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{{ParZ|478}} Die Dauer der Empfindung. Vergleiche die Dauer einer Tonempfindung mit der Dauer der Tastempfindung, die dich lehrt, daß du eine Kugel in der Hand hältst; und mit dem "Gefühl", das dich lehrt, daß deine Kniee gebogen sind.
{{ParZ|478}} Die Dauer der Empfindung. Vergleiche die Dauer einer Tonempfindung mit der Dauer der Tastempfindung, die dich lehrt, daß du eine Kugel in der Hand hältst; und mit dem "Gefühl", das dich lehrt, daß deine Kniee gebogen sind.


{{ParZ|479}} Wir fühlen unsere Bewegungen. Ja, wir fühlen sie wirklich; die Empfindung ist nicht ähnlich einer Geschmacksemlich; die Empfindung empfindung, sondern einer Tastempfinpfindung oder einer Hitzeempfindung, sondern einer Tastem dung: der Empfindung, wenn Haut und Muskeln gedrückt, gezogen, verschoben werden.
{{ParZ|479}} Wir fühlen unsere Bewegungen. Ja, wir fühlen sie wirklich; die Empfindung ist nicht ähnlich einer Geschmacksempfindung oder einer Hitzeempfindung, sondern einer Tastempfindung: der Empfindung, wenn Haut und Muskeln gedrückt, gezogen, verschoben werden.


{{ParZ|480}} Ich fühle meinen Arm und seltsamerweise möchte ich nun sagen: ich fühle ihn im Raum in bestimmter Lage; als wäre nämlich das Körpergefühl in einem Raum in der Form des Arms verteilt, sodaß ich, um es darzustellen, den Arm etwa in Gips in seiner richtigen Lage darstellen müßte.
{{ParZ|480}} Ich fühle meinen Arm und seltsamerweise möchte ich nun sagen: ich fühle ihn im Raum in bestimmter Lage; als wäre nämlich das Körpergefühl in einem Raum in der Form des Arms verteilt, sodaß ich, um es darzustellen, den Arm etwa in Gips in seiner richtigen Lage darstellen müßte.
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Unterschied von den Empfindungen: sie sind nicht lokalisiert (auch nicht diffus!).
Unterschied von den Empfindungen: sie sind nicht lokalisiert (auch nicht diffus!).


Gemeinsam: sie haben ein charakteristisches Ausdrucksbeneh men. (Gesichtsausdruck.) Und daraus folgt schon: auch charakteristische Empfindungen. So geht die Trauer oft mit dem Weinen einher, und mit ihm, charakteristische Empfindungen. (Die tränenschwere Stimme.) Aber diese Empfindungen sind nicht die Gemütsbewegungen. (In dem Sinne, wie die Ziffer 2 nicht die Zahl 2 ist.)
Gemeinsam: sie haben ein charakteristisches Ausdrucksbenehmen. (Gesichtsausdruck.) Und daraus folgt schon: auch charakteristische Empfindungen. So geht die Trauer oft mit dem Weinen einher, und mit ihm, charakteristische Empfindungen. (Die tränenschwere Stimme.) Aber diese Empfindungen sind nicht die Gemütsbewegungen. (In dem Sinne, wie die Ziffer 2 nicht die Zahl 2 ist.)


Unter den Gemütsbewegungen könnte man gerichtete von ungerichteten unterscheiden. Furcht ''vor'' etwas, Freude ''über'' etwas.
Unter den Gemütsbewegungen könnte man gerichtete von ungerichteten unterscheiden. Furcht ''vor'' etwas, Freude ''über'' etwas.
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{{ParZ|489}} Das Sprachspiel "Ich fürchte mich" enthält schon das Objekt.
{{ParZ|489}} Das Sprachspiel "Ich fürchte mich" enthält schon das Objekt.


Angst ''könnte'' man ungerichtete Furcht nennen, insofern ihre Außerungen ähnlich oder gleich denen der Furcht sind.
Angst ''könnte'' man ungerichtete Furcht nennen, insofern ihre Äußerungen ähnlich oder gleich denen der Furcht sind.


