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{{ParZ|20}} Es wäre daher dumm, Meinen eine 'geistige Tätigkeit' zu nennen. Weil man damit eine falsche Vorstellung von der Funktion des Wortes begünstigt.
{{ParZ|20}} Es wäre daher dumm, Meinen eine 'geistige Tätigkeit' zu nennen. Weil man damit eine falsche Vorstellung von der Funktion des Wortes begünstigt.


{{ParZ|21}} Ich sage "Komm her!" und zeige in der Richtung des A. B, der neben ihm steht, macht einen Schritt auf mich zu. Ich sage: "Nein; A soll kommen.Wird man das nun als eine Mitteilung über meine Seelenvorgänge auffassen? Gewiß nicht.—Und könnte man nicht doch daraus Schlüsse auf Vorgänge ziehen, die in mir beim Aussprechen des Befehls "Komm her!" stattgefunden haben?
{{ParZ|21}} Ich sage "Komm her!" und zeige in der Richtung des A. B, der neben ihm steht, macht einen Schritt auf mich zu. Ich sage: "Nein; A soll kommen." Wird man das nun als eine Mitteilung über meine Seelenvorgänge auffassen? Gewiß nicht.—Und könnte man nicht doch daraus Schlüsse auf Vorgänge ziehen, die in mir beim Aussprechen des Befehls "Komm her!" stattgefunden haben?


Aber auf was für Vorgänge? Könnte man nicht mutmaßen, ich habe bei meinem Befehl auf A geschaut; mein Gedankengang habe mich zu ihm geleitet? Aber vielleicht kenne ich den B überhaupt nicht, stehe nur mit A in Verbindung. Dann hätte also, wer meine seelischen Vorgänge mutmaßte, ganz irregehen können, und hätte dennoch verstanden, daß ich den A und nicht den B gemeint habe.
Aber auf was für Vorgänge? Könnte man nicht mutmaßen, ich habe bei meinem Befehl auf A geschaut; mein Gedankengang habe mich zu ihm geleitet? Aber vielleicht kenne ich den B überhaupt nicht, stehe nur mit A in Verbindung. Dann hätte also, wer meine seelischen Vorgänge mutmaßte, ganz irregehen können, und hätte dennoch verstanden, daß ich den A und nicht den B gemeint habe.
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Daß du den Ausdruck "auf N anspielen" verstehst, kannst du dadurch zeigen, daß du Beispiele des Anspielens beschreibst. Was wirst du nun alles beschreiben? Vor allem Umstände. Dann was Einer sagt. Etwa auch seinen Blick etc. Dann, was der Anspielende tun will.
Daß du den Ausdruck "auf N anspielen" verstehst, kannst du dadurch zeigen, daß du Beispiele des Anspielens beschreibst. Was wirst du nun alles beschreiben? Vor allem Umstände. Dann was Einer sagt. Etwa auch seinen Blick etc. Dann, was der Anspielende tun will.


Und teile ich jemand dazu noch meine Gefühle, Vorstellungen etc., während ich diese Bemerkung machte (während dieser Anspielung), mit, so mögen diese das typische Bild des Anspielens (oder ''ein'' solches Bild) vervollständigen. Aber daraus folgt nicht, daß der Ausdruck auf N anspielen" bedeute: sich so benehmen, dies fühlen, sich dies vorstellen, etc. Und hier wird mancher sagen: "Freilich nicht! das haben wir immer schon gesehen. Und es muß sich eben ein roter Faden durch alle diese Erscheinungen ziehen. Er ist mit ihnen sozusagen umsponnen, und daher schwer auffindbar."—Und das ist auch nicht wahr.
Und teile ich jemand dazu noch meine Gefühle, Vorstellungen etc., während ich diese Bemerkung machte (während dieser Anspielung), mit, so mögen diese das typische Bild des Anspielens (oder ''ein'' solches Bild) vervollständigen. Aber daraus folgt nicht, daß der Ausdruck "auf N anspielen" bedeute: sich so benehmen, dies fühlen, sich dies vorstellen, etc. Und hier wird mancher sagen: "Freilich nicht! das haben wir immer schon gesehen. Und es muß sich eben ein roter Faden durch alle diese Erscheinungen ziehen. Er ist mit ihnen sozusagen umsponnen, und daher schwer auffindbar."—Und das ist auch nicht wahr.


Aber es wäre auch falsch zu sagen, "anspielen" bezeichne eine Familie von geistigen und anderen Vorgängen.—Denn man kann zwar fragen "Welches war deine Anspielung auf N?", "Wie hast du den andern zu verstehen gegeben, daß du N meintest?"; aber nicht: "Wie hast du diese Äußerung als Anspielung auf N gemeint?"
Aber es wäre auch falsch zu sagen, "anspielen" bezeichne eine Familie von geistigen und anderen Vorgängen.—Denn man kann zwar fragen "Welches war deine Anspielung auf N?", "Wie hast du den andern zu verstehen gegeben, daß du N meintest?"; aber nicht: "Wie hast du diese Äußerung als Anspielung auf N gemeint?"
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Ja, wenn ich die ganze Gebärde machte und sagte "Er liegt dort drüben", so wäre das kein Zeigen, wenn nicht diese Worte zu einer Sprache gehörten.
Ja, wenn ich die ganze Gebärde machte und sagte "Er liegt dort drüben", so wäre das kein Zeigen, wenn nicht diese Worte zu einer Sprache gehörten.


{{ParZ|29}} “Du hast mit der Hand eine Bewegung gemacht; hast du etwas damit gemeint ?—Ich dachte, du meintest, ich solle zu dir kommen."
{{ParZ|29}} "Du hast mit der Hand eine Bewegung gemacht; hast du etwas damit gemeint ?—Ich dachte, du meintest, ich solle zu dir kommen."


Also er konnte etwas meinen oder auch nichts meinen. Und wenn das erstere: dann eben seine Handbewegung,—oder etwas Anderes? Hat er mit seinem Ausdruck etwas Anderes als diesen gemeint, oder hat er nur seinen Ausdruck—''gemeint''?
Also er konnte etwas meinen oder auch nichts meinen. Und wenn das erstere: dann eben seine Handbewegung,—oder etwas Anderes? Hat er mit seinem Ausdruck etwas Anderes als diesen gemeint, oder hat er nur seinen Ausdruck—''gemeint''?
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Überlege, was das eigentlich heißen würde "eine Absicht intermittierend haben". Es hieße etwa: die Absicht haben, sie fallen lassen, sie wieder aufnehmen u. s. f.
Überlege, was das eigentlich heißen würde "eine Absicht intermittierend haben". Es hieße etwa: die Absicht haben, sie fallen lassen, sie wieder aufnehmen u. s. f.


{{ParZ|48}} Unter was für Umständen sagt man "Diese Vorrichtung ist eine Bremse, funktioniert aber nicht"? Das heißt doch: sie erfüllt ihren Zweck nicht. Worin liegt es, daß sie diesen Zweck hat? Man könnte auch sagen: "Es war die ''Absicht'', daß dies als Bremse wirken sollte.Wessen Absicht? Hier entschwindet uns die Absicht als Zustand der Seele gänzlich.
{{ParZ|48}} Unter was für Umständen sagt man "Diese Vorrichtung ist eine Bremse, funktioniert aber nicht"? Das heißt doch: sie erfüllt ihren Zweck nicht. Worin liegt es, daß sie diesen Zweck hat? Man könnte auch sagen: "Es war die ''Absicht'', daß dies als Bremse wirken sollte." Wessen Absicht? Hier entschwindet uns die Absicht als Zustand der Seele gänzlich.


Könnte man sich nicht auch das denken, daß mehrere Leute eine Absicht hätten, ausführten, ohne daß einer von ihnen sie hat? So kann eine Regierung eine Absicht haben, die kein ''Mensch'' hat.
Könnte man sich nicht auch das denken, daß mehrere Leute eine Absicht hätten, ausführten, ohne daß einer von ihnen sie hat? So kann eine Regierung eine Absicht haben, die kein ''Mensch'' hat.
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{{ParZ|49}} Es könnte ein Verbum geben, welches bedeutet: die Absicht durch Worte oder andere Zeichen laut oder in Gedanken aussprechen. Dies Zeitwort wäre nicht gleichbedeutend unserem "beabsichtigen".
{{ParZ|49}} Es könnte ein Verbum geben, welches bedeutet: die Absicht durch Worte oder andere Zeichen laut oder in Gedanken aussprechen. Dies Zeitwort wäre nicht gleichbedeutend unserem "beabsichtigen".


Es könnte ein Verbum geben, welches bedeutet: einer Absicht gemäß handeln; und dieses wäre auch nicht gleichbedeutend unserem “beabsichtigen".
Es könnte ein Verbum geben, welches bedeutet: einer Absicht gemäß handeln; und dieses wäre auch nicht gleichbedeutend unserem "beabsichtigen".


Wieder ein Anderes könnte bedeuten: über eine Absicht brüten; oder sie im Kopfe hin und her wälzen.
Wieder ein Anderes könnte bedeuten: über eine Absicht brüten; oder sie im Kopfe hin und her wälzen.
Line 205: Line 205:
Ist ''das'' der Unterschied, daß die ersten willkürliche, die zweiten unwillkürliche Bewegungen des Geistes sind? Eher kann ich sagen, die Verben der zweiten Gruppe bezeichnen keine Handlungen. (Vergleiche damit den Befehl: "Lache herzlich über diesen Witz!")
Ist ''das'' der Unterschied, daß die ersten willkürliche, die zweiten unwillkürliche Bewegungen des Geistes sind? Eher kann ich sagen, die Verben der zweiten Gruppe bezeichnen keine Handlungen. (Vergleiche damit den Befehl: "Lache herzlich über diesen Witz!")


