Über Gewißheit: Difference between revisions

no edit summary
No edit summary
No edit summary
Line 12: Line 12:
Alle Rechte an der deutschen Ausgabe beim Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1970
Alle Rechte an der deutschen Ausgabe beim Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1970


{{TOC|{{TOCitem|10}}{{TOCitem|20}}{{TOCitem|30}}{{TOCitem|40}}{{TOCitem|50}}{{TOCitem|60}}{{TOCitem|70}}{{TOCitem|80}}{{TOCitem|90}}{{TOCitem|100}}{{TOCitem|110}}{{TOCitem|120}}{{TOCitem|130}}{{TOCitem|140}}{{TOCitem|150}}{{TOCitem|160}}{{TOCitem|170}}{{TOCitem|180}}{{TOCitem|190}}{{TOCitem|200}}{{TOCitem|210}}{{TOCitem|220}}{{TOCitem|230}}{{TOCitem|240}}{{TOCitem|250}}{{TOCitem|260}}{{TOCitem|270}}{{TOCitem|280}}{{TOCitem|290}}{{TOCitem|300}}{{TOCitem|310}}{{TOCitem|320}}{{TOCitem|330}}{{TOCitem|340}}{{TOCitem|350}}{{TOCitem|360}}{{TOCitem|370}}{{TOCitem|380}}{{TOCitem|390}}{{TOCitem|400}}{{TOCitem|410}}{{TOCitem|420}}{{TOCitem|430}}{{TOCitem|440}}{{TOCitem|450}}{{TOCitem|460}}{{TOCitem|470}}{{TOCitem|480}}{{TOCitem|490}}{{TOCitem|500}}{{TOCitem|510}}{{TOCitem|520}}{{TOCitem|530}}{{TOCitem|540}}{{TOCitem|550}}{{TOCitem|560}}{{TOCitem|570}}{{TOCitem|580}}{{TOCitem|590}}{{TOCitem|600}}{{TOCitem|610}}{{TOCitem|620}}{{TOCitem|630}}{{TOCitem|640}}{{TOCitem|650}}{{TOCitem|660}} }}
{{TOC|{{TOCitem|10}}{{TOCitem|20}}{{TOCitem|30}}{{TOCitem|40}}{{TOCitem|50}}{{TOCitem|60}}{{TOCitem|70}}{{TOCitem|80}}{{TOCitem|90}}{{TOCitem|100}}{{TOCitem|110}}{{TOCitem|120}}{{TOCitem|130}}{{TOCitem|140}}{{TOCitem|150}}{{TOCitem|160}}{{TOCitem|170}}{{TOCitem|180}}{{TOCitem|190}}{{TOCitem|200}}{{TOCitem|210}}{{TOCitem|220}}{{TOCitem|230}}{{TOCitem|240}}{{TOCitem|250}}{{TOCitem|260}}{{TOCitem|270}}{{TOCitem|280}}{{TOCitem|290}}{{TOCitem|300}}{{TOCitem|310}}{{TOCitem|320}}{{TOCitem|330}}{{TOCitem|340}}{{TOCitem|350}}{{TOCitem|360}}{{TOCitem|370}}{{TOCitem|380}}{{TOCitem|390}}{{TOCitem|400}}{{TOCitem|410}}{{TOCitem|420}}{{TOCitem|430}}{{TOCitem|440}}{{TOCitem|450}}{{TOCitem|460}}{{TOCitem|470}}{{TOCitem|480}}{{TOCitem|490}}{{TOCitem|500}}{{TOCitem|510}}{{TOCitem|520}}{{TOCitem|530}}{{TOCitem|540}}{{TOCitem|550}}{{TOCitem|560}}{{TOCitem|570}}{{TOCitem|580}}{{TOCitem|590}}{{TOCitem|600}}{{TOCitem|610}}{{TOCitem|620}}{{TOCitem|630}}{{TOCitem|640}}{{TOCitem|650}}{{TOCitem|660}}{{TOCitem|670}}}}


{{ParUG|1}} Wenn du weißt, daß hier eine Hand{{check|<sup>1</sup>}} ist, so geben wir dir alles übrige zu.
{{ParUG|1}} Wenn du weißt, daß hier eine Hand{{check|<sup>1</sup>}} ist, so geben wir dir alles übrige zu.
Line 58: Line 58:
{{ParUG|21}} Moores Ansicht läuft eigentlich darauf hinaus, der Begriff »wissen« sei den Begriffen »glauben«, »vermuten«, »zweifeln«, »überzeugt sein« darin analog, daß die Aussage »Ich weiß ...« kein Irrtum sein könne. Und ''ist'' es so, dann kann aus einer Äußerung auf die Wahrheit einer Behauptung geschlossen werden. Und hier wird die Form »Ich glaubte zu wissen« übersehen. – Soll aber diese nicht zugelassen werden, dann muß ein Irrtum auch in der ''Behauptung'' logisch unmöglich sein. Und dies muß einsehen, wer das Sprachspiel kennt; die Versicherung des Glaubwürdigen, er ''wisse'' es, kann ihm dabei nicht helfen.
{{ParUG|21}} Moores Ansicht läuft eigentlich darauf hinaus, der Begriff »wissen« sei den Begriffen »glauben«, »vermuten«, »zweifeln«, »überzeugt sein« darin analog, daß die Aussage »Ich weiß ...« kein Irrtum sein könne. Und ''ist'' es so, dann kann aus einer Äußerung auf die Wahrheit einer Behauptung geschlossen werden. Und hier wird die Form »Ich glaubte zu wissen« übersehen. – Soll aber diese nicht zugelassen werden, dann muß ein Irrtum auch in der ''Behauptung'' logisch unmöglich sein. Und dies muß einsehen, wer das Sprachspiel kennt; die Versicherung des Glaubwürdigen, er ''wisse'' es, kann ihm dabei nicht helfen.


{{ParUG|22}} Es wäre doch merkwürdig, wenn wir dem Glaubwürdigen glauben müßten, der sagt
{{ParUG|22}} Es wäre doch merkwürdig, wenn wir dem Glaubwürdigen glauben müßten, der sagt »Ich kann mich nicht irren«; oder dem, der sagt »Ich irre mich nicht«.
 