Der ''Inhalt'' einer Gemütsbewegung—darunter stellt man sich so etwas vor wie ein ''Bild'' oder etwas, wovon ein Bild gemacht werden kann. (Die Finsternis der Depression, die sich auf einen herniedersenkt, die Flamme des Zornes.)
Der ''Inhalt'' einer Gemütsbewegung—darunter stellt man sich so etwas vor wie ein ''Bild'' oder etwas, wovon ein Bild gemacht werden kann. (Die Finsternis der Depression, die sich auf einen herniedersenkt, die Flamme des Zornes.)
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{{ParZ|494}} Gemütsbewegungen drücken sich in Gedanken aus. Einer redet zornig, furchtsam, traurig, freudig, etc., nicht kreuzschmerzlịch.
{{ParZ|494}} Gemütsbewegungen drücken sich in Gedanken aus. Einer redet zornig, furchtsam, traurig, freudig, etc., nicht kreuzschmerzlịch.


Ein Gedanke fößt mir Gemütsbewegungen (Furcht, Trauer etc.) ein, nicht Körperschmerz.
Ein Gedanke flößt mir Gemütsbewegungen (Furcht, Trauer etc.) ein, nicht Körperschmerz.


{{ParZ|495}} Fast möchte ich sagen: Man fühlt die Trauer so wenig im Körper, wie das Sehen im Auge.
{{ParZ|495}} Fast möchte ich sagen: Man fühlt die Trauer so wenig im Körper, wie das Sehen im Auge.
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{{ParZ|498}} Denke dir folgende Frage: Kann man sich einen Schmerz, sagen wir von der Qualität des rheumatischen Schmerzes, denken, aber ''ohne'' Örtlichkeit? Kann man sich ihn ''vorstellen''?
{{ParZ|498}} Denke dir folgende Frage: Kann man sich einen Schmerz, sagen wir von der Qualität des rheumatischen Schmerzes, denken, aber ''ohne'' Örtlichkeit? Kann man sich ihn ''vorstellen''?


Wenn du anfangst, darüber nachzudenken, so siehst du, wie sehr du das Wissen um den Ort des Schmerzes in ein Merkmal des ''Gefühlten'' verwandeln möchtest, in ein Merkmal eines Sinnesdatums, des privaten Objekts, das vor meiner Seele steht.
Wenn du anfängst, darüber nachzudenken, so siehst du, wie sehr du das Wissen um den Ort des Schmerzes in ein Merkmal des ''Gefühlten'' verwandeln möchtest, in ein Merkmal eines Sinnesdatums, des privaten Objekts, das vor meiner Seele steht.


{{ParZ|499}} Wenn die Angst furchtbar ist, und wenn ich in ihr mir meiner Atmung bewußt bin und einer Spannung in meinen Gesichtsmuskeln,—sagt das, daß diese ''Gefühle'' mir furchtbar sind? Könnten sie nicht sogar eine Linderung bedeuten? (Dostojewski.)
{{ParZ|499}} Wenn die Angst furchtbar ist, und wenn ich in ihr mir meiner Atmung bewußt bin und einer Spannung in meinen Gesichtsmuskeln,—sagt das, daß diese ''Gefühle'' mir furchtbar sind? Könnten sie nicht sogar eine Linderung bedeuten? (Dostojewski.)
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{{ParZ|500}} Warum verwendet man aber das Wort "leiden" für die Furcht und auch für den Schmerz? Nun, es sind ja Verbindungen genug.—
{{ParZ|500}} Warum verwendet man aber das Wort "leiden" für die Furcht und auch für den Schmerz? Nun, es sind ja Verbindungen genug.—


{{ParZ|501}} Auf die Außerung "Ich kann nicht ohne Furcht daran denken ...." antwortet man etwa: "Es ist kein Grund zur Furcht, denn ...." Das ist jedenfalls ''ein'' Mittel, Furcht zu beseitigen. Gegensatz zum Schmerz.
{{ParZ|501}} Auf die Äußerung "Ich kann nicht ohne Furcht daran denken ...." antwortet man etwa: "Es ist kein Grund zur Furcht, denn ...." Das ist jedenfalls ''ein'' Mittel, Furcht zu beseitigen. Gegensatz zum Schmerz.


