt wurden, ist der Begriff der Durchsichtigkeit noch nicht berührt. Es ist dieser Begriff, der zu den verschiedenen Farbbegriffen ungleiche Beziehungen hat.

190. Wer also sagen wollte, daß man es doch den Farben gar nicht anmerkt, daß ihre Begriffe so verschieden seien, dem muß man antworten, daß er eben auf das Analoge (die Gleichheit) in diesen Begriffen sein Augenmerk gerichtet hat, die Verschiedenheiten aber in den Beziehungen zu andern Begriffen liegen. [Dazu eine bessere Bemerkung.]

191. Wenn die grüne Glastafel den Dingen hinter ihr grüne Farbe gibt, so macht sie Weiß zu Grün, Rot zu Schwarz, Gelb zu Grüngelb, Blau zu Grünlichblau. Die weiße Tafel sollte also alles weißlich machen, also alles blaß; und warum dann das Schwarz nicht zu Grau? – Auch ein gelbes Glas verdunkelt, soll ein weißes auch Verdunkeln?

192. Jedes gefärbte Medium verdunkelt, was dadurch gesehen wird, es schluckt Licht: Soll nun mein weißes Glas auch verdunkeln? und je dicker es ist, desto mehr? Aber es soll ja Weiß weiß lassen: So wäre ja das 'weiße Glas' eigentlich ein dunkles Glas.

193. Wenn Grün dadurch weißlich wird, warum wird Grau nicht weißlicher und warum dann Schwarz nicht zu Grau?

194. Das gefärbte Glas darf doch die Dinge hinter ihm nicht aufhellen: was soll also z.B. mit etwas Grünem geschehen? Soll ich es als ein Graugrün sehen? Wie soll also etwas Grünes dadurch gesehen werden? Weißlich grün?

195. Würden alle Farben weißlich, so würde das Bild mehr und mehr an Tiefe verlieren.

196. Grau ist nicht schlecht beleuchtetes Weiß, Dunkelgrün nicht schlecht beleuchtetes Hellgrün.

Man sagt zwar "In der Nacht sind alle Katzen grau", aber das heißt eigentlich: wir können ihre Farben nicht unterschieden und sie könnten auch grau sein.

197. Worin liegt hier der entscheidende Unterschied zwischen Weiß und den andern Farben? Liegt er in der Asymmetrie der Verwandtschaften? und das heißt eigentlich in der besondern Stellung im Farbenoktaeder? Oder ist es vielmehr die ungleiche Stellung der Farben gegen Dunkel und Hell?

198. Was soll der Maler malen, der die Wirkung eines weiß-durchsichtigen Glases hervorrufen will?

Soll Rot und Grün (etc.) weißlich werden?

199. Ist der Unterschied nicht einfach, daß jedes gefärbte Glas das Weiß färben soll, und meines es entweder unverändert lassen oder einfach verdunkeln muß?

200. Weiß durch ein gefärbtes Glas erscheint in der Farbe des Glases. Das ist eine Regel für den Schein der Durchsichtigkeit. So erscheint Weiß durch das weiße Glas weiß, also wie durch ein Ungefärbtes.

201. Lichtenberg redet von 'reinem Weiß' und meint damit die hellste der Farben. Niemand könnte so von reinem Gelb reden.

202. Zu sagen, Weiß sei körperlich, ist seltsam, da ja auch Gelb und Rot die Farben von Oberflächen sein können und man sie als solche nicht kategorisch von Weiß unterscheidet.

203. Schaut man einen weißen Würfel mit verschieden hell beleuchteten Flächen durch ein gelbes Glas an, so erscheint er nun gelb und seine Flächen wieder verschieden stark beleuchtet. Wie soll er durch ein weißes Glas ausschauen? Und wie soll ein gelber Würfel durch ein weißes Glas ausschauen?

204. Soll es sein, als hätte man Weiß, oder als hätte man Grau zu seinen Farben gemischt?

205. Könnte nicht ein Glas Weiß, Schwarz und Grau unverändert lassen und die übrigen Farben weißlich färben? Und käme so etwas nicht am nächsten dem Weißen und Durchsichtigen? Die Wirkung würde dann sein wie eine Photographie, welche eine Spur der natürlichen Farben noch beibehält. Der Dunkelheitsgrad jeder Farbe müßte aber gewahrt und gewiß nicht vermindert werden.

206. Soviel kann ich verstehen, daß eine physikalische Theorie (wie die Newtons) die Probleme, die Goethe bewegten, nicht lösen kann, wenn auch er selbst sie nicht gelöst hat.

207. Wenn ich reines Rot durch das Glas ansehe und es sieht grau aus, ist hier wirklich der Graugehalt der Farbe durch das Glas gekommen? D.h.: scheint es auch nur so?

208. Warum fühle ich, daß ein weißes Glas das Schwarz färben müßte, wenn es irgendetwas färbt, während ich mir's gefallen lasse, daß das Gelb vom Schwarz verschluckt wird? Ist es nicht, weil das klare Gefärbte vor allem einmal das Weiß färben mußte, und tut es das nicht und ist Weiß, dann ist es trüb.

209. Wenn man stark blinzelnd in eine Gegend schaut, so werden die Farben undeutlich und alles nimmt mehr den Charakter des Schwarzweißen an; aber ist es mir da, als sähe ich durch eine so oder so gefärbte Scheibe?

210. Man spricht oft vom Weißen als unfärbig. Warum? (Man tut es auch, wenn man nicht an die Durchsichtigkeit denkt.)

211. Und es ist merkwürdig, daß das Weiße manchmal auf gleicher Stufe mit den andern reinen Farben erscheint (Flaggen), und manchmal wieder nicht.

Warum nennt man z.B. ein weißliches Grün oder Rot "nicht satt"? Warum schwächt das Weiß diese Farben, aber nicht das Gelb? Liegt das an der Psychologie (der Wirkung) der Farben, oder an ihrer Logik? Nun, daß man gewisse Wörter wie "satt", "schmutzig" etc. verwendet, beruht auf Psychologischem; daß man aber überhaupt eine scharfe Unterscheidung macht, deutet auf Begriffliches.