»Ich kann mich nicht irren«; oder dem, der sagt »Ich irre mich nicht«.


{{ParUG|23}} Wenn ich nicht weiß, ob Einer zwei Hände hat (z. B., ob sie ihm amputiert worden sind oder nicht), werde ich ihm die Versicherung, er habe zwei Hände, glauben, wenn er glaubwürdig ist. Und sagt er, er ''wisse'' es, so kann mir das nur bedeuten, er habe sich davon überzeugen können, seine Arme seien also z. B. nicht noch von Decken und Verbänden verhüllt, etc., etc. Daß ich dem Glaubwürdigen hier glaube, kommt daher, daß ich ihm die Möglichkeit, sich zu überzeugen, zugestehe. Wer aber sagt, es gäbe (vielleicht) keine physikalischen Gegenstände, tut das nicht.
{{ParUG|23}} Wenn ich nicht weiß, ob Einer zwei Hände hat (z. B., ob sie ihm amputiert worden sind oder nicht), werde ich ihm die Versicherung, er habe zwei Hände, glauben, wenn er glaubwürdig ist. Und sagt er, er ''wisse'' es, so kann mir das nur bedeuten, er habe sich davon überzeugen können, seine Arme seien also z. B. nicht noch von Decken und Verbänden verhüllt, etc., etc. Daß ich dem Glaubwürdigen hier glaube, kommt daher, daß ich ihm die Möglichkeit, sich zu überzeugen, zugestehe. Wer aber sagt, es gäbe (vielleicht) keine physikalischen Gegenstände, tut das nicht.
Line 72: Line 70:
Was nützt uns so eine Regel? Könnten wir uns bei ihrer Anwendung nicht (wieder) irren?
Was nützt uns so eine Regel? Könnten wir uns bei ihrer Anwendung nicht (wieder) irren?


{{ParUG|27}} Wollte man aber dafür etwas Regelartiges angeben, so würde darin der Ausdruck
{{ParUG|27}} Wollte man aber dafür etwas Regelartiges angeben, so würde darin der Ausdruck »unter normalen Umständen« vorkommen. Und die normalen Umstände erkennt man, aber man kann sie nicht genau beschreiben. Eher noch eine Reihe von abnormalen.
 
»unter normalen Umständen« vorkommen. Und die normalen Umstände erkennt man, aber man kann sie nicht genau beschreiben. Eher noch eine Reihe von abnormalen.


{{ParUG|28}} Was ist »eine Regel lernen«? – ''Das''.
{{ParUG|28}} Was ist »eine Regel lernen«? – ''Das''.
Line 168: Line 164:
{{ParUG|63}} Stellen wir uns die Tatsachen anders vor als sie sind, so verlieren gewisse Sprachspiele an Wichtigkeit, andere werden wichtig. Und so ändert sich, und zwar allmählich, der Gebrauch des Vokabulars der Sprache.
{{ParUG|63}} Stellen wir uns die Tatsachen anders vor als sie sind, so verlieren gewisse Sprachspiele an Wichtigkeit, andere werden wichtig. Und so ändert sich, und zwar allmählich, der Gebrauch des Vokabulars der Sprache.


{{ParUG|64}} Die Bedeutung eines Worts vergleiche mit der »Funktion« eines Beamten. Und
{{ParUG|64}} Die Bedeutung eines Worts vergleiche mit der »Funktion« eines Beamten. Und »verschiedene Bedeutungen« mit »verschiedenen Funktionen«.
 
»verschiedene Bedeutungen« mit »verschiedenen Funktionen«.


{{ParUG|65}} Wenn sich die Sprachspiele ändern, ändern sich die Begriffe, und mit den Begriffen die Bedeutungen der Wörter.
{{ParUG|65}} Wenn sich die Sprachspiele ändern, ändern sich die Begriffe, und mit den Begriffen die Bedeutungen der Wörter.
Line 242: Line 236:
Bedenke, daß man von der ''Richtigkeit'' einer Anschauung manchmal durch ihre ''Einfachheit'' oder ''Symmetrie'' überzeugt wird, d. h.: dazu gebracht wird, zu dieser Anschauung überzugehen. Man sagt dann etwa einfach: »''So'' muß es sein.«
Bedenke, daß man von der ''Richtigkeit'' einer Anschauung manchmal durch ihre ''Einfachheit'' oder ''Symmetrie'' überzeugt wird, d. h.: dazu gebracht wird, zu dieser Anschauung überzugehen. Man sagt dann etwa einfach: »''So'' muß es sein.«


{{ParUG|93}} Die Sätze, die darstellen, was Moore ''»weiß«'', sind alle solcher Art, daß man sich schwer vorstellen kann, ''warum'' Einer das Gegenteil glauben sollte. Z. B. der Satz, daß Moore sein ganzes Leben in geringer Entfernung von der Erde verbracht hat. – Wieder kann ich hier von mir selber statt von Moore reden. Was könnte mich dazu bringen, das Gegenteil davon zu glauben? Entweder eine Erinnerung, oder daß es mir gesagt wurde.
{{ParUG|93}} Die Sätze, die darstellen, was Moore ''»weiß«'', sind alle solcher Art, daß man sich schwer vorstellen kann, ''warum'' Einer das Gegenteil glauben sollte. Z. B. der Satz, daß Moore sein ganzes Leben in geringer Entfernung von der Erde verbracht hat. – Wieder kann ich hier von mir selber statt von Moore reden. Was könnte mich dazu bringen, das Gegenteil davon zu glauben? Entweder eine Erinnerung, oder daß es mir gesagt wurde. – Alles, was ich gesehen oder gehört habe, macht mich der Überzeugung, daß kein Mensch sich je weit von der Erde entfernt hat. Nichts spricht in meinem Weltbild für das Gegenteil.
 
  Alles, was ich gesehen oder gehört habe, macht mich der Überzeugung, daß kein Mensch sich je weit von der Erde entfernt hat. Nichts spricht in meinem Weltbild für das Gegenteil.