{{ParZ|52}} Kann man jemandem befehlen, einen Satz zu verstehen? Warum kann man einem nicht befehlen: "Versteh das!"? Könnte ich nicht den Befehl "Versteh diesen griechischen Satz!" dadurch befolgen, daß ich Griechisch lernte?——Ähnlich: Man kann sagen "Rufe dir Schmerzen hervor!, aber nicht "Habe Schmerzen!" Man sagt: "Versetz dich in diesen Zustand!" aber nicht: "Sei in diesem Zustand!"
{{ParZ|52}} Kann man jemandem befehlen, einen Satz zu verstehen? Warum kann man einem nicht befehlen: "Versteh das!"? Könnte ich nicht den Befehl "Versteh diesen griechischen Satz!" dadurch befolgen, daß ich Griechisch lernte?——Ähnlich: Man kann sagen "Rufe dir Schmerzen hervor!", aber nicht "Habe Schmerzen!" Man sagt: "Versetz dich in diesen Zustand!" aber nicht: "Sei in diesem Zustand!"


{{ParZ|53}} Ich erwarte jeden Augenblick eine Explosion. Ich bin nicht imstande, einer andern Sache meine volle Aufmerksamkeit zu schenken; schaue in ein Buch, aber ohne zu lesen. Auf die Frage, warum ich zerstreut oder nervös scheine, sage ich, ich erwarte en Augenblick die Explosion.—Wie war es nun: Beschrieb dieser Satz eben jenes Verhalten? Aber wie unterscheidet sich dann der Vorgang des Erwartens der Explosion vom Vorgang des Erwartens eines ganz andern Ereignisses, z. B. eines bestimmten Signals? Und wie unterscheidet sich die Erwartung ''eines'' Signals von der Erwartung eines um weniges verschiedenen Signals? Oder war meine Handlungsweise nur Nebenerscheinung der eigentlichen Erwartung, und diese ein besonderer geistiger Vorgang? Und war dieser Vorgang homogen oder gegliedert wie ein Satz (mit ''internen'' Anfang und Ende)? Wie weiß aber der, in dem er vorgeht, welches Ereignisses Erwartung der Vorgang ist? Er scheint nämlich nicht darüber im Ungewissen. Es ist nicht, als konstatierte er einen seelischen oder andern Zustand und machte eine Vermutung über dessen Ursache. Er mag wohl sagen "Ich weiß nicht, ist es nur diese Erwartung, die mich heute so unruhig mache”, aber er wird nicht sagen: "Ich weiß nicht, ist dieser Seelenzustand, in dem ich jetzt bin, die Erwartung einer Explosion, oder von etwas Anderm."
{{ParZ|53}} Ich erwarte jeden Augenblick eine Explosion. Ich bin nicht imstande, einer andern Sache meine volle Aufmerksamkeit zu schenken; schaue in ein Buch, aber ohne zu lesen. Auf die Frage, warum ich zerstreut oder nervös scheine, sage ich, ich erwarte en Augenblick die Explosion.—Wie war es nun: Beschrieb dieser Satz eben jenes Verhalten? Aber wie unterscheidet sich dann der Vorgang des Erwartens der Explosion vom Vorgang des Erwartens eines ganz andern Ereignisses, z. B. eines bestimmten Signals? Und wie unterscheidet sich die Erwartung ''eines'' Signals von der Erwartung eines um weniges verschiedenen Signals? Oder war meine Handlungsweise nur Nebenerscheinung der eigentlichen Erwartung, und diese ein besonderer geistiger Vorgang? Und war dieser Vorgang homogen oder gegliedert wie ein Satz (mit ''internen'' Anfang und Ende)? Wie weiß aber der, in dem er vorgeht, welches Ereignisses Erwartung der Vorgang ist? Er scheint nämlich nicht darüber im Ungewissen. Es ist nicht, als konstatierte er einen seelischen oder andern Zustand und machte eine Vermutung über dessen Ursache. Er mag wohl sagen "Ich weiß nicht, ist es nur diese Erwartung, die mich heute so unruhig mache", aber er wird nicht sagen: "Ich weiß nicht, ist dieser Seelenzustand, in dem ich jetzt bin, die Erwartung einer Explosion, oder von etwas Anderm."


Die Aussage "Ich erwarte jeden Moment einen Knall" ist eine ''Äußerung'' der Erwartung. Diese Wortreaktion ist der Ausschlag des Zeigers, der den Gegenstand der Erwartung anzeigt.
Die Aussage "Ich erwarte jeden Moment einen Knall" ist eine ''Äußerung'' der Erwartung. Diese Wortreaktion ist der Ausschlag des Zeigers, der den Gegenstand der Erwartung anzeigt.
Line 237: Line 237:
{{ParZ|64}} Ich pfeife, und jemand fragt mich, warum ich guter Dinge bin. Ich antworte, "Ich hoffe, N wird heute kommen."—Aber während ich pfiff, dachte ich nicht an ihn. Und doch wäre es falsch zu sagen: ich hätte aufgehört zu hoffen, als ich zu pfeifen anfing.
{{ParZ|64}} Ich pfeife, und jemand fragt mich, warum ich guter Dinge bin. Ich antworte, "Ich hoffe, N wird heute kommen."—Aber während ich pfiff, dachte ich nicht an ihn. Und doch wäre es falsch zu sagen: ich hätte aufgehört zu hoffen, als ich zu pfeifen anfing.


{{ParZ|65}} Wenn ich sage "Ich erwarte ....."—ist das die Feststellung: die Situation, meine Handlungen, Gedanken etc. seien die des Erwartens dieses Ereignisses; oder gehören die Worte "Ich erwarte .....zum Vorgang des Erwartens ?
{{ParZ|65}} Wenn ich sage "Ich erwarte ....."—ist das die Feststellung: die Situation, meine Handlungen, Gedanken etc. seien die des Erwartens dieses Ereignisses; oder gehören die Worte "Ich erwarte ....." zum Vorgang des Erwartens ?


Unter gewissen Umständen werden diese Worte heißen (ersetzt werden können durch) "Ich glaube, das und das wird eintreten". Manchmal auch: "Mach dich darauf gefaßt, daß ....."
Unter gewissen Umständen werden diese Worte heißen (ersetzt werden können durch) "Ich glaube, das und das wird eintreten". Manchmal auch: "Mach dich darauf gefaßt, daß ....."
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{{ParZ|68}} Die Erfüllung der Erwartung besteht nicht darin, daß ein Drittes geschieht, das man, außer eben als "die Erfüllung dieser Erwartung" auch noch anders beschreiben könnte, also z. B. als ein Gefühl der Befriedigung oder der Freude oder wie immer. Die Erwartung, daß etwas der Fall sein wird, ist das Gleiche, wie die Erwartung der Erfüllung jener Erwartung. [''Randbemerkung:'' Erwartung dessen was nicht ist.]
{{ParZ|68}} Die Erfüllung der Erwartung besteht nicht darin, daß ein Drittes geschieht, das man, außer eben als "die Erfüllung dieser Erwartung" auch noch anders beschreiben könnte, also z. B. als ein Gefühl der Befriedigung oder der Freude oder wie immer. Die Erwartung, daß etwas der Fall sein wird, ist das Gleiche, wie die Erwartung der Erfüllung jener Erwartung. [''Randbemerkung:'' Erwartung dessen was nicht ist.]


{{ParZ|69}} Sokrates zu Theaitetos: "Und wer vorstellt, sollte nicht ''etwas'' vorstellen?"—Th.: "Notwendig".—Sok.: "Und wer etwas vorstellt, nichts Wirkliches?”—Th.: "So scheint es."
{{ParZ|69}} Sokrates zu Theaitetos: "Und wer vorstellt, sollte nicht ''etwas'' vorstellen?"—Th.: "Notwendig".—Sok.: "Und wer etwas vorstellt, nichts Wirkliches?"—Th.: "So scheint es."


Setzen wir in diesem Argument statt des Wortes "vorstellen" etwa das Wort "töten", so gibt es eine Regel für den Gebrauch dieses Worts: es hat keinen Sinn zu sagen "Ich töte etwas, was nicht existiert". Ich kann mir einen Hirsch auf dieser Wiese vorstellen, der nicht da ist, aber keinen töten, der nicht da ist. Und "sich einen Hirsch auf dieser Wiese vorstellen", heißt: sich vorstellen, daß ein Hirsch da ist. Einen Hirsch töten aber heißt nicht: töten, daß etc. Wenn aber jemand sagt "Damit ich mir einen Hirsch vorstellen kann, muß es ihn doch in einem gewissen Sinne geben"—so ist die Antwort: nein, es muß ihn dazu in keinem Sinne geben. Und wenn geantwortet würde: "Aber die braune Farbe z. B. muß es doch geben, damit ich sie mir vorstellen kann",—so ist zu sagen: "es gibt die braune Farbe", heißt überhaupt nichts; außer etwa, daß sie da oder dort als Färbung eines Gegenstands vorhanden ist; und das ist nicht nötig, damit ich mir einen braunen Hirsch vorstellen kann.
Setzen wir in diesem Argument statt des Wortes "vorstellen" etwa das Wort "töten", so gibt es eine Regel für den Gebrauch dieses Worts: es hat keinen Sinn zu sagen "Ich töte etwas, was nicht existiert". Ich kann mir einen Hirsch auf dieser Wiese vorstellen, der nicht da ist, aber keinen töten, der nicht da ist. Und "sich einen Hirsch auf dieser Wiese vorstellen", heißt: sich vorstellen, daß ein Hirsch da ist. Einen Hirsch töten aber heißt nicht: töten, daß etc. Wenn aber jemand sagt "Damit ich mir einen Hirsch vorstellen kann, muß es ihn doch in einem gewissen Sinne geben"—so ist die Antwort: nein, es muß ihn dazu in keinem Sinne geben. Und wenn geantwortet würde: "Aber die braune Farbe z. B. muß es doch geben, damit ich sie mir vorstellen kann",—so ist zu sagen: "es gibt die braune Farbe", heißt überhaupt nichts; außer etwa, daß sie da oder dort als Färbung eines Gegenstands vorhanden ist; und das ist nicht nötig, damit ich mir einen braunen Hirsch vorstellen kann.
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{{ParZ|98}} Sagen wir, es denke ''jeder'', der sinnvoll spricht? Z. B. der Bauende im Sprachspiel [[Philosophische_Untersuchungen#2|No.2]]? Könnten wir uns nicht das Bauen und Rufen der Wörter etc. in einer Umgebung denken, in der wir es mit einem Denken nicht im entferntesten in Zusammenhang brachten?
{{ParZ|98}} Sagen wir, es denke ''jeder'', der sinnvoll spricht? Z. B. der Bauende im Sprachspiel [[Philosophische_Untersuchungen#2|No.2]]? Könnten wir uns nicht das Bauen und Rufen der Wörter etc. in einer Umgebung denken, in der wir es mit einem Denken nicht im entferntesten in Zusammenhang brachten?


