Logisch-philosophische Abhandlung: Difference between revisions

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2.01 Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen. (Sachen, Dingen.)
2.01 Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen. (Sachen, Dingen.)


2.11         Es ist dem Ding wesentlich, der Bestandteil eines Sachverhaltes sein zu können.
2.011         Es ist dem Ding wesentlich, der Bestandteil eines Sachverhaltes sein zu können.


2.12        In der Logik ist nichts zufällig: Wenn das Ding im Sachverhalt vorkommen ka n n, so muss die Möglichkeit des Sachverhaltes im Ding bereits präjudiziert sein.
2.012        In der Logik ist nichts zufällig: Wenn das Ding im Sachverhalt vorkommen ka n n, so muss die Möglichkeit des Sachverhaltes im Ding bereits präjudiziert sein.


2.0121      Es erschiene gleichsam als Zufall, wenn dem Ding, das allein für sich bestehen könnte, nachträglich eine Sachlage passen würde.
2.0121      Es erschiene gleichsam als Zufall, wenn dem Ding, das allein für sich bestehen könnte, nachträglich eine Sachlage passen würde.


Wenn die Dinge in Sachverhalten vorkommen können, so muss dies schon in ihnen liegen.
Wenn die Dinge in Sachverhalten vorkommen können, so muss dies schon in ihnen liegen.
(Etwas Logisches kann nicht nur-möglich sein. Die Logik han- delt von jeder Möglichkeit und alle Möglichkeiten sind ihre Tat- sachen.)
Wie wir uns räumliche Gegenstände überhaupt nicht aus- serhalb des Raumes, zeitliche nicht ausserhalb der Zeit denken können, so können wir uns ke i n e n Gegenstand ausserhalb der Möglichkeit seiner Verbindung mit anderen denken.
Wenn ich mir den Gegenstand im Verbande des Sachverhalts denken kann, so kann ich ihn nicht ausserhalb der M ö g l i ch - ke i t dieses Verbandes denken.
2.0122 Das Ding ist selbständig, insofern es in allen m ö g l i ch e n Sach- lagen vorkommen kann, aber diese Form der Selbständigkeit ist eine Form des Zusammenhangs mit dem Sachverhalt, eine Form der Unselbständigkeit. (Es ist unmöglich, dass Worte in zwei verschiedenen Weisen auftreten, allein und im Satz.)
2.0123 Wenn ich den Gegenstand kenne, so kenne ich auch sämtliche Möglichkeiten seines Vorkommens in Sachverhalten.
(Jede solche Möglichkeit muss in der Natur des Gegenstandes liegen.)
Es kann nicht nachträglich eine neue Möglichkeit gefunden werden.
2.01231 Um einen Gegenstand zu kennen, muss ich zwar nicht seine externen—aber ich muss alle seine internen Eigenschaften ken- nen.
2.0124 Sind alle Gegenstände gegeben, so sind damit auch alle m ö g l i ch e n Sachverhalte gegeben.
2.013                Jedes Ding ist, gleichsam, in einem Raume möglicher Sachver- halte. Diesen Raum kann ich mir leer denken, nicht aber das Ding ohne den Raum.
2.0131 Der räumliche Gegenstand muss im unendlichen Raume liegen. (Der Raumpunkt ist eine Argumentstelle.)
Der Fleck im Gesichtsfeld muss zwar nicht rot sein, aber eine Farbe muss er haben: er hat sozusagen den Farbenraum um sich. Der Ton muss e i n e Höhe haben, der Gegenstand des Tastsinnes e i n e Härte usw.
2.014               Die Gegenstände enthalten die Möglichkeit aller Sachlagen.
2.0141   Die Möglichkeit seines Vorkommens in Sachverhalten, ist die Form des Gegenstandes.
2.02       Der Gegenstand ist einfach.
2.0201 Jede Aussage über Komplexe lässt sich in eine Aussage über deren Bestandteile und in diejenigen Sätze zerlegen, welche die Komplexe vollständig beschreiben.
2.021                Die Gegenstände bilden die Substanz der Welt. Darum können sie nicht zusammengesetzt sein.