{{ParUG|94}} Aber mein Weltbild habe ich nicht, weil ich mich von seiner Richtigkeit überzeugt habe; auch nicht, weil ich von seiner Richtigkeit überzeugt bin. Sondern es ist der überkommene Hintergrund, auf welchem ich zwischen wahr und falsch unterscheide.
{{ParUG|94}} Aber mein Weltbild habe ich nicht, weil ich mich von seiner Richtigkeit überzeugt habe; auch nicht, weil ich von seiner Richtigkeit überzeugt bin. Sondern es ist der überkommene Hintergrund, auf welchem ich zwischen wahr und falsch unterscheide.
Line 292: Line 284:
{{ParUG|115}} Wer an allem zweifeln wollte, der würde auch nicht bis zum Zweifel kommen. Das Spiel des Zweifelns selbst setzt schon die Gewißheit voraus.
{{ParUG|115}} Wer an allem zweifeln wollte, der würde auch nicht bis zum Zweifel kommen. Das Spiel des Zweifelns selbst setzt schon die Gewißheit voraus.


{{ParUG|116}} Hatte Moore, statt »Ich weiß ...«, nicht sagen können »Es steht für mich fest, daß
{{ParUG|116}} Hatte Moore, statt »Ich weiß ...«, nicht sagen können »Es steht für mich fest, daß ...«? Ja auch: »Es steht für mich und viele Andre fest ...«
 
...«? Ja auch: »Es steht für mich und viele Andre fest ...«


{{ParUG|117}} Warum ist es mir nicht möglich, daran zu zweifeln, daß ich nie auf dem Mond war? Und wie könnte ich versuchen, es zu tun?
{{ParUG|117}} Warum ist es mir nicht möglich, daran zu zweifeln, daß ich nie auf dem Mond war? Und wie könnte ich versuchen, es zu tun?
Line 338: Line 328:
{{ParUG|133}} Unter gewöhnlichen Umständen überzeuge ich mich nicht durch den Augenschein, ob ich zwei Hände habe. ''Warum'' nicht? Hat Erfahrung es als unnötig erwiesen? Oder (auch): Haben wir, auf irgendeine Weise, ein allgemeines Gesetz der Induktion gelernt und vertrauen ihm nun auch hier? – Aber warum sollen wir erst ''ein allgemeines'' Gesetz gelernt haben und nicht gleich das spezielle?
{{ParUG|133}} Unter gewöhnlichen Umständen überzeuge ich mich nicht durch den Augenschein, ob ich zwei Hände habe. ''Warum'' nicht? Hat Erfahrung es als unnötig erwiesen? Oder (auch): Haben wir, auf irgendeine Weise, ein allgemeines Gesetz der Induktion gelernt und vertrauen ihm nun auch hier? – Aber warum sollen wir erst ''ein allgemeines'' Gesetz gelernt haben und nicht gleich das spezielle?


{{ParUG|134}} Wenn ich ein Buch in eine Lade lege, so nehme ich nun an, es sei darin, es sei denn
{{ParUG|134}} Wenn ich ein Buch in eine Lade lege, so nehme ich nun an, es sei darin, es sei denn ... »Die Erfahrung gibt mir immer recht. Es ist noch kein gut beglaubigter Fall vorgekommen, daß ein Buch (einfach) verschwunden wäre.« Es ist ''oft'' vorgekommen, daß sich ein Buch nie mehr gefunden hat, obwohl wir sicher zu wissen glaubten, wo es war. – Aber die Erfahrung lehrt doch wirklich, daß ein Buch, z. B., nicht verschwindet. (Z.B. nicht nach und nach verdunstet.) – Aber ist es diese Erfahrung mit Büchern etc., die uns annehmen läßt, das Buch sei nicht verschwunden? Nun, angenommen, wir fänden, daß unter bestimmten neuen Umständen Bücher verschwänden – würden wir nicht unsre Annahme ändern? Kann man die Wirkung der Erfahrung auf unser System von Annahmen leugnen?
 
... »Die Erfahrung gibt mir immer recht. Es ist noch kein gut beglaubigter Fall vorgekommen, daß ein Buch (einfach) verschwunden wäre.« Es ist ''oft'' vorgekommen, daß sich ein Buch nie mehr gefunden hat, obwohl wir sicher zu wissen glaubten, wo es war.
 
  Aber die Erfahrung lehrt doch wirklich, daß ein Buch, z. B., nicht verschwindet. (Z.
 
B. nicht nach und nach verdunstet.) – Aber ist es diese Erfahrung mit Büchern etc., die uns annehmen läßt, das Buch sei nicht verschwunden? Nun, angenommen, wir fänden, daß unter bestimmten neuen Umständen Bücher verschwänden – würden wir nicht unsre Annahme ändern? Kann man die Wirkung der Erfahrung auf unser System von Annahmen leugnen?


{{ParUG|135}} Aber folgen wir nicht einfach dem Prinzip, daß, was ''immer'' geschehen ist, auch wieder geschehen wird (oder etwas ähnlichem)? – Was heißt es, diesem Prinzip folgen? Bringen wir es wirklich in unser Raisonnement? Oder ist es nur das ''Naturgesetz'', dem scheinbar unser Schließen folgt? Das letztere mag es sein. Ein Glied in unsrer Überlegung ist es nicht.
{{ParUG|135}} Aber folgen wir nicht einfach dem Prinzip, daß, was ''immer'' geschehen ist, auch wieder geschehen wird (oder etwas ähnlichem)? – Was heißt es, diesem Prinzip folgen? Bringen wir es wirklich in unser Raisonnement? Oder ist es nur das ''Naturgesetz'', dem scheinbar unser Schließen folgt? Das letztere mag es sein. Ein Glied in unsrer Überlegung ist es nicht.
Line 354: Line 338:
{{ParUG|138}} Z. B. gelangen wir zu keinem von ihnen durch eine Untersuchung.
{{ParUG|138}} Z. B. gelangen wir zu keinem von ihnen durch eine Untersuchung.