{{ParZ|502}} Daß es ein Furchtkonglomerat von Empfindungen, Gedanken etc. (z. B.) gibt, heißt nicht, daß Furcht ein Konglomerat (Syndrom) ist.
{{ParZ|502}} Daß es ein Furchtkonglomerat von Empfindungen, Gedanken etc. (z. B.) gibt, heißt nicht, daß Furcht ein Konglomerat (Syndrom) ist.
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{{ParZ|504}} Liebe ist kein Gefühl. Liebe wird erprobt, Schmerzen nicht. Man sagt nicht: "Das war kein wahrer Schmerz, sonst hätte er nicht so schnell nachgelassen".
{{ParZ|504}} Liebe ist kein Gefühl. Liebe wird erprobt, Schmerzen nicht. Man sagt nicht: "Das war kein wahrer Schmerz, sonst hätte er nicht so schnell nachgelassen".


{{ParZ|505}} Ein Zusammenhang zwischen den Stimmungen und Sinneseindrücken ist, daß wir die Stimmungsbegriffe zur Beschreibung von Sinneseindrücken und Vorstellungen benützen. Wir sagen von einem Thema, ciner Landschaft, sie seien traurig, fröhlich, etc. Aber viel wichtiger ist es natürlich, daß wir das menschliche Gesicht, die Handlung, das Benehmen durch alle Stimmungsbegriffe beschreiben.
{{ParZ|505}} Ein Zusammenhang zwischen den Stimmungen und Sinneseindrücken ist, daß wir die Stimmungsbegriffe zur Beschreibung von Sinneseindrücken und Vorstellungen benützen. Wir sagen von einem Thema, einer Landschaft, sie seien traurig, fröhlich, etc. Aber viel wichtiger ist es natürlich, daß wir das menschliche Gesicht, die Handlung, das Benehmen durch alle Stimmungsbegriffe beschreiben.


{{ParZ|506}} Ein freundlicher Mund, ein freundliches Auge. Wie denkt man sich eine freundliche Hand?—Wahrscheinlich geöffnet und nicht als Faust.—Und könnte man sich die Haarfarbe des Menschen als Ausdruck der Freundlichkeit oder des Gegenteils denken?—Aber so gestellt, scheint dies die Frage zu sein, ob uns das ''gelingen'' kann. Die Frage sollte lauten: Wollen wir etwas eine freundliche oder unfreundliche Haarfarbe nennen? Wollten wir solchen Worten Sinn geben, so würden wir uns etwa einen Menschen denken, dessen Haare dunkel werden, wenn er zornig wird. Das Hineinlesen des bösen Ausdrucks in die dunkeln Haare aber geschähe mittels einer schon früher fertigen Idee.
{{ParZ|506}} Ein freundlicher Mund, ein freundliches Auge. Wie denkt man sich eine freundliche Hand?—Wahrscheinlich geöffnet und nicht als Faust.—Und könnte man sich die Haarfarbe des Menschen als Ausdruck der Freundlichkeit oder des Gegenteils denken?—Aber so gestellt, scheint dies die Frage zu sein, ob uns das ''gelingen'' kann. Die Frage sollte lauten: Wollen wir etwas eine freundliche oder unfreundliche Haarfarbe nennen? Wollten wir solchen Worten Sinn geben, so würden wir uns etwa einen Menschen denken, dessen Haare dunkel werden, wenn er zornig wird. Das Hineinlesen des bösen Ausdrucks in die dunkeln Haare aber geschähe mittels einer schon früher fertigen Idee.


