Über Gewißheit: Difference between revisions

no edit summary
No edit summary
No edit summary
Line 37: Line 37:


'''11.''' Man sieht eben nicht, wie sehr spezialisiert der Gebrauch von »Ich weiß« ist.
'''11.''' Man sieht eben nicht, wie sehr spezialisiert der Gebrauch von »Ich weiß« ist.


'''12.''' – Denn » Ich weiß ... « scheint einen Tatbestand zu beschreiben, der das Gewußte als Tatsache verbürgt. Man vergißt eben immer den Ausdruck »Ich glaubte, ich wüßte es«.
'''12.''' – Denn » Ich weiß ... « scheint einen Tatbestand zu beschreiben, der das Gewußte als Tatsache verbürgt. Man vergißt eben immer den Ausdruck »Ich glaubte, ich wüßte es«.
Line 62: Line 61:


»Ich kann mich nicht irren«; oder dem, der sagt »Ich irre mich nicht«.
»Ich kann mich nicht irren«; oder dem, der sagt »Ich irre mich nicht«.


'''23.''' Wenn ich nicht weiß, ob Einer zwei Hände hat (z. B., ob sie ihm amputiert worden sind oder nicht), werde ich ihm die Versicherung, er habe zwei Hände, glauben, wenn er glaubwürdig ist. Und sagt er, er ''wisse'' es, so kann mir das nur bedeuten, er habe sich davon überzeugen können, seine Arme seien also z. B. nicht noch von Decken und Verbänden verhüllt, etc., etc. Daß ich dem Glaubwürdigen hier glaube, kommt daher, daß ich ihm die Möglichkeit, sich zu überzeugen, zugestehe. Wer aber sagt, es gäbe (vielleicht) keine physikalischen Gegenstände, tut das nicht.
'''23.''' Wenn ich nicht weiß, ob Einer zwei Hände hat (z. B., ob sie ihm amputiert worden sind oder nicht), werde ich ihm die Versicherung, er habe zwei Hände, glauben, wenn er glaubwürdig ist. Und sagt er, er ''wisse'' es, so kann mir das nur bedeuten, er habe sich davon überzeugen können, seine Arme seien also z. B. nicht noch von Decken und Verbänden verhüllt, etc., etc. Daß ich dem Glaubwürdigen hier glaube, kommt daher, daß ich ihm die Möglichkeit, sich zu überzeugen, zugestehe. Wer aber sagt, es gäbe (vielleicht) keine physikalischen Gegenstände, tut das nicht.
Line 97: Line 95:


Regel und Ausnahme.
Regel und Ausnahme.


'''35.''' Aber kann man sich nicht vorstellen, es gäbe keine physikalischen Gegenstände? Ich weiß nicht. Und doch ist »Es gibt physikalische Gegenstände« Unsinn. Soll es ein Satz der Erfahrung sein? – Und ist ''das'' ein Erfahrungssatz: »Es scheint physikalische Gegenstände zu geben«?
'''35.''' Aber kann man sich nicht vorstellen, es gäbe keine physikalischen Gegenstände? Ich weiß nicht. Und doch ist »Es gibt physikalische Gegenstände« Unsinn. Soll es ein Satz der Erfahrung sein? – Und ist ''das'' ein Erfahrungssatz: »Es scheint physikalische Gegenstände zu geben«?
Line 124: Line 121:


'''45.''' Das ''Wesen'' des Rechnens haben wir beim Rechnenlernen kennengelernt.
'''45.''' Das ''Wesen'' des Rechnens haben wir beim Rechnenlernen kennengelernt.


'''46.''' Aber läßt sich denn nicht beschreiben, wie wir uns von der Verläßlichkeit einer Rechnung überzeugen? O doch! Aber eine Regel kommt dabei eben nicht zum Vorschein. – Das wichtigste aber ist: Es braucht die Regel nicht. Es geht uns nichts ab. Wir rechnen nach einer Regel, das ist genug.
'''46.''' Aber läßt sich denn nicht beschreiben, wie wir uns von der Verläßlichkeit einer Rechnung überzeugen? O doch! Aber eine Regel kommt dabei eben nicht zum Vorschein. – Das wichtigste aber ist: Es braucht die Regel nicht. Es geht uns nichts ab. Wir rechnen nach einer Regel, das ist genug.
Line 159: Line 155:


'''58.''' Wird »Ich weiß etc.« als grammatischer Satz aufgefaßt, so kann natürlich das »Ich« nicht wichtig sein. Und es heißt eigentlich »Es gibt in diesem Falle keinen Zweifel« oder »Das Wort ›Ich weiß nicht‹ hat in diesem Falle keinen Sinn«. Und daraus folgt freilich auch, daß »Ich ''weiß''« keinen hat.
'''58.''' Wird »Ich weiß etc.« als grammatischer Satz aufgefaßt, so kann natürlich das »Ich« nicht wichtig sein. Und es heißt eigentlich »Es gibt in diesem Falle keinen Zweifel« oder »Das Wort ›Ich weiß nicht‹ hat in diesem Falle keinen Sinn«. Und daraus folgt freilich auch, daß »Ich ''weiß''« keinen hat.


'''59.''' »Ich weiß« ist hier eine logische Einsicht. Nur läßt sich der Realismus nicht durch sie beweisen.
'''59.''' »Ich weiß« ist hier eine logische Einsicht. Nur läßt sich der Realismus nicht durch sie beweisen.
Line 204: Line 199:


D. h. ungefähr: er läßt sich in das richtige Wissen des Irrenden einordnen.
D. h. ungefähr: er läßt sich in das richtige Wissen des Irrenden einordnen.


'''75.''' Wäre das richtig: Wenn ich bloß fälschlich glaubte, daß hier vor mir ein Tisch steht, so könnte das noch ein Irrtum sein; wenn ich aber fälschlich glaube, daß ich diesen oder einen solchen Tisch seit mehreren Monaten täglich gesehen und ständig benützt habe, so ist das kein Irrtum?
'''75.''' Wäre das richtig: Wenn ich bloß fälschlich glaubte, daß hier vor mir ein Tisch steht, so könnte das noch ein Irrtum sein; wenn ich aber fälschlich glaube, daß ich diesen oder einen solchen Tisch seit mehreren Monaten täglich gesehen und ständig benützt habe, so ist das kein Irrtum?
Line 229: Line 223:


'''86.''' Wie, wenn man in Moores Sätzen »Ich weiß« durch »Ich bin der unerschütterlichen Überzeugung« ersetzte?
'''86.''' Wie, wenn man in Moores Sätzen »Ich weiß« durch »Ich bin der unerschütterlichen Überzeugung« ersetzte?


'''87.''' Kann ein Behauptungssatz, der als Hypothese funktionieren könnte, nicht auch als ein Grundsatz des Forschens und Handelns gebraucht werden? D. h. kann er nicht einfach dem Zweifel entzogen sein, wenn auch nicht einer ausgesprochenen Regel gemäß? Er wird einfach als eine Selbstverständlichkeit hingenommen, nie in Frage gezogen, ja vielleicht nie ausgesprochen.
'''87.''' Kann ein Behauptungssatz, der als Hypothese funktionieren könnte, nicht auch als ein Grundsatz des Forschens und Handelns gebraucht werden? D. h. kann er nicht einfach dem Zweifel entzogen sein, wenn auch nicht einer ausgesprochenen Regel gemäß? Er wird einfach als eine Selbstverständlichkeit hingenommen, nie in Frage gezogen, ja vielleicht nie ausgesprochen.
Line 252: Line 245:


–   Alles, was ich gesehen oder gehört habe, macht mich der Überzeugung, daß kein Mensch sich je weit von der Erde entfernt hat. Nichts spricht in meinem Weltbild für das Gegenteil.
–   Alles, was ich gesehen oder gehört habe, macht mich der Überzeugung, daß kein Mensch sich je weit von der Erde entfernt hat. Nichts spricht in meinem Weltbild für das Gegenteil.


'''94.''' Aber mein Weltbild habe ich nicht, weil ich mich von seiner Richtigkeit überzeugt habe; auch nicht, weil ich von seiner Richtigkeit überzeugt bin. Sondern es ist der überkommene Hintergrund, auf welchem ich zwischen wahr und falsch unterscheide.
'''94.''' Aber mein Weltbild habe ich nicht, weil ich mich von seiner Richtigkeit überzeugt habe; auch nicht, weil ich von seiner Richtigkeit überzeugt bin. Sondern es ist der überkommene Hintergrund, auf welchem ich zwischen wahr und falsch unterscheide.
Line 278: Line 270:
'''105.''' Alle Prüfung, alles Bekräften und Entkräften einer Annahme geschieht schon innerhalb eines Systems. Und zwar ist dies System nicht ein mehr oder weniger willkürlicher und zweifelhafter Anfangspunkt aller unsrer Argumente, sondern es gehört zum Wesen dessen, was wir ein Argument nennen. Das System ist nicht so sehr der Ausgangspunkt, als das Lebenselement der Argumente.
'''105.''' Alle Prüfung, alles Bekräften und Entkräften einer Annahme geschieht schon innerhalb eines Systems. Und zwar ist dies System nicht ein mehr oder weniger willkürlicher und zweifelhafter Anfangspunkt aller unsrer Argumente, sondern es gehört zum Wesen dessen, was wir ein Argument nennen. Das System ist nicht so sehr der Ausgangspunkt, als das Lebenselement der Argumente.


'''106.''' Ein Erwachsener hätte einem Kind erzählt, er wäre auf dem Mond gewesen. Das Kind erzählt mir das, und ich sage, es sei nur ein Scherz gewesen, Soundso sei nicht auf dem Mond gewesen; niemand sei auf dem Mond gewesen; der Mond sei weit, weit von uns entfernt, und man könne nicht hinaufsteigen oder hinfliegen. – Wenn nun das Kind darauf beharrte: es gebe vielleicht doch eine Art, wie man hinkommen könne, und sie sei mir nur nicht bekannt, etc. – was könnte ich erwidern? Was könnte ich Erwachsenen eines Volksstamms erwidern, die glauben, Leute kämen manchmal auf den Mond (vielleicht deuten sie ihre Träume so), und die allerdings zugeben, man könnte nicht mit gewöhnlichen Mitteln hinaufsteigen oder hinfliegen? – Ein Kind wird aber für gewöhn-
'''106.''' Ein Erwachsener hätte einem Kind erzählt, er wäre auf dem Mond gewesen. Das Kind erzählt mir das, und ich sage, es sei nur ein Scherz gewesen, Soundso sei nicht auf dem Mond gewesen; niemand sei auf dem Mond gewesen; der Mond sei weit, weit von uns entfernt, und man könne nicht hinaufsteigen oder hinfliegen. – Wenn nun das Kind darauf beharrte: es gebe vielleicht doch eine Art, wie man hinkommen könne, und sie sei mir nur nicht bekannt, etc. – was könnte ich erwidern? Was könnte ich Erwachsenen eines Volksstamms erwidern, die glauben, Leute kämen manchmal auf den Mond (vielleicht deuten sie ihre Träume so), und die allerdings zugeben, man könnte nicht mit gewöhnlichen Mitteln hinaufsteigen oder hinfliegen? – Ein Kind wird aber für gewöhnlich nicht an so einem Glauben festhalten und bald von dem überzeugt werden, was wir ihm im Ernst sagen.
 
 
lich nicht an so einem Glauben festhalten und bald von dem überzeugt werden, was wir ihm im Ernst sagen.


'''107.''' Ist dies nicht ganz so, wie man einem Kind den Glauben an einen Gott, oder daß es keinen Gott gibt, beibringen kann, und es je nachdem für das eine oder andere triftig scheinende Gründe wird vorbringen können?
'''107.''' Ist dies nicht ganz so, wie man einem Kind den Glauben an einen Gott, oder daß es keinen Gott gibt, beibringen kann, und es je nachdem für das eine oder andere triftig scheinende Gründe wird vorbringen können?
Line 312: Line 301:


Wenn ich sage »Nichts spricht dafür und alles dagegen«, so setzt dies schon ein Prinzip des Dafür- und Dagegensprechens voraus. D. h. ich muß sagen können, was dafür ''spräche''.
Wenn ich sage »Nichts spricht dafür und alles dagegen«, so setzt dies schon ein Prinzip des Dafür- und Dagegensprechens voraus. D. h. ich muß sagen können, was dafür ''spräche''.


'''118.''' Wäre es nun richtig zu sagen: Niemand hat bisher meinen Schädel geöffnet, um zu sehen, ob ein Gehirn drin ist; aber alles spricht dafür und nichts dagegen, daß man eins drin finden würde?
'''118.''' Wäre es nun richtig zu sagen: Niemand hat bisher meinen Schädel geöffnet, um zu sehen, ob ein Gehirn drin ist; aber alles spricht dafür und nichts dagegen, daß man eins drin finden würde?
Line 356: Line 344:
–   Aber die Erfahrung lehrt doch wirklich, daß ein Buch, z. B., nicht verschwindet. (Z.
–   Aber die Erfahrung lehrt doch wirklich, daß ein Buch, z. B., nicht verschwindet. (Z.


B. nicht nach und nach verdunstet.) – Aber ist es diese Erfahrung mit Büchern etc., die
B. nicht nach und nach verdunstet.) – Aber ist es diese Erfahrung mit Büchern etc., die uns annehmen läßt, das Buch sei nicht verschwunden? Nun, angenommen, wir fänden, daß unter bestimmten neuen Umständen Bücher verschwänden – würden wir nicht unsre Annahme ändern? Kann man die Wirkung der Erfahrung auf unser System von Annahmen leugnen?
 
 
uns annehmen läßt, das Buch sei nicht verschwunden? Nun, angenommen, wir fänden, daß unter bestimmten neuen Umständen Bücher verschwänden – würden wir nicht unsre Annahme ändern? Kann man die Wirkung der Erfahrung auf unser System von Annahmen leugnen?


'''135.''' Aber folgen wir nicht einfach dem Prinzip, daß, was ''immer'' geschehen ist, auch wieder geschehen wird (oder etwas ähnlichem)? – Was heißt es, diesem Prinzip folgen? Bringen wir es wirklich in unser Raisonnement? Oder ist es nur das ''Naturgesetz'', dem scheinbar unser Schließen folgt? Das letztere mag es sein. Ein Glied in unsrer Überlegung ist es nicht.
'''135.''' Aber folgen wir nicht einfach dem Prinzip, daß, was ''immer'' geschehen ist, auch wieder geschehen wird (oder etwas ähnlichem)? – Was heißt es, diesem Prinzip folgen? Bringen wir es wirklich in unser Raisonnement? Oder ist es nur das ''Naturgesetz'', dem scheinbar unser Schließen folgt? Das letztere mag es sein. Ein Glied in unsrer Überlegung ist es nicht.
Line 384: Line 369:


'''144.''' Das Kind lernt eine Menge Dinge glauben. D. h. es lernt z. B. nach diesem Glauben handeln. Es bildet sich nach und nach ein System von Geglaubtem heraus, und darin steht manches unverrückbar fest, manches ist mehr oder weniger beweglich. Was feststeht, tut dies nicht, weil es an sich offenbar oder einleuchtend ist, sondern es wird von dem, was darum herumliegt, festgehalten.
'''144.''' Das Kind lernt eine Menge Dinge glauben. D. h. es lernt z. B. nach diesem Glauben handeln. Es bildet sich nach und nach ein System von Geglaubtem heraus, und darin steht manches unverrückbar fest, manches ist mehr oder weniger beweglich. Was feststeht, tut dies nicht, weil es an sich offenbar oder einleuchtend ist, sondern es wird von dem, was darum herumliegt, festgehalten.


'''145.''' Man will sagen »''Alle'' meine Erfahrungen zeigen, daß es so ist«. Aber wie tun sie das? Denn jener Satz, auf den sie zeigen, gehört auch zu ihrer besonderen Interpretation.
'''145.''' Man will sagen »''Alle'' meine Erfahrungen zeigen, daß es so ist«. Aber wie tun sie das? Denn jener Satz, auf den sie zeigen, gehört auch zu ihrer besonderen Interpretation.
Line 417: Line 401:


'''157.''' Wie, wenn ein Mensch sich nicht erinnern könnte, ob er immer fünf Finger oder zwei Hände gehabt hat? Würden wir ihn verstehen? Könnten wir sicher sein, daß wir ihn verstehen?
'''157.''' Wie, wenn ein Mensch sich nicht erinnern könnte, ob er immer fünf Finger oder zwei Hände gehabt hat? Würden wir ihn verstehen? Könnten wir sicher sein, daß wir ihn verstehen?


'''158.''' Kann ich mich z. B. darin irren, daß die einfachen Worte, die diesen Satz bilden, deutsche Wörter sind, deren Bedeutung ich kenne?
'''158.''' Kann ich mich z. B. darin irren, daß die einfachen Worte, die diesen Satz bilden, deutsche Wörter sind, deren Bedeutung ich kenne?
Line 450: Line 433:


Und kann man nun sagen: Wir messen unser Vertrauen so zu, weil es sich so bewährt hat?
Und kann man nun sagen: Wir messen unser Vertrauen so zu, weil es sich so bewährt hat?


'''171.''' Ein Hauptgrund für Moore anzunehmen, daß er nicht auf dem Mond war, ist der, daß niemand auf dem Mond war und hinkommen ''konnte;'' und das glauben wir auf Grund dessen, was wir lernen.
'''171.''' Ein Hauptgrund für Moore anzunehmen, daß er nicht auf dem Mond war, ist der, daß niemand auf dem Mond war und hinkommen ''konnte;'' und das glauben wir auf Grund dessen, was wir lernen.
Line 470: Line 452:
'''178.''' Der falsche Gebrauch, den Moore von dem Satz »Ich weiß ..''.''« macht, liegt darin, daß er ihn als eine Äußerung betrachtet, die so wenig anzuzweifeln ist wie etwa »Ich habe Schmerzen«. Und da aus »Ich weiß, daß es so ist« folgt »Es ist so«, so kann also auch dies nicht angezweifelt werden.
'''178.''' Der falsche Gebrauch, den Moore von dem Satz »Ich weiß ..''.''« macht, liegt darin, daß er ihn als eine Äußerung betrachtet, die so wenig anzuzweifeln ist wie etwa »Ich habe Schmerzen«. Und da aus »Ich weiß, daß es so ist« folgt »Es ist so«, so kann also auch dies nicht angezweifelt werden.


'''179.''' Es wäre richtig zu sagen: »Ich glaube ...« hat subjektive Wahrheit; aber »Ich weiß
'''179.''' Es wäre richtig zu sagen: »Ich glaube ...« hat subjektive Wahrheit; aber »Ich weiß ...« nicht.
 
...« nicht.


'''180.''' Oder auch: »Ich glaube ...« ist eine Äußerung, nicht aber »Ich weiß...«.
'''180.''' Oder auch: »Ich glaube ...« ist eine Äußerung, nicht aber »Ich weiß...«.
Line 489: Line 469:


'''187.''' »''Weißt'' du, daß die Erde damals existiert hat?« – »Freilich weiß ich’s. Ich habe es von jemandem, der sich genau auskennt.«
'''187.''' »''Weißt'' du, daß die Erde damals existiert hat?« – »Freilich weiß ich’s. Ich habe es von jemandem, der sich genau auskennt.«


'''188.''' Es kommt mir vor, als müßte der, welcher an der Existenz der Erde zu jener Zeit zweifelt, das Wesen aller historischer Evidenz antasten. Und von dieser kann ich nicht sagen, sie sei bestimmt ''richtig''.
'''188.''' Es kommt mir vor, als müßte der, welcher an der Existenz der Erde zu jener Zeit zweifelt, das Wesen aller historischer Evidenz antasten. Und von dieser kann ich nicht sagen, sie sei bestimmt ''richtig''.
Line 528: Line 507:


Wenn auch alles ''für'' eine Hypothese, nichts gegen sie spricht, – ist sie objektiv sicher? Man kann sie so ''nennen''. Aber stimmt sie ''unbedingt'' mit der Welt der Tatsachen überein? Sie zeigt uns bestenfalls, was »übereinstimmen« heißt. Wir finden es schwierig, sie uns (als) falsch vorzustellen, aber auch schwierig, eine Anwendung von ihr zu machen.] Worin besteht denn diese Übereinstimmung, wenn nicht darin, daß, was in diesen Sprachspielen Evidenz ist, für unseren Satz spricht? (Log. Phil. Abh.)
Wenn auch alles ''für'' eine Hypothese, nichts gegen sie spricht, – ist sie objektiv sicher? Man kann sie so ''nennen''. Aber stimmt sie ''unbedingt'' mit der Welt der Tatsachen überein? Sie zeigt uns bestenfalls, was »übereinstimmen« heißt. Wir finden es schwierig, sie uns (als) falsch vorzustellen, aber auch schwierig, eine Anwendung von ihr zu machen.] Worin besteht denn diese Übereinstimmung, wenn nicht darin, daß, was in diesen Sprachspielen Evidenz ist, für unseren Satz spricht? (Log. Phil. Abh.)


'''204.''' Die Begründung aber, die Rechtfertigung der Evidenz kommt zu einem Ende; – das Ende aber ist nicht, daß uns gewisse Sätze unmittelbar als wahr einleuchten, also eine Art ''Sehen'' unsrerseits, sondern unser ''Handeln'', welches am Grunde des Sprachspiels liegt.
'''204.''' Die Begründung aber, die Rechtfertigung der Evidenz kommt zu einem Ende; – das Ende aber ist nicht, daß uns gewisse Sätze unmittelbar als wahr einleuchten, also eine Art ''Sehen'' unsrerseits, sondern unser ''Handeln'', welches am Grunde des Sprachspiels liegt.
Line 568: Line 546:
'''220.''' Der vernünftige Mensch hat gewisse Zweifel ''nicht''.
'''220.''' Der vernünftige Mensch hat gewisse Zweifel ''nicht''.


'''''221. ''''' Kann ich zweifeln, woran ich zweifeln ''will?''
'''''221. ''''' Kann ich zweifeln, woran ich zweifeln ''will''?
 


'''222.''' Ich kann, daß ich nie in der Stratosphäre war, unmöglich bezweifeln. Weiß ich es darum, ist es darum wahr?
'''222.''' Ich kann, daß ich nie in der Stratosphäre war, unmöglich bezweifeln. Weiß ich es darum, ist es darum wahr?
Line 608: Line 585:


'''236.''' Wenn Einer sagte »Die Erde hat nicht schon lange ...« – was würde er damit antasten? Weiß ich’s?
'''236.''' Wenn Einer sagte »Die Erde hat nicht schon lange ...« – was würde er damit antasten? Weiß ich’s?


Müßte es ein sogenannter wissenschaftlicher Glaube sein? Könnte es kein mystischer sein? Muß er damit unbedingt geschichtlichen Tatsachen widersprechen? Ja, selbst geographischen?
Müßte es ein sogenannter wissenschaftlicher Glaube sein? Könnte es kein mystischer sein? Muß er damit unbedingt geschichtlichen Tatsachen widersprechen? Ja, selbst geographischen?
Line 679: Line 655:


Dies geschähe durch eine Art ''Überredung''.
Dies geschähe durch eine Art ''Überredung''.


'''263.''' Der Schüler ''glaubt'' seinen Lehrern und den Schulbüchern.
'''263.''' Der Schüler ''glaubt'' seinen Lehrern und den Schulbüchern.
Line 724: Line 699:


'''279.''' Es ist ganz sicher, daß Automobile nicht aus der Erde wachsen. – Wir fühlen, daß, wenn Einer das Gegenteil glauben könnte, er ''allem'' Glauben schenken könne, was wir für unmöglich erklären, und alles bestreiten könnte, was wir für sicher halten.
'''279.''' Es ist ganz sicher, daß Automobile nicht aus der Erde wachsen. – Wir fühlen, daß, wenn Einer das Gegenteil glauben könnte, er ''allem'' Glauben schenken könne, was wir für unmöglich erklären, und alles bestreiten könnte, was wir für sicher halten.


Wie aber hängt dieser ''eine'' Glaube mit allen andern zusammen? Wir möchten sagen, daß wer jenes glauben kann, das ganze System unsrer Verifikation nicht annimmt.
Wie aber hängt dieser ''eine'' Glaube mit allen andern zusammen? Wir möchten sagen, daß wer jenes glauben kann, das ganze System unsrer Verifikation nicht annimmt.
Line 759: Line 733:


'''289.''' Ich bin fest überzeugt, daß die Andern glauben, zu wissen glauben, daß es sich alles so verhält.
'''289.''' Ich bin fest überzeugt, daß die Andern glauben, zu wissen glauben, daß es sich alles so verhält.


'''290.''' Ich habe selbst in meinem Buch geschrieben, das Kind lerne ein Wort so und so verstehen: Weiß ich das, oder glaube ich das? Warum schreibe ich in so einem Falle nicht »Ich glaube ...«, sondern einfach den Behauptungssatz?
'''290.''' Ich habe selbst in meinem Buch geschrieben, das Kind lerne ein Wort so und so verstehen: Weiß ich das, oder glaube ich das? Warum schreibe ich in so einem Falle nicht »Ich glaube ...«, sondern einfach den Behauptungssatz?
Line 801: Line 774:
'''307.''' Und hier ist es nun sonderbar, daß, wenn ich auch des Gebrauchs der Wörter ganz sicher bin, keinen Zweifel darüber habe, ich doch keine ''Gründe'' für meine Handlungsweise angeben kann. Versuchte ich’s, so könnte ich 1000 geben, aber keinen, der so sicher wäre, wie eben das, was sie begründen sollen.
'''307.''' Und hier ist es nun sonderbar, daß, wenn ich auch des Gebrauchs der Wörter ganz sicher bin, keinen Zweifel darüber habe, ich doch keine ''Gründe'' für meine Handlungsweise angeben kann. Versuchte ich’s, so könnte ich 1000 geben, aber keinen, der so sicher wäre, wie eben das, was sie begründen sollen.


'''308.''' »Wissen« und »Sicherheit« gehören zu verschiedenen ''Kategorien''. Es sind nicht zwei »Seelenzustände« wie etwa »Vermuten« und »Sichersein«. (Hier nehme ich an, daß es für mich sinnvoll sei zu sagen »Ich weiß, was das Wort »Zweifel« {z. B.} bedeutet« und daß dieser Satz dem Wort »Zweifel« eine logische Rolle anweist.) Was uns
'''308.''' »Wissen« und »Sicherheit« gehören zu verschiedenen ''Kategorien''. Es sind nicht zwei »Seelenzustände« wie etwa »Vermuten« und »Sichersein«. (Hier nehme ich an, daß es für mich sinnvoll sei zu sagen »Ich weiß, was das Wort »Zweifel« {z. B.} bedeutet« und daß dieser Satz dem Wort »Zweifel« eine logische Rolle anweist.) Was uns nun interessiert ist nicht das Sichersein, sondern das Wissen. D. h. uns interessiert, daß es über gewisse Erfahrungssätze keinen Zweifel geben kann, wenn ein Urteil überhaupt möglich sein soll. Oder auch: Ich bin geneigt zu glauben, daß nicht alles, was die Form eines Erfahrungssatzes hat, ein Erfahrungssatz ist.
 
 
nun interessiert ist nicht das Sichersein, sondern das Wissen. D. h. uns interessiert, daß es über gewisse Erfahrungssätze keinen Zweifel geben kann, wenn ein Urteil überhaupt möglich sein soll. Oder auch: Ich bin geneigt zu glauben, daß nicht alles, was die Form eines Erfahrungssatzes hat, ein Erfahrungssatz ist.


'''309.''' Ist es, daß Regel und Erfahrungssatz ineinander übergehen?
'''309.''' Ist es, daß Regel und Erfahrungssatz ineinander übergehen?
Line 839: Line 809:


'''321.''' Ich sage doch: Jeder Erfahrungssatz kann umgewandelt werden in ein Postulat – und wird dann eine Norm der Darstellung. Aber auch dagegen habe ich ein Mißtrauen. Der Satz ist zu allgemein. Man möchte fast sagen »Jeder Erfahrungssatz kann, theoretisch, umgewandelt werden ...«, aber was heißt hier »theoretisch«? Es klingt eben zu sehr nach der ''Log. Phil. Abh''.
'''321.''' Ich sage doch: Jeder Erfahrungssatz kann umgewandelt werden in ein Postulat – und wird dann eine Norm der Darstellung. Aber auch dagegen habe ich ein Mißtrauen. Der Satz ist zu allgemein. Man möchte fast sagen »Jeder Erfahrungssatz kann, theoretisch, umgewandelt werden ...«, aber was heißt hier »theoretisch«? Es klingt eben zu sehr nach der ''Log. Phil. Abh''.


'''322.''' Wie, wenn der Schüler nicht glauben wollte, daß dieser Berg seit Menschengedenken immer dagestanden ist?
'''322.''' Wie, wenn der Schüler nicht glauben wollte, daß dieser Berg seit Menschengedenken immer dagestanden ist?
Line 880: Line 849:


''Sehr'' gescheite und gebildete Leute glauben an die Schöpfungsgeschichte der Bibel, und andere halten sie für erwiesenermaßen falsch, und diese Gründe sind jenen bekannt.
''Sehr'' gescheite und gebildete Leute glauben an die Schöpfungsgeschichte der Bibel, und andere halten sie für erwiesenermaßen falsch, und diese Gründe sind jenen bekannt.


'''337.''' Man kann nicht experimentieren, wenn man nicht manches nicht bezweifelt. Das heißt aber nicht, daß man dann gewisse Voraussetzungen auf guten Glauben hinnimmt. Wenn ich einen Brief schreibe und aufgebe, so nehme ich an, daß er ankommen wird, das erwarte ich.
'''337.''' Man kann nicht experimentieren, wenn man nicht manches nicht bezweifelt. Das heißt aber nicht, daß man dann gewisse Voraussetzungen auf guten Glauben hinnimmt. Wenn ich einen Brief schreibe und aufgebe, so nehme ich an, daß er ankommen wird, das erwarte ich.
Line 894: Line 862:
'''341.''' D. h. die ''Fragen'', die wir stellen, und unsre ''Zweifel'' beruhen darauf, daß gewisse Sätze vom Zweifel ausgenommen sind, gleichsam die Angeln, in welchen jene sich bewegen.
'''341.''' D. h. die ''Fragen'', die wir stellen, und unsre ''Zweifel'' beruhen darauf, daß gewisse Sätze vom Zweifel ausgenommen sind, gleichsam die Angeln, in welchen jene sich bewegen.


'''342.''' D. h. es gehört zur Logik unsrer wissenschaftlichen Untersuchungen, daß Gewisses
'''342.''' D. h. es gehört zur Logik unsrer wissenschaftlichen Untersuchungen, daß Gewisses ''in der Tat'' nicht angezweifelt wird.
 
''in der Tat'' nicht angezweifelt wird.


'''343.''' Es ist aber damit nicht so, daß wir eben nicht alles untersuchen ''können'' und uns daher notgedrungen mit der Annahme zufriedenstellen müssen. Wenn ich will, daß die Türe sich drehe, müssen die Angeln feststehen.
'''343.''' Es ist aber damit nicht so, daß wir eben nicht alles untersuchen ''können'' und uns daher notgedrungen mit der Annahme zufriedenstellen müssen. Wenn ich will, daß die Türe sich drehe, müssen die Angeln feststehen.
Line 909: Line 875:


'''347.''' »I know that that’s a tree.« Warum kommt mir vor, ich verstünde den Satz nicht? obwohl er doch ein höchst einfacher Satz von der gewöhnlichsten Art ist? Es ist, als könnte ich meinen Geist nicht auf irgendeine Bedeutung einstellen. Weil ich nämlich die Einstellung nicht in dem Bereiche suche, wo sie ist. Sowie ich aus der philosophischen an eine alltägliche Anwendung des Satzes denke, wird sein Sinn klar und gewöhnlich.
'''347.''' »I know that that’s a tree.« Warum kommt mir vor, ich verstünde den Satz nicht? obwohl er doch ein höchst einfacher Satz von der gewöhnlichsten Art ist? Es ist, als könnte ich meinen Geist nicht auf irgendeine Bedeutung einstellen. Weil ich nämlich die Einstellung nicht in dem Bereiche suche, wo sie ist. Sowie ich aus der philosophischen an eine alltägliche Anwendung des Satzes denke, wird sein Sinn klar und gewöhnlich.


'''348.''' So wie die Worte »Ich bin hier« nur in gewissen Zusammenhängen Sinn haben, nicht aber, wenn ich sie Einem sage, der mir gegenüber sitzt und mich klar sieht, – und zwar nicht darum, weil sie dann überflüssig sind, sondern, weil ihr Sinn durch die Situation nicht ''bestimmt'' ist, aber so eine Bestimmung braucht.
'''348.''' So wie die Worte »Ich bin hier« nur in gewissen Zusammenhängen Sinn haben, nicht aber, wenn ich sie Einem sage, der mir gegenüber sitzt und mich klar sieht, – und zwar nicht darum, weil sie dann überflüssig sind, sondern, weil ihr Sinn durch die Situation nicht ''bestimmt'' ist, aber so eine Bestimmung braucht.
Line 931: Line 896:
'''354.''' Zweifelndes und nichtzweifelndes Benehmen. Es gibt das erste nur, wenn es das zweite gibt.
'''354.''' Zweifelndes und nichtzweifelndes Benehmen. Es gibt das erste nur, wenn es das zweite gibt.


'''355.''' Der Irrenarzt etwa könnte mich fragen »Weißt du, was das ist?«, und ich antworten: »Ich weiß, daß das ein Sessel ist; ich kenne ihn, er ist immer schon in meinem
'''355.''' Der Irrenarzt etwa könnte mich fragen »Weißt du, was das ist?«, und ich antworten: »Ich weiß, daß das ein Sessel ist; ich kenne ihn, er ist immer schon in meinem Zimmer gestanden.« Er prüft da vielleicht nicht meine Augen, sondern mein Vermögen, Dinge wiederzuerkennen, ihren Namen und ihre Funktion zu wissen. Es handelt sich da um ein Sichauskennen. Es wäre nun für mich falsch zu sagen »Ich glaube, daß das ein Sessel ist«, weil dadurch die Bereitschaft zur Prüfung der Aussage ausgedrückt wäre. Während »Ich weiß, daß das ...« impliziert, daß ''Verblüffung'' einträte, wenn die Bestätigung nicht einträte.
 
 
Zimmer gestanden.« Er prüft da vielleicht nicht meine Augen, sondern mein Vermögen, Dinge wiederzuerkennen, ihren Namen und ihre Funktion zu wissen. Es handelt sich da um ein Sichauskennen. Es wäre nun für mich falsch zu sagen »Ich glaube, daß das ein Sessel ist«, weil dadurch die Bereitschaft zur Prüfung der Aussage ausgedrückt wäre. Während »Ich weiß, daß das ...« impliziert, daß ''Verblüffung'' einträte, wenn die Bestätigung nicht einträte.


'''356.''' Mein »Seelenzustand«, das »Wissen«, steht mir nicht gut für das, was geschehen wird. Er besteht aber darin, daß ich nicht verstünde, wo ein Zweifel ansetzen könnte, wo eine Überprüfung möglich wäre.
'''356.''' Mein »Seelenzustand«, das »Wissen«, steht mir nicht gut für das, was geschehen wird. Er besteht aber darin, daß ich nicht verstünde, wo ein Zweifel ansetzen könnte, wo eine Überprüfung möglich wäre.
Line 1,006: Line 968:
'''386.''' Wer, wie Moore, sagt, er ''wisse'', daß ... – gibt den Grad der Gewißheit an, den etwas für ihn hat. Und es ist wichtig, daß es für diesen Grad ein Maximum gibt.
'''386.''' Wer, wie Moore, sagt, er ''wisse'', daß ... – gibt den Grad der Gewißheit an, den etwas für ihn hat. Und es ist wichtig, daß es für diesen Grad ein Maximum gibt.


'''387.''' Man könnte mich fragen: »Wie sicher bist du: daß das dort ein Baum ist; daß du Geld in der Tasche hast; daß das dein Fuß ist?« Und die Antwort könnte in einem Fall
'''387.''' Man könnte mich fragen: »Wie sicher bist du: daß das dort ein Baum ist; daß du Geld in der Tasche hast; daß das dein Fuß ist?« Und die Antwort könnte in einem Fall sein »nicht sicher«, in einem andern »so gut wie sicher«, im dritten »Ich kann nicht zweifeln«. Und diese Antworten hätten Sinn auch ohne alle Gründe. Ich brauchte z. B. nicht zu sagen: »Ich kann nicht sicher sein, ob das ein Baum ist, weil meine Augen  nicht scharf genug sind.« Ich will sagen: es hatte Sinn für Moore zu sagen »Ich ''weiß'', daß das ein Baum ist«, wenn er damit etwas ganz Bestimmtes sagen wollte.
 
 
sein »nicht sicher«, in einem andern »so gut wie sicher«, im dritten »Ich kann nicht zweifeln«. Und diese Antworten hätten Sinn auch ohne alle Gründe. Ich brauchte z. B. nicht zu sagen: »Ich kann nicht sicher sein, ob das ein Baum ist, weil meine Augen  nicht scharf genug sind.« Ich will sagen: es hatte Sinn für Moore zu sagen »Ich ''weiß'', daß das ein Baum ist«, wenn er damit etwas ganz Bestimmtes sagen wollte.


[Ich glaube, einen Philosophen, einen der selbst denken kann, könnte es interessieren, meine Noten zu lesen. Denn wenn ich auch nur selten ins Schwarze getroffen habe, so würde er doch erkennen, nach welchen Zielen ich unablässig geschossen habe.]
[Ich glaube, einen Philosophen, einen der selbst denken kann, könnte es interessieren, meine Noten zu lesen. Denn wenn ich auch nur selten ins Schwarze getroffen habe, so würde er doch erkennen, nach welchen Zielen ich unablässig geschossen habe.]
Line 1,042: Line 1,001:


19.3.
19.3.


'''400.''' Ich bin hier geneigt, gegen Windmühlen zu kämpfen, weil ich das noch nicht sagen kann, was ich eigentlich sagen will.
'''400.''' Ich bin hier geneigt, gegen Windmühlen zu kämpfen, weil ich das noch nicht sagen kann, was ich eigentlich sagen will.
Line 1,105: Line 1,063:


'''423.''' Warum sag ich also mit Moore nicht einfach »Ich ''weiß'', daß ich in England bin«? Dies zu sagen, hat ''unter bestimmten Umständen'', die ich mir vorstellen kann, Sinn. Wenn ich aber, nicht in diesen Umständen, den Satz ausspreche als Beispiel dafür, daß Wahrheiten dieser Art von mir mit Gewißheit zu erkennen sind, dann wird er mir sofort verdächtig. – Ob mit Recht??
'''423.''' Warum sag ich also mit Moore nicht einfach »Ich ''weiß'', daß ich in England bin«? Dies zu sagen, hat ''unter bestimmten Umständen'', die ich mir vorstellen kann, Sinn. Wenn ich aber, nicht in diesen Umständen, den Satz ausspreche als Beispiel dafür, daß Wahrheiten dieser Art von mir mit Gewißheit zu erkennen sind, dann wird er mir sofort verdächtig. – Ob mit Recht??


'''424.''' Ich sage »Ich weiß p«, entweder um zu versichern, daß auch mir die Wahrheit p bekannt sei, oder einfach als eine Verstärkung von ⊢ p. Man sagt auch »Ich ''glaube'' es nicht, ich ''weiß'' es«. Und das könnte man auch so ausdrücken (z. B.): »Das ist ein Baum. Und das ist keine bloße Vermutung.«
'''424.''' Ich sage »Ich weiß p«, entweder um zu versichern, daß auch mir die Wahrheit p bekannt sei, oder einfach als eine Verstärkung von ⊢ p. Man sagt auch »Ich ''glaube'' es nicht, ich ''weiß'' es«. Und das könnte man auch so ausdrücken (z. B.): »Das ist ein Baum. Und das ist keine bloße Vermutung.«
Line 1,140: Line 1,097:


Was entnimmt nun der Andre aus diesen meinen Handlungen und Reden? Nicht nur, daß ich meiner Sache sicher bin? – Daraus, daß ich hier seit vielen Wochen gewohnt habe und täglich treppauf und -ab gegangen bin, wird er entnehmen, daß ich ''weiß'', wo mein Zimmer gelegen ist. – Die Versicherung »Ich weiß ...« werde ich gebrauchen, wenn er das noch ''nicht'' weiß, woraus er mein Wissen unbedingt schließen müßte.
Was entnimmt nun der Andre aus diesen meinen Handlungen und Reden? Nicht nur, daß ich meiner Sache sicher bin? – Daraus, daß ich hier seit vielen Wochen gewohnt habe und täglich treppauf und -ab gegangen bin, wird er entnehmen, daß ich ''weiß'', wo mein Zimmer gelegen ist. – Die Versicherung »Ich weiß ...« werde ich gebrauchen, wenn er das noch ''nicht'' weiß, woraus er mein Wissen unbedingt schließen müßte.


'''432.''' Die Äußerung »Ich weiß ...« kann nur in Verbindung mit der übrigen Evidenz des
'''432.''' Die Äußerung »Ich weiß ...« kann nur in Verbindung mit der übrigen Evidenz des
Line 1,175: Line 1,131:


'''445.''' Wenn ich aber sage »Ich habe zwei Hände« – was kann ich hinzufügen, um die Verläßlichkeit anzuzeigen? Höchstens, daß die Umstände die gewöhnlichen sind.
'''445.''' Wenn ich aber sage »Ich habe zwei Hände« – was kann ich hinzufügen, um die Verläßlichkeit anzuzeigen? Höchstens, daß die Umstände die gewöhnlichen sind.


'''446.''' Warum bin ich denn so sicher, daß das meine Hand ist? Beruht nicht auf dieser Art Sicherheit das ganze Sprachspiel?
'''446.''' Warum bin ich denn so sicher, daß das meine Hand ist? Beruht nicht auf dieser Art Sicherheit das ganze Sprachspiel?
Line 1,191: Line 1,146:
'''449.''' Es muß uns etwas als Grundlage gelehrt werden.
'''449.''' Es muß uns etwas als Grundlage gelehrt werden.


'''450.''' Ich will sagen: Unser Lernen hat die Form »Das ist ein Veilchen«, »Das ist ein Tisch«. Das Kind könnte allerdings das Wort »Veilchen« zum erstenmal in dem Satz hören »Das ist vielleicht ein Veilchen«; dann aber könnte es fragen »Was ist ein Veilchen?« Nun könnte dies freilich dadurch beantwortet werden, daß man ihm ein ''Bild'' zeigt. Aber wie wäre es, wenn man nur beim Vorzeigen eines Bilds sagte »Das ist ein
'''450.''' Ich will sagen: Unser Lernen hat die Form »Das ist ein Veilchen«, »Das ist ein Tisch«. Das Kind könnte allerdings das Wort »Veilchen« zum erstenmal in dem Satz hören »Das ist vielleicht ein Veilchen«; dann aber könnte es fragen »Was ist ein Veilchen?« Nun könnte dies freilich dadurch beantwortet werden, daß man ihm ein ''Bild'' zeigt. Aber wie wäre es, wenn man nur beim Vorzeigen eines Bilds sagte »Das ist ein ...«, sonst aber immer nur: »Das ist vielleicht ein ...«? – Welche praktischen Folgen soll es haben?
 
...«, sonst aber immer nur: »Das ist vielleicht ein ...«? – Welche praktischen Folgen soll es haben?


Ein Zweifel, der an allem zweifelte, wäre kein Zweifel.
Ein Zweifel, der an allem zweifelte, wäre kein Zweifel.
Line 1,211: Line 1,164:
29.3.
29.3.


'''455.''' Alles Sprachspiel beruht darauf, daß Wörter und Gegenstände wiedererkannt werden. Wir lernen mit der gleichen Unerbittlichkeit, daß dies ein Sessel ist, wie daß 2 x 2
'''455.''' Alles Sprachspiel beruht darauf, daß Wörter und Gegenstände wiedererkannt werden. Wir lernen mit der gleichen Unerbittlichkeit, daß dies ein Sessel ist, wie daß 2 x 2 = 4 ist.
 
= 4 ist.


'''456.''' Wenn ich also zweifle, oder unsicher bin darüber, daß das meine Hand ist (in welchem Sinn immer), warum dann nicht auch über die Bedeutung dieser Worte?
'''456.''' Wenn ich also zweifle, oder unsicher bin darüber, daß das meine Hand ist (in welchem Sinn immer), warum dann nicht auch über die Bedeutung dieser Worte?


'''457.''' Will ich also sagen, daß die Sicherheit im Wesen des Sprachspiels liegt?
'''457.''' Will ich also sagen, daß die Sicherheit im Wesen des Sprachspiels liegt?


'''458.''' Man zweifelt aus bestimmten Gründen. Es handelt sich darum: Wie wird der Zweifel ins Sprachspiel eingeführt?
'''458.''' Man zweifelt aus bestimmten Gründen. Es handelt sich darum: Wie wird der Zweifel ins Sprachspiel eingeführt?
Line 1,251: Line 1,201:


4.4.
4.4.


'''468.''' Jemand sagt irrelevant »Das ist ein Baum«. Er könnte den Satz sagen, weil er sich erinnert, ihn in einer ähnlichen Situation gehört zu haben; oder er wurde plötzlich von der Schönheit dieses Baumes getroffen, und der Satz war ein Ausruf; oder er sagte sich den Satz als grammatisches Beispiel vor. (Etc.) Ich frage ihn nun: »Wie hast du das gemeint?«, und er antwortet: »Es war eine Mitteilung, an dich gerichtet.« Stünde mir da nicht frei, anzunehmen, er wisse nicht, was er sage, wenn er verrückt genug ist, mir diese Mitteilung machen zu wollen?
'''468.''' Jemand sagt irrelevant »Das ist ein Baum«. Er könnte den Satz sagen, weil er sich erinnert, ihn in einer ähnlichen Situation gehört zu haben; oder er wurde plötzlich von der Schönheit dieses Baumes getroffen, und der Satz war ein Ausruf; oder er sagte sich den Satz als grammatisches Beispiel vor. (Etc.) Ich frage ihn nun: »Wie hast du das gemeint?«, und er antwortet: »Es war eine Mitteilung, an dich gerichtet.« Stünde mir da nicht frei, anzunehmen, er wisse nicht, was er sage, wenn er verrückt genug ist, mir diese Mitteilung machen zu wollen?
Line 1,288: Line 1,237:


'''479.''' Sollen wir sagen, daß die Erkenntnis, es gebe physikalische Gegenstände, eine sehr frühe oder eine sehr späte sei?
'''479.''' Sollen wir sagen, daß die Erkenntnis, es gebe physikalische Gegenstände, eine sehr frühe oder eine sehr späte sei?


8.4.
8.4.
Line 1,326: Line 1,274:
10.4.
10.4.


'''491.''' »Weiß ich, oder glaub ich nur, daß ich L. W. heiße?« – Ja, wenn die Frage hieße
'''491.''' »Weiß ich, oder glaub ich nur, daß ich L. W. heiße?« – Ja, wenn die Frage hieße »Bin ich sicher, oder vermute ich nur, daß ich ...?«, da könnte man sich auf meine Antwort verlassen. –
 
»Bin ich sicher, oder vermute ich nur, daß ich ...?«, da könnte man sich auf meine Antwort verlassen. –
 


'''492.''' »Weiß ich, oder glaube ich nur, ...?« könnte man auch so ausdrücken: Wie, wenn es sich herauszustellen ''schiene'', daß, was mir bisher dem Zweifel nicht zugänglich schien, eine falsche Annahme war? Würde ich da reagieren, wie wenn ein Glauben sich als falsch erwiesen hat? Oder würde das den Boden meines Urteilens auszuschlagen scheinen? – Aber ich will hier natürlich nicht eine ''Prophezeiung''.
'''492.''' »Weiß ich, oder glaube ich nur, ...?« könnte man auch so ausdrücken: Wie, wenn es sich herauszustellen ''schiene'', daß, was mir bisher dem Zweifel nicht zugänglich schien, eine falsche Annahme war? Würde ich da reagieren, wie wenn ein Glauben sich als falsch erwiesen hat? Oder würde das den Boden meines Urteilens auszuschlagen scheinen? – Aber ich will hier natürlich nicht eine ''Prophezeiung''.
Line 1,368: Line 1,313:


'''505.''' Es ist immer von Gnaden der Natur, wenn man etwas weiß.
'''505.''' Es ist immer von Gnaden der Natur, wenn man etwas weiß.


'''506.''' »Wenn mich mein Gedächtnis hier täuscht, so kann es mich überall täuschen.« Wenn ich ''das'' nicht weiß, wie weiß ich dann, ob meine Worte das bedeuten, was ich glaube, daß sie bedeuten?
'''506.''' »Wenn mich mein Gedächtnis hier täuscht, so kann es mich überall täuschen.« Wenn ich ''das'' nicht weiß, wie weiß ich dann, ob meine Worte das bedeuten, was ich glaube, daß sie bedeuten?
Line 1,409: Line 1,353:


Um also einen Befehl befolgen zu können, mußt du über eine Erfahrungstatsache außer Zweifel sein. Ja, der Zweifel beruht nur auf dem, was außer Zweifel ist.
Um also einen Befehl befolgen zu können, mußt du über eine Erfahrungstatsache außer Zweifel sein. Ja, der Zweifel beruht nur auf dem, was außer Zweifel ist.


Da aber ein Sprachspiel etwas ist, was in wiederholten Spielhandlungen in der Zeit besteht, so scheint es, man könne in keinem ''einzelnen'' Falle sagen, das und das müsse außer Zweifel stehen, wenn es ein Sprachspiel geben solle, wohl aber, daß, ''in der Regel'', irgendwelche Erfahrungsurteile außer Zweifel stehen müssen.
Da aber ein Sprachspiel etwas ist, was in wiederholten Spielhandlungen in der Zeit besteht, so scheint es, man könne in keinem ''einzelnen'' Falle sagen, das und das müsse außer Zweifel stehen, wenn es ein Sprachspiel geben solle, wohl aber, daß, ''in der Regel'', irgendwelche Erfahrungsurteile außer Zweifel stehen müssen.
Line 1,442: Line 1,385:


Wäre keines von beiden der Fall, so würden wir ihn nicht recht verstehen.
Wäre keines von beiden der Fall, so würden wir ihn nicht recht verstehen.


'''527.''' Ein Deutscher, der diese Farbe »rot« nennt, ist nicht »sicher, sie heiße im Deutschen »rot««. Das Kind, welches die Verwendung des Wortes beherrscht, ist nicht »sicher, diese Farbe heiße in seiner Sprache ''so''«. Man kann auch nicht von ihm sagen, es lerne, wenn es sprechen lernt, daß die Farbe auf deutsch so heißt, oder auch: es ''wisse'' dies, wenn es den Gebrauch des Worts erlernt hat.
'''527.''' Ein Deutscher, der diese Farbe »rot« nennt, ist nicht »sicher, sie heiße im Deutschen »rot««. Das Kind, welches die Verwendung des Wortes beherrscht, ist nicht »sicher, diese Farbe heiße in seiner Sprache ''so''«. Man kann auch nicht von ihm sagen, es lerne, wenn es sprechen lernt, daß die Farbe auf deutsch so heißt, oder auch: es ''wisse'' dies, wenn es den Gebrauch des Worts erlernt hat.
Line 1,466: Line 1,408:
'''535.''' Das Kind weiß, wie etwas heißt, wenn es auf die Frage »Wie heißt das?« richtig antworten kann.
'''535.''' Das Kind weiß, wie etwas heißt, wenn es auf die Frage »Wie heißt das?« richtig antworten kann.


'''536.''' Das Kind, welches anfängt, die Sprache zu lernen, hat natürlich den Begriff des
'''536.''' Das Kind, welches anfängt, die Sprache zu lernen, hat natürlich den Begriff des ''Heißens'' noch gar nicht.
 
''Heißens'' noch gar nicht.


'''537.''' Kann man von Einem, der diesen Begriff nicht besitzt, sagen, er ''wisse'', wie das und das heiße?
'''537.''' Kann man von Einem, der diesen Begriff nicht besitzt, sagen, er ''wisse'', wie das und das heiße?
Line 1,480: Line 1,420:
'''541.''' »Er weiß erst, wie Dieser heißt, noch nicht, wie Jener heißt.« Das kann man strenggenommen nicht von Einem sagen, der den Begriff davon noch gar nicht hat, daß Menschen Namen haben.
'''541.''' »Er weiß erst, wie Dieser heißt, noch nicht, wie Jener heißt.« Das kann man strenggenommen nicht von Einem sagen, der den Begriff davon noch gar nicht hat, daß Menschen Namen haben.


'''542.''' »Ich kann diese Blume nicht beschreiben, wenn ich nicht weiß, daß diese Farbe
'''542.''' »Ich kann diese Blume nicht beschreiben, wenn ich nicht weiß, daß diese Farbe »rot« heißt.«
 
»rot« heißt.«
 


'''543.''' Das Kind kann die Namen von Personen gebrauchen, lang ehe es in irgendeiner Form sagen kann: »Ich weiß, wie Dieser heißt; ich weiß noch nicht, wie Jener heißt.«
'''543.''' Das Kind kann die Namen von Personen gebrauchen, lang ehe es in irgendeiner Form sagen kann: »Ich weiß, wie Dieser heißt; ich weiß noch nicht, wie Jener heißt.«
Line 1,505: Line 1,442:
18.4.
18.4.


'''550.''' Wenn Einer etwas glaubt, so muß man nicht immer die Frage beantworten können,
'''550.''' Wenn Einer etwas glaubt, so muß man nicht immer die Frage beantworten können, »warum er es glaubt«; weiß er aber etwas, so muß die Frage »Wie weiß er es?« beantwortet werden können.
 
»warum er es glaubt«; weiß er aber etwas, so muß die Frage »Wie weiß er es?« beantwortet werden können.


'''551.''' Und beantwortet man diese Frage, so muß es nach allgemein anerkannten Grundsätzen geschehen. ''So'' läßt sich so etwas wissen.
'''551.''' Und beantwortet man diese Frage, so muß es nach allgemein anerkannten Grundsätzen geschehen. ''So'' läßt sich so etwas wissen.
Line 1,526: Line 1,461:


Wenn jemand sagt, er ''wisse'' etwas, so muß es etwas sein, was er, dem allgemeinen Urteil nach, in der Lage ist zu wissen.
Wenn jemand sagt, er ''wisse'' etwas, so muß es etwas sein, was er, dem allgemeinen Urteil nach, in der Lage ist zu wissen.


'''556.''' Man sagt nicht: Er ist in der Lage, das zu glauben.
'''556.''' Man sagt nicht: Er ist in der Lage, das zu glauben.
Line 1,548: Line 1,482:
'''561.''' »Ich weiß« und »Du kannst dich drauf verlassen«. Aber man kann nicht immer für das erste das zweite setzen.
'''561.''' »Ich weiß« und »Du kannst dich drauf verlassen«. Aber man kann nicht immer für das erste das zweite setzen.


'''562.''' Immerhin ist es wichtig, sich eine Sprache vorzustellen, in der es ''unsern'' Begriff
'''562.''' Immerhin ist es wichtig, sich eine Sprache vorzustellen, in der es ''unsern'' Begriff »wissen« nicht gibt.
 
»wissen« nicht gibt.


'''563.''' Man sagt »Ich ''weiß'', daß er Schmerzen hat«, obwohl man keinen überzeugenden Grund dafür angeben kann. – Ist das dasselbe wie »Ich bin sicher, daß er ...«? – Nein.
'''563.''' Man sagt »Ich ''weiß'', daß er Schmerzen hat«, obwohl man keinen überzeugenden Grund dafür angeben kann. – Ist das dasselbe wie »Ich bin sicher, daß er ...«? – Nein.
Line 1,571: Line 1,503:


'''567.''' Und ist nun mein Wissen, daß ich L. W. heiße, von der gleichen Art wie das, daß Wasser bei 100°C siedet? Diese Frage ist natürlich falsch gestellt.
'''567.''' Und ist nun mein Wissen, daß ich L. W. heiße, von der gleichen Art wie das, daß Wasser bei 100°C siedet? Diese Frage ist natürlich falsch gestellt.


'''568.''' Wenn einer meiner Namen nur ganz selten gebraucht würde, so könnte es sein, daß ich ihn nicht wüßte. Daß ich meinen Namen weiß, ist nur darum selbstverständlich, weil ich ihn, wie jeder Andre, unzählige Male verwende.
'''568.''' Wenn einer meiner Namen nur ganz selten gebraucht würde, so könnte es sein, daß ich ihn nicht wüßte. Daß ich meinen Namen weiß, ist nur darum selbstverständlich, weil ich ihn, wie jeder Andre, unzählige Male verwende.
Line 1,619: Line 1,550:
'''582.''' »Ich weiß es« kann heißen: Es ist mir schon bekannt – aber auch: Es ist gewiß so.
'''582.''' »Ich weiß es« kann heißen: Es ist mir schon bekannt – aber auch: Es ist gewiß so.


'''583.''' »Ich weiß, daß das auf ... ›...‹ heißt.« – Wie weißt du das? – »Ich habe ... gelernt.« Könnte ich hier statt »Ich weiß, daß etc.« setzen
'''583.''' »Ich weiß, daß das auf ... ›...‹ heißt.« – Wie weißt du das? – »Ich habe ... gelernt.« Könnte ich hier statt »Ich weiß, daß etc.« setzen »Auf ... heißt dies ›...‹«?


»Auf ... heißt dies ›...‹«?
'''584.''' Wäre es möglich, das Verbum »wissen« nur in der Frage »Wie weißt du das?« zu benützen, die auf eine einfache Behauptung folgt? – Statt »Das weiß ich schon« sagt man »Das ist mir bekannt«; und dies folgt nur auf die Mitteilung der Tatsache. Aber{{check|<sup>7</sup>}} was sagt man statt »Ich weiß, was das ist«?
 
'''584.''' Wäre es möglich, das Verbum »wissen« nur in der Frage »Wie weißt du das?« zu benützen, die auf eine einfache Behauptung folgt? – Statt »Das weiß ich schon« sagt
 
 
man »Das ist mir bekannt«; und dies folgt nur auf die Mitteilung der Tatsache. Aber{{check|<sup>7</sup>}} was sagt man statt »Ich weiß, was das ist«?


'''585.''' Aber sagt nicht »Ich weiß, daß das ein Baum ist« etwas anderes als »Das ist ein Baum«?
'''585.''' Aber sagt nicht »Ich weiß, daß das ein Baum ist« etwas anderes als »Das ist ein Baum«?
Line 1,666: Line 1,592:
Wenn ich mir jenen Menschen vorstelle, so stelle ich mir auch eine Realität vor, eine Welt, die ihn umgibt; und ihn, wie er dieser Welt zuwider denkt (und spricht).
Wenn ich mir jenen Menschen vorstelle, so stelle ich mir auch eine Realität vor, eine Welt, die ihn umgibt; und ihn, wie er dieser Welt zuwider denkt (und spricht).


'''596.''' Wenn Einer mir mitteilt, sein Name sei N. N., so hat es Sinn für mich, ihn zu fragen »Kannst du dich darin irren?« Das ist eine regelrechte Frage im Sprachspiel. Und es hat darauf die Antwort Ja und Nein Sinn. – Nun ist freilich auch diese Antwort nicht un-
'''596.''' Wenn Einer mir mitteilt, sein Name sei N. N., so hat es Sinn für mich, ihn zu fragen »Kannst du dich darin irren?« Das ist eine regelrechte Frage im Sprachspiel. Und es hat darauf die Antwort Ja und Nein Sinn. – Nun ist freilich auch diese Antwort nicht unfehlbar, d. h. sie kann sich einmal als falsch erweisen, aber das nimmt der Frage
 
 
fehlbar, d. h. sie kann sich einmal als falsch erweisen, aber das nimmt der Frage


»Kannst du dich ...« und der Antwort »Nein« nicht ihren Sinn.
»Kannst du dich ...« und der Antwort »Nein« nicht ihren Sinn.
Line 1,704: Line 1,627:


'''605.''' Aber wie, wenn die Aussage des Physikers Aberglaube wäre und es ebenso absurd wäre, daß das Urteil sich nach ihr, wie daß es sich nach einer Feuerprobe richtet?
'''605.''' Aber wie, wenn die Aussage des Physikers Aberglaube wäre und es ebenso absurd wäre, daß das Urteil sich nach ihr, wie daß es sich nach einer Feuerprobe richtet?


'''606.''' Daß ein Andrer sich meiner Meinung nach geirrt hat, ist kein Grund anzunehmen, daß ich mich jetzt irre. – Aber ist es nicht ein Grund anzunehmen, daß ich mich irren ''könne?'' Es ist ''kein'' Grund zu irgendeiner ''Unsicherheit'' in meinem Urteil oder Handeln.
'''606.''' Daß ein Andrer sich meiner Meinung nach geirrt hat, ist kein Grund anzunehmen, daß ich mich jetzt irre. – Aber ist es nicht ein Grund anzunehmen, daß ich mich irren ''könne?'' Es ist ''kein'' Grund zu irgendeiner ''Unsicherheit'' in meinem Urteil oder Handeln.
Line 1,736: Line 1,658:
Ja, ist es nicht selbstverständlich, daß die Möglichkeit eines Sprachspiels durch gewisse Tatsachen bedingt ist?
Ja, ist es nicht selbstverständlich, daß die Möglichkeit eines Sprachspiels durch gewisse Tatsachen bedingt ist?


'''618.''' Es schiene dann, als müßte das Sprachspiel die Tatsachen, die es ermöglichen,
'''618.''' Es schiene dann, als müßte das Sprachspiel die Tatsachen, die es ermöglichen, »''zeigen''«. (Aber so ist es nicht.)
 
»''zeigen''«. (Aber so ist es nicht.)


Kann man denn sagen, daß nur eine gewisse Regelmäßigkeit in den Geschehnissen die Induktion möglich macht? Das »möglich« müßte natürlich »''logisch möglich''« sein.
Kann man denn sagen, daß nur eine gewisse Regelmäßigkeit in den Geschehnissen die Induktion möglich macht? Das »möglich« müßte natürlich »''logisch möglich''« sein.


'''619.''' Soll ich sagen: Wenn auch plötzlich eine Unregelmäßigkeit im Naturgeschehen einträte, so ''müßte'' das mich nicht aus dem Sattel heben. Ich könnte, nach wie vor, Schlüsse machen – aber ob man das nun »Induktion« nennen würde, ist eine andre Frage.
'''619.''' Soll ich sagen: Wenn auch plötzlich eine Unregelmäßigkeit im Naturgeschehen einträte, so ''müßte'' das mich nicht aus dem Sattel heben. Ich könnte, nach wie vor, Schlüsse machen – aber ob man das nun »Induktion« nennen würde, ist eine andre Frage.
Line 1,767: Line 1,686:
Ein Zweifel ohne Ende ist nicht einmal ein Zweifel.
Ein Zweifel ohne Ende ist nicht einmal ein Zweifel.


'''626.''' Es heißt auch nichts, zu sagen: »Der deutsche Name dieser Farbe ist ''gewiß'' ›grün‹,
'''626.''' Es heißt auch nichts, zu sagen: »Der deutsche Name dieser Farbe ist ''gewiß'' ›grün‹, –  es sei denn, ich verspreche mich jetzt oder bin irgendwie verwirrt.«
 
–  es sei denn, ich verspreche mich jetzt oder bin irgendwie verwirrt.«


'''627.''' Müßte man diese Klausel nicht in ''alle'' Sprachspiele einschieben? (Wodurch sich ihre Sinnlosigkeit zeigt.)
'''627.''' Müßte man diese Klausel nicht in ''alle'' Sprachspiele einschieben? (Wodurch sich ihre Sinnlosigkeit zeigt.)
Line 1,778: Line 1,695:


'''630.''' Sich in der Muttersprache über die Bezeichnung gewisser Dinge nicht irren können ist einfach der gewöhnliche Fall.
'''630.''' Sich in der Muttersprache über die Bezeichnung gewisser Dinge nicht irren können ist einfach der gewöhnliche Fall.


'''631.''' »Ich kann mich darin nicht irren« kennzeichnet einfach eine Art der Behauptung.
'''631.''' »Ich kann mich darin nicht irren« kennzeichnet einfach eine Art der Behauptung.
Line 1,817: Line 1,733:


'''647.''' Es ist ein Unterschied zwischen einem Irrtum, für den, sozusagen, ein Platz im Spiel vorgesehen ist, und einer vollkommenen Regelwidrigkeit, die ausnahmsweise vorkommt.
'''647.''' Es ist ein Unterschied zwischen einem Irrtum, für den, sozusagen, ein Platz im Spiel vorgesehen ist, und einer vollkommenen Regelwidrigkeit, die ausnahmsweise vorkommt.


'''648.''' Ich kann auch den Andern davon überzeugen, daß ich mich »darin nicht irren kann«.
'''648.''' Ich kann auch den Andern davon überzeugen, daß ich mich »darin nicht irren kann«.
Line 1,844: Line 1,759:


'''657.''' Die Sätze der Mathematik, könnte man sagen, sind Petrefakten. – Der Satz »Ich heiße ...« ist dies nicht. Aber von denen, die, wie ich, die überwältigende Evidenz haben, wird auch er als ''unumstößlich'' betrachtet. Und das nicht aus Gedankenlosigkeit.
'''657.''' Die Sätze der Mathematik, könnte man sagen, sind Petrefakten. – Der Satz »Ich heiße ...« ist dies nicht. Aber von denen, die, wie ich, die überwältigende Evidenz haben, wird auch er als ''unumstößlich'' betrachtet. Und das nicht aus Gedankenlosigkeit.


Denn, daß die Evidenz überwältigend ist, besteht eben darin, daß wir uns vor keiner entgegenstehenden Evidenz beugen ''müssen''. Wir haben also hier einen Widerhalt ähnlich wie den, der die Sätze der Mathematik unumstößlich macht.
Denn, daß die Evidenz überwältigend ist, besteht eben darin, daß wir uns vor keiner entgegenstehenden Evidenz beugen ''müssen''. Wir haben also hier einen Widerhalt ähnlich wie den, der die Sätze der Mathematik unumstößlich macht.
Line 1,888: Line 1,802:
'''670.''' Man könnte von Grundprinzipien der menschlichen Forschung reden.
'''670.''' Man könnte von Grundprinzipien der menschlichen Forschung reden.


'''671.''' Ich fliege von hier nach einem Weltteil, wo die Menschen nur unbestimmte oder wo sie gar keine Nachricht von der Möglichkeit des Fliegens haben. Ich sage ihnen, ich
'''671.''' Ich fliege von hier nach einem Weltteil, wo die Menschen nur unbestimmte oder wo sie gar keine Nachricht von der Möglichkeit des Fliegens haben. Ich sage ihnen, ich sei soeben von ... zu ihnen geflogen. Sie fragen mich, ob ich mich irren könnte. – Sie haben offenbar eine falsche Vorstellung davon, wie die Sache vor sich geht. (Wenn ich in eine Kiste gepackt würde, wäre es möglich, daß ich mich über die Art des Transportes irrte.) Sage ich ihnen einfach, ich könne mich nicht irren, so wird sie das vielleicht nicht überzeugen; wohl aber, wenn ich ihnen den Vorgang beschreibe. Sie werden darin die Möglichkeit eines ''Irrtums'' gewiß nicht in Frage ziehen. Dabei könnten sie aber – auch wenn sie mir trauen – glauben, ich habe geträumt oder ein ''Zauber'' habe mir das eingebildet.
 
 
sei soeben von ... zu ihnen geflogen. Sie fragen mich, ob ich mich irren könnte. – Sie haben offenbar eine falsche Vorstellung davon, wie die Sache vor sich geht. (Wenn ich in eine Kiste gepackt würde, wäre es möglich, daß ich mich über die Art des Transportes irrte.) Sage ich ihnen einfach, ich könne mich nicht irren, so wird sie das vielleicht nicht überzeugen; wohl aber, wenn ich ihnen den Vorgang beschreibe. Sie werden darin die Möglichkeit eines ''Irrtums'' gewiß nicht in Frage ziehen. Dabei könnten sie aber – auch wenn sie mir trauen – glauben, ich habe geträumt oder ein ''Zauber'' habe mir das eingebildet.


'''672.''' »Wenn ich ''der'' Evidenz nicht traue, warum soll ich dann irgendeiner Evidenz trauen?«
'''672.''' »Wenn ich ''der'' Evidenz nicht traue, warum soll ich dann irgendeiner Evidenz trauen?«