Es gibt z. B. historische Untersuchungen und Untersuchungen über die Gestalt und auch (über) das Alter der Erde, aber nicht darüber, ob die Erde in den letzten 100 Jahren existiert habe. Freilich, viele von uns hören Berichte, haben Nachricht über diesen Zeitraum von ihren Eltern und Großeltern; aber können sich die nicht irren? – »Unsinn« wird man sagen, »Wie sollen sich denn alle diese Menschen irren!« Aber ist das ein Argument? Ist es nicht einfach die Zurückweisung einer Idee? Und etwa eine Begriffsbestimmung? Denn rede ich hier von einem möglichen Irrtum, so ändert das die Rolle, die
Es gibt z. B. historische Untersuchungen und Untersuchungen über die Gestalt und auch (über) das Alter der Erde, aber nicht darüber, ob die Erde in den letzten 100 Jahren existiert habe. Freilich, viele von uns hören Berichte, haben Nachricht über diesen Zeitraum von ihren Eltern und Großeltern; aber können sich die nicht irren? – »Unsinn« wird man sagen, »Wie sollen sich denn alle diese Menschen irren!« Aber ist das ein Argument? Ist es nicht einfach die Zurückweisung einer Idee? Und etwa eine Begriffsbestimmung? Denn rede ich hier von einem möglichen Irrtum, so ändert das die Rolle, die »Irrtum« und »Wahrheit« in unserm Leben spielen.
 
»Irrtum« und »Wahrheit« in unserm Leben spielen.


{{ParUG|139}} Um eine Praxis festzulegen, genügen nicht Regeln, sondern man braucht auch Beispiele. Unsre Regeln lassen Hintertüren offen, und die Praxis muß für sich selbst sprechen.
{{ParUG|139}} Um eine Praxis festzulegen, genügen nicht Regeln, sondern man braucht auch Beispiele. Unsre Regeln lassen Hintertüren offen, und die Praxis muß für sich selbst sprechen.
Line 782: Line 764:
{{ParUG|311}} Oder denk dir, der Schüler bezweifelte die Geschichte (und alles, was mit ihr zusammenhängt), ja auch, ob die Erde vor 100 Jahren überhaupt existiert habe.
{{ParUG|311}} Oder denk dir, der Schüler bezweifelte die Geschichte (und alles, was mit ihr zusammenhängt), ja auch, ob die Erde vor 100 Jahren überhaupt existiert habe.


{{ParUG|''312}} ''Da ist es mir, als wäre dieser Zweifel hohl. Aber ist es dann nicht auch der ''Glaube''
{{ParUG|''312}} ''Da ist es mir, als wäre dieser Zweifel hohl. Aber ist es dann nicht auch der ''Glaube'' an die Geschichte? Nein; dieser hängt mit so vielem zusammen.
 
an die Geschichte? Nein; dieser hängt mit so vielem zusammen.


{{ParUG|313}} So ist ''das'' also, was uns einen Satz glauben macht? Nun, es hängt eben die Grammatik von »glauben« mit der des geglaubten Satzes zusammen.
{{ParUG|313}} So ist ''das'' also, was uns einen Satz glauben macht? Nun, es hängt eben die Grammatik von »glauben« mit der des geglaubten Satzes zusammen.
Line 888: Line 868:
{{ParUG|351}} Ist nicht die Frage »Haben diese Worte Sinn?« ähnlich der: »Ist das ein Werkzeug?«, indem man, sagen wir, einen Hammer herzeigt. Ich sage »Ja, das ist ein Hammer«. Aber wie, wenn das, was jeder von uns für einen Hammer hielte, woanders z. B. ein Wurfgeschoß oder Dirigentenstock wäre. Mache die Anwendung nun selbst!
{{ParUG|351}} Ist nicht die Frage »Haben diese Worte Sinn?« ähnlich der: »Ist das ein Werkzeug?«, indem man, sagen wir, einen Hammer herzeigt. Ich sage »Ja, das ist ein Hammer«. Aber wie, wenn das, was jeder von uns für einen Hammer hielte, woanders z. B. ein Wurfgeschoß oder Dirigentenstock wäre. Mache die Anwendung nun selbst!


{{ParUG|352}} Sagt nun jemand »Ich weiß, daß das ein Baum ist«, so kann ich antworten: »Ja, das ist ein Satz. Ein deutscher Satz. Und was soll’s damit?« Wie, wenn er nun antwortet:
{{ParUG|352}} Sagt nun jemand »Ich weiß, daß das ein Baum ist«, so kann ich antworten: »Ja, das ist ein Satz. Ein deutscher Satz. Und was soll’s damit?« Wie, wenn er nun antwortet: »Ich wollte mich nur daran erinnern, daß ich so etwas ''weiß''«? –
 
»Ich wollte mich nur daran erinnern, daß ich so etwas ''weiß''«? –


{{ParUG|353}} Wie aber, wenn er sagte: »Ich will eine logische Bemerkung machen«? – Wenn der Förster mit seinen Arbeitern in den Wald geht und nun sagt ''»Dieser'' Baum ist umzuhauen, und ''dieser'' und ''dieser''« – wie, wenn er da die Bemerkung macht »Ich ''weiß'', daß das ein Baum ist«? – Könnte aber nicht ich vom Förster sagen »Er ''weiß'', daß das ein Baum ist, er untersucht es nicht, befiehlt seinen Leuten nicht, es zu untersuchen«?
{{ParUG|353}} Wie aber, wenn er sagte: »Ich will eine logische Bemerkung machen«? – Wenn der Förster mit seinen Arbeitern in den Wald geht und nun sagt ''»Dieser'' Baum ist umzuhauen, und ''dieser'' und ''dieser''« – wie, wenn er da die Bemerkung macht »Ich ''weiß'', daß das ein Baum ist«? – Könnte aber nicht ich vom Förster sagen »Er ''weiß'', daß das ein Baum ist, er untersucht es nicht, befiehlt seinen Leuten nicht, es zu untersuchen«?
Line 934: Line 912:
{{ParUG|371}} Heißt nicht »Ich weiß, daß das eine Hand ist« in Moores Sinn das gleiche oder etwas Ähnliches wie: ich könnte Aussagen wie »Ich habe Schmerzen in dieser Hand« oder »Diese Hand ist schwächer als die andre« oder »Ich habe mir einmal diese Hand gebrochen« und unzählige andere in Sprachspielen gebrauchen, in welche ein Zweifel an der Existenz dieser Hand nicht eintritt.
{{ParUG|371}} Heißt nicht »Ich weiß, daß das eine Hand ist« in Moores Sinn das gleiche oder etwas Ähnliches wie: ich könnte Aussagen wie »Ich habe Schmerzen in dieser Hand« oder »Diese Hand ist schwächer als die andre« oder »Ich habe mir einmal diese Hand gebrochen« und unzählige andere in Sprachspielen gebrauchen, in welche ein Zweifel an der Existenz dieser Hand nicht eintritt.