Man kann sagen: Das freundliche Auge, der freundliche Mund, das Wedeln des Hundes sind, unter andern, primäre und von cinander unabhängige Symbole der Freundlichkeit; ich meine: sie sind Teile der Phänomene, die man Freundlichkeit nennt. Will man sich andere Erscheinungen als Ausdruck der Freundlichkeit denken, so sieht man jene Symbole in sie hinein. Wir sagen "Er macht ein finsteres Gesicht"; vielleicht, weil die Augen durch die Augenbrauen stärker beschattet werden; und nun übertragen wir die Idee der Finsternis auf die Haarfarbe.
Man kann sagen: Das freundliche Auge, der freundliche Mund, das Wedeln des Hundes sind, unter andern, primäre und von einander unabhängige Symbole der Freundlichkeit; ich meine: sie sind Teile der Phänomene, die man Freundlichkeit nennt. Will man sich andere Erscheinungen als Ausdruck der Freundlichkeit denken, so sieht man jene Symbole in sie hinein. Wir sagen "Er macht ein finsteres Gesicht"; vielleicht, weil die Augen durch die Augenbrauen stärker beschattet werden; und nun übertragen wir die Idee der Finsternis auf die Haarfarbe.


{{ParZ|507}} Wer fragt, ob Vergnügen eine Empfindung ist, unterscheidet wahrscheinlich nicht zwischen Grund und Ursache, denn sonst fiele ihm auf, daß man ''an etwas'' Vergnügen hat, was nicht heißt, daß dies Etwas eine Empfindung in uns verursacht.
{{ParZ|507}} Wer fragt, ob Vergnügen eine Empfindung ist, unterscheidet wahrscheinlich nicht zwischen Grund und Ursache, denn sonst fiele ihm auf, daß man ''an etwas'' Vergnügen hat, was nicht heißt, daß dies Etwas eine Empfindung in uns verursacht.
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Und versuch einmal über etwas sehr Trauriges nachzudenken mit dem Gesichtsausdruck strahlender Freude!
Und versuch einmal über etwas sehr Trauriges nachzudenken mit dem Gesichtsausdruck strahlender Freude!


{{ParZ|509}} Es ist ja möglich, daß die Drüsen des Traurigen anders sezernieren, als die des Fröhlichen; auch, daß diese Sekretion die oder eine Ursache der Trauer ist. Aber folgt daraus, daß die Trauer eine durch diese Sekretion ''hervorgerufene'' Empfinding ist?
{{ParZ|509}} Es ist ja möglich, daß die Drüsen des Traurigen anders sezernieren, als die des Fröhlichen; auch, daß diese Sekretion die oder eine Ursache der Trauer ist. Aber folgt daraus, daß die Trauer eine durch diese Sekretion hervorgerufene ''Empfindung'' ist?


{{ParZ|510}} Aber der Gedanke ist hier: "Du ''fühlst'' doch die Trauer——also mußt du sie ''irgendwo'' fühlen; sonst wäre sie eine Chimäre." Aber wenn du so denken willst, rufe dir die Verschiedenheit von Sehen und Schmerz ins Gedächtnis. Ich fühle den Schmerz in der Wunde——aber die Farbe im Auge? So wie wir hier ein Schema verwenden wollen, statt bloß das wirklich Gemeinsame zu notieren, sehen wir alles falsch vereinfacht.
{{ParZ|510}} Aber der Gedanke ist hier: "Du ''fühlst'' doch die Trauer——also mußt du sie ''irgendwo'' fühlen; sonst wäre sie eine Chimäre." Aber wenn du so denken willst, rufe dir die Verschiedenheit von Sehen und Schmerz ins Gedächtnis. Ich fühle den Schmerz in der Wunde——aber die Farbe im Auge? So wie wir hier ein Schema verwenden wollen, statt bloß das wirklich Gemeinsame zu notieren, sehen wir alles falsch vereinfacht.
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{{ParZ|523}} Vergessen wir doch einmal ganz, daß uns der Seelenzustand des Fürchtenden interessiert. Gewiß ist, daß uns auch sein Benehmen unter gewissen Umständen als Anzeichen für künftiges Verhalten interessieren kann. Warum sollten wir also nicht dafür ein Wort haben?
{{ParZ|523}} Vergessen wir doch einmal ganz, daß uns der Seelenzustand des Fürchtenden interessiert. Gewiß ist, daß uns auch sein Benehmen unter gewissen Umständen als Anzeichen für künftiges Verhalten interessieren kann. Warum sollten wir also nicht dafür ein Wort haben?