2.0211 Hätte die Welt keine Substanz, so würde, ob ein Satz Sinn hat, davon abhängen, ob ein anderer Satz wahr ist.
2.0212 Es wäre dann unmöglich, ein Bild der Welt (wahr oder falsch) zu entwerfen.
2.022               Es ist offenbar, dass auch eine von der wirklichen noch so ver- schieden gedachte Welt Etwas—eine Form—mit der wirklichen gemein haben muss.
2.023               Diese feste Form besteht eben aus den Gegenständen.
2.0231 Die Substanz der Welt ka n n nur eine Form und keine materiel- len Eigenschaften bestimmen. Denn diese werden erst durch die Sätze dargestellt—erst durch die Konfiguration der Gegenstände gebildet.
2.0232 Beiläufig gesprochen: Die Gegenstände sind farblos.
2.0233 Zwei Gegenstände von der gleichen logischen Form sind—abge- sehen von ihren externen Eigenschaften—von einander nur da- durch unterschieden, dass sie verschieden sind.
2.02331 Entweder ein Ding hat Eigenschaften, die kein anderes hat, dann kann man es ohneweiteres durch eine Beschreibung aus den an- deren herausheben, und darauf hinweisen; oder aber, es gibt mehrere Dinge, die ihre sämtlichen Eigenschaften gemeinsam haben, dann ist es überhaupt unmöglich auf eines von ihnen zu zeigen.
Denn, ist das Ding durch nichts hervorgehoben, so kann ich es nicht hervorheben, denn sonst ist es eben hervorgehoben.
2.024               Die Substanz ist das, was unabhängig von dem was der Fall ist, besteht.
2.025               Sie ist Form und Inhalt.
2.0251   Raum, Zeit und Farbe (Färbigkeit) sind Formen der Gegenstän- de.
2.026               Nur wenn es Gegenstände gibt, kann es eine feste Form der Welt geben.
2.027               Das Feste, das Bestehende und der Gegenstand sind Eins.
2.0271        Der Gegenstand ist das Feste, Bestehende; die Konfiguration ist
das Wechselnde, Unbeständige.
2.0272   Die Konfiguration der Gegenstände bildet den Sachverhalt.
2.03       Im Sachverhalt hängen die Gegenstände ineinander, wie die Glie- der einer Kette.
2.031                Im Sachverhalt verhalten sich die Gegenstände in bestimmter Art und Weise zueinander.
2.032               Die Art und Weise, wie die Gegenstände im Sachverhalt zusam- menhängen, ist die Struktur des Sachverhaltes.
2.033               Die Form ist die Möglichkeit der Struktur.
2.034               Die Struktur der Tatsache besteht aus den Strukturen der Sach- verhalte.
2.04               Die Gesamtheit der bestehenden Sachverhalte ist die Welt.
2.05               Die Gesamtheit der bestehenden Sachverhalte bestimmt auch, welche Sachverhalte nicht bestehen.
2.06               Das Bestehen und Nichtbestehen von Sachverhalten ist die Wirk- lichkeit.
(Das Bestehen von Sachverhalten nennen wir auch eine po- sitive, das Nichtbestehen eine negative Tatsache.)
2.061                Die Sachverhalte sind von einander unabhängig.
2.062               Aus dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Sachverhaltes kann nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines anderen ge- schlossen werden.
2.063               Die gesamte Wirklichkeit ist die Welt.
2.1                   Wir machen uns Bilder der Tatsachen.
2.11               Das Bild stellt die Sachlage im logischen Raume, das Bestehen und Nichtbestehen von Sachverhalten vor.
2.12              Das Bild ist ein Modell der Wirklichkeit.
2.13              Den Gegenständen entsprechen im Bilde die Elemente des Bil- des.
2.131      Die Elemente des Bildes vertreten im Bild die Gegenstände.
2.14        Das Bild besteht darin, dass sich seine Elemente in bestimmter Art und Weise zu einander verhalten.
2.141      Das Bild ist eine Tatsache.