212. Hängt das damit zusammen, daß Weiß alle Gegensätze nach und nach aufhebt, während Rot das nicht tut?

213. Ein und dasselbe Thema hat in Moll einen andern Charakter als in Dur, aber von einem Charakter des Moll im allgemeinen zu sprechen ist ganz falsch. (Bei Schubert klingt das Dur oft trauriger als das Moll.) Und so ist es, glaube ich, müßig und ohne Nutzen für das Verständnis der Malerei, von den Charakteren der einzelnen Farben zu reden. Man denkt eigentlich dabei nur an spezielle Verwendungen. Daß Grün als Farbe einer Tischdecke die, Rot jene Wirkung hat, läßt auf ihre Wirkung in einem Bild keinen Schluß zu.

214. Weiß löst alle Farben auf, – tut dies Rot auch?

215. Warum gibt es kein braunes Licht und kein graues? Gibt es auch kein weißes? Ein leuchtender Körper kann weiß erscheinen; aber weder braun noch grau.

216. Warum kann man sich keine Grauglut vorstellen?

Warum kann man sie sich nicht als einen geringeren Grad der Weißglut denken?

217. Daß etwas, was zu leuchten scheint, nicht auch grau erscheinen kann, muß darauf deuten, daß das leuchtende Farblose immer "weiß" heißt, es lehrt uns also etwas über unsern Begriff des Weißen.

218. Ein schwaches weißes Licht ist nicht ein graues Licht.

219. Aber der Himmel, der alles, was wir sehen, beleuchtet, kann doch grau sein! Und wie weiß ich vom bloßem Augenschein, daß er nicht selbst leuchtet?

220. D.h. etwa: 'grau' oder 'weiß' ist etwas nur in einer bestimmten Umgebung.

221. Ich sage hier nicht, was die Gestaltpsychologen sagen: daß der Eindruck des Weißen so und so zustande komme. Sondern die Frage ist gerade: was der Eindruck des Weißen sei, was die Bedeutung dieses Ausdrucks, die Logik des Begriffes 'weiß' ist.

222. Denn, daß man sich etwas 'Grauglühendes' nicht denken kann, gehört nicht in die Psychologie der Farbe.

223. Denk dir, es würde uns gesagt, daß eine Substanz mit grauer Flamme brennt. Du kennst doch nicht die Farbe der Flammen sämtlicher Stoffe: warum sollte das also nicht möglich sein? Und doch hieße es nichts. Wenn ich so etwas hörte, würde ich nur denken, die Flamme sei schwach leuchtend.

224. Was leuchtend aussieht, sieht nicht grau aus. Alles Graue sieht beleuchtet aus.

Daß aber etwas 'leuchtend aussehen' kann, das macht die Verteilung der Helligkeiten im Gesehenen, aber es gibt auch ein 'etwas als leuchtend sehen', man kann unter gewissen Umständen, reflektiertes Licht für das Licht eines leuchtenden Körpers halten.

225. Ich könnte also etwas jetzt als schwach leuchtend, jetzt als grau sehen.

226. Was man als leuchtend sieht, sieht man nicht als grau. Wohl aber kann man es als weiß sehen.

227. Man redet von einem 'dunkelroten Schein', aber nicht von einem 'schwarzroten'.

228. Es gibt einen Eindruck des Leuchtens.

229. Es ist nicht dasselbe zu sagen: der Eindruck des Weißen oder Grauen kommt nur unter diesen Bedingungen zustande (kausal), und daß er der Eindruck eines bestimmten Kontextes ist (Definition). (Das erste ist Gestaltpsychologie, das zweite Logik).

230. 'Urphänomen' ist z.B. was Freud an den einfachen Wunschträumen zu erkennen glaubte. Das Urphänomen ist eine vorgefaßte Idee, die von uns Besitz ergreift.

231. Erschiene mir in der Nacht ein Gespenst, so könnte es mit einem schwachen weißlichen Schein leuchten; sähe es aber grau aus, so müßte das Licht von woanders zu kommen scheinen.

232. Die Psychologie, wenn sie vom Schein spricht, verbindet Schein mit Sein. Wir aber können vom Schein allein sprechen, oder wir verbinden Schein und Schein.

233. Man könnte sagen, die Farbe des Gespenstes sei die, die ich auf der Palette mischen muß, um es genau abzumalen.

Wie aber bestimmt man, was das genaue Bild ist?

234. Die Psychologie verbindet das Erlebte mit etwas Physischem, wir aber das Erlebte mit Erlebtem.

235. Man könnte Halbdunkel im Halbdunkel malen. Und die 'richtige Beleuchtung' eines Bildes könnte das Halbdunkel sein. (Bühnenmalerei.)

236. Eine glatte weiße Fläche kann spiegeln: Wie nun, wenn man sich irrte, und das, was in einer solchen Fläche gespiegelt erscheint, wirklich hinter ihr wäre und durch sie gesehen würde? Wäre sie dann weiß-durchsichtig? Auch dann entspräche, was wir sehen, nicht dem färbigen Durchsichtigen.

237. Man spricht von einem 'schwarzen Spiegel'. Aber wenn er spiegelt, verdunkelt er zwar, sieht aber nicht schwarz aus und sein Schwarz 'schmutzt' nicht.

238. Warum ertrinkt Grün im Schwarz, und Weiß nicht?

239. Es gibt Farbbegriffe, die sich nur auf die visuelle Erscheinung einer Fläche beziehen, und es könnte solche geben, die sich nur auf die Erscheinung durchsichtiger Medien, oder vielmehr den visuellen Eindruck solcher, beziehen. Man könnte auch ein weißes Glanzlicht auf Silber etwa nicht "weiß" nennen wollen, und es von der weißen Farbe einer Oberfläche unterscheiden. Daher, glaube ich, das Reden von "durchsichtigem" Licht.