{{ParZ|99}} (Zum Sprachspiel [[Philosophische_Untersuchungen#2|No.2]]) "Du setzt eben stillschweigend schon voraus, daß diese Menschen ''denken''; daß sie in ''dieser'' Beziehung den uns bekannten Menschen gleichen; daß sie jenes Sprachspiel nicht rein mechanisch betreiben. Denn stelltest du dir vor, sie täten's, so würdest du's selbst nicht den Gebrauch einer rudimentären Sprache nennen.
{{ParZ|99}} (Zum Sprachspiel [[Philosophische_Untersuchungen#2|No.2]]) "Du setzt eben stillschweigend schon voraus, daß diese Menschen ''denken''; daß sie in ''dieser'' Beziehung den uns bekannten Menschen gleichen; daß sie jenes Sprachspiel nicht rein mechanisch betreiben. Denn stelltest du dir vor, sie täten's, so würdest du's selbst nicht den Gebrauch einer rudimentären Sprache nennen."


Was soll ich nun dem antworten? Es ist natürlich wahr, das Leben jener Menschen muß dem unsern in vieler Beziehung gleichen, und ich habe über diese Ähnlichkeiten nichts gesagt. Das Wichtige aber ist, daß ihre Sprache, wie auch ihr Denken, rudimentär sein kann, daß es ein 'primitives Denken' gibt, welches durch ein primitives ''Verhalten'' zu beschreiben ist. Die Umgebung ist nicht die 'Denkbegleitung' des Sprechens.
Was soll ich nun dem antworten? Es ist natürlich wahr, das Leben jener Menschen muß dem unsern in vieler Beziehung gleichen, und ich habe über diese Ähnlichkeiten nichts gesagt. Das Wichtige aber ist, daß ihre Sprache, wie auch ihr Denken, rudimentär sein kann, daß es ein 'primitives Denken' gibt, welches durch ein primitives ''Verhalten'' zu beschreiben ist. Die Umgebung ist nicht die 'Denkbegleitung' des Sprechens.


{{ParZ|100}} Denken wir uns, daß einer eine Arbeit verrichtet, in der es ein Vergleichen, Versuchen, Wahlen gibt. Er stellt etwa einen Gebrauchsgegenstand aus gewissen Materialstücken mit gegebenen Werkzeugen her. Immer wieder entsteht das Problem "Soll ich ''dies'' Stück dazu nehmen?"—Das Stück wird verworfen, ein anderes versucht. Stücke werden versuchsweise zusammengestellt, auseinandergenommen; es wird nach einem passenden gesucht etc., etc. Ich denke mir nun diesen ganzen Hergang gefilmt. Der Arbeitende gibt etwa auch Laute von sich, wie "hm" oder "ha!" Sozusagen Laute des Zögerns, des plötzlichen Findens, des Entschlusses, der Zufriedenheit, der Unzufriedenheit. Aber kein Wort wird geredet. Jene Laute mögen im Film aufgenommen werden. Der Film wird mir vorgeführt, und ich erfinde nun ein Selbstgespräch des Arbeitenden, welches zu seiner Arbeitsweise, dem Rhythmus seiner Arbeit, seinem Mienenspiel, seinen Gebärden und Naturlauten paßt, welches all dem entspricht. Ich lasse ihn also manchmal sagen "Nein, das Stück ist zu lang, vielleicht paßt ein anderes besser."——Oder "Was soll ich jetzt tun?"——"Ich hab's!”——Oder "Das ist ganz gut" etc.
{{ParZ|100}} Denken wir uns, daß einer eine Arbeit verrichtet, in der es ein Vergleichen, Versuchen, Wahlen gibt. Er stellt etwa einen Gebrauchsgegenstand aus gewissen Materialstücken mit gegebenen Werkzeugen her. Immer wieder entsteht das Problem "Soll ich ''dies'' Stück dazu nehmen?"—Das Stück wird verworfen, ein anderes versucht. Stücke werden versuchsweise zusammengestellt, auseinandergenommen; es wird nach einem passenden gesucht etc., etc. Ich denke mir nun diesen ganzen Hergang gefilmt. Der Arbeitende gibt etwa auch Laute von sich, wie "hm" oder "ha!" Sozusagen Laute des Zögerns, des plötzlichen Findens, des Entschlusses, der Zufriedenheit, der Unzufriedenheit. Aber kein Wort wird geredet. Jene Laute mögen im Film aufgenommen werden. Der Film wird mir vorgeführt, und ich erfinde nun ein Selbstgespräch des Arbeitenden, welches zu seiner Arbeitsweise, dem Rhythmus seiner Arbeit, seinem Mienenspiel, seinen Gebärden und Naturlauten paßt, welches all dem entspricht. Ich lasse ihn also manchmal sagen "Nein, das Stück ist zu lang, vielleicht paßt ein anderes besser."——Oder "Was soll ich jetzt tun?"——"Ich hab's!"——Oder "Das ist ganz gut" etc.


Wenn der Arbeitende reden kann,—wäre es eine Verfälschung des wirklichen Vorgangs, wenn er ihn genau beschriebe und etwa sagte: "Dann dachte ich: Nein, das geht nicht; ich muß es anders versuchen." u.s.w.—obwohl er während der Arbeit nicht gesprochen und sich auch diese Worte nicht vorgestellt hatte?
Wenn der Arbeitende reden kann,—wäre es eine Verfälschung des wirklichen Vorgangs, wenn er ihn genau beschriebe und etwa sagte: "Dann dachte ich: Nein, das geht nicht; ich muß es anders versuchen." u.s.w.—obwohl er während der Arbeit nicht gesprochen und sich auch diese Worte nicht vorgestellt hatte?
Line 415: Line 415:
{{ParZ|133}} Also z. B.: "Wenn ''immer'' falsch gezogen worden wäre, so hätte es keinen Sinn, von einem 'falschen Zug' zu reden." Aber das ist nur eine paradoxe Form, es zu sagen. Die nicht-paradoxe Form wäre: "Die allgemeine Beschreibung ..... hat keinen Sinn."
{{ParZ|133}} Also z. B.: "Wenn ''immer'' falsch gezogen worden wäre, so hätte es keinen Sinn, von einem 'falschen Zug' zu reden." Aber das ist nur eine paradoxe Form, es zu sagen. Die nicht-paradoxe Form wäre: "Die allgemeine Beschreibung ..... hat keinen Sinn."


{{ParZ|134}} Statt "man kann nicht", sage: "es gibt in diesem Spiel nicht". Statt "man kann im Damespiel nicht rochieren"—"es gibt im Damespiel kein Rochieren"; statt "ich kann meine Empfindung nicht vorzeigen"—"es gibt in der Verwendung des Wortes 'Empfindung' kein Vorzeigen dessen, was man har"; statt "man kann nicht alle Kardinalzahlen aufzählen"—"es gibt hier kein Aufzählen aller Glieder”.
{{ParZ|134}} Statt "man kann nicht", sage: "es gibt in diesem Spiel nicht". Statt "man kann im Damespiel nicht rochieren"—"es gibt im Damespiel kein Rochieren"; statt "ich kann meine Empfindung nicht vorzeigen"—"es gibt in der Verwendung des Wortes 'Empfindung' kein Vorzeigen dessen, was man har"; statt "man kann nicht alle Kardinalzahlen aufzählen"—"es gibt hier kein Aufzählen aller Glieder".


{{ParZ|135}} Das Gespräch, die Anwendung und Ausdeutung der Worte fließt dahin, und nur im Fluß hat das Wort seine Bedeutung.
{{ParZ|135}} Das Gespräch, die Anwendung und Ausdeutung der Worte fließt dahin, und nur im Fluß hat das Wort seine Bedeutung.


"Er ist abgereist.”—"Warum?"—Was meintest du, als du das Wort "warum" aussprachst? Woran ''dachtest'' du?
"Er ist abgereist."—"Warum?"—Was meintest du, als du das Wort "warum" aussprachst? Woran ''dachtest'' du?


{{ParZ|136}} Denk ans Aufzeigen in der Schule. Muß einer sich die Antwort im Stillen vorgesagt haben, um mit Recht aufzeigen zu können? Und ''was'' muß in ihm dazu vorgegangen sein?—Nichts. Aber es ist wichtig, daß er für gewöhnlich eine Antwort wisse, wenn er aufzeigt; und das ist das Kriterium dafür, daß er das Aufzeigen ''versteht''.
{{ParZ|136}} Denk ans Aufzeigen in der Schule. Muß einer sich die Antwort im Stillen vorgesagt haben, um mit Recht aufzeigen zu können? Und ''was'' muß in ihm dazu vorgegangen sein?—Nichts. Aber es ist wichtig, daß er für gewöhnlich eine Antwort wisse, wenn er aufzeigt; und das ist das Kriterium dafür, daß er das Aufzeigen ''versteht''.
Line 433: Line 433:
{{ParZ|140}} Man will etwa sagen: "Die eine Verneinung ''tut'' dasselbe mit dem Satz, wie die andere, sie schließt, was er beschreibt, aus." Aber das sind nur andere Worte für eine Gleichsetzung der beiden negativen Sätze (welche nur gilt, wenn der verneinte Satz nicht selbst ein negativer Satz ist). Immer wieder der Gedanke, daß, was wir vom Zeichen sehen, nur eine Außenseite zu einem Innern ist, worin sich die eigentlichen Operationen des Sinnes und der Bedeutung abspielen.
{{ParZ|140}} Man will etwa sagen: "Die eine Verneinung ''tut'' dasselbe mit dem Satz, wie die andere, sie schließt, was er beschreibt, aus." Aber das sind nur andere Worte für eine Gleichsetzung der beiden negativen Sätze (welche nur gilt, wenn der verneinte Satz nicht selbst ein negativer Satz ist). Immer wieder der Gedanke, daß, was wir vom Zeichen sehen, nur eine Außenseite zu einem Innern ist, worin sich die eigentlichen Operationen des Sinnes und der Bedeutung abspielen.