{{ParUG|372}} Nur in gewissen Fällen ist eine Untersuchung »Ist das wirklich eine Hand?« (oder
{{ParUG|372}} Nur in gewissen Fällen ist eine Untersuchung »Ist das wirklich eine Hand?« (oder »meine Hand«) möglich. Denn der Satz »Ich zweifle daran, ob das wirklich meine (oder eine) Hand ist« hat ohne nähere Bestimmung noch keinen Sinn. Es ist aus diesen Worten allein noch nicht zu ersehen, ob überhaupt und was für ein Zweifel gemeint ist.
 
»meine Hand«) möglich. Denn der Satz »Ich zweifle daran, ob das wirklich meine (oder eine) Hand ist« hat ohne nähere Bestimmung noch keinen Sinn. Es ist aus diesen Worten allein noch nicht zu ersehen, ob überhaupt und was für ein Zweifel gemeint ist.


{{ParUG|373}} Warum soll es möglich sein, einen Grund zum ''Glauben'' zu haben, wenn es nicht möglich ist, sicher zu sein?
{{ParUG|373}} Warum soll es möglich sein, einen Grund zum ''Glauben'' zu haben, wenn es nicht möglich ist, sicher zu sein?
Line 984: Line 960:
{{ParUG|392}} Was ich zeigen muß, ist, daß ein Zweifel nicht notwendig ist, auch wenn er möglich ist. Daß die Möglichkeit des Sprachspiels nicht davon abhängt, daß alles bezweifelt werde, was bezweifelt werden kann. (Das hängt mit der Rolle des Widerspruchs in der Mathematik zusammen.)
{{ParUG|392}} Was ich zeigen muß, ist, daß ein Zweifel nicht notwendig ist, auch wenn er möglich ist. Daß die Möglichkeit des Sprachspiels nicht davon abhängt, daß alles bezweifelt werde, was bezweifelt werden kann. (Das hängt mit der Rolle des Widerspruchs in der Mathematik zusammen.)


{{ParUG|393}} Der Satz »Ich weiß, daß das ein Baum ist« könnte, wenn er außerhalb seines Sprachspiels gesagt wird, auch ein Zitat (aus einer deutschen Sprachlehre etwa) sein. –
{{ParUG|393}} Der Satz »Ich weiß, daß das ein Baum ist« könnte, wenn er außerhalb seines Sprachspiels gesagt wird, auch ein Zitat (aus einer deutschen Sprachlehre etwa) sein. – »Aber wenn ich ihn nun ''meine'', während ich ihn spreche?« Das alte Mißverständnis, den Begriff »meinen« betreffend.
 
»Aber wenn ich ihn nun ''meine'', während ich ihn spreche?« Das alte Mißverständnis, den Begriff »meinen« betreffend.


{{ParUG|394}} »Dies gehört zu den Dingen, an denen ich nicht zweifeln kann.«
{{ParUG|394}} »Dies gehört zu den Dingen, an denen ich nicht zweifeln kann.«
Line 1,008: Line 982:
{{ParUG|402}} In dieser Bemerkung ist schon der Ausdruck »Sätze von der Form der Erfahrungssätze« ganz schlecht; es handelt sich um Aussagen über Gegenstände. Und sie dienen nicht als Fundamente wie Hypothesen, die, wenn sie sich als falsch erweisen, durch andere ersetzt werden.
{{ParUG|402}} In dieser Bemerkung ist schon der Ausdruck »Sätze von der Form der Erfahrungssätze« ganz schlecht; es handelt sich um Aussagen über Gegenstände. Und sie dienen nicht als Fundamente wie Hypothesen, die, wenn sie sich als falsch erweisen, durch andere ersetzt werden.


... und schreib getrost
:... und schreib getrost
 
:»Im Anfang war die Tat.«{{check|<sup>4</sup>}}
»Im Anfang war die Tat.«{{check|<sup>4</sup>}}


{{ParUG|403}} Vom Menschen, in Moores Sinne, zu sagen, er ''wisse'' etwas; was er sage, sei also unbedingt die Wahrheit, scheint mir falsch. – Es ist die Wahrheit nur insofern, als es eine unwankende Grundlage seiner Sprachspiele ist.
{{ParUG|403}} Vom Menschen, in Moores Sinne, zu sagen, er ''wisse'' etwas; was er sage, sei also unbedingt die Wahrheit, scheint mir falsch. – Es ist die Wahrheit nur insofern, als es eine unwankende Grundlage seiner Sprachspiele ist.
Line 1,098: Line 1,071:
Was entnimmt nun der Andre aus diesen meinen Handlungen und Reden? Nicht nur, daß ich meiner Sache sicher bin? – Daraus, daß ich hier seit vielen Wochen gewohnt habe und täglich treppauf und -ab gegangen bin, wird er entnehmen, daß ich ''weiß'', wo mein Zimmer gelegen ist. – Die Versicherung »Ich weiß ...« werde ich gebrauchen, wenn er das noch ''nicht'' weiß, woraus er mein Wissen unbedingt schließen müßte.
Was entnimmt nun der Andre aus diesen meinen Handlungen und Reden? Nicht nur, daß ich meiner Sache sicher bin? – Daraus, daß ich hier seit vielen Wochen gewohnt habe und täglich treppauf und -ab gegangen bin, wird er entnehmen, daß ich ''weiß'', wo mein Zimmer gelegen ist. – Die Versicherung »Ich weiß ...« werde ich gebrauchen, wenn er das noch ''nicht'' weiß, woraus er mein Wissen unbedingt schließen müßte.