2.15   Dass sich die Elemente des Bildes in bestimmter Art und Wei- se zu einander verhalten stellt vor, dass sich die Sachen so zu einander verhalten.
Dieser Zusammenhang der Elemente des Bildes heisse seine Struktur und ihre Möglichkeit seine Form der Abbildung.
2.151      Die Form der Abbildung ist die Möglichkeit, dass sich die Dinge so zu einander verhalten, wie die Elemente des Bildes.
2.1511    Das Bild ist s o mit der Wirklichkeit verknüpft; es reicht bis zu ihr.
2.1512    Es ist wie ein Massstab an die Wirklichkeit angelegt.
2.15121 Nur die äussersten Punkte der Teilstriche b e r ü h r e n den zu messenden Gegenstand.
2.1513    Nach dieser Auffassung gehört also zum Bilde auch noch die abbildende Beziehung, die es zum Bild macht.
2.1514    Die abbildende Beziehung besteht aus den Zuordnungen der Ele- mente des Bildes und der Sachen.
2.1515    Diese Zuordnungen sind gleichsam die Fühler der Bildelemente, mit denen das Bild die Wirklichkeit berührt.
2.16               Die Tatsache muss um Bild zu sein, etwas mit dem Abgebildeten gemeinsam haben.
2.161      In Bild und Abgebildetem muss etwas identisch sein, damit das eine überhaupt ein Bild des anderen sein kann.
2.17                Was das Bild mit der Wirklichkeit gemein haben muss, um sie auf seine Art und Weise—richtig oder falsch—abbilden zu kön- nen, ist seine Form der Abbildung.
2.171           Das Bild kann jede Wirklichkeit abbilden, deren Form es hat. Das räumliche Bild alles Räumliche, das farbige alles Farbige, etc.
2.172          Seine Form der Abbildung aber, kann das Bild nicht abbilden; es weist sie auf.
2.173          Das Bild stellt sein Objekt von ausserhalb dar (sein Standpunkt ist seine Form der Darstellung), darum stellt das Bild sein Ob- jekt richtig oder falsch dar.
2.174          Das Bild kann sich aber nicht ausserhalb seiner Form der Dar- stellung stellen.
2.18 Was jedes Bild, welcher Form immer, mit der Wirklichkeit ge- mein haben muss, um sie überhaupt—richtig oder falsch—ab- bilden zu können, ist die logische Form, das ist, die Form der Wirklichkeit.
2.181           Ist die Form der Abbildung die logische Form, so heisst das Bild das logische Bild.
2.182          Jedes Bild ist a u ch ein logisches. (Dagegen ist z. B. nicht jedes Bild ein räumliches.)
2.19 Das logische Bild kann die Welt abbilden.
2.2         Das Bild hat mit dem Abgebildeten die logische Form der Ab- bildung gemein.
2.201           Das Bild bildet die Wirklichkeit ab, indem es eine Möglichkeit des Bestehens und Nichtbestehens von Sachverhalten darstellt.
2.202          Das Bild stellt eine mögliche Sachlage im logischen Raume dar.
2.203          Das Bild enthält die Möglichkeit der Sachlage, die es darstellt.
2.21               Das Bild stimmt mit der Wirklichkeit überein oder nicht; es ist richtig oder unrichtig, wahr oder falsch.
2.22              Das Bild stellt dar, was es darstellt, unabhängig von seiner Wahr- oder Falschheit, durch die Form der Abbildung.
2.221           Was das Bild darstellt, ist sein Sinn.
2.222          In der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung seines Sin- nes mit der Wirklichkeit, besteht seine Wahrheit oder Falschheit.
2.223          Um zu erkennen, ob das Bild wahr oder falsch ist, müssen wir es mit der Wirklichkeit vergleichen.
2.224          Aus dem Bild allein ist nicht zu erkennen, ob es wahr oder falsch ist.
2.225          Ein a priori wahres Bild gibt es nicht.
3                        Das logische Bild der Tatsachen ist der Gedanke.
3.001     „Ein Sachverhalt ist denkbar“ heisst: Wir können uns ein Bild von ihm machen.