240. Wenn man einem Kind die Farbbegriffe so beibrachte, daß man auf gefärbte Flammen, oder gefärbte durchsichtige Körper zeigte, so würde die Eigentümlichkeit von Weiß, Grau und Schwarz klarer zu Tage kommen.

241. Daß nicht alle Farbbegriffe logisch gleichartig sind, sieht man leicht. Man sieht leicht den Unterschied der Begriffe: 'Farbe des Goldes' oder 'Farbe des Silbers' und 'gelb' oder 'grau'.

Daß aber ein einigermaßen verwandter Unterschied zwischen 'Weiß' und 'Rot' besteht, ist schwer zu sehen.

242. Milch ist nicht darum undurchsichtig, weil sie weiß ist, – als wäre das Weiß etwas undurchsichtiges.

Wenn schon 'Weiß' ein Begriff ist, der sich nur auf eine visuelle Oberfläche bezieht, warum gibt es dann nicht einen dem 'Weiß' verwandten Farbbegriff, der sich auf Durchsichtiges bezieht?

243. Ein Medium, durch welches ein schwarz und weißes Muster (Schachbrett) unverändert erscheint, wird man nicht weiß gefärbt nennen wollen, auch wenn es die übrigen Farben ins Weißliche verändert.

244. Grau und schwach erleuchtetes oder leuchtendes Weiß kann in einem Sinne die gleiche Farbe sein, denn wenn ich dieses male, muß ich vielleicht auf der Palette jenes mischen.

245. Ob ich etwas als grau oder als weiß sehe, kann davon abhängen, wie ich die Dinge um mich beleuchtet sehe. In einem Zusammenhang ist die Farbe für mich weiß in schlechter Beleuchtung, im andern grau in guter Beleuchtung

246. Der Eimer, den ich vor mir sehe, ist glänzend weiß glasiert, ich könnte ihn unmöglich "grau" nennen oder sagen: "Ich sehe eigentlich grau". Aber er hat ein Glanzlicht, das weit heller ist als seine übrige Fläche, und, da er rund ist, geht er vom Licht allmählich in den Schatten über, ohne doch anders gefärbt zu erscheinen.

247. Welches ist die Farbe des Eimers an dieser Stelle? Wie soll ich's entscheiden?

248. Es gibt zwar nicht Phänomenologie, wohl aber phänomenologische Probleme.

249. Man möchte sagen: Beimischung von Rot verdünnt die Farben nicht, Beimischung von Weiß verdünnt sie.

Anderseits empfindet man Rosa oder ein weißliches Blau nicht immer als verdünnt.

250. Kann man sagen: "Leuchtendes Grau ist Weiß"?

251. Die Schwierigkeiten, die wir beim Nachdenken über das Wesen der Farben begegnen (mit denen sich Goethe durch die Farbenlehre auseinandersetzen wollte), liegen schon darin beschlossen, daß wir nicht nur einen Begriff der Farbengleichheit haben, sondern deren mehrere, mit einander verwandte.

252. Die Frage ist: Welcher Art muß das Gesichtsbild sein, wenn wir es das eines gefärbten durchsichtigen Mediums nennen sollen? Oder auch: Wie muß etwas ausschauen, damit es uns als gefärbt und durchsichtig erscheint? Dies ist keine Frage der Physik, aber mit physikalischen Fragen verbunden.

253. Wie ist unser Gesichtsbild beschaffen, welches wir dasjenige eines farbigen durchsichtigen Mediums nennen?

254. Es gibt scheinbar, was man "Stoffarben" und was man "Oberflächenfarben" nennen kann.

255. Unsre Farbbegriffe beziehen sich manchmal auf Substanzen (Schnee ist weiß), manchmal auf Oberflächen (dieser Tisch ist braun), manchmal auf die Beleuchtung (im rötlichen Abendschein), manchmal auf durchsichtige Körper. Und gibt es nicht auch eine Anwendung auf eine Stelle im Gesichtsfeld logisch unabhängig von einem räumlichen Zusammenhang?

Kann ich nicht sagen: “Dort sehe ich weiß" (und es etwa malen), auch wenn ich das Gesichtsbild gar nicht räumlich deuten kann? (Fleckfarbe) (Ich denke an eine pointillistische Malweise.)

256. Eine Farbe allgemein benennen können, heißt noch nicht, sie genau kopieren können. Vielleicht kann ich sagen "Dort sehe ich eine rötliche Stelle" und kann doch nicht eine Farbe mischen, die ich als genau gleich anerkenne.

257. Male etwa, was du siehst, wenn du die Augen schließt! Und doch kannst du es ungefähr beschreiben.

258. Denke an die Farben von poliertem Silber, Nickel, Chrom etc., oder an die Farbe eines Ritzers in diesen Metallen.

259. Ich gebe einer Farbe einen Namen "F" und sage, es sei die Farbe, die ich dort sehe. Oder vielleicht male ich mein Gesichtsbild und sage dann einfach "Ich sehe dies”. Nun, welche Farbe ist an dieser Stelle meines Bildes? Wie bestimm ich es? Ich führe etwa das Wort "Kobaldblau" ein: Wie fixiere ich, was 'K' ist? Ich könnte ein Papier als Paradigma dieser Farbe nehmen oder den Farbstoff in einem Topf. Wie bestimmt ich nun, daß eine Oberfläche (z.B.) diese Farbe habe? Alles kommt auf die Vergleichsmethode an.

260. Was man den "farbigen" Gesamteindruck einer Oberfläche nennen kann, ist nicht etwa eine Art arithmetisches Mittel aller Farben der Oberfläche.

261.

[ "Ich sehe (höre fühle etc.) X"

"Ich beobachte X"

X steht das erste und zweite mal nicht für den gleichen Begriff, auch wenn beidemale der gleiche Ausdruck steht z.B. "einen Schmerz". Denn auf den ersten Satz könnte die Frage folgen "Was für einen Schmerz?" und dies könnte man beantworten, indem man den Fragenden mit einer Nadel sticht. Folgt aber die Frage "Was für einen Schmerz?" auf den zweiten Satz, so muß die Antwort von andrer Art sein, z.B. "Den Schmerz in meiner Hand."]