{{ParUG|432}} Die Äußerung »Ich weiß ...« kann nur in Verbindung mit der übrigen Evidenz des
{{ParUG|432}} Die Äußerung »Ich weiß ...« kann nur in Verbindung mit der übrigen Evidenz des »Wissens« ihre Bedeutung haben.
 
»Wissens« ihre Bedeutung haben.


{{ParUG|433}} Wenn ich also jemandem sage »Ich weiß, daß das ein Baum ist«, so ist es, wie wenn ich ihm sagte: »Das ist ein Baum; du kannst dich absolut drauf verlassen; es ist kein Zweifel.« Und das könnte der Philosoph nur dazu gebrauchen, um zu zeigen, daß man diese Form der Rede wirklich gebraucht. Wenn das aber nicht bloß eine Bemerkung der deutschen Grammatik sein soll, so muß er die Umstände angeben, in denen dieser Ausdruck funktioniert.
{{ParUG|433}} Wenn ich also jemandem sage »Ich weiß, daß das ein Baum ist«, so ist es, wie wenn ich ihm sagte: »Das ist ein Baum; du kannst dich absolut drauf verlassen; es ist kein Zweifel.« Und das könnte der Philosoph nur dazu gebrauchen, um zu zeigen, daß man diese Form der Rede wirklich gebraucht. Wenn das aber nicht bloß eine Bemerkung der deutschen Grammatik sein soll, so muß er die Umstände angeben, in denen dieser Ausdruck funktioniert.
Line 1,188: Line 1,159:
3.4.51
3.4.51


{{ParUG|464}} Meine Schwierigkeit läßt sich auch so demonstrieren: Ich sitze mit einem Freund im Gespräch. Plötzlich sage ich: »Ich habe schon die ganze Zeit gewußt, daß du der N.
{{ParUG|464}} Meine Schwierigkeit läßt sich auch so demonstrieren: Ich sitze mit einem Freund im Gespräch. Plötzlich sage ich: »Ich habe schon die ganze Zeit gewußt, daß du der N. N. bist.« Ist dies wirklich nur eine überflüssige, wenn auch wahre, Bemerkung?
 
N. bist.« Ist dies wirklich nur eine überflüssige, wenn auch wahre, Bemerkung?


Es kommt mir vor, als wären diese Worte ähnlich einem »Grüß Gott«, wenn man es mitten im Gespräch dem Andern sagte.
Es kommt mir vor, als wären diese Worte ähnlich einem »Grüß Gott«, wenn man es mitten im Gespräch dem Andern sagte.
Line 1,336: Line 1,305:
{{ParUG|513}} Wie, wenn etwas ''wirklich Unerhörtes'' geschähe? Wenn ich etwa sähe, wie Häuser sich nach und nach ohne offenbare Ursache in Dampf verwandelten; wenn das Vieh auf der Wiese auf den Köpfen stünde, lachte und verständliche Worte redete; wenn Bäume sich nach und nach in Menschen und Menschen in Bäume verwandelten. Hatte ich nun recht, als ich vor allen diesen Geschehnissen sagte »Ich weiß, daß das ein Haus ist« etc., oder einfach »Das ist ein Haus« etc.?
{{ParUG|513}} Wie, wenn etwas ''wirklich Unerhörtes'' geschähe? Wenn ich etwa sähe, wie Häuser sich nach und nach ohne offenbare Ursache in Dampf verwandelten; wenn das Vieh auf der Wiese auf den Köpfen stünde, lachte und verständliche Worte redete; wenn Bäume sich nach und nach in Menschen und Menschen in Bäume verwandelten. Hatte ich nun recht, als ich vor allen diesen Geschehnissen sagte »Ich weiß, daß das ein Haus ist« etc., oder einfach »Das ist ein Haus« etc.?


{{ParUG|514}} Diese Aussage erschien mir als fundamental; wenn das falsch ist, was ist noch
{{ParUG|514}} Diese Aussage erschien mir als fundamental; wenn das falsch ist, was ist noch »wahr« und »falsch«?!
 
»wahr« und »falsch«?!


{{ParUG|515}} Wenn mein Name ''nicht'' L. W. ist, wie kann ich mich darauf verlassen, was unter
{{ParUG|515}} Wenn mein Name ''nicht'' L. W. ist, wie kann ich mich darauf verlassen, was unter »wahr« und »falsch« zu verstehen ist?
 
»wahr« und »falsch« zu verstehen ist?


{{ParUG|516}} Wenn etwas geschähe (wenn z. B. jemand mir etwas sagte), was dazu angetan wäre, mir Zweifel daran zu erwecken, so gäbe es gewiß auch etwas, was die Gründe solcher Zweifel selbst zweifelhaft erscheinen ließe, und ich könnte mich also dafür entscheiden, meinen alten Glauben beizubehalten.
{{ParUG|516}} Wenn etwas geschähe (wenn z. B. jemand mir etwas sagte), was dazu angetan wäre, mir Zweifel daran zu erwecken, so gäbe es gewiß auch etwas, was die Gründe solcher Zweifel selbst zweifelhaft erscheinen ließe, und ich könnte mich also dafür entscheiden, meinen alten Glauben beizubehalten.
Line 1,392: Line 1,357:
{{ParUG|529}} Auch wird z. B. ein Kind vom andern sagen, oder von sich selbst, es wisse schon, wie das und das heißt.
{{ParUG|529}} Auch wird z. B. ein Kind vom andern sagen, oder von sich selbst, es wisse schon, wie das und das heißt.


{{ParUG|530}} Ich kann jemandem sagen »Diese Farbe heißt auf deutsch »rot«« (wenn ich ihn z.
{{ParUG|530}} Ich kann jemandem sagen »Diese Farbe heißt auf deutsch »rot«« (wenn ich ihn z.B. im Deutschen unterrichte). Ich würde in diesem Falle nicht sagen »Ich weiß, daß diese Farbe ...« – das würde ich etwa sagen, wenn ich es soeben selbst gelernt hätte, oder im Gegensatz zu einer andern Farbe, deren deutschen Namen ich nicht kenne.
 