3.01               Die Gesamtheit der wahren Gedanken sind ein Bild der Welt.
3.02              Der Gedanke enthält die Möglichkeit der Sachlage die er denkt. Was denkbar ist, ist auch möglich.
3.03              Wir können nichts Unlogisches denken, weil wir sonst unlogisch denken müssten.
3.031                Man sagte einmal, dass Gott alles schaffen könne, nur nichts, was den logischen Gesetzen zuwider wäre.—Wir könnten näm- lich von einer „unlogischen“ Welt nicht s a g e n, wie sie aussähe.
3.032               Etwas „der Logik widersprechendes“ in der Sprache darstellen, kann man ebensowenig, wie in der Geometrie eine den Geset- zen des Raumes widersprechende Figur durch ihre Koordinaten darstellen; oder die Koordinaten eines Punktes angeben, welcher nicht existiert.
3.0321 Wohl können wir einen Sachverhalt räumlich darstellen, welcher den Gesetzen der Physik, aber keinen, der den Gesetzen der Geometrie zuwiderliefe.
3.04               Ein a priori richtiger Gedanke wäre ein solcher, dessen Möglich- keit seine Wahrheit bedingte.
3.05               Nur so könnten wir a priori wissen, dass ein Gedanke wahr ist, wenn aus dem Gedanken selbst (ohne Vergleichsobjekt) seine Wahrheit zu erkennen wäre.
3.1                  Im Satz drückt sich der Gedanke sinnlich wahrnehmbar aus.
3.11               Wir benützen das sinnlich wahrnehmbare Zeichen (Laut- oder Schriftzeichen etc.) des Satzes als Projektion der möglichen Sachlage.
Die Projektionsmethode ist das Denken des Satz-Sinnes.
3.12              Das Zeichen, durch welches wir den Gedanken ausdrücken, nenne ich das Satzzeichen. Und der Satz ist das Satzzeichen in seiner projektiven Beziehung zur Welt.
3.13              Zum Satz gehört alles, was zur Projektion gehört; aber nicht das Projizierte.
Also die Möglichkeit des Projizierten, aber nicht dieses selbst.
Im Satz ist also sein Sinn noch nicht enthalten, wohl aber die Möglichkeit ihn auszudrücken.
(„Der Inhalt des Satzes“ heisst der Inhalt des sinnvollen Sat- zes.)
Im Satz ist die Form seines Sinnes enthalten, aber nicht des- sen Inhalt.
3.14              Das Satzzeichen besteht darin, dass sich seine Elemente, die Wörter, in ihm auf bestimmte Art und Weise zu einander ver- halten.
Das Satzzeichen ist eine Tatsache.
3.141           Der Satz ist kein Wörtergemisch.—(Wie das musikalische The- ma kein Gemisch von Tönen.)
Der Satz ist artikuliert.
3.142          Nur Tatsachen können einen Sinn ausdrücken, eine Klasse von Namen kann es nicht.
3.143          Dass das Satzzeichen eine Tatsache ist, wird durch die gewöhn- liche Ausdrucksform der Schrift oder des Druckes verschleiert.
Denn im gedruckten Satz z. B. sieht das Satzzeichen nicht wesentlich verschieden aus vom Wort.
(So war es möglich, dass Frege den Satz einen zusammenge- setzten Namen nannte.)
3.1431 Sehr klar wird das Wesen des Satzzeichens, wenn wir es uns, statt aus Schriftzeichen, aus räumlichen Gegenständen (etwa Tischen, Stühlen, Büchern) zusammengesetzt denken.
Die gegenseitige räumliche Lage dieser Dinge drückt dann den Sinn des Satzes aus.
3.1432 Nicht: „Das komplexe Zeichen ‚''aRb''‘ sagt, dass ''a'' in der Bezie- hung ''R'' zu ''b'' steht“, sondern: D a s s „''a''“ in einer gewissen Bezie- hung zu „''b''“ steht, sagt, d a s s ''aRb''.
3.144          Sachlagen kann man beschreiben, nicht b e n e n n e n.
(Namen gleichen Punkten, Sätze Pfeilen, sie haben Sinn.)
3.2         Im Satze kann der Gedanke so ausgedrückt sein, dass den Gegen- ständen des Gedankens Elemente des Satzzeichens entsprechen.