262. Ich möchte sagen "An dieser Stelle in meinem Gesichtsfeld ist diese Farbe (ganz abgesehen von jeder Deutung)". Aber wozu gebrauche ich diesen Satz? "Diese" Farbe muß ja eine sein, die ich reproduzieren kann. Und es muß bestimmt sein, unter welchen Umständen ich von etwas sage, es habe diese Farbe.

263. Denk, jemand zeigte auf eine Stelle einer Iris in einem Rembrandtschen Gesicht und sagte "Die Wand in meinem Zimmer soll in dieser Farbe gemalt werden."

264. Daß wir sagen können, "Diese Stelle in meinem Gesichtsfeld ist graugrün", bedeutet nicht, daß wir wissen, was eine genaue Kopie dieses Farbtons zu nennen wäre.

265. Ich male die Aussicht von meinem Fenster; eine bestimmte Stelle, bestimmt durch ihre Lage in der Architektur eines Hauses, male ich mit Ocker. Ich sage “Diese Stelle sehe ich in dieser Farbe."

Das bedeutet nicht, daß ich an dieser Stelle die Farbe Ocker sehe, denn der Farbstoff mag, so umgeben, mir viel heller oder dunkler oder rötlicher (etc.) als Ocker erscheinen.

Ich kann etwa sagen "So, wie ich sie hier (mit Ocker) gemalt habe, sehe ich diese Stelle, nämlich als ein stark rötliches Gelb."

Wie aber, wenn man von mir verlangte, den genauen Farbton anzugeben, der mir hier erscheint? Wie soll ich ihn angeben und wie bestimmen? Man könnte z.B. von mir verlangen, daß ich ein Farbmuster, ein rechteckiges Stück Papier von dieser Farbe, herstelle. Ich sage nicht, daß so ein Vergleich ohne jedes Interesse ist, aber er zeigt, daß nicht von vornherein klar ist, wie Farbtöne zu vergleichen sind, und also: was hier "Farbengleichheit" bedeutet.

266. Denken wir uns ein Gemälde in kleine Stücke von annähernd gleichmäßiger Färbung zerschnitten und diese Stücke dann als Steine eines Zusammenlegspieles verwendet. Auch dort, wo ein solcher Stein nicht einfarbig ist, soll er keine räumliche Form andeuten, sondern als flacher Farbfleck erscheinen. Erst im Zusammenhang mit den andern wird er ein Stück Himmel, ein Schatten, ein Glanz, eine konkave oder konvexe Fläche etc.

267. Man könnte also sagen, dies Zusammenlegspiel zeige die eigentlichen Farben der Stellen des Bildes.

268. Man könnte geneigt sein, zu glauben, eine Analyse unsrer Farbbegriffe führe am Ende zu den Farben von Stellen unsres Gesichtsfelds, die von jeder räumlichen oder physikalischen Deutung unabhängig wären, denn hier gebe es weder Beleuchtung noch Schatten, noch Glanz, noch Durchsichtigkeit oder Undurchsichtigkeit, etc.

269. Was uns als einfärbiger heller Strich ohne Breite auf dunklem Grunde erscheint, kann weiß aussehen, aber nicht grau. (?) Ein Planet könnte nicht hellgrau aussehen.

270. Würde man aber nicht unter Umständen den Punkt oder den Strich als grau deuten? (Denke an eine Photographie.)

271. Sehe ich wirklich die Haare des Jungen auf der Photographie blond?! – Sehe ich sie grau?

Schließe ich nur, daß, was auf dem Bild so ausschaut, in Wirklichkeit blond sein muß?

In einem Sinne sehe ich sie blond, in einem andern heller und dunkler grau.

272. 'Dunkelrot' und 'Schwarzrot sind nicht gleichartige Begriffe. Ein Rubin kann in der Durchsicht dunkelrot erscheinen, aber, wenn er klar ist, nicht schwarzrot. Der Maler mag ihn durch einen schwarzroten Fleck darstellen, aber im Bild wird dieser Fleck nicht schwarzrot wirken. Er wird mit Tiefe gesehen, sowie das Flache drei dimensional erscheint.

273. Im Film, wie auf der Photographie, sehen Gesicht und Haare nicht grau aus, sie machen einen ganz natürlichen Eindruck; Speisen auf einer Schüssel dagegen sehen im Film oft grau und darum unappetitlich aus.

274. Was heißt es aber, Haar sehe auf der Photographie blond aus? Wie zeigt sich's daß es so aussieht und auf die Farbe nicht nur geschlossen wird? Welche unsrer Reaktionen läßt uns das sagen? – Sieht denn ein Kopf in Stein oder Gips nicht weiß aus?

275. Wenn selbst das Wort "blond" blond klingen kann, wie viel eher können die photographierten Haare blond ausschauen!

276. Nun, ich würde die Photographie ganz natürlich mit den Worten beschreiben: "An einer Maschine steht ein Mann mit dunklem und ein Junge mit zurückgekämmtem blondem Haar." So würde ich die Photographie beschreiben, und wenn Einer sagte, das beschreibe nicht sie, sondern die Objekte, die wahrscheinlich photographiert wurden, so könnte ich nur sagen, das Bild sieht so aus als wären die Haare von dieser Farbe gewesen.

277. Wenn ich aufgefordert würde, die Photographie zu beschreiben, würde ich es in jenen Worten tun.

278. Der Farbenblinde versteht die Aussage, er sei farbenblind. Der Blinde die, er sei blind. Aber sie können nicht alle Anwendungen dieser Sätze machen, die der Normale macht. Denn wie dieser Sprachspiele mit Farbworten z.B. beherrscht, die jene nicht erlernen können, so auch Sprachspiele mit den Worten "farbenblind" und "blind".