Man könnte nun fragen, ob dies Wort sich wirklich einfach auf das Benehmen, einfach auf die Veränderung des Körpers bezöge. Und das können wir verneinen. Es liegt uns ja nichts daran, den Gebrauch dieses Worts derart zu vereinfachen. Es bezieht sich auf das Benchmen unter gewissen äußeren Umständen. Wenn wir diese Umstände und jenes Benchmen beobachten, sagen wir, einer sei ...., oder habe .....
Man könnte nun fragen, ob dies Wort sich wirklich einfach auf das Benehmen, einfach auf die Veränderung des Körpers bezöge. Und das können wir verneinen. Es liegt uns ja nichts daran, den Gebrauch dieses Worts derart zu vereinfachen. Es bezieht sich auf das Benehmen unter gewissen äußeren Umständen. Wenn wir diese Umstände und jenes Benehmen beobachten, sagen wir, einer sei ...., oder habe .....


{{ParZ|524}} Es könnte einen Furchtbegriff geben, der nur auf Tiere, also nur durch Beobachtung, Anwendung fande.—Du willst doch nicht sagen, daß so ein Begriff keinen Nutzen hätte. Das Verbum, das beiläufig dem Wort "fürchten" entspräche, hätte dann keine erste Person, und keine seiner Formen ware Äußerung der Furcht.
{{ParZ|524}} Es könnte einen Furchtbegriff geben, der nur auf Tiere, also nur durch Beobachtung, Anwendung fände.—Du willst doch nicht sagen, daß so ein Begriff keinen Nutzen hätte. Das Verbum, das beiläufig dem Wort "fürchten" entspräche, hätte dann keine erste Person, und keine seiner Formen wäre Äußerung der Furcht.


{{ParZ|525}} Ich will nun sagen, daß Menschen, welche einen solchen Begriff verwenden, seinen Gebrauch ''nicht'' müßten beschreiben können. Und sollten sie es versuchen, so wäre es möglich, sie gäben eine ganz unzulängliche Beschreibung. (Wie die meisten, wenn sie versuchen wollten, die Verwendung des Geldes richtig zu beschreiben.) (Sie sind auf so eine Aufgabe nicht gefaßt.)
{{ParZ|525}} Ich will nun sagen, daß Menschen, welche einen solchen Begriff verwenden, seinen Gebrauch ''nicht'' müßten beschreiben können. Und sollten sie es versuchen, so wäre es möglich, sie gäben eine ganz unzulängliche Beschreibung. (Wie die meisten, wenn sie versuchen wollten, die Verwendung des Geldes richtig zu beschreiben.) (Sie sind auf so eine Aufgabe nicht gefaßt.)