{{ParZ|141}} Unser Problem könnte man (sehr klar) so stellen: Angenommen, wir hätten zwei Systeme der Längenmessung: eine Länge wird in beiden durch ein Zahlzeichen ausgedrückt, diesem folgt ein Wort, das das Maß angibt. Das eine System bezeichnet eine Länge als "n Fuß", und Fuß ist eine Längeneinheit im gewöhnlichen Sinne; im andern System wird eine Länge mit "n W” bezeichnet und 1 Fuß = 1 W. Aber 2 W = 4 Fuß, 3 W = 9 Fuß u.s.w.—Also heißt der Satz "Dieser Stock ist 1 W lang" dasselbe wie "Dieser Stock ist 1 Fuß lang". Frage: Hat in diesen beiden Sätzen "W" und "Fuß" dieselbe Bedeutung?
{{ParZ|141}} Unser Problem könnte man (sehr klar) so stellen: Angenommen, wir hätten zwei Systeme der Längenmessung: eine Länge wird in beiden durch ein Zahlzeichen ausgedrückt, diesem folgt ein Wort, das das Maß angibt. Das eine System bezeichnet eine Länge als "n Fuß", und Fuß ist eine Längeneinheit im gewöhnlichen Sinne; im andern System wird eine Länge mit "n W" bezeichnet und 1 Fuß = 1 W. Aber 2 W = 4 Fuß, 3 W = 9 Fuß u.s.w.—Also heißt der Satz "Dieser Stock ist 1 W lang" dasselbe wie "Dieser Stock ist 1 Fuß lang". Frage: Hat in diesen beiden Sätzen "W" und "Fuß" dieselbe Bedeutung?


{{ParZ|142}} Die Frage ist falsch gestellt. Das sieht man, wenn wir die Bedeutungsgleichheit durch eine Gleichung ausdrücken. Die Frage kann nur lauten: "Ist W = Fuß oder nicht?"—Von den Sätzen, in denen diese Zeichen stehen, ist hier nicht die Rede.—Ebenso wenig kann man natürlich in dieser Terminologie fragen, ob "ist" hier das Gleiche bedeutet, wie "ist" dort; wohl aber, ob die Kopula das Gleiche bedeutet, wie das Gleichheitszeichen. Nun, wir sagten ja: 1 Fuß = 1 W; aber Fuß ≠ W.
{{ParZ|142}} Die Frage ist falsch gestellt. Das sieht man, wenn wir die Bedeutungsgleichheit durch eine Gleichung ausdrücken. Die Frage kann nur lauten: "Ist W = Fuß oder nicht?"—Von den Sätzen, in denen diese Zeichen stehen, ist hier nicht die Rede.—Ebenso wenig kann man natürlich in dieser Terminologie fragen, ob "ist" hier das Gleiche bedeutet, wie "ist" dort; wohl aber, ob die Kopula das Gleiche bedeutet, wie das Gleichheitszeichen. Nun, wir sagten ja: 1 Fuß = 1 W; aber Fuß ≠ W.
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{{ParZ|173}} Ich denke an eine ganz kurze von nur zwei Takten. Du sagst "Was liegt nicht alles in ihr!" Aber es ist nur sozusagen eine optische Täuschung, wenn du denkst, beim Hören gehe vor, was in ihr liegt. ("Es kommt drauf an, ''wer's'' sagt".) (Nur in dem Fluß der Gedanken und des Lebens haben die Worte Bedeutung.)
{{ParZ|173}} Ich denke an eine ganz kurze von nur zwei Takten. Du sagst "Was liegt nicht alles in ihr!" Aber es ist nur sozusagen eine optische Täuschung, wenn du denkst, beim Hören gehe vor, was in ihr liegt. ("Es kommt drauf an, ''wer's'' sagt".) (Nur in dem Fluß der Gedanken und des Lebens haben die Worte Bedeutung.)


{{ParZ|174}} Nicht ''das'' enthält die Täuschung: ''Jetzt'' habe ich's verstanden”—und nun folgt vielleicht eine lange Erklärung dessen, was ich verstanden habe.
{{ParZ|174}} Nicht ''das'' enthält die Täuschung: "''Jetzt'' habe ich's verstanden"—und nun folgt vielleicht eine lange Erklärung dessen, was ich verstanden habe.


{{ParZ|175}} Weist das Thema auf nichts außer sich? Oh ja! Das heißt aber:—Der Eindruck, den es mir macht, hängt mit Dingen in seiner Umgebung zusammen—z. B. mit unserer Sprache und ihrer Intonation, also mit dem ganzen Feld unserer Sprachspiele.
{{ParZ|175}} Weist das Thema auf nichts außer sich? Oh ja! Das heißt aber:—Der Eindruck, den es mir macht, hängt mit Dingen in seiner Umgebung zusammen—z. B. mit unserer Sprache und ihrer Intonation, also mit dem ganzen Feld unserer Sprachspiele.
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{{ParZ|184}} Verschiedene Menschen empfinden es sehr verschieden stark, wenn die Rechtschreibung eines Worts geändert wird. Und die Empfindung ist nicht nur Pietät für einen alten Gebrauch.—Wem die Orthographie nur eine praktische Frage ist, dem geht ein Gefühl ab, nicht unähnlich dem, welches einem "Bedeutungsblinden" mangeln würde. (Goethe über Personennamen. Die Nummer des Gefangenen.)
{{ParZ|184}} Verschiedene Menschen empfinden es sehr verschieden stark, wenn die Rechtschreibung eines Worts geändert wird. Und die Empfindung ist nicht nur Pietät für einen alten Gebrauch.—Wem die Orthographie nur eine praktische Frage ist, dem geht ein Gefühl ab, nicht unähnlich dem, welches einem "Bedeutungsblinden" mangeln würde. (Goethe über Personennamen. Die Nummer des Gefangenen.)


{{ParZ|185}} Wie mancher auch die Frage nicht versteht "Welche Farbe hat für dich der Vokal ''a''?"—Wenn einer sie nicht verstünde, wenn er erklärte, sie sei Unsinn,—könnten wir sagen, er verstehe nicht deutsch, oder nicht die Bedeutungen der Wörter "Farbe", "Vokal”, etc.?
{{ParZ|185}} Wie mancher auch die Frage nicht versteht "Welche Farbe hat für dich der Vokal ''a''?"—Wenn einer sie nicht verstünde, wenn er erklärte, sie sei Unsinn,—könnten wir sagen, er verstehe nicht deutsch, oder nicht die Bedeutungen der Wörter "Farbe", "Vokal", etc.?


Im Gegenteil: Wenn er diese Worte verstehen gelernt hat, dann kann er auch auf jene Fragen 'mit Verständnis' oder 'ohne Verständnis' reagieren.
Im Gegenteil: Wenn er diese Worte verstehen gelernt hat, dann kann er auch auf jene Fragen 'mit Verständnis' oder 'ohne Verständnis' reagieren.
Line 569: Line 569:
{{ParZ|193}} Ist es nicht genau so mit dem Verbum "verstehen"? Es erklärt mir jemand die Route, die ich dort und dorthin zu nehmen habe. Er fragt "Hast du mich verstanden?" Ich antworte "Ich hab's verstanden."—Will ich ihm mitteilen, was in mir während seiner Erklärung vorging?—Und doch liebe sich auch das mitteilen.
{{ParZ|193}} Ist es nicht genau so mit dem Verbum "verstehen"? Es erklärt mir jemand die Route, die ich dort und dorthin zu nehmen habe. Er fragt "Hast du mich verstanden?" Ich antworte "Ich hab's verstanden."—Will ich ihm mitteilen, was in mir während seiner Erklärung vorging?—Und doch liebe sich auch das mitteilen.