3.201           Diese Elemente nenne ich „einfache Zeichen“ und den Satz „voll- ständig analysiert“.
3.202          Die im Satze angewandten einfachen Zeichen heissen Namen.
3.203          Der Name bedeutet den Gegenstand. Der Gegenstand ist seine Bedeutung. („''A''“ ist dasselbe Zeichen wie „''A''“.)
3.21               Der Konfiguration der einfachen Zeichen im Satzzeichen ent- spricht die Konfiguration der Gegenstände in der Sachlage.
3.22              Der Name vertritt im Satz den Gegenstand.
3.221 Die Gegenstände kann ich nur n e n n e n. Zeichen vertreten sie. Ich kann nur vo n ihnen sprechen, s i e a u s s p r e ch e n kann ich nicht. Ein Satz kann nur sagen, w i e ein Ding ist, nicht wa s es ist.
3.23               Die Forderung der Möglichkeit der einfachen Zeichen ist die For- derung der Bestimmtheit des Sinnes.
3.24               Der Satz, welcher vom Komplex handelt, steht in interner Be- ziehung zum Satze, der von dessen Bestandteil handelt.
Der Komplex kann nur durch seine Beschreibung gegeben sein, und diese wird stimmen oder nicht stimmen. Der Satz, in welchem von einem Komplex die Rede ist, wird, wenn dieser nicht existiert, nicht unsinnig, sondern einfach falsch sein.
Dass ein Satzelement einen Komplex bezeichnet, kann man aus einer Unbestimmtheit in den Sätzen sehen, worin es vor- kommt. Wir w i s s e n, durch diesen Satz ist noch nicht alles bestimmt. (Die Allgemeinheitsbezeichnung e nt h ä l t ja ein Ur- bild.)
Die Zusammenfassung des Symbols eines Komplexes in ein einfaches Symbol kann durch eine Definition ausgedrückt wer- den.
3.25               Es gibt eine und nur eine vollständige Analyse des Satzes.
3.251      Der Satz drückt auf bestimmte, klar angebbare Weise aus, was er ausdrückt: Der Satz ist artikuliert.
3.26       Der Name ist durch keine Definition weiter zu zergliedern: er ist ein Urzeichen.
3.261           Jedes definierte Zeichen bezeichnet ü b e r jene Zeichen, durch welche es definiert wurde; und die Definitionen weisen den Weg.
Zwei Zeichen, ein Urzeichen, und ein durch Urzeichen de- finiertes, können nicht auf dieselbe Art und Weise bezeichnen. Namen ka n n man nicht durch Definitionen auseinanderlegen. (Kein Zeichen, welches allein, selbständig eine Bedeutung hat.)
3.262          Was in den Zeichen nicht zum Ausdruck kommt, das zeigt ih- re Anwendung. Was die Zeichen verschlucken, das spricht ihre Anwendung aus.
3.263          Die Bedeutungen von Urzeichen können durch Erläuterungen erklärt werden. Erläuterungen sind Sätze, welche die Urzeichen enthalten. Sie können also nur verstanden werden, wenn die Be- deutungen dieser Zeichen bereits bekannt sind.
3.3   Nur der Satz hat Sinn; nur im Zusammenhange des Satzes hat ein Name Bedeutung.
3.31 Jeden Teil des Satzes, der seinen Sinn charakterisiert, nenne ich einen Ausdruck (ein Symbol).
(Der Satz selbst ist ein Ausdruck.)
Ausdruck ist alles, für den Sinn des Satzes wesentliche, was Sätze miteinander gemein haben können.
Der Ausdruck kennzeichnet eine Form und einen Inhalt.
3.311           Der Ausdruck setzt die Formen aller Sätze voraus, in welchen er vorkommen kann. Er ist das gemeinsame charakteristische Merkmal einer Klasse von Sätzen.
3.312          Er wird also dargestellt durch die allgemeine Form der Sätze, die er charakterisiert.
Und zwar wird in dieser Form der Ausdruck ko n s t a nt und alles übrige va r i a b e l sein.
3.313          Der Ausdruck wird also durch eine Variable dargestellt, deren Werte die Sätze sind, die den Ausdruck enthalten.
(Im Grenzfall wird die Variable zur Konstanten, der Aus- druck zum Satz.)
