Über Gewißheit: Difference between revisions

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{{ParUG|292}} Weitere Versuche können die früheren nicht ''Lügen strafen'', höchstens unsere ganze Betrachtung ändern.
{{ParUG|292}} Weitere Versuche können die früheren nicht ''Lügen strafen'', höchstens unsere ganze Betrachtung ändern.


{{ParUG|293}} Ähnlich der Satz »Das Wasser siedet bei 100º C
{{ParUG|293}} Ähnlich der Satz »Das Wasser siedet bei 100 °C


{{ParUG|294}} ''So'' überzeugen wir uns, ''das'' nennt man »mit Recht davon überzeugt sein«.
{{ParUG|294}} ''So'' überzeugen wir uns, ''das'' nennt man »mit Recht davon überzeugt sein«.
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Es gibt nun freilich ein Sprachspiel, in welchem das Kind ''diesen'' Satz gebraucht. Dies setzt voraus, daß das Kind, sowie ihm der Name gegeben ist, ihn auch schon gebrauchen kann. Wie wenn mir jemand sagte »Diese Farbe heißt ›...‹« – Wenn also das Kind ein Sprachspiel mit Bausteinen gelernt hat, so kann man ihm nun etwa sagen »Und dieser Stein heißt ›...‹« und man hat dadurch das ursprüngliche Sprachspiel ''erweitert''.
Es gibt nun freilich ein Sprachspiel, in welchem das Kind ''diesen'' Satz gebraucht. Dies setzt voraus, daß das Kind, sowie ihm der Name gegeben ist, ihn auch schon gebrauchen kann. Wie wenn mir jemand sagte »Diese Farbe heißt ›...‹« – Wenn also das Kind ein Sprachspiel mit Bausteinen gelernt hat, so kann man ihm nun etwa sagen »Und dieser Stein heißt ›...‹« und man hat dadurch das ursprüngliche Sprachspiel ''erweitert''.


{{ParUG|567}} Und ist nun mein Wissen, daß ich L. W. heiße, von der gleichen Art wie das, daß Wasser bei 100°C siedet? Diese Frage ist natürlich falsch gestellt.
{{ParUG|567}} Und ist nun mein Wissen, daß ich L. W. heiße, von der gleichen Art wie das, daß Wasser bei 100 °C siedet? Diese Frage ist natürlich falsch gestellt.


{{ParUG|568}} Wenn einer meiner Namen nur ganz selten gebraucht würde, so könnte es sein, daß ich ihn nicht wüßte. Daß ich meinen Namen weiß, ist nur darum selbstverständlich, weil ich ihn, wie jeder Andre, unzählige Male verwende.
{{ParUG|568}} Wenn einer meiner Namen nur ganz selten gebraucht würde, so könnte es sein, daß ich ihn nicht wüßte. Daß ich meinen Namen weiß, ist nur darum selbstverständlich, weil ich ihn, wie jeder Andre, unzählige Male verwende.
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Z. B., wenn es sich um den Namen der Person handelt, könnte der Fall so stehen, daß die Person diesen Namen nie gebraucht hat, sich aber entsinnt, ihn auf einem Dokument gelesen zu haben, – und anderseits könnte die Antwort sein: »Ich habe diesen Namen mein ganzes Leben lang geführt, bin von allen Menschen so genannt worden.« Wenn ''das'' nicht der Antwort »Ich kann mich darin nicht irren« gleichkommt, so hat sie überhaupt keinen Sinn. Und ganz offenbar wird doch damit auf einen sehr wichtigen Unterschied gedeutet.
Z. B., wenn es sich um den Namen der Person handelt, könnte der Fall so stehen, daß die Person diesen Namen nie gebraucht hat, sich aber entsinnt, ihn auf einem Dokument gelesen zu haben, – und anderseits könnte die Antwort sein: »Ich habe diesen Namen mein ganzes Leben lang geführt, bin von allen Menschen so genannt worden.« Wenn ''das'' nicht der Antwort »Ich kann mich darin nicht irren« gleichkommt, so hat sie überhaupt keinen Sinn. Und ganz offenbar wird doch damit auf einen sehr wichtigen Unterschied gedeutet.


{{ParUG|599}} Man könnte z. B. die Sicherheit des Satzes, daß Wasser bei ca. 100°C kocht, beschreiben. Es ist das z. B. nicht ein Satz, den ich einmal gehört habe wie etwa den und jenen, die ich nennen könnte. Ich habe das Experiment selber in der Schule gemacht. Der Satz ist ein sehr elementarer unserer Lehrbücher, denen in solchen Dingen zu trauen ist, weil&nbsp;... – Man kann nun allem dem Beispiele entgegenhalten, die zeigen, daß Menschen dies und jenes für gewiß gehalten haben, was sich später, unsrer Meinung nach, für falsch erwiesen hat. Aber dieses Argument ist wertlos.{{check|<sup>8</sup>}} Zu sagen: wir können am Ende nur solche Gründe anführen, die ''wir'' für Gründe halten, sagt gar nichts.
{{ParUG|599}} Man könnte z. B. die Sicherheit des Satzes, daß Wasser bei ca. 100&nbsp;°C kocht, beschreiben. Es ist das z. B. nicht ein Satz, den ich einmal gehört habe wie etwa den und jenen, die ich nennen könnte. Ich habe das Experiment selber in der Schule gemacht. Der Satz ist ein sehr elementarer unserer Lehrbücher, denen in solchen Dingen zu trauen ist, weil&nbsp;... – Man kann nun allem dem Beispiele entgegenhalten, die zeigen, daß Menschen dies und jenes für gewiß gehalten haben, was sich später, unsrer Meinung nach, für falsch erwiesen hat. Aber dieses Argument ist wertlos.{{check|<sup>8</sup>}} Zu sagen: wir können am Ende nur solche Gründe anführen, die ''wir'' für Gründe halten, sagt gar nichts.


Ich glaube, es liegt hier ein Mißverständnis des Wesens unserer Sprachspiele zugrunde.
Ich glaube, es liegt hier ein Mißverständnis des Wesens unserer Sprachspiele zugrunde.
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Am Ende aber verlasse ich mich auf diese Erfahrungen oder auf die Berichte von ihnen, richte meine eigenen Handlungen ohne jede Skrupel danach. Aber hat sich dieses Vertrauen nicht auch bewährt? Soweit ich es beurteilen kann – ja.
Am Ende aber verlasse ich mich auf diese Erfahrungen oder auf die Berichte von ihnen, richte meine eigenen Handlungen ohne jede Skrupel danach. Aber hat sich dieses Vertrauen nicht auch bewährt? Soweit ich es beurteilen kann – ja.


{{ParUG|604}} In einem Gerichtssaal würde die Aussage eines Physikers, daß Wasser bei ca. 100° C koche, unbedingt als Wahrheit angenommen.
{{ParUG|604}} In einem Gerichtssaal würde die Aussage eines Physikers, daß Wasser bei ca. 100&nbsp;°C koche, unbedingt als Wahrheit angenommen.


Wenn ich dieser Aussage nun mißtraute, was könnte ich tun, um sie zu entkräften? Selbst Versuche anstellen? Was würden die beweisen?
Wenn ich dieser Aussage nun mißtraute, was könnte ich tun, um sie zu entkräften? Selbst Versuche anstellen? Was würden die beweisen?