{{ParZ|194}}‌ ‌Denk‌ ‌dir‌ ‌dieses‌ ‌Spiel:‌ ‌Eine‌ ‌Liste‌ ‌von‌ ‌Wörtern‌ ‌verschiedener‌ ‌Sprachen‌ ‌und‌ ‌von‌ sinnlosen‌ ‌Lautreihen‌ ‌wird‌ ‌mir‌ ‌vorgelesen.‌ ‌Ich‌ ‌soll‌ ‌nach‌ ‌jedem‌ ‌sagen,‌ ‌ob‌ ‌ich‌ ‌es‌ ‌verstehe‌ ‌oder‌ ‌nicht;‌ ‌auch,‌ ‌was‌ ‌beim‌ ‌Verstehen‌ ‌oder‌ ‌Nichtverstehen‌ ‌in‌ ‌mir‌ ‌vorging.—Auf‌ ‌das‌ ‌Wort‌ "Baum"‌ ‌werde‌ ‌ich,‌ ‌ohne‌ ‌mich‌ ‌zu‌ ‌bedenken,‌ ‌mit‌ ‌"ja"‌ ‌antworten‌ ‌(ein‌ ‌Bild‌ ‌mag‌ ‌mir‌ ‌dabei‌ ‌vorschweben);‌ ‌auf‌ ‌eine‌ ‌Lautzusammenstellung,‌ ‌die‌ ‌ich‌ ‌noch‌ ‌nie‌ ‌gehört‌ ‌habe,‌ ‌antworte‌ ich‌ ‌ebenso‌ ‌unbedenklich‌ ‌mit‌ ‌"nein".‌ ‌Bei‌ ‌Wörtern,‌ ‌die‌ ‌einen‌ ‌speziellen‌ ‌Farbton‌ ‌bezeichnen,‌ ‌wird‌ ‌häufig‌ ‌ein‌ ‌Vorstellen‌ ‌der‌ ‌Antwort‌ ‌vorhergehen;‌ ‌bei‌ ‌seltenen‌ ‌Wörtern ("Kontinuum"‌ ‌etwa)‌ ‌ein‌ ‌Überlegen;‌ ‌bei‌ ‌Wörtern,‌ ‌wie‌ ‌der‌ ‌Artikel‌ ‌"das‌ ‌etwa‌ ‌ein‌ ‌Achselzucken;‌ ‌Wörter‌ ‌einer‌ ‌fremden‌ ‌Sprache‌ ‌werde‌ ‌ich‌ ‌''manchmal‌'' ‌ins‌ ‌Deutsche‌ Übersetzen;‌ ‌schweben‌ ‌mir‌ ‌Bilder‌ ‌vor,‌ ‌so‌ ‌sind‌ ‌es‌ ‌manchmal‌ ‌die‌ ‌der‌ ‌Gegenstände,‌ ‌die‌ von‌ ‌den‌ ‌Worten‌ ‌bezeichnet‌ ‌werden‌ ‌(wieder‌ ‌tausenderlei‌ ‌Fälle),‌ ‌manchmal‌ ‌andere‌ ‌Bilder.‌ ‌
{{ParZ|194}}‌ ‌Denk‌ ‌dir‌ ‌dieses‌ ‌Spiel:‌ ‌Eine‌ ‌Liste‌ ‌von‌ ‌Wörtern‌ ‌verschiedener‌ ‌Sprachen‌ ‌und‌ ‌von‌ sinnlosen‌ ‌Lautreihen‌ ‌wird‌ ‌mir‌ ‌vorgelesen.‌ ‌Ich‌ ‌soll‌ ‌nach‌ ‌jedem‌ ‌sagen,‌ ‌ob‌ ‌ich‌ ‌es‌ ‌verstehe‌ ‌oder‌ ‌nicht;‌ ‌auch,‌ ‌was‌ ‌beim‌ ‌Verstehen‌ ‌oder‌ ‌Nichtverstehen‌ ‌in‌ ‌mir‌ ‌vorging.—Auf‌ ‌das‌ ‌Wort‌ "Baum"‌ ‌werde‌ ‌ich,‌ ‌ohne‌ ‌mich‌ ‌zu‌ ‌bedenken,‌ ‌mit‌ ‌"ja"‌ ‌antworten‌ ‌(ein‌ ‌Bild‌ ‌mag‌ ‌mir‌ ‌dabei‌ ‌vorschweben);‌ ‌auf‌ ‌eine‌ ‌Lautzusammenstellung,‌ ‌die‌ ‌ich‌ ‌noch‌ ‌nie‌ ‌gehört‌ ‌habe,‌ ‌antworte‌ ich‌ ‌ebenso‌ ‌unbedenklich‌ ‌mit‌ ‌"nein".‌ ‌Bei‌ ‌Wörtern,‌ ‌die‌ ‌einen‌ ‌speziellen‌ ‌Farbton‌ ‌bezeichnen,‌ ‌wird‌ ‌häufig‌ ‌ein‌ ‌Vorstellen‌ ‌der‌ ‌Antwort‌ ‌vorhergehen;‌ ‌bei‌ ‌seltenen‌ ‌Wörtern ("Kontinuum"‌ ‌etwa)‌ ‌ein‌ ‌Überlegen;‌ ‌bei‌ ‌Wörtern,‌ ‌wie‌ ‌der‌ ‌Artikel‌ ‌"das"‌ ‌etwa‌ ‌ein‌ ‌Achselzucken;‌ ‌Wörter‌ ‌einer‌ ‌fremden‌ ‌Sprache‌ ‌werde‌ ‌ich‌ ‌''manchmal‌'' ‌ins‌ ‌Deutsche‌ Übersetzen;‌ ‌schweben‌ ‌mir‌ ‌Bilder‌ ‌vor,‌ ‌so‌ ‌sind‌ ‌es‌ ‌manchmal‌ ‌die‌ ‌der‌ ‌Gegenstände,‌ ‌die‌ von‌ ‌den‌ ‌Worten‌ ‌bezeichnet‌ ‌werden‌ ‌(wieder‌ ‌tausenderlei‌ ‌Fälle),‌ ‌manchmal‌ ‌andere‌ ‌Bilder.‌ ‌


Dies‌ ‌Spiel‌ ‌könnte‌ ‌man‌ ‌durch‌ ‌eines‌ ‌ergänzen,‌ ‌in‌ ‌welchem‌ einer‌ ‌die‌ ‌Namen‌ ‌von‌ ''Tätigkeiten‌'' ‌nennt‌ ‌und‌ ‌bei‌ ‌jeder‌ ‌fragt:‌ ‌"Kannst‌ ‌du‌ ‌das?"—Das‌ ‌Subjekt‌ ‌soll‌ ‌angeben,‌ ‌welche‌ ‌Gründe‌ ‌es‌ ‌hatte,‌ ‌die‌ ‌Frage‌ ‌mit‌ ‌"ja"‌ ‌oder‌ ‌"nein"‌ ‌zu‌ ‌beantworten.‌‌
Dies‌ ‌Spiel‌ ‌könnte‌ ‌man‌ ‌durch‌ ‌eines‌ ‌ergänzen,‌ ‌in‌ ‌welchem‌ einer‌ ‌die‌ ‌Namen‌ ‌von‌ ''Tätigkeiten‌'' ‌nennt‌ ‌und‌ ‌bei‌ ‌jeder‌ ‌fragt:‌ ‌"Kannst‌ ‌du‌ ‌das?"—Das‌ ‌Subjekt‌ ‌soll‌ ‌angeben,‌ ‌welche‌ ‌Gründe‌ ‌es‌ ‌hatte,‌ ‌die‌ ‌Frage‌ ‌mit‌ ‌"ja"‌ ‌oder‌ ‌"nein"‌ ‌zu‌ ‌beantworten.‌‌
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{{ParZ|204}} Wie sieht die Beschreibung einer 'Einstellung' aus?
{{ParZ|204}} Wie sieht die Beschreibung einer 'Einstellung' aus?


Man sagt z. B.: “Sieh von diesen Flecken ab und auch von dieser kleinen Unregelmäßigkeit, und schau es als Bild eines .... an!"
Man sagt z. B.: "Sieh von diesen Flecken ab und auch von dieser kleinen Unregelmäßigkeit, und schau es als Bild eines .... an!"


"Denk dir das weg! Wär's dir auch ohne dieses .... unangenehm?" Man wird doch sagen, ich ändere mein Gesichtsbild—wie durch Blinzeln oder Weghalten eines Details. Dieses "Absehen von ..." spielt doch eine ganz ähnliche Rolle, wie etwa die Anfertigung eines neuen Bildes.
"Denk dir das weg! Wär's dir auch ohne dieses .... unangenehm?" Man wird doch sagen, ich ändere mein Gesichtsbild—wie durch Blinzeln oder Weghalten eines Details. Dieses "Absehen von ..." spielt doch eine ganz ähnliche Rolle, wie etwa die Anfertigung eines neuen Bildes.
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{{ParZ|224}} Laß einen Menschen zornig, hochmütig, ironisch blicken; und nun verhäng sein Gesicht, daß nur die Augen frei bleiben,—in denen der ganze Ausdruck vereint schien: Ihr Ausdruck ist nun überraschend ''vieldeutig''.
{{ParZ|224}} Laß einen Menschen zornig, hochmütig, ironisch blicken; und nun verhäng sein Gesicht, daß nur die Augen frei bleiben,—in denen der ganze Ausdruck vereint schien: Ihr Ausdruck ist nun überraschend ''vieldeutig''.


{{ParZ|225}} "Man ''sieht'' Gemütsbewegung.”—Im Gegensatz wozu? Man sieht nicht die Gesichtsverziehungen und ''schließt'' nun (wie der Arzt, der eine Diagnose stellt) auf Freude, Trauer, Langeweile. Man beschreibt sein Gesicht unmittelbar als traurig, glückstrahlend, gelangweilt, auch wenn man nicht imstande ist, eine andere Beschreibung der Gesichtszüge zu geben.—Die Trauer ist im Gesicht personifiziert, möchte man sagen.
{{ParZ|225}} "Man ''sieht'' Gemütsbewegung."—Im Gegensatz wozu? Man sieht nicht die Gesichtsverziehungen und ''schließt'' nun (wie der Arzt, der eine Diagnose stellt) auf Freude, Trauer, Langeweile. Man beschreibt sein Gesicht unmittelbar als traurig, glückstrahlend, gelangweilt, auch wenn man nicht imstande ist, eine andere Beschreibung der Gesichtszüge zu geben.—Die Trauer ist im Gesicht personifiziert, möchte man sagen.


Dies gehört zum Begriff der Gemütsbewegung.
Dies gehört zum Begriff der Gemütsbewegung.
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{{ParZ|271}} Wozu dient ein Satz wie dieser: "Wir können uns die Empfindungen eines Jongleurs wie Rastelli gar nicht vorstellen"?
{{ParZ|271}} Wozu dient ein Satz wie dieser: "Wir können uns die Empfindungen eines Jongleurs wie Rastelli gar nicht vorstellen"?


{{ParZ|272}} "Es hat Sinn, von einer endlosen Baumreihe zu reden; ich kann mir doch vorstellen, daß eine Baumreihe ohne Ende weiterläuft." D. h. etwa: Wenn es Sinn hat zu sagen, die Baumreihe komme hier zu einem Ende, hat es Sinn zu sagen, [sie komme nie zu einem Ende]."<ref>Vermutung der Herausgeber.</ref> Ramsey pflegte auf solche Fragen zu antworten: es sei ''eben doch'' möglich, so etwas zu denken. So etwa, wie man sagt "Die Technik leistet heute eben Dinge, die du dir gar nie vorstellen kannst."——Nun, da muß man herausfinden, was du dabei denkst. (Daß du versicherst, diese Phrase ließe sich ''denken''—was kann ich damit machen? Darauf kommt es ja nicht an. Ihr Zweck ist ja nicht der, Nebel in deiner Seele aufsteigen zu lassen.) ''Was'' du meinst—Wie ist es herauszufinden? Wir müssen geduldig prüfen, wie dieser Satz angewandt werden soll. Wie ''rund um ihn'' alles aussieht. Da wird sich sein Sinn zeigen.
{{ParZ|272}} "Es hat Sinn, von einer endlosen Baumreihe zu reden; ich kann mir doch vorstellen, daß eine Baumreihe ohne Ende weiterläuft." D. h. etwa: Wenn es Sinn hat zu sagen, die Baumreihe komme hier zu einem Ende, hat es Sinn zu sagen, [sie komme nie zu einem Ende].<ref>Vermutung der Herausgeber.</ref> Ramsey pflegte auf solche Fragen zu antworten: es sei ''eben doch'' möglich, so etwas zu denken. So etwa, wie man sagt "Die Technik leistet heute eben Dinge, die du dir gar nie vorstellen kannst."——Nun, da muß man herausfinden, was du dabei denkst. (Daß du versicherst, diese Phrase ließe sich ''denken''—was kann ich damit machen? Darauf kommt es ja nicht an. Ihr Zweck ist ja nicht der, Nebel in deiner Seele aufsteigen zu lassen.) ''Was'' du meinst—Wie ist es herauszufinden? Wir müssen geduldig prüfen, wie dieser Satz angewandt werden soll. Wie ''rund um ihn'' alles aussieht. Da wird sich sein Sinn zeigen.