Ich nenne eine solche Variable „Satzvariable“.
3.314          Der Ausdruck hat nur im Satz Bedeutung. Jede Variable lässt sich als Satzvariable auffassen.
(Auch der variable Name.)
3.315          Verwandeln wir einen Bestandteil eines Satzes in eine Variable, so gibt es eine Klasse von Sätzen, welche sämtlich Werte des so entstandenen variablen Satzes sind. Diese Klasse hängt im allgemeinen noch davon ab, was wir, nach willkürlicher Über- einkunft, mit Teilen jenes Satzes meinen. Verwandeln wir aber alle jene Zeichen, deren Bedeutung willkürlich bestimmt wurde, in Variable, so gibt es nun noch immer eine solche Klasse. Die- se aber ist nun von keiner Übereinkunft abhängig, sondern nur noch von der Natur des Satzes. Sie entspricht einer logischen Form—einem logischen Urbild.
3.316          Welche Werte die Satzvariable annehmen darf, wird festgesetzt. Die Festsetzung der Werte i s t die Variable.
3.317           Die Festsetzung der Werte der Satzvariablen ist die A n g a b e d e r S ä t z e, deren gemeinsames Merkmal die Variable ist.
Die Festsetzung ist eine Beschreibung dieser Sätze.
Die Festsetzung wird also nur von Symbolen, nicht von deren Bedeutung handeln.
Und nu r dies ist der Festsetzung wesentlich, d a s s s i e nu r e i n e B e s ch r e i b u n g vo n  S y mb o l e n i s t u n d n i cht s ü b e r d a s B e z e i ch n e t e a u s s a g t.
Wie die Beschreibung der Sätze geschieht, ist unwesentlich.
3.318          Den Satz fasse ich—wie Frege und Russell—als Funktion der in ihm enthaltenen Ausdrücke auf.
3.32 Das Zeichen ist das sinnlich Wahrnehmbare am Symbol.
3.321           Zwei verschiedene Symbole können also das Zeichen (Schrift- zeichen oder Lautzeichen etc.) miteinander gemein haben—sie bezeichnen dann auf verschiedene Art und Weise.
3.322          Es kann nie das gemeinsame Merkmal zweier Gegenstände an- zeigen, dass wir sie mit demselben Zeichen, aber durch zwei verschiedene B e z e i ch nu n g s we i s e n bezeichnen. Denn das Zeichen ist ja willkürlich. Man könnte also auch zwei verschiedene Zeichen wählen, und wo bliebe dann das Gemeinsame in der Bezeichnung.
3.323          In der Umgangssprache kommt es ungemein häufig vor, dass dasselbe Wort auf verschiedene Art und Weise bezeichnet—also verschiedenen Symbolen angehört—, oder, dass zwei Wörter, die auf verschiedene Art und Weise bezeichnen, äusserlich in der gleichen Weise im Satze angewandt werden.
So erscheint das Wort „ist“ als Kopula, als Gleichheitszei- chen und als Ausdruck der Existenz; „existieren“ als intransiti- ves Zeitwort wie „gehen“; „identisch“ als Eigenschaftswort; wir reden von E twa s, aber auch davon, dass e twa s geschieht.
(Im Satze „Grün ist grün“—wo das erste Wort ein Perso- nenname, das letzte ein Eigenschaftswort ist—haben diese Wor- te nicht einfach verschiedene Bedeutung, sondern es sind ve r - s ch i e d e n e S y mb o l e.)
3.324          So entstehen leicht die fundamentalsten Verwechslungen (deren die ganze Philosophie voll ist).
3.325          Um diesen Irrtümern zu entgehen, müssen wir eine Zeichen- sprache verwenden, welche sie ausschliesst, indem sie nicht das gleiche Zeichen in verschiedenen Symbolen, und Zeichen, welche auf verschiedene Art bezeichnen, nicht äusserlich auf die gleiche Art verwendet. Eine Zeichensprache also, die der l o g i s ch e n Grammatik—der logischen Syntax—gehorcht.
(Die Begriffsschrift Frege’s und Russell’s ist eine solche Spra- che, die allerdings noch nicht alle Fehler ausschliesst.)
3.326          Um das Symbol am Zeichen zu erkennen, muss man auf den sinnvollen Gebrauch achten.