{{ParZ|526}} Wer sich unter den und den Umständen so und so benimmt, von dem sagen wir, er sei traurig. (Auch vom Hunde.) Insofern kann man nicht sagen, das Benehmen sei die ''Ursache'' der Trauer; sie ist ihr Anzeichen. Sie die Wirkung der Trauer zu nennen, wäre auch nicht einwandfrei.—Sagt er es von sich (er sei traurig), so wird er im allgemeinen dafür als Grund nicht sein trauriges Gesicht u. dergl. angeben. Wie aber wäre es damit: "Erfahrung hat mich gelehrt, daß ich traurig werde, sobald ich anfange, traurig dazusitzen, etc."? Das könnte zweierlei besagen. Erstens: "Sobald ich, etwa einer leichten Neigung folgend, es mir gestatte, mich so und so zu halten und zu benehmen, gerate ich in den Zustand, in diesem Benehmen verharren zu müssen." Es könnte ja sein, daß Zahnschmerzen durch Stöhnen ärger würden.—Zweitens aber könnte jener Satz eine Spekulation enthalten über die Ursache der menschlichen Trauer; des Inhalts, daß, wer imstande wäre auf irgend eine Weise gewisse Körperzustände hervorzurufen, den Menschen traurig machen würde. Hier ist aber die Schwierigkeit, daß wir einen Menschen, der unter allen Umständen traurig ''aussähe'' und sich ''benähme'', nicht traurig nennen würden. Ja, wenn wir einem solchen den Ausdruck "Ich bin traurig" beibrüchten, und er sagte das stets und ständig mit dem Ausdruck der Trauer, so hätten diese Worte, so wie die übrigen Zeichen, ihren normalen Sinn verloren.
{{ParZ|526}} Wer sich unter den und den Umständen so und so benimmt, von dem sagen wir, er sei traurig. (Auch vom Hunde.) Insofern kann man nicht sagen, das Benehmen sei die ''Ursache'' der Trauer; sie ist ihr Anzeichen. Sie die Wirkung der Trauer zu nennen, wäre auch nicht einwandfrei.—Sagt er es von sich (er sei traurig), so wird er im allgemeinen dafür als Grund nicht sein trauriges Gesicht u. dergl. angeben. Wie aber wäre es damit: "Erfahrung hat mich gelehrt, daß ich traurig werde, sobald ich anfange, traurig dazusitzen, etc."? Das könnte zweierlei besagen. Erstens: "Sobald ich, etwa einer leichten Neigung folgend, es mir gestatte, mich so und so zu halten und zu benehmen, gerate ich in den Zustand, in diesem Benehmen verharren zu müssen." Es könnte ja sein, daß Zahnschmerzen durch Stöhnen ärger würden.—Zweitens aber könnte jener Satz eine Spekulation enthalten über die Ursache der menschlichen Trauer; des Inhalts, daß, wer imstande wäre auf irgend eine Weise gewisse Körperzustände hervorzurufen, den Menschen traurig machen würde. Hier ist aber die Schwierigkeit, daß wir einen Menschen, der unter allen Umständen traurig ''aussähe'' und sich ''benähme'', nicht traurig nennen würden. Ja, wenn wir einem solchen den Ausdruck "Ich bin traurig" beibrächten, und er sagte das stets und ständig mit dem Ausdruck der Trauer, so hätten diese Worte, so wie die übrigen Zeichen, ihren normalen Sinn verloren.


{{ParZ|527}} Ist es nicht so, als wollte man sich einen Gesichtsausdruck vorstellen, der nicht allmählicher, schwer fabbarer Veränderungen fähig wäre, sondern, sagen wir nur fünf Stellungen hätte; bei einer Veränderung ginge die eine mit einem Ruck in die andere über. Wäre nun dies starre Lächeln z. B. wirklich ein Lächeln? Und warum nicht?—"Lächeln" nennen wir eine Miene in einem normalen Mienenspiel.—Ich könnte mich vielleicht nicht so dazu verhalten, wie zu einem Lächeln. Es würde mich z. B. nicht selber zum Lächeln bringen. "Kein Wunder" will man sagen, "daß wir diesen Begriff haben unter ''diesen'' Umständen."
{{ParZ|527}} Ist es nicht so, als wollte man sich einen Gesichtsausdruck vorstellen, der nicht allmählicher, schwer faßbarer Veränderungen fähig wäre, sondern, sagen wir nur fünf Stellungen hätte; bei einer Veränderung ginge die eine mit einem Ruck in die andere über. Wäre nun dies starre Lächeln z. B. wirklich ein Lächeln? Und warum nicht?—"Lächeln" nennen wir eine Miene in einem normalen Mienenspiel.—Ich könnte mich vielleicht nicht so dazu verhalten, wie zu einem Lächeln. Es würde mich z. B. nicht selber zum Lächeln bringen. "Kein Wunder" will man sagen, "daß wir diesen Begriff haben unter ''diesen'' Umständen."