B. im Deutschen unterrichte). Ich würde in diesem Falle nicht sagen »Ich weiß, daß diese Farbe ...« – das würde ich etwa sagen, wenn ich es soeben selbst gelernt hätte, oder im Gegensatz zu einer andern Farbe, deren deutschen Namen ich nicht kenne.


{{ParUG|531}} Ist es nun aber nicht richtig, meinen gegenwärtigen Zustand ''so'' zu beschreiben: ich ''wisse'', wie diese Farbe auf deutsch heißt? Und wenn das richtig ist, warum soll ich dann nicht meinen Zustand mit den entsprechenden Worten »Ich weiß etc.« beschreiben?
{{ParUG|531}} Ist es nun aber nicht richtig, meinen gegenwärtigen Zustand ''so'' zu beschreiben: ich ''wisse'', wie diese Farbe auf deutsch heißt? Und wenn das richtig ist, warum soll ich dann nicht meinen Zustand mit den entsprechenden Worten »Ich weiß etc.« beschreiben?
Line 1,524: Line 1,487:
{{ParUG|575}} Das Wort ''»''Ich weiß« könnte also den Zweck haben anzuzeigen, wo ich zuverlässig bin, wobei aber die Brauchbarkeit dieses Zeichens aus der ''Erfahrung'' hervorgehen muß.
{{ParUG|575}} Das Wort ''»''Ich weiß« könnte also den Zweck haben anzuzeigen, wo ich zuverlässig bin, wobei aber die Brauchbarkeit dieses Zeichens aus der ''Erfahrung'' hervorgehen muß.


{{ParUG|576}} Man könnte sagen »Wie weiß ich, daß ich mich in meinem Namen nicht irre?« – und wenn darauf geantwortet würde »Weil ich ihn so oft verwendet habe«, so könnte man weiterfragen: »Wie weiß ich, daß ich mich ''darin'' nicht irre?« Und hier kann das
{{ParUG|576}} Man könnte sagen »Wie weiß ich, daß ich mich in meinem Namen nicht irre?« – und wenn darauf geantwortet würde »Weil ich ihn so oft verwendet habe«, so könnte man weiterfragen: »Wie weiß ich, daß ich mich ''darin'' nicht irre?« Und hier kann das »Wie weiß ich« keine Bedeutung mehr haben.
 
»Wie weiß ich« keine Bedeutung mehr haben.


{{ParUG|577}} »Ich weiß meinen Namen mit voller Bestimmtheit.«
{{ParUG|577}} »Ich weiß meinen Namen mit voller Bestimmtheit.«
Line 1,542: Line 1,503:
{{ParUG|580}} Es könnte doch sein, daß, wenn immer ich sagte »Ich weiß es«, es sich als falsch herausstellte. (Aufzeigen.)
{{ParUG|580}} Es könnte doch sein, daß, wenn immer ich sagte »Ich weiß es«, es sich als falsch herausstellte. (Aufzeigen.)


{{ParUG|581}} Ich könnte mir aber vielleicht dennoch nicht helfen und würde weiter versichern
{{ParUG|581}} Ich könnte mir aber vielleicht dennoch nicht helfen und würde weiter versichern »Ich weiß ...«.
 
»Ich weiß ...«.


Aber wie hat denn das Kind den Ausdruck gelernt?
Aber wie hat denn das Kind den Ausdruck gelernt?
Line 1,574: Line 1,533:
»Ich weiß, was das für ein Baum ist. Ich weiß, daß es eine Kastanie ist.«
»Ich weiß, was das für ein Baum ist. Ich weiß, daß es eine Kastanie ist.«


Die erste Aussage klingt natürlicher als die zweite. Man wird nur dann zum zweitenmal
Die erste Aussage klingt natürlicher als die zweite. Man wird nur dann zum zweitenmal »Ich weiß« sagen, wenn man die Gewißheit besonders betonen will; etwa um einem Widerspruch zuvorzukommen. Das erste »Ich weiß« heißt ungefähr: Ich kann sagen.
 
»Ich weiß« sagen, wenn man die Gewißheit besonders betonen will; etwa um einem Widerspruch zuvorzukommen. Das erste »Ich weiß« heißt ungefähr: Ich kann sagen.


In einem andern Fall aber könnte man mit der Konstatierung »Das ist ein ...« beginnen, und dann, auf einen Widerspruch, entgegnen: »Ich weiß, was das für ein Baum ist« und damit die Sicherheit betonen.
In einem andern Fall aber könnte man mit der Konstatierung »Das ist ein ...« beginnen, und dann, auf einen Widerspruch, entgegnen: »Ich weiß, was das für ein Baum ist« und damit die Sicherheit betonen.
Line 1,592: Line 1,549:
Wenn ich mir jenen Menschen vorstelle, so stelle ich mir auch eine Realität vor, eine Welt, die ihn umgibt; und ihn, wie er dieser Welt zuwider denkt (und spricht).
Wenn ich mir jenen Menschen vorstelle, so stelle ich mir auch eine Realität vor, eine Welt, die ihn umgibt; und ihn, wie er dieser Welt zuwider denkt (und spricht).


{{ParUG|596}} Wenn Einer mir mitteilt, sein Name sei N. N., so hat es Sinn für mich, ihn zu fragen »Kannst du dich darin irren?« Das ist eine regelrechte Frage im Sprachspiel. Und es hat darauf die Antwort Ja und Nein Sinn. – Nun ist freilich auch diese Antwort nicht unfehlbar, d. h. sie kann sich einmal als falsch erweisen, aber das nimmt der Frage
{{ParUG|596}} Wenn Einer mir mitteilt, sein Name sei N. N., so hat es Sinn für mich, ihn zu fragen »Kannst du dich darin irren?« Das ist eine regelrechte Frage im Sprachspiel. Und es hat darauf die Antwort Ja und Nein Sinn. – Nun ist freilich auch diese Antwort nicht unfehlbar, d. h. sie kann sich einmal als falsch erweisen, aber das nimmt der Frage »Kannst du dich ...« und der Antwort »Nein« nicht ihren Sinn.
 