279. Kann man dem Blinden beschreiben, wie das ist, wenn Einer sieht? – Doch; ein Blinder lernt ja manches über den Unterschied zwischen ihm und dem Sehenden. Und doch möchte man auf jene Frage Nein antworten. – Ist sie aber nicht irreführend gestellt? Man kann einem, der nicht Fußball spielt, sowie einem, der es spielt, beschreiben, 'wie das ist, wenn Einer Fußball spielt', dem letztern vielleicht, damit er die Beschreibung auf ihre Richtigkeit prüfe. Kann man denn dem Sehenden beschreiben, wie das ist, wenn Einer sieht? Aber man kann ihm doch erklären, was Blindheit ist! D.h., man kann ihm das charakteristische Benehmen des Blinden beschreiben und man kann ihm die Augen verbinden. Anderseits kann man den Blinden nicht zeitweise sehend machen; wohl aber ihm das Benehmen des Sehenden beschreiben.

280. Kann man sagen 'Farbenblindheit' (oder 'Blindheit') sei ein Phänomen, 'Sehen' nicht?

Das wurde etwa heißen: "Ich sehe" ist eine Äußerung, "Ich bin blind" nicht. Aber das ist doch nicht wahr. Man hält mich auf der Straße oft für blind. Ich könnte einem, der es tut, sagen "Ich sehe", d.h.: ich bin nicht blind.

281. Man könnte sagen: Es ist ein Phänomen, daß es Leute gibt, die das und das nicht erlernen können. Dies Phänomen ist die Farbenblindheit. – Sie wäre also eine Unfähigkeit; das Sehen aber die Fähigkeit.

282. Ich sage dem B, der nicht Schach spielen kann: "A kann Schach nicht erlernen". B kann das verstehen. – Aber nun sage ich Einem, der überhaupt nicht im Stande ist irgend ein Spiel zu erlernen, der und der könne ein Spiel nicht erlernen. Was weiß jener vom Wesen eines Spiels? Kann er z.B. nicht einen gänzlich falschen Begriff von einem Spiel haben? Nun, er mag verstehen, man könne weder ihn noch den Andern zu einer Unterhaltung einladen, weil sie keine Spiele spielen können.

283. Kommt alles, was ich hier sagen will, darauf hinaus, daß die Äußerung "Ich sehe einen roten Kreis" und die "Ich sehe, bin nicht blind" logisch verschieden sind? Wie prüft man einen Menschen, um zu finden, ob die erste Aussage wahr ist? wie, ob die zweite wahr ist? Die Psychologie lehrt Farbenblindheit zu konstatieren, und eben dadurch auch normales Sehen. Aber wer kann dies erlernen?

284. Ich kann niemand ein Spiel lehren, das ich selbst nicht erlernen kann. Ein Farbenblinder kann den Normalsehenden nicht den normalen Gebrauch der Farbwörter lehren. Ist das wahr? Er kann ihm das Spiel, den Gebrauch nicht vorführen.

285. Könnte nicht der Angehörige eines farbenblinden Volkes auf den Gedanken kommen, sich fremdartige Menschen auszumalen (die wir "normalsehend" nennen würden)? Könnte er so einen normal Sehenden nicht z.B. auf dem Theater darstellen? Wie er auch einen darstellen kann, der die Gabe der Prophetie hat, ohne sie zu haben. Das ist zum mindesten denkbar.

286. Wären aber Farbenblinde je darauf verfallen, sich selbst "farbenblind" zu nennen? – Warum nicht?

Wie aber könnten 'normal Sehende' den 'normalen' Gebrauch der Farbwörter erlernen, wenn sie die Ausnahmen in einer farbenblinden Bevölkerung wären? – Ist es nicht möglich, daß sie eben Farbworte 'normal' gebrauchen, vielleicht, in den Augen der Andern, gewisse Fehler machen, bis diese die ungewöhnlichen Fähigkeiten endlich schätzen lernten?

287. Ich kann mir vorstellen (ausmalen), wie es mir erscheinen wird, wenn ich so einen Menschen treffe.

288. Ich kann mir vorstellen, wie ein Mensch handeln würde, dem das unwichtig ist, was mir wichtig ist. Aber kann ich mir seinen Zustand vorstellen? – Was heißt das? – Kann ich mir den Zustand Eines vorstellen, dem wichtig ist, was mir wichtig ist?

289. Ich könnte auch Einen genau nachmachen, der eine Multiplikation rechnet, ohne selbst das Multiplizieren erlernen zu können.

Und ich könnte dann Andre nicht multiplizieren lehren, obwohl es denkbar wäre, daß ich den Anstoß dazu gäbe, daß Einer es erlernt.

290. Ein Farbenblinder kann offenbar die Prüfung schildern, bei der seine Farbenblindheit zu Tage kam. Und was er hernach schildern kann, das hätte er auch erfinden können.

291. Kann man Einem höhere Mathematik beschreiben, außer indem man sie ihm beibringt? Oder auch: Ist dieser Unterricht eine Beschreibung der Rechnungsart? Einem das Tennisspiel beschreiben heißt nicht, es ihn lehren (u.u.). Anderseits: wer nicht wüßte, was Tennis ist und es nun spielen lernt, der weiß es dann. ("Knowledge by description and knowledge by acquaintance.")

292. Wer absolutes Gehör hat, kann ein Sprachspiel erlernen, welches ich nicht erlernen kann.

293. Man könnte sagen, die Begriffe der Menschen zeigen, worauf es ihnen ankommt und worauf nicht. Aber nicht als erklärte das die besondern Begriffe, die sie haben. Es soll nur die Auffassung ausschließen, als hätten wir richtige, andre Leute falsche Begriffe. (Es gibt einen Übergang von einem Rechenfehler zu einer andern Art des Rechnens.)

294. Wenn Blinde, wie sie es gern tun, vom blauen Himmel und anderen spezifisch visuellen Erscheinungen reden, sagt der Sehende oft "Wer weiß, was er sich darunter vorstellt". Warum sagt er es aber nicht von jedem andern Sehenden? Es ist natürlich überhaupt ein falscher Ausdruck.