{{ParZ|528}} Eine Hilfskonstruktion. Ein Stamm, den wir versklaven wollen. Die Regierung und die Wissenschaft geben aus, daß die Leute dieses Stammes keine Seelen haben; man könne sie also zu jedem beliebigen Zweck gebrauchen. Natürlich interessiert uns dennoch ihre Sprache; denn wir wollen ihnen ja z. B. Befehle geben und Berichte von ihnen erhalten. Auch wollen wir wissen, was sie unter einander reden, da dies mit ihrem übrigen Verhalten zusammenhängt. Aber auch, was bei ihnen unsern 'psychologischen Äußerungen' entspricht, muß uns interessieren; denn wir wollen sie arbeitsfähig erhalten; darum sind uns ihre Außerungen des Schmerzes, des Unwohlseins, der Niedergeschlagenheit, der Lebenslust etc, etc. von Wichtigkeit. Ja, wir haben auch gefunden, daß man diese Leute mit gutem Erfolg als Versuchsobjekte in physiologischen und psychologischen Laboratorien verwenden kann, da ihre Reaktionen—auch die Sprachreaktionen—ganz die der scelenbegabten Menschen sind. Man habe auch gefunden, daß man diesen Wesen durch eine Methode, die sehr ähnlich unserm 'Unterricht' ist, unsere Sprache statt der ihrigen beibringen kann.
{{ParZ|528}} Eine Hilfskonstruktion. Ein Stamm, den wir versklaven wollen. Die Regierung und die Wissenschaft geben aus, daß die Leute dieses Stammes keine Seelen haben; man könne sie also zu jedem beliebigen Zweck gebrauchen. Natürlich interessiert uns dennoch ihre Sprache; denn wir wollen ihnen ja z. B. Befehle geben und Berichte von ihnen erhalten. Auch wollen wir wissen, was sie unter einander reden, da dies mit ihrem übrigen Verhalten zusammenhängt. Aber auch, was bei ihnen unsern 'psychologischen Äußerungen' entspricht, muß uns interessieren; denn wir wollen sie arbeitsfähig erhalten; darum sind uns ihre Äußerungen des Schmerzes, des Unwohlseins, der Niedergeschlagenheit, der Lebenslust etc., etc. von Wichtigkeit. Ja, wir haben auch gefunden, daß man diese Leute mit gutem Erfolg als Versuchsobjekte in physiologischen und psychologischen Laboratorien verwenden kann, da ihre Reaktionen—auch die Sprachreaktionen—ganz die der seelenbegabten Menschen sind. Man habe auch gefunden, daß man diesen Wesen durch eine Methode, die sehr ähnlich unserm 'Unterricht' ist, unsere Sprache statt der ihrigen beibringen kann.


{{ParZ|529}} Diese Wesen lernen nun z. B. rechnen, schriftlich oder mündlich rechnen. Wir bringen sie aber auf irgend eine Weise dahin, daß sie uns das Ergebnis einer Multiplikation sagen können, nachdem sie, ohne zu schreiben oder zu sprechen, sich eine Weile in 'nachdenkender' Haltung verhalten haben. Wenn man die Art und Weise betrachtet, wie sie dies 'Kopfrechnen' lernen und die Erscheinungen, die es umgeben, so liegt das Bild nahe, der Prozeß des Rechnens sei gleichsam untergetaucht und gehe nun ''unter'' der Wasserfläche vor sich.
{{ParZ|529}} Diese Wesen lernen nun z. B. rechnen, schriftlich oder mündlich rechnen. Wir bringen sie aber auf irgend eine Weise dahin, daß sie uns das Ergebnis einer Multiplikation sagen können, nachdem sie, ohne zu schreiben oder zu sprechen, sich eine Weile in 'nachdenkender' Haltung verhalten haben. Wenn man die Art und Weise betrachtet, wie sie dies 'Kopfrechnen' lernen und die Erscheinungen, die es umgeben, so liegt das Bild nahe, der Prozeß des Rechnens sei gleichsam untergetaucht und gehe nun ''unter'' der Wasserfläche vor sich.
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{{ParZ|532}} Der Schmerzbegriff ist charakterisiert durch seine bestimmte Funktion in unserm Leben.
{{ParZ|532}} Der Schmerzbegriff ist charakterisiert durch seine bestimmte Funktion in unserm Leben.