{{ParZ|273}} Hardy: "That 'the finite cannot understand the infinite' should surely be a theological and not a mathematical war-cry." Es ist wahr, dieser Ausdruck ist ungeschickt. Aber was Leute damit sagen wollen, ist: "Es muß hier doch mit rechten Dingen zugehen! Woher dieser Sprung von Endlichen zum Unendlichen?Und so ganz unsinnig ist die Ausdrucksweise auch nicht—nur ist das 'Endliche', was das Unendliche nicht soll denken können, nicht der Mensch', oder 'unser Verstand', sondern der Kalkül. Und ''wie'' dieser das 'Unendliche' denkt, dies ist wohl einer Untersuchung wert. Und die ist zu vergleichen der genauen Untersuchung und Klärung der Geschäftsgebarung eines Unternehmens durch einen Chartered Accountant. Das Ziel ist eine übersichtliche, vergleichende Darstellung aller Anwendungen, Illustrationen, Auffassungen des Kalküls. Die vollkommene Übersicht über alles, was Unklarheit schaffen kann. Und diese Übersicht muß sich auf ein weites Gebiet erstrecken, denn die Wurzeln unserer Ideen reichen weit.—"Das Endliche kann nicht das Unendliche verstehen", heißt hier: ''So'' kann es nicht zugehen, wie ihr es in charakteristischer Oberflächlichkeit darstellt.
{{ParZ|273}} Hardy: "That 'the finite cannot understand the infinite' should surely be a theological and not a mathematical war-cry." Es ist wahr, dieser Ausdruck ist ungeschickt. Aber was Leute damit sagen wollen, ist: "Es muß hier doch mit rechten Dingen zugehen! Woher dieser Sprung von Endlichen zum Unendlichen?" Und so ganz unsinnig ist die Ausdrucksweise auch nicht—nur ist das 'Endliche', was das Unendliche nicht soll denken können, nicht der Mensch', oder 'unser Verstand', sondern der Kalkül. Und ''wie'' dieser das 'Unendliche' denkt, dies ist wohl einer Untersuchung wert. Und die ist zu vergleichen der genauen Untersuchung und Klärung der Geschäftsgebarung eines Unternehmens durch einen Chartered Accountant. Das Ziel ist eine übersichtliche, vergleichende Darstellung aller Anwendungen, Illustrationen, Auffassungen des Kalküls. Die vollkommene Übersicht über alles, was Unklarheit schaffen kann. Und diese Übersicht muß sich auf ein weites Gebiet erstrecken, denn die Wurzeln unserer Ideen reichen weit.—"Das Endliche kann nicht das Unendliche verstehen", heißt hier: ''So'' kann es nicht zugehen, wie ihr es in charakteristischer Oberflächlichkeit darstellt.


Der Gedanke kann gleichsam ''fliegen'', er braucht nicht zu gehen. Du verstehst, d. h. übersiehst deine Transaktionen nicht und projizierst quasi dein Unverständnis in die Idee eines Mediums, in dem das Erstaunlichste möglich ist.
Der Gedanke kann gleichsam ''fliegen'', er braucht nicht zu gehen. Du verstehst, d. h. übersiehst deine Transaktionen nicht und projizierst quasi dein Unverständnis in die Idee eines Mediums, in dem das Erstaunlichste möglich ist.
Line 855: Line 855:
{{ParZ|276}} Ich glaube, im Reihenstück ganz fein eine Zeichnung zu erblicken, die nurmehr des "u.s.w." bedarf, um in die Unendlichkeit zu reichen.
{{ParZ|276}} Ich glaube, im Reihenstück ganz fein eine Zeichnung zu erblicken, die nurmehr des "u.s.w." bedarf, um in die Unendlichkeit zu reichen.


"Ich erblicke ein Charakteristikum in ihr.”—Nun, doch etwas, was dem algebraischen Ausdruck entspricht.—"Ja, aber nichts Geschriebenes, sondern förmlich etwas Ätherisches."—Welches seltsame Bild.—"Etwas, was nicht der algebraische Ausdruck ist, sondern wofür dieser nur eben der ''Ausdruck'' ist."
"Ich erblicke ein Charakteristikum in ihr."—Nun, doch etwas, was dem algebraischen Ausdruck entspricht.—"Ja, aber nichts Geschriebenes, sondern förmlich etwas Ätherisches."—Welches seltsame Bild.—"Etwas, was nicht der algebraische Ausdruck ist, sondern wofür dieser nur eben der ''Ausdruck'' ist."


{{ParZ|277}} Ich erblicke etwas in ihr—ähnlich wie eine Gestalt im Vexierbild. Und sehe ich das, so sage ich "Das ist alles, was ich brauche."—Wer den Wegweiser findet, sucht nun nicht nach einer weiteren Instruktion, sondern er ''geht''. (Und sagte ich statt "er geht" "er richtet sich nun nach ihm", so könnte der Unterschied der beiden nur sein, daß der zweite Ausdruck auf gewisse psychologische Begleiterscheinungen anspielt.)
{{ParZ|277}} Ich erblicke etwas in ihr—ähnlich wie eine Gestalt im Vexierbild. Und sehe ich das, so sage ich "Das ist alles, was ich brauche."—Wer den Wegweiser findet, sucht nun nicht nach einer weiteren Instruktion, sondern er ''geht''. (Und sagte ich statt "er geht" "er richtet sich nun nach ihm", so könnte der Unterschied der beiden nur sein, daß der zweite Ausdruck auf gewisse psychologische Begleiterscheinungen anspielt.)
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{{ParZ|281}} Zu sagen, die Punkte, die dieses Experiment liefert, liegen durchschnittlich auf dieser Linie, z. B. einer Geraden, sagt etwas Ähnliches, wie: "Aus dieser Entfernung gesehen, scheinen sie in einer Geraden zu liegen."
{{ParZ|281}} Zu sagen, die Punkte, die dieses Experiment liefert, liegen durchschnittlich auf dieser Linie, z. B. einer Geraden, sagt etwas Ähnliches, wie: "Aus dieser Entfernung gesehen, scheinen sie in einer Geraden zu liegen."


Ich kann von einer Strecke sagen, der allgemeine Eindruck ist der einer Geraden; aber nicht von der Linie [[File:Zettel 281.png|90px|link=]]; obwohl es möglich wäre, sie als Stück einer längeren Linie zu sehen, in der sich die Abweichung von der Geraden verlieren würden. Ich kann nicht sagen: "Dies Linienstück schaut gerade aus, denn es kann das Stück einer Linie sein, die mir als Ganzes den Eindruck der Geraden macht.(Berge auf der Erde und auf dem Mond. Erde eine Kugel.)
Ich kann von einer Strecke sagen, der allgemeine Eindruck ist der einer Geraden; aber nicht von der Linie [[File:Zettel 281.png|90px|link=]]; obwohl es möglich wäre, sie als Stück einer längeren Linie zu sehen, in der sich die Abweichung von der Geraden verlieren würden. Ich kann nicht sagen: "Dies Linienstück schaut gerade aus, denn es kann das Stück einer Linie sein, die mir als Ganzes den Eindruck der Geraden macht." (Berge auf der Erde und auf dem Mond. Erde eine Kugel.)


{{ParZ|282}} "Sie gibt mir verantwortungslos dies oder das ein" heißt: ich kann es dich nicht lehren, ''wie'' ich der Linie folge. Ich setze nicht voraus, daß du ihr folgen wirst wie ich, auch wenn du ihr folgst.
{{ParZ|282}} "Sie gibt mir verantwortungslos dies oder das ein" heißt: ich kann es dich nicht lehren, ''wie'' ich der Linie folge. Ich setze nicht voraus, daß du ihr folgen wirst wie ich, auch wenn du ihr folgst.
Line 889: Line 889:
{{ParZ|289}} Wenn die Verbindung des Meinens ''vor'' dem Befehl hergestellt werden konnte, dann auch nach dem Befehl.
{{ParZ|289}} Wenn die Verbindung des Meinens ''vor'' dem Befehl hergestellt werden konnte, dann auch nach dem Befehl.


{{ParZ|290}} “Er hat ''das'' getan, was ich ihm befohlen habe.”—Warum soll man hier nicht sagen: es sei eine Identität der Handlung und der ''Worte''?! Wozu soll ich einen Schatten zwischen die beiden stellen? Wir haben ja eine Projektionsmethode.—Nur ist es eine andere Identität: "Ich habe das getan, was er getan hat" und anderseits "Ich habe das getan, was er befohlen hat".
{{ParZ|290}} "Er hat ''das'' getan, was ich ihm befohlen habe."—Warum soll man hier nicht sagen: es sei eine Identität der Handlung und der ''Worte''?! Wozu soll ich einen Schatten zwischen die beiden stellen? Wir haben ja eine Projektionsmethode.—Nur ist es eine andere Identität: "Ich habe das getan, was er getan hat" und anderseits "Ich habe das getan, was er befohlen hat".


