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695. Das ''Verstehen'' der mathematischen Frage. Wie wissen wir, ob wir eine mathematische Frage verstehen?
695. Das ''Verstehen'' der mathematischen Frage. Wie wissen wir, ob wir eine mathematische Frage verstehen?


Eine Frage—kann man sagen—ist ein Auftrag. Und einen Auftrag verstehen, heißt: wissen, was man zu tun hat. Ein
Eine Frage—kann man sagen—ist ein Auftrag. Und einen Auftrag verstehen, heißt: wissen, was man zu tun hat. Ein Auftrag kann natürlich ganz vag sein—z. B., wenn ich sage: "Bring ihm etwas, was ihm gut tut!” Aber dies kann heißen: denk an ihn, seinen Zustand etc. in freundlicher Weise und dann bring ihm etwas, was deiner Gesinnung gegen ihn entspricht.
 
696. Die mathematische Frage ist eine Herausforderung. Und man könnte sagen: sie hat Sinn, wenn sie uns zu einer mathematischen Tätigkeit ansport.
 
697. Man könnte dann auch sagen, eine Frage in der Mathematik habe Sinn, wenn sie die mathematische Phantasie anregt.
 
698. Übersetzen von einer Sprache in die andere, ist eine mathematische Aufgabe, und das Übersetzen eines lyrischen Gedichts z. B. in eine fremde Sprache ist ganz analog einem mathematischen ''Problem''. Denn man kann wohl das Problem stellen "Wie ist dieser Witz (z. B.) durch einen Witz in der andern Sprache zu übersetzen?", d. h. zu ersetzen; und das Problem kann auch gelöst sein; aber eine Methode, ein System zu seiner Lösung gab es nicht.
 
699. Denk die Menschen, die mit 'äußerst komplizierten' Zahlzeichen rechnen. Diese stellen sich aber dar als Figuren, welche entstehen, wenn man unsere Zahlzeichen aufeinander schreibt.
 
Sie schreiben z. B. ''π'' bis zur fünften Stelle so:
 
Wer ihnen zusähe, fande es schwer zu erraten, ''was'' sie tun. Und sie könnten es vielleicht selbst nicht erklären. Es kann ja dieses Zahlzeichen, in etwas anderer Schrift geschrieben, seine Erscheinung (für uns) zur Unkenntlichkeit ändern. Und was die Leute täten, erschiene uns rein intuitiv.
 
700. Warum zählen wir? Hat es sich als praktisch erwiesen? Haben wir unsere Begriffe, z. B. die psychologischen, weil es sich als vorteilhaft erwiesen hat?—Und doch haben wir ''gewisse'' Begriffe eben deswegen, haben sie deswegen eingeführt.
 
701. Übrigens tritt der Unterschied zwischen dem, was man Sätze der Mathematik nennt und Erfahrungssätzen zu Tage, wenn man bedenkt, ob es Sinn hat zu sagen: "ich wünschte, 2 × 2 wäre 5!"
 
702. Wenn man bedenkt, daß die Gleichung 2 + 2 = 4 ein Beweis des Satzes ist "es gibt gerade Zahlen", so sieht man, wie lose hier das Wort "Beweis" gebraucht ist. Aus der Gleichung 2 + 2 = 4 soll der Satz "es gibt gerade Zahlen" hervorgehen?!—Und was ist der Beweis der Existenz von Primzahlen?—Die Methode der Zerlegung in Primfaktoren. Aber in dieser Methode wird ja ''überhaupt nicht geredet'', auch nicht von 'Primzahlen'.
 
703. "Die Kinder müßten, um das Rechnen der Volksschule zu verstehen, bedeutende Philosophen sein; in Ermanglung dessen brauchen sie die Übung."
 
704. Russell und Frege fassen den Begriff gleichsam als Eigenschaft eines Dings auf. Aber es ist sehr unnatürlich, die Worte "Mensch", "Baum", "Abhandlung", "Kreis" als Eigenschaften eines Substrats aufzufassen.
 
705. Die Dirichlet'sche Auffassung der Funktion ist nur dort möglich, wo sie nicht ein unendliches Gesetz durch eine Liste ausdrücken will, denn eine unendliche Liste gibt es nicht.
 
706. Die Zahlen sind der Mathematik nicht fundamental.
 
707. Der Begriff des 'Ordnens' der Rationalzahlen z. B. und der 'Unmöglichkeit', die Irrationalzahlen so zu ordnen. Vergleiche das mit dem, was man 'Ordnen' von Ziffern nennt. Gleichermaßen der Unterschied zwischen dem 'Zuordnen' einer Ziffer (oder Nuß) zu einer andern und dem 'Zuordnen' aller ganzen Zahlen zu den geraden Zahlen; etc.. Überall Begriffsverschiebungen.
 
708. Es gibt offenbar eine Methode, ein gerades Lineal anzufertigen. Diese Methode schließt ein Ideal ein, ich meine, ein Näherungsverfahren mit unbegrenzter ''Möglichkeit'', denn eben dieses Verfahren ''ist'' das Ideal.
 
Oder vielmehr: Nur, wenn es ein Näherungsverfahren mit unbegrenzter Möglichkeit ist, kann (nicht muß) die Geometrie dieses Verfahrens die euklidische sein.
 
709. Die Rechnung als Ornament zu betrachten, das ist auch Formalismus, aber einer guten Art.
 
710. Man kann die Rechnung als Ornament betrachten. Eine Figur in der Ebene kann an eine andere passen oder nicht, mit