295. Das, worüber ich so langwierig schreibe, kann einem Andern mit unverdorbenerem Verstande selbstverständlich sein.

296. Wir sagen: "Denken wir uns Menschen, welche dieses Sprachspiel nicht kennen." Aber damit haben wir noch keine klare Vorstellung vom Leben dieser Menschen, wo es vom unsern abweicht. Wir wissen noch nicht, was wir uns vorzustellen haben; denn das Leben jener Menschen soll ja im übrigen dem unsern entsprechen und es ist erst zu bestimmen, was wir unter den neuen Umständen, ein dem unsern entsprechendes Leben nennen würden.

Ist es nicht, als sagte man: Es gibt Menschen, die ohne den König Schach spielen? Es treten sofort Fragen auf: Wer gewinnt nun, wer verliert, u.a. Du mußt weitere Entscheidungen treffen, die du in jener ersten Bestimmung noch nicht vorhersiehst. Wie du ja auch die ursprüngliche Technik nicht übersiehst, nur daß sie dir von Fall zu Fall geläufig ist.

297. Zur Verstellung gehört auch, daß man Verstellung beim Andern für möglich halte.

298. Wenn Menschen sich so benehmen, daß wir Verstellung vermuten möchten, aber diese Menschen zeigen untereinander kein Mißtrauen, dann ergeben sie doch nicht das Bild von Menschen, die sich verstellen.

299. 'Wir müssen uns immer wieder über diese Leute wundern.'

300. Wir könnten gewisse Leute auf der Bühne darstellen und ihnen Selbstgespräche (asides) in ihren Mund legen, die sie natürlich im wirklichen Leben nicht aussprächen, die aber doch ihren Gedanken entsprächen. Fremdartige Menschen aber könnten wir so nicht darstellen. Selbst, wenn wir ihre Handlungen voraussehen könnten, könnten wir ihnen keine passenden Selbstgespräche in den Mund legen.

Und doch ist auch in dieser Betrachtungsweise etwas Falsches. Denn Einer könnte, während er handelt, wirklich etwas zu sich selbst sagen und dies könnte z.B. ganz konventionell sein.

301. Daß ich eines Menschen Freund sein kann beruht darauf, daß er die gleichen oder ähnliche Möglichkeiten hat wie ich selbst.

302. Wäre es richtig zu sagen, in unsern Begriffen spiegelt sich unser Leben?

Sie stehen mitten in ihm.

303. Die Regelmäßigkeit unsrer Sprache durchdringt unser Leben.

304. Von wem würden wir sagen, er habe unsern Begriff des Schmerzes nicht? Ich könnte annehmen, er kenne Schmerzen nicht, aber ich will annehmen, er kenne sie; er gibt also Schmerzäußerungen von sich und man könnte ihm die Worte "Ich habe Schmerzen" beibringen. Soll er auch fähig sein sich seiner Schmerzen zu erinnern? – Soll er Schmerzäußerungen der Andern als solche erkennen; und wie zeigt sich das? Soll er Mitleid zeigen – Soll er gespielten Schmerz als solchen verstehen?

305. "Ich weiß nicht, wie ärgerlich er war." "Ich weiß nicht, ob er wirklich ärgerlich war." – Weiß er's selbst? Nun fragt man ihn, und er sagt "Ja, ich war's."

306. Was ist denn das: die Unsicherheit darüber, ob der Andre ärgerlich war? Ist es ein Zustand der Seele des Unsichern? Warum soll der uns beschäftigen? Sie liegt in dem Gebrauch der Aussage "Er ist ärgerlich."

307. Aber Einer ist unsicher, der Andre kann sicher sein: er 'kennt den Gesichtsausdruck' dieses Menschen, wenn er ärgerlich ist. Wie lernt er dieses Anzeichen des Ärgers als solches kennen? Das ist nicht leicht zu sagen.

308. Aber nicht nur: "Was heißt es über den Zustand des Andern unsicher sein?" – sondern auch: "Was heißt es 'Wissen, sicher sein, daß jener sich ärgert'?"

309. Hier könnte man nun fragen, was ich denn eigentlich will, wieweit ich die Grammatik behandeln will.

310. Es ist etwas gemeinsam der Sicherheit, daß er mich besuchen wird, und der Sicherheit, daß er sich ärgert. Es ist auch etwas dem Tennisspiel und dem Schachspiel gemeinsam, aber niemand würde hier sagen: "Ganz einfach: sie spielen beide male, nur eben etwas andres." Man sieht in diesem Falle die Unähnlichkeit mit "Er ißt einmal eine Apfel, ein andermal eine Birne", während man sie in jenem Fall nicht so leicht sieht.

311. "Ich weiß, daß er gestern angekommen ist." – "Ich weiß, daß 2 × 2 = 4 ist." – "Ich weiß, daß er Schmerzen hatte." – "Ich weiß, daß dort ein Tisch steht."

312. Ich weiß jedesmal, nur immer etwas anderes? Freilich, – aber die Sprachspiele sind weit verschiedener, als es uns bei diesen Sätzen zu Bewußtsein kommt.

313. "Die Welt der physikalischen Gegenstände und die Welt des Bewußtseins." Was weiß ich von dieser? Was mich meine Sinne lehren? Also, wie das ist, wenn man sieht, hört, fühlt etc. etc. – Aber lerne ich das wirklich? Oder lerne ich wie das ist, wenn ich jetzt sehe, höre etc., und glaube, daß es auch früher so war?

314. Was ist eigentlich die 'Welt' des Bewußtseins? Da möchte ich sagen: "Was in meinem Geist vorgeht, jetzt in ihm vorgeht, was ich sehe, höre, ...." Könnten wir das nicht vereinfachen und sagen: "Was ich jetzt sehe." –

315. Die Frage ist offenbar: Wie vergleichen wir physikalische Gegenstände – wie Erlebnisse?

316. Was ist eigentlich die 'Welt des Bewußtseins'? – Was in meinem Bewußtsein ist: was ich jetzt sehe, höre, fühle.... – Und was, z.B., sehe ich jetzt? Darauf kann die Antwort nicht sein: "Nun, alles das", mit einer umfassenden Gebärde.