3.327           Das Zeichen bestimmt erst mit seiner logisch-syntaktischen Ver- wendung zusammen eine logische Form.
3.328          Wird ein Zeichen n i c h t g e b r a u ch t, so ist es bedeutungslos. Das ist der Sinn der Devise Occams.
(Wenn sich alles so verhält als hätte ein Zeichen Bedeutung, dann hat es auch Bedeutung.)
3.33 In der logischen Syntax darf nie die Bedeutung eines Zeichens eine Rolle spielen; sie muss sich aufstellen lassen, ohne dass dabei von der B e d e u t u n g eines Zeichens die Rede wäre, sie darf nu r die Beschreibung der Ausdrücke voraussetzen.
3.331           Von dieser Bemerkung sehen wir in Russell’s „Theory of types“ hinüber: Der Irrtum Russell’s zeigt sich darin, dass er bei der Aufstellung der Zeichenregeln von der Bedeutung der Zeichen reden musste.
3.332          Kein Satz kann etwas über sich selbst aussagen, weil das Satzzei- chen nicht in sich selbst enthalten sein kann, (das ist die ganze „Theory of types“).
3.333          Eine Funktion kann darum nicht ihr eigenes Argument sein, weil das Funktionszeichen bereits das Urbild seines Arguments ent- hält und es sich nicht selbst enthalten kann.
Nehmen wir nämlich an, die Funktion ''F'' (''fx'') könnte ihr ei- genes Argument sein; dann gäbe es also einen Satz: „''F'' (''F'' (''fx''))“ und in diesem müssen die äussere Funktion ''F'' und die innere Funktion ''F'' verschiedene Bedeutungen haben, denn die innere hat die Form ''φ''(''fx''), die äussere, die Form ''ψ''(''φ''(''fx'')). Gemein- sam ist den beiden Funktionen nur der Buchstabe „''F'' “, der aber allein nichts bezeichnet.
Dies wird sofort klar, wenn wir statt „''F'' (''F'' (''u''))“ schreiben „(∃''φ'') : ''F'' (''φu'') ''. φu'' = ''Fu''“.
Hiermit erledigt sich Russell’s Paradox.
3.334          Die Regeln der logischen Syntax müssen sich von selbst verste- hen, wenn man nur weiss, wie ein jedes Zeichen bezeichnet.
3.34 Der Satz besitzt wesentliche und zufällige Züge.
Zufällig sind die Züge, die von der besonderen Art der Her- vorbringung des Satzzeichens herrühren. Wesentlich diejenigen, welche allein den Satz befähigen, seinen Sinn auszudrücken.
3.341           Das Wesentliche am Satz ist also das, was allen Sätzen, welche den gleichen Sinn ausdrücken können, gemeinsam ist.
Und ebenso ist allgemein das Wesentliche am Symbol das, was alle Symbole, die denselben Zweck erfüllen können, gemein- sam haben.
3.3411 Man könnte also sagen: Der eigentliche Name ist das, was alle Symbole, die den Gegenstand bezeichnen, gemeinsam haben. Es würde sich so successive ergeben, dass keinerlei Zusammenset- zung für den Namen wesentlich ist.
3.342          An unseren Notationen ist zwar etwas willkürlich, aber d a s ist nicht willkürlich: Dass, we n n wir etwas willkürlich bestimmt haben, dann etwas anderes der Fall sein muss. (Dies hängt von dem We s e n der Notation ab.)
3.3421 Eine besondere Bezeichnungsweise mag unwichtig sein, aber wichtig ist es immer, dass diese eine m ö g l i ch e Bezeichnungs- weise ist. Und so verhält es sich in der Philosophie überhaupt: Das Einzelne erweist sich immer wieder als unwichtig, aber die Möglichkeit jedes Einzelnen gibt uns einen Aufschluss über das Wesen der Welt.
3.343          Definitionen sind Regeln der Übersetzung von einer Sprache in eine andere. Jede richtige Zeichensprache muss sich in jede an- dere nach solchen Regeln übersetzen lassen: D i e s ist, was sie alle gemeinsam haben.
3.344          Das, was am Symbol bezeichnet, ist das Gemeinsame aller jener Symbole, durch die das erste den Regeln der logischen Syntax zufolge ersetzt werden kann.