{{ParZ|291}} "Verbindung des Bildes mit dem Abgebildeten" könnte man die Projektionsstrahlen nennen; aber auch die Technik des Projizierens.
{{ParZ|291}} "Verbindung des Bildes mit dem Abgebildeten" könnte man die Projektionsstrahlen nennen; aber auch die Technik des Projizierens.
Line 919: Line 919:
{{ParZ|300}} Mit den Worten: "''Diese'' Zahl ist die folgerechte Fortsetzung dieser Reihe," könnte ich einen dazu bringen, daß er in Zukunft das und das "folgerechte Fortsetzung" nennt. Was 'das und das' ist, kann ich nur an Beispielen zeigen. D. h., ich lehre ihn eine Reihe (Grundreihe) fortsetzen, ohne einen Ausdruck des 'Gesetzes der Reihe' zu verwenden; vielmehr, um ein Substrat zu erhalten für die Bedeutung algebraischer Regeln, oder was ihnen ähnlich ist.
{{ParZ|300}} Mit den Worten: "''Diese'' Zahl ist die folgerechte Fortsetzung dieser Reihe," könnte ich einen dazu bringen, daß er in Zukunft das und das "folgerechte Fortsetzung" nennt. Was 'das und das' ist, kann ich nur an Beispielen zeigen. D. h., ich lehre ihn eine Reihe (Grundreihe) fortsetzen, ohne einen Ausdruck des 'Gesetzes der Reihe' zu verwenden; vielmehr, um ein Substrat zu erhalten für die Bedeutung algebraischer Regeln, oder was ihnen ähnlich ist.


{{ParZ|301}} Er muß ''ohne Grund'' so fortsetzen. Aber nicht, weil man ihm den Grund noch nicht begreiflich machen kann, sondern weil es—in ''diesem'' System—keinen Grund gibt. ("Die Kette der Gründe hat ein Ende.)
{{ParZ|301}} Er muß ''ohne Grund'' so fortsetzen. Aber nicht, weil man ihm den Grund noch nicht begreiflich machen kann, sondern weil es—in ''diesem'' System—keinen Grund gibt. ("Die Kette der Gründe hat ein Ende.")


Und das ''so'' (in "so fortsetzen") ist durch eine Ziffer, einen Wert, bezeichnet. Denn auf ''dieser'' Stufe wird der Regelausdruck durch den Wert erklärt, nicht der Wert durch die Regel.
Und das ''so'' (in "so fortsetzen") ist durch eine Ziffer, einen Wert, bezeichnet. Denn auf ''dieser'' Stufe wird der Regelausdruck durch den Wert erklärt, nicht der Wert durch die Regel.
Line 935: Line 935:
{{ParZ|307}} Ich könnte z. B. erraten, welche Fortsetzung dem Andern ''Freude'' machen wird (etwa nach seinem Gesicht). Die Anwendung der Regel erraten könnte man nur, sofern man bereits unter verschiedenen Anwendungen wählen kann.
{{ParZ|307}} Ich könnte z. B. erraten, welche Fortsetzung dem Andern ''Freude'' machen wird (etwa nach seinem Gesicht). Die Anwendung der Regel erraten könnte man nur, sofern man bereits unter verschiedenen Anwendungen wählen kann.


{{ParZ|308}} Man könnte sich ja dann auch denken, daß er, statt die 'Anwendung der Regel zu erraten', sie ''erfindet''. Nun, wie sähe das aus?—Soll er etwa sagen: "Der Regel + 1" folgen, möge einmal heißen zu schreiben: 1, 1+1, 1+1+1, u. s. w."? Aber was meint er damit? Das "u. s. w." setzt ja eben schon das Beherrschen einer Technik voraus.
{{ParZ|308}} Man könnte sich ja dann auch denken, daß er, statt die 'Anwendung der Regel zu erraten', sie ''erfindet''. Nun, wie sähe das aus?—Soll er etwa sagen: "Der Regel + 1 folgen, möge einmal heißen zu schreiben: 1, 1+1, 1+1+1, u. s. w."? Aber was meint er damit? Das "u. s. w." setzt ja eben schon das Beherrschen einer Technik voraus.


Statt "u. s. w." hätte er auch sagen können: "Du weißt schon, was ich meine." Und seine Erklärung wäre einfach eine ''Definition'' des Ausdrucks "der Regel + 1 folgen" gewesen. ''Das'' wäre seine "Erfindung" gewesen.
Statt "u. s. w." hätte er auch sagen können: "Du weißt schon, was ich meine." Und seine Erklärung wäre einfach eine ''Definition'' des Ausdrucks "der Regel + 1 folgen" gewesen. ''Das'' wäre seine "Erfindung" gewesen.
Line 961: Line 961:
Die Schwierigkeit ist hier: Halt zu machen.
Die Schwierigkeit ist hier: Halt zu machen.


{{ParZ|315}} "Warum verlangst du Erklärungen? Wenn diese gegeben sein werden, wirst du ja doch wieder vor einem Ende stehen. Sie können dich nicht weiterführen, als du jetzt bist.
{{ParZ|315}} "Warum verlangst du Erklärungen? Wenn diese gegeben sein werden, wirst du ja doch wieder vor einem Ende stehen. Sie können dich nicht weiterführen, als du jetzt bist."


{{ParZ|316}} Man kann einen roten Gegenstand als Muster für das Malen eines ''rötlichen'' Weiß oder eines rötlichen Gelb (etc.) verwenden—aber kann man es auch als Muster für das Malen eines blaugrünen Farbtones z. B. verwenden?—Wie, wenn ich jemanden mit allen äußern Zeichen des genauen Kopierens einen roten Fleck blaugrün 'wiedergeben' sähe?—Ich würde sagen "Ich weiß nicht, wie er es macht!" Oder auch "Ich weiß nicht, ''was'' er macht!"—Aber angenommen, er 'kopierte' nun diesen Ton von Rot bei verschiedenen Gelegenheiten in Blaugrün und etwa andere Töne von Rot regelmäßig in andern blaugrünen Tönen—soll ich nun sagen, er kopiere, oder er kopiere nicht?
{{ParZ|316}} Man kann einen roten Gegenstand als Muster für das Malen eines ''rötlichen'' Weiß oder eines rötlichen Gelb (etc.) verwenden—aber kann man es auch als Muster für das Malen eines blaugrünen Farbtones z. B. verwenden?—Wie, wenn ich jemanden mit allen äußern Zeichen des genauen Kopierens einen roten Fleck blaugrün 'wiedergeben' sähe?—Ich würde sagen "Ich weiß nicht, wie er es macht!" Oder auch "Ich weiß nicht, ''was'' er macht!"—Aber angenommen, er 'kopierte' nun diesen Ton von Rot bei verschiedenen Gelegenheiten in Blaugrün und etwa andere Töne von Rot regelmäßig in andern blaugrünen Tönen—soll ich nun sagen, er kopiere, oder er kopiere nicht?
Line 995: Line 995:
{{ParZ|329}} Ich mache einen Plan nicht nur, um mich Andern verständlich zu machen, sondern auch, um selbst über die Sache klar zu werden. (D. h. die Sprache ist nicht nur Mittel zur Mitteilung.)
{{ParZ|329}} Ich mache einen Plan nicht nur, um mich Andern verständlich zu machen, sondern auch, um selbst über die Sache klar zu werden. (D. h. die Sprache ist nicht nur Mittel zur Mitteilung.)


{{ParZ|330}} Was heißt das: "Das ist doch nicht mehr dasselbe Spiel!Wie verwende ich diesen Satz? Als Mitteilung? Nun, etwa als Einleitung zu einer Mitteilung, die die Unterschiede aufzählt und ihre Folgen erklärt. Aber auch um auszudrücken, daß ich eben darum hier nicht mehr mittue, oder doch eine andere Stellung zu dem Spiel einnehme.
{{ParZ|330}} Was heißt das: "Das ist doch nicht mehr dasselbe Spiel!" Wie verwende ich diesen Satz? Als Mitteilung? Nun, etwa als Einleitung zu einer Mitteilung, die die Unterschiede aufzählt und ihre Folgen erklärt. Aber auch um auszudrücken, daß ich eben darum hier nicht mehr mittue, oder doch eine andere Stellung zu dem Spiel einnehme.


{{ParZ|331}} Man ist versucht, Regeln der Grammatik durch Sätze zu rechtfertigen von der Art "Aber es gibt doch wirklich vier primäre Farben". Und gegen die Möglichkeit dieser Rechtfertigung, die nach dem Modell der Rechtfertigung eines Satzes durch den Hinweis auf seine Verifikation gebaut ist, richtet sich das Wort, daß die Regeln der Grammatik willkürlich sind.
{{ParZ|331}} Man ist versucht, Regeln der Grammatik durch Sätze zu rechtfertigen von der Art "Aber es gibt doch wirklich vier primäre Farben". Und gegen die Möglichkeit dieser Rechtfertigung, die nach dem Modell der Rechtfertigung eines Satzes durch den Hinweis auf seine Verifikation gebaut ist, richtet sich das Wort, daß die Regeln der Grammatik willkürlich sind.


Kann man aber nicht doch in irgendeinem Sinne sagen, daß die Grammatik der Farbwörter die Welt, wie sie tatsächlich ist, charakterisiert? Man möchte sagen: Kann ich nicht wirklich vergebens nach einer fünften primären Farbe suchen? Nimmt man nicht die primären Farben zusammen, weil sie eine Ähnlichkeit haben; oder zum mindesten die ''Farben'', im Gegensatz z. B. zu den Formen oder Tönen, weil sie eine Ähnlichkeit haben? Oder habe ich, wenn ich diese Einteilung der Welt als die richtige hinstelle, schon eine vorgefaßte Idee als Paradigma im Kopf? Von der ich dann etwa nur sagen kann: "Ja, das ist die Art, wie wir die Dinge betrachten", oder "Wir wollen eben ein solches Bild machen". Wenn ich nämlich sage: "die primären Farben haben doch eine bestimmte Ähnlichkeit miteinander"—woher nehme ich den Begriff dieser Ähnlichkeit? Ist nicht so, wie der Begriff "primäre Farbe nichts Andres ist, als 'blau oder rot oder grün oder gelb',—auch der Begriff jener Ähnlichkeit nur durch die vier Farben gegeben?—Ja, sind sie nicht die gleichen?—"Ja, könnte man denn auch rot, grün und kreisförmig zusammen. fassen?"—Warum nicht?!
Kann man aber nicht doch in irgendeinem Sinne sagen, daß die Grammatik der Farbwörter die Welt, wie sie tatsächlich ist, charakterisiert? Man möchte sagen: Kann ich nicht wirklich vergebens nach einer fünften primären Farbe suchen? Nimmt man nicht die primären Farben zusammen, weil sie eine Ähnlichkeit haben; oder zum mindesten die ''Farben'', im Gegensatz z. B. zu den Formen oder Tönen, weil sie eine Ähnlichkeit haben? Oder habe ich, wenn ich diese Einteilung der Welt als die richtige hinstelle, schon eine vorgefaßte Idee als Paradigma im Kopf? Von der ich dann etwa nur sagen kann: "Ja, das ist die Art, wie wir die Dinge betrachten", oder "Wir wollen eben ein solches Bild machen". Wenn ich nämlich sage: "die primären Farben haben doch eine bestimmte Ähnlichkeit miteinander"—woher nehme ich den Begriff dieser Ähnlichkeit? Ist nicht so, wie der Begriff 'primäre Farbe' nichts Andres ist, als 'blau oder rot oder grün oder gelb',—auch der Begriff jener Ähnlichkeit nur durch die vier Farben gegeben?—Ja, sind sie nicht die gleichen?—"Ja, könnte man denn auch rot, grün und kreisförmig zusammen. fassen?"—Warum nicht?!