317. Wenn der an Gott Glaubende um sich sieht und fragt "Woher ist alles, was ich sehe?" "Woher das alles?", verlangt er keine (kausale) Erklärung; und der Witz seiner Frage ist, daß sie der Ausdruck dieses Verlangens ist. Er drückt also eine Einstellung zu allen Erklärungen aus. – Aber wie zeigt sich die in seinem Leben? Es ist die Einstellung, die eine bestimmte Sache ernst nimmt, sie aber dann an einem bestimmten Punkte doch nicht ernst nimmt, und erklärt, etwas anderes sei noch ernster.

So kann Einer sagen, es ist sehr ernst, daß der und der gestorben ist, ehe er ein bestimmtes Werk vollenden konnte; und in anderem Sinne kommt's darauf gar nicht an. Hier gebraucht man die Worte "in einem tiefern Sinne".

Eigentlich möchte ich sagen, daß es auch hier nicht auf die Worte ankommt, die man ausspricht oder auf das, was man dabei denkt, sondern auf den Unterschied, den sie an verschiedenen Stellen im Leben machen. Wie weiß ich, daß zwei Menschen das gleiche meinen, wenn jeder sagt, er glaubt an Gott? Und ganz dasselbe kann man bezüglich der drei Personen sagen. Die Theologie, die auf den Gebrauch gewisser Worte und Phrasen dringt und andere verbannt, macht nichts klarer. (Karl Barth.) Sie fuchtelt sozusagen mit Worten herum, weil sie etwas sagen will und nicht weiß, wie man es ausdrücken kann. Die Praxis gibt den Worten ihren Sinn.

318. Ich beobachte diesen Fleck. "Jetzt ist er so" – dabei zeige ich etwa auf ein Bild. Ich mag ständig das gleiche beobachten und was ich sehe, mag dabei gleichbleiben, oder sich ändern. Was ich beobachte und was ich sehe hat nicht die gleiche Art der Identität. Denn die Worte "dieser Fleck" z.B. lassen die Art der Identität, die ich meine, nicht erkennen.

319. "Die Psychologie beschreibt die Phänomene der Farbenblindheit und auch des normalen Sehens." Was sind die 'Phänomene der Farbenblindheit'? Doch die Reaktionen des Farbenblinden, durch die er sich vom Normalen unterscheidet. Doch nicht alle Reaktionen des Farbenblinden, z.B. auch die, durch welche er sich vom Blinden unterscheidet. – Kann ich den Blinden lehren, was Sehen ist, oder kann ich den Sehenden dies lehren? Das heißt nichts. Was heißt es denn: das Sehen zu beschreiben? Aber ich kann Menschen die Bedeutung der Worte "blind" und "sehend" lehren und zwar lernt sie der Sehende, wie der Blinde. Weiß denn der Blinde, wie das ist, wenn man sieht? Aber weiß es der Sehende?! Weiß er auch, wie es ist, Bewußtsein zu haben?

Aber kann nicht der Psychologe den Unterschied zwischen dem Benehmen des Sehenden und des Blinden beobachten? (Der Meteorologe den Unterschied zwischen Regen und Trockenheit?) Man könnte doch z.B. den Unterschied des Benehmens beobachten von Ratten, denen man die Barthaare genommen hat, und von unverstümmelten. Und das könnte man nennen vielleicht, die Rolle dieses Tastapparates zu beschreiben – Das Leben der Blinden ist anders als das Leben der Sehenden.

320. Der Normale kann z.B. erlernen, nach Diktat zu schreiben. Was ist das? Nun, der Eine spricht, der Andre schreibt was jener spricht. Sagt er also z.B. den Laut a, so schreibt der Andre das Zeichen "a" etc. – Muß nun nicht, wer diese Erklärung versteht, das Spiel entweder schon gekannt haben, nur vielleicht nicht unter diesem Namen, – oder es durch die Beschreibung gelernt haben? Aber Karl der Große hat gewiß das Prinzip des Schreibens verstanden und doch nicht schreiben lernen können. So kann also auch der die Beschreibung der Technik verstehen, der diese nicht erlernen kann. Aber es gibt eben zwei Fälle des Nicht-Erlernen-Könnens. In einem erlangen wir bloß eine Fertigkeit nicht, im andern fehlt uns das Verständnis. Man kann Einem ein Spiel erklären: Er mag diese Erklärung verstehen, aber das Spiel nicht erlernen können, oder unfähig sein, eine Erklärung des Spiels zu verstehen. Es ist aber auch das Umgekehrte denkbar.

321. "Du siehst den Baum, der Blinde sieht ihn nicht." Das müßte ich einem Sehenden sagen. Und also einem Blinden: "Du siehst den Baum nicht, wir sehen ihn"? Wie wäre das, wenn der Blinde zu sehen glaubte, oder ich glaubte, ich könnte nicht sehen?

322. Ist es ein Phänomen, daß ich den Baum sehe? Es ist eins, daß ich dies richtig als Baum erkenne, daß ich nicht blind bin.

323. "Ich sehe einen Baum" als Äußerung des visuellen Eindrucks, ist es die Beschreibung eines Phänomens? Welches Phänomens? Wie kann ich Einem dies erklären?

Und ist es nicht doch für den Andern ein Phänomen, daß ich diesen Gesichtseindruck habe? Denn es ist etwas, was er beobachtet, aber nicht etwas, was ich beobachte.

Die Worte "Ich sehe einen Baum" sind nicht die Beschreibung eines Phänomens. (Ich könnte z.B. nicht sagen "Ich sehe einen Baum! Wie merkwürdig!", wohl aber: "Ich sehe einen Baum, obwohl keiner da ist. Wie merkwürdig!")