Revision as of 20:09, 5 January 2021


Vorwort

Dieses Buch wird vielleicht nur der verstehen, der die Gedanken, die darin ausgedrückt sind—oder doch ähnliche Gedanken—schon selbst ein- mal gedacht hat.—Es ist also kein Lehrbuch.—Sein Zweck wäre erreicht, wenn es Einem, der es mit Verständnis liest Vergnügen bereitete.

Das Buch behandelt die philosophischen Probleme und zeigt—wie ich glaube—dass die Fragestellung dieser Probleme auf dem Missverständ- nis der Logik unserer Sprache beruht. Man könnte den ganzen Sinn des Buches etwa in die Worte fassen: Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen.

Das Buch will also dem Denken eine Grenze ziehen, oder vielmehr— nicht dem Denken, sondern dem Ausdruck der Gedanken: Denn um dem Denken eine Grenze zu ziehen, müssten wir beide Seiten dieser Grenze denken können (wir müssten also denken können, was sich nicht denken lässt).

Die Grenze wird also nur in der Sprache gezogen werden können und was jenseits der Grenze liegt, wird einfach Unsinn sein.

Wieweit meine Bestrebungen mit denen anderer Philosophen zusam- menfallen, will ich nicht beurteilen. Ja, was ich hier geschrieben habe macht im Einzelnen überhaupt nicht den Anspruch auf Neuheit; und darum gebe ich auch keine Quellen an, weil es mir gleichgültig ist, ob das was ich gedacht habe, vor mir schon ein anderer gedacht hat.

Nur das will ich erwähnen, dass ich den grossartigen Werken Freges und den Arbeiten meines Freundes Herrn Bertrand Russell einen grossen Teil der Anregung zu meinen Gedanken schulde.

Wenn diese Arbeit einen Wert hat, so besteht er in Zweierlei. Erstens darin, dass in ihr Gedanken ausgedrückt sind, und dieser Wert wird umso grösser sein, je besser die Gedanken ausgedrückt sind. Je mehr der Nagel auf den Kopf getroffen ist.—Hier bin ich mir bewusst, weit hinter dem Möglichen zurückgeblieben zu sein. Einfach darum, weil meine Kraft zur Bewältigung der Aufgabe zu gering ist.—Mögen andere kommen und es besser machen.

Dagegen scheint mir die Wa h r h e i t der hier mitgeteilten Gedanken unantastbar und definitiv. Ich bin also der Meinung, die Probleme im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben. Und wenn ich mich hierin nicht irre, so besteht nun der Wert dieser Arbeit zweitens darin, dass sie zeigt, wie wenig damit getan ist, dass diese Probleme gelöst sind.


L. W.


Wien, 1918.


1   Die Welt ist alles, was der Fall ist.[1]

1.1          Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge.

1.11        Die Welt ist durch die Tatsachen bestimmt und dadurch, dass es a l l e Tatsachen sind.

1.12        Denn, die Gesamtheit der Tatsachen bestimmt, was der Fall ist und auch, was alles nicht der Fall ist.

1.13        Die Tatsachen im logischen Raum sind die Welt.

1.2      Die Welt zerfällt in Tatsachen.

1.21 Eines kann der Fall sein oder nicht der Fall sein und alles übrige gleich bleiben.

2             Was der Fall ist, die Tatsache, ist das Bestehen von Sachverhal- ten.

2.01 Der Sachverhalt ist eine Verbindung von Gegenständen. (Sachen, Dingen.)

2.011         Es ist dem Ding wesentlich, der Bestandteil eines Sachverhaltes sein zu können.

2.012        In der Logik ist nichts zufällig: Wenn das Ding im Sachverhalt vorkommen ka n n, so muss die Möglichkeit des Sachverhaltes im Ding bereits präjudiziert sein.

2.0121      Es erschiene gleichsam als Zufall, wenn dem Ding, das allein für sich bestehen könnte, nachträglich eine Sachlage passen würde.

Wenn die Dinge in Sachverhalten vorkommen können, so muss dies schon in ihnen liegen.

(Etwas Logisches kann nicht nur-möglich sein. Die Logik han- delt von jeder Möglichkeit und alle Möglichkeiten sind ihre Tat- sachen.)

Wie wir uns räumliche Gegenstände überhaupt nicht aus- serhalb des Raumes, zeitliche nicht ausserhalb der Zeit denken können, so können wir uns ke i n e n Gegenstand ausserhalb der Möglichkeit seiner Verbindung mit anderen denken.

Wenn ich mir den Gegenstand im Verbande des Sachverhalts denken kann, so kann ich ihn nicht ausserhalb der M ö g l i ch - ke i t dieses Verbandes denken.

2.0122 Das Ding ist selbständig, insofern es in allen m ö g l i ch e n Sach- lagen vorkommen kann, aber diese Form der Selbständigkeit