{{ParZ|332}} Glaub doch nicht, daß du den Begriff der Farbe in dir hältst, weil du auf ein farbiges Objekt schaust,—wie immer du schaust.
{{ParZ|332}} Glaub doch nicht, daß du den Begriff der Farbe in dir hältst, weil du auf ein farbiges Objekt schaust,—wie immer du schaust.
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Kann ''er'' es malen, wie er es sieht? Kann ich also malen, wie ich es sehe? In welchem Sinne kann ich es?
Kann ''er'' es malen, wie er es sieht? Kann ich also malen, wie ich es sehe? In welchem Sinne kann ich es?


{{ParZ|342}} "Wer alles nur grau, schwarz und weiß sähe, dem müßte etwas ''gegeben'' werden, damit er wüßte, was rot, grün etc. ist. Und was müßte ihm gegeben werden? Nun, die Farben. Also z. B. ''dies'' und ''dies'' und ''dies''. (Denk dir, z. B., daß farbige Vorbilder in sein Gehirn eingeführt werden müßten zu den bloß grauen und schwarzen.) Aber müßte das geschehen als Mittel zum Zweck des künftigen Handelns? Oder schließt eben dieses Handeln diese Vorbilder ein? Will ich sagen: "Es müßte ihm etwas gegeben werden, denn es ist klar, er könnte sonst nicht ...."—oder: Sein sehendes Benehmen ''enthält'' neue Bestandteile?
{{ParZ|342}} "Wer alles nur grau, schwarz und weiß sähe, dem müßte etwas ''gegeben'' werden, damit er wüßte, was rot, grün etc. ist." Und was müßte ihm gegeben werden? Nun, die Farben. Also z. B. ''dies'' und ''dies'' und ''dies''. (Denk dir, z. B., daß farbige Vorbilder in sein Gehirn eingeführt werden müßten zu den bloß grauen und schwarzen.) Aber müßte das geschehen als Mittel zum Zweck des künftigen Handelns? Oder schließt eben dieses Handeln diese Vorbilder ein? Will ich sagen: "Es müßte ihm etwas gegeben werden, denn es ist klar, er könnte sonst nicht ...."—oder: Sein sehendes Benehmen ''enthält'' neue Bestandteile?


{{ParZ|343}} Auch: was würden wir eine "Erklärung des Sehens" ''nennen''? Soll man sagen: Nun, du weißt doch sonst, was "Erklärung" heißt; verwende diesen Begriff also auch hier!
{{ParZ|343}} Auch: was würden wir eine "Erklärung des Sehens" ''nennen''? Soll man sagen: Nun, du weißt doch sonst, was "Erklärung" heißt; verwende diesen Begriff also auch hier!
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{{ParZ|352}} Will ich also sagen, gewisse Tatsachen seien gewissen Begriffsbildungen günstig oder ungünstig? Und lehrt das die Erfahrung? Es ist Erfahrungstatsache, daß Menschen ihre Begriffe ändern, wechseln, wenn sie neue Tatsachen kennenlernen; wenn dadurch, was ihnen früher wichtig war, unwichtig wird und umgekehrt. (Man findet z. B.: was früher als Artunterschied galt, sei eigentlich ''nur'' ein Gradunterschied.)
{{ParZ|352}} Will ich also sagen, gewisse Tatsachen seien gewissen Begriffsbildungen günstig oder ungünstig? Und lehrt das die Erfahrung? Es ist Erfahrungstatsache, daß Menschen ihre Begriffe ändern, wechseln, wenn sie neue Tatsachen kennenlernen; wenn dadurch, was ihnen früher wichtig war, unwichtig wird und umgekehrt. (Man findet z. B.: was früher als Artunterschied galt, sei eigentlich ''nur'' ein Gradunterschied.)


{{ParZ|353}} Aber kann man nicht sagen: "Wenn es nur ''eine'' Substanz gäbe, so hätte man keinen Gebrauch für das Wort "Substanz'"? Aber das heißt doch: Der Begriff 'Substanz' setzt den Begriff 'Unterschied der Substanz' voraus. (Wie der des Schachkönigs den des Schachzuges, oder wie der der ''Farbe'' den der ''Farben''.)
{{ParZ|353}} Aber kann man nicht sagen: "Wenn es nur ''eine'' Substanz gäbe, so hätte man keinen Gebrauch für das Wort 'Substanz'"? Aber das heißt doch: Der Begriff 'Substanz' setzt den Begriff 'Unterschied der Substanz' voraus. (Wie der des Schachkönigs den des Schachzuges, oder wie der der ''Farbe'' den der ''Farben''.)


{{ParZ|354}} Zwischen Grün und Rot, will ich sagen, sei eine ''geometrische'' Leere, nicht eine physikalische.
{{ParZ|354}} Zwischen Grün und Rot, will ich sagen, sei eine ''geometrische'' Leere, nicht eine physikalische.
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{{ParZ|360}} 'a ist zwischen b und c, und dem b näher als dem c', dies ist eine charakteristische Relation zwischen Empfindungen gleicher Art. D. h., es gibt z. B. ein Sprachspiel mit dem Befehl "Erzeuge eine Empfindung zwischen ''dieser'' und ''dieser'', und der ersten näher als der zweiten!" Und auch "Nenne zwei Empfindungen, zwischen welchen ''diese'' liegt".
{{ParZ|360}} 'a ist zwischen b und c, und dem b näher als dem c', dies ist eine charakteristische Relation zwischen Empfindungen gleicher Art. D. h., es gibt z. B. ein Sprachspiel mit dem Befehl "Erzeuge eine Empfindung zwischen ''dieser'' und ''dieser'', und der ersten näher als der zweiten!" Und auch "Nenne zwei Empfindungen, zwischen welchen ''diese'' liegt".


{{ParZ|361}} Und da ist es wichtig, daß man z. B. bei ''Grau'' "Schwarz und Weib" zur Antwort kriegen wird; bei ''Violett'' "Blau und Rot", bei ''Rosa'' "Rot und Weiß” etc.; aber ''nicht'' bei ''Olivegrün'' “Rot und Grün".
{{ParZ|361}} Und da ist es wichtig, daß man z. B. bei ''Grau'' "Schwarz und Weiß" zur Antwort kriegen wird; bei ''Violett'' "Blau und Rot", bei ''Rosa'' "Rot und Weiß" etc.; aber ''nicht'' bei ''Olivegrün'' "Rot und Grün".


{{ParZ|362}} Die Leute kennen ein Rötlichgrün.—"Aber es ''gibt'' doch gar keins!"—Welch sonderbarer Satz.—(Wie weißt du's nur?)
{{ParZ|362}} Die Leute kennen ein Rötlichgrün.—"Aber es ''gibt'' doch gar keins!"—Welch sonderbarer Satz.—(Wie weißt du's nur?)
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"Irgendwo wirst du doch an Existenz und nicht-Existenz anrennen!" Das heißt aber doch an ''Tatsachen'', nicht an Begriffe.
"Irgendwo wirst du doch an Existenz und nicht-Existenz anrennen!" Das heißt aber doch an ''Tatsachen'', nicht an Begriffe.


{{ParZ|365}} Es ist eine Tatsache von der höchsten Wichtigkeit, daß eine Farbe, die wir (z. B.) "rötlichgelb” zu nennen geneigt sind, sich wirklich durch Mischung (auf verschiedene Weise) von Rot und Gelb erzeugen läßt. Und daß wir nicht im Stande sind, eine Farbe, die durch Mischen von Rot und Grün entstanden ist, ohne Weiteres als eine zu erkennen, die sich so erzeugen läßt. (Was aber bedeutet "ohne Weiteres” hier?)
{{ParZ|365}} Es ist eine Tatsache von der höchsten Wichtigkeit, daß eine Farbe, die wir (z. B.) "rötlichgelb" zu nennen geneigt sind, sich wirklich durch Mischung (auf verschiedene Weise) von Rot und Gelb erzeugen läßt. Und daß wir nicht im Stande sind, eine Farbe, die durch Mischen von Rot und Grün entstanden ist, ohne Weiteres als eine zu erkennen, die sich so erzeugen läßt. (Was aber bedeutet "ohne Weiteres" hier?)


{{ParZ|366}} Verwirrung der Geschmäcke: Ich sage "Das ist süß", der Andere "Das ist sauer" u. s. f. Einer kommt daher und sagt: "Ihr habt alle keine Ahnung, wovon ihr sprecht. Ihr wißt gar nicht mehr, was ihr einmal einen Geschmack genannt habt." Was wäre das Zeichen dafür, daß wir's noch wissen? (Hängt mit einer Frage über eine Verwirrung im Rechnen zusammen.)
{{ParZ|366}} Verwirrung der Geschmäcke: Ich sage "Das ist süß", der Andere "Das ist sauer" u. s. f. Einer kommt daher und sagt: "Ihr habt alle keine Ahnung, wovon ihr sprecht. Ihr wißt gar nicht mehr, was ihr einmal einen Geschmack genannt habt." Was wäre das Zeichen dafür, daß wir's noch wissen? (Hängt mit einer Frage über eine Verwirrung im Rechnen zusammen.)