324. Oder soll ich sagen: "Der Eindruck ist kein Phänomen; daß L. W. diesen Eindruck hat, ist eins"?

325. (Man könnte sich denken, daß Einer den Eindruck gleichsam wie einen Traum, vor sich hinspricht, ohne das Pronomen der ersten Person.)

326. Beobachten ist nicht das gleiche wie betrachten oder anblicken. "Betrachte diese Farbe und sag, woran sie dich erinnert." Ändert sich die Farbe, so betrachtest du nicht mehr die, welche ich meinte.

Man beobachtet, um zu sehen, was man nicht sähe, wenn man nicht beobachtet[e].

327. Man sagt etwa: "Betrachte diese Farbe für einige Zeit." Das tut man aber nicht, um mehr zu sehen, als man auf den ersten Blick gesehen hatte.

328. Könnte in einer "Psychologie" der Satz stehen: "Es gibt Menschen, welche sehen"?

Nun, wäre das falsch? – Aber wem wird hier etwas mitgeteilt? (Und ich meine nicht nur: Was mitgeteilt wird, sei schon längst bekannt.)

329. Ist mir bekannt, daß ich sehe?

330. Man könnte sagen wollen: Wenn es solche Menschen nicht gäbe, so auch den Begriff des Sehens nicht. – Aber könnten nicht Marsbewohner so etwas sagen? Sie haben etwa durch Zufall zuerst lauter Blinde bei uns kennen gelernt.

331. Und wie kann es unsinnig sein, zu sagen "es gibt Menschen, welche sehen", wenn es nicht unsinnig ist, zu sagen, es gibt Menschen, welche blind sind?

Aber der Sinn des Satzes "Es gibt Menschen, welche sehen", d.h. seine mögliche Verwendung, ist jedenfalls nicht sogleich klar.

332. Könnte das Sehen nicht Ausnahme sein? Aber beschreiben könnten es weder die Blinden noch die Sehenden, es sei denn als Fähigkeit das und das zu tun. Z.B. auch, gewisse Sprachspiele zu spielen; aber da muß man achtgeben, wie man diese Sprachspiele beschreibt.

333. Sagt man "Es gibt Menschen, welche sehen", so folgt die Frage: "Und was ist 'sehen'?" Und wie soll man sie beantworten? Indem man dem Fragenden den Gebrauch des Wortes "Sehen" beibringt?

334. Wie wäre es mit dieser Erklärung: "Es gibt Menschen, die sich benehmen wie du und ich, und nicht wie dieser da, der Blinde"?

335. "Du kannst, mit offenen Augen, über die Straße gehen, ohne überfahren zu werden etc."

Die Logik der Mitteilung.

336. Damit, daß ein Satz von der Form einer Mitteilung eine Verwendung hat, ist noch nichts über die Art seiner Verwendung gesagt.

337. Kann der Psychologe mir mitteilen, was Sehen ist? Was nennt man "mitteilen, was Sehen ist"?

Nicht der Psychologe lehrt mich den Gebrauch des Wortes "sehen".

338. Wenn der Psychologe uns mitteilt "Es gibt Menschen, welche sehen", so können wir ihn fragen "Und was nennst du 'Menschen, welche sehen'?" Darauf wäre die Antwort von der Art "Menschen, die unter den und den Umständen so und so reagieren, sich so und so benehmen". "Sehen" wäre ein Fachwort des Psychologen, das er uns erklärt. Sehen ist dann etwas, was er an dem Menschen beobachtet hat.

339. Wir lernen die Ausdrücke "ich sehe ...", "er sieht ..." etc. gebrauchen, ehe wir zwischen Sehen und Blindheit unterscheiden lernen.

340. "Es gibt Menschen, welche reden können.", "Ich kann einen Satz sagen.", "Ich kann das Wort 'Satz' aussprechen.", "Wie Du siehst, bin ich wach.", "Ich bin hier."

341. Es gibt doch eine Belehrung darüber, unter welchen Umständen ein gewisser Satz eine Mitteilung sein kann. Wie soll ich diese Belehrung nennen?

342. Kann man sagen, ich habe beobachtet, daß ich und Andre mit offenen Augen gehen können, ohne anzustoßen, und daß wir's mit geschlossenen Augen nicht können?

343. Wenn ich Einem mitteile, ich sei nicht blind, ist das eine Beobachtung? Ich kann ihn jedenfalls durch mein Benehmen davon überzeugen.

344. Ein Blinder könnte leicht herausfinden, ob auch ich blind sei; indem er z.B. eine bestimmte Handbewegung macht und mich fragt, was er getan hat.

345. Können wir uns nicht einen blinden Volkstamm denken? Könnte er nicht unter besondern Bedingungen lebensfähig sein? Und könnte es nicht als Ausnahme Sehende geben?

346. Angenommen, ein Blinder sagte zu mir: "Du kannst gehen, ohne irgendwo anzustoßen, ich kann es nicht" – wäre der erste Teil des Satzes eine Mitteilung?

347. Nun, er sagt mir nichts Neues.

348. Es scheint Sätze zu geben, die den Charakter von Erfahrungssätzen haben, deren Wahrheit aber für mich unanfechtbar ist. D.h., wenn ich annehme, daß sie falsch sind, muß ich allen meinen Urteilen mißtrauen.

349. Es gibt jedenfalls Irrtümer, die ich als gewöhnlich hinnehme, und solche, die andern Charakter haben, und von meinen übrigen Urteilen als eine vorübergehende Verwirrung abgekapselt werden müssen. Aber gibt es nicht auch Übergänge zwischen diesen beiden?

350. Wenn man den Begriff des Wissens in diese Untersuchung bringt, so nützt das nichts; denn Wissen ist nicht ein psychologischer Zustand, durch dessen Besonderheiten sich nun allerlei erklärt. Die besondere Logik des Begriffs 'wissen' ist vielmehr nicht die des psychologischen Zustands.