{{ParZ|533}} Schmerz liegt so in unserm Leben drin, hat ''solche'' Zusammenhänge. (D. h.: nur was ''so'' im Leben drinliegt, ''solche'' Zusammenhänge hat, nennen wir "Schmerz".)
{{ParZ|533}} Schmerz liegt ''so'' in unserm Leben drin, hat ''solche'' Zusammenhänge. (D. h.: nur was ''so'' im Leben drinliegt, ''solche'' Zusammenhänge hat, nennen wir "Schmerz".)


{{ParZ|534}} Nur inmitten gewisser normaler Lebensäußerungen gibt es eine Schmerzäußerung. Nur inmitten von noch viel weitgehender bestimmter Lebensäußerung den Ausdruck der Trauer oder der Zuneigung. U. s. f.
{{ParZ|534}} Nur inmitten gewisser normaler Lebensäußerungen gibt es eine Schmerzäußerung. Nur inmitten von noch viel weitgehender bestimmter Lebensäußerung den Ausdruck der Trauer oder der Zuneigung. U. s. f.
Line 1,568: Line 1,568:
Wohl aber ist es wahr:—"Ich kümmere mich nicht um mein Stöhnen."
Wohl aber ist es wahr:—"Ich kümmere mich nicht um mein Stöhnen."


{{ParZ|539}} Ich schließe aus der Beobachtung seines Benchmens, daß er zum Arzt muß; aber ich ziehe diesen Schluß für mich ''nicht'' aus der Beobachtung meines Benehmens. Oder vielmehr: ich tue auch dies manchmal, aber ''nicht'' in analogen Fällen.
{{ParZ|539}} Ich schließe aus der Beobachtung seines Benehmens, daß er zum Arzt muß; aber ich ziehe diesen Schluß für mich ''nicht'' aus der Beobachtung meines Benehmens. Oder vielmehr: ich tue auch dies manchmal, aber ''nicht'' in analogen Fällen.


{{ParZ|540}} Es hilft hier, wenn man bedenkt, daß es ein primitives Verhalten ist, die schmerzende Stelle des Andern zu pflegen, zu behandlen, und nicht nur die eigene—also auf des Andern Schmerzbenchmen zu achten, wie auch, auf das eigene Schmerzbenchmen ''nicht'' zu achten.
{{ParZ|540}} Es hilft hier, wenn man bedenkt, daß es ein primitives Verhalten ist, die schmerzende Stelle des Andern zu pflegen, zu behandeln, und nicht nur die eigene—also auf des Andern Schmerzbenehmen zu achten, wie auch, auf das eigene Schmerzbenehmen ''nicht'' zu achten.


{{ParZ|541}} Was aber will hier das Wort "primitiv" sagen? Doch wohl, daß die Verhaltungsweise ''vorsprachlich'' ist: daß ein Sprachspiel ''auf ihr'' beruht, daß sie das Prototyp einer Denkweise ist und nicht das Ergebnis des Denkens.
{{ParZ|541}} Was aber will hier das Wort "primitiv" sagen? Doch wohl, daß die Verhaltungsweise ''vorsprachlich'' ist: daß ein Sprachspiel ''auf ihr'' beruht, daß sie das Prototyp einer Denkweise ist und nicht das Ergebnis des Denkens.