»Kannst du dich ...« und der Antwort »Nein« nicht ihren Sinn.


{{ParUG|597}} Die Antwort auf die Frage »Kannst du dich darin irren« gibt der Aussage ein bestimmtes Gewicht. Die Antwort kann auch sein: »Ich ''glaube'' nicht.«
{{ParUG|597}} Die Antwort auf die Frage »Kannst du dich darin irren« gibt der Aussage ein bestimmtes Gewicht. Die Antwort kann auch sein: »Ich ''glaube'' nicht.«
Line 1,642: Line 1,597:
{{ParUG|612}} Ich sagte, ich würde den Andern »bekämpfen«, – aber würde ich ihm denn nicht ''Gründe'' geben? Doch; aber wie weit reichen die? Am Ende der Gründe steht die ''Überredung''. (Denke daran, was; geschieht, wenn Missionare die Eingeborenen bekehren.)
{{ParUG|612}} Ich sagte, ich würde den Andern »bekämpfen«, – aber würde ich ihm denn nicht ''Gründe'' geben? Doch; aber wie weit reichen die? Am Ende der Gründe steht die ''Überredung''. (Denke daran, was; geschieht, wenn Missionare die Eingeborenen bekehren.)


{{ParUG|613}} Wenn ich nun sage »Ich weiß, daß das Wasser im Kessel auf der Gasflamme nicht gefrieren, sondern kochen wird«, so scheine ich zu diesem »Ich weiß«, so berechtigt wie zu ''irgendeinem''. »Wenn ich etwas weiß, so weiß ich ''das''.« – Oder weiß ich, daß der Mensch mir gegenüber mein alter Freund Soundso ist, mit noch ''größerer'' Gewißheit? Und wie vergleicht sich das mit dem Satz, daß ich aus zwei ''Augen'' schaue und sie sehen werde, wenn ich in den Spiegel schaue? – Ich weiß nicht mit Sicherheit, was ich da antworten soll. – Aber es ist doch ein Unterschied zwischen den Fällen. Wenn das Wasser auf der Flamme gefriert, werde ich freilich im höchsten Maße erstaunt sein, aber einen mir noch unbekannten Einfluß annehmen und etwa Physikern die Sache zur Beurteilung überlassen. – Was aber könnte mich daran zweifeln machen, daß dieser Mensch
{{ParUG|613}} Wenn ich nun sage »Ich weiß, daß das Wasser im Kessel auf der Gasflamme nicht gefrieren, sondern kochen wird«, so scheine ich zu diesem »Ich weiß«, so berechtigt wie zu ''irgendeinem''. »Wenn ich etwas weiß, so weiß ich ''das''.« – Oder weiß ich, daß der Mensch mir gegenüber mein alter Freund Soundso ist, mit noch ''größerer'' Gewißheit? Und wie vergleicht sich das mit dem Satz, daß ich aus zwei ''Augen'' schaue und sie sehen werde, wenn ich in den Spiegel schaue? – Ich weiß nicht mit Sicherheit, was ich da antworten soll. – Aber es ist doch ein Unterschied zwischen den Fällen. Wenn das Wasser auf der Flamme gefriert, werde ich freilich im höchsten Maße erstaunt sein, aber einen mir noch unbekannten Einfluß annehmen und etwa Physikern die Sache zur Beurteilung überlassen. – Was aber könnte mich daran zweifeln machen, daß dieser Mensch N. N. ist, den ich seit Jahren kenne? Hier schiene ein Zweifel alles nach sich zu ziehen und in ein Chaos zu stürzen.
 
N. N. ist, den ich seit Jahren kenne? Hier schiene ein Zweifel alles nach sich zu ziehen und in ein Chaos zu stürzen.


{{ParUG|614}} D. h.: Wenn mir von allen Seiten widersprochen würde: Jener heiße nicht, wie ich es immer wußte (und ich gebrauche hier »wußte« absichtlich), dann würde mir in diesem Fall die Grundlage alles Urteilens entzogen.
{{ParUG|614}} D. h.: Wenn mir von allen Seiten widersprochen würde: Jener heiße nicht, wie ich es immer wußte (und ich gebrauche hier »wußte« absichtlich), dann würde mir in diesem Fall die Grundlage alles Urteilens entzogen.
Line 1,720: Line 1,673:
{{ParUG|642}} Wenn man aber mit dem Bedenken kommt: Wie, wenn ich plötzlich sozusagen aufwachte und sagte »Jetzt hab ich mir eingebildet, ich heiße L. W.! – wer sagt denn, daß ich nicht noch einmal aufwache und nun ''dies'' als sonderbare Einbildung erkläre, usf.
{{ParUG|642}} Wenn man aber mit dem Bedenken kommt: Wie, wenn ich plötzlich sozusagen aufwachte und sagte »Jetzt hab ich mir eingebildet, ich heiße L. W.! – wer sagt denn, daß ich nicht noch einmal aufwache und nun ''dies'' als sonderbare Einbildung erkläre, usf.


{{ParUG|643}} Man kann sich freilich einen Fall vorstellen, und es gibt Fälle, wo man nach dem
{{ParUG|643}} Man kann sich freilich einen Fall vorstellen, und es gibt Fälle, wo man nach dem »Aufwachen« nie mehr daran zweifelt, was Einbildung und was Wirklichkeit war. Aber so ein Fall, oder seine Möglichkeit, diskreditiert den Satz »Ich kann mich darin nicht irren« nicht.
 
»Aufwachen« nie mehr daran zweifelt, was Einbildung und was Wirklichkeit war. Aber so ein Fall, oder seine Möglichkeit, diskreditiert den Satz »Ich kann mich darin nicht irren« nicht.


{{ParUG|644}} Würde denn sonst nicht alle Behauptung so diskreditiert?
{{ParUG|644}} Würde denn sonst nicht alle Behauptung so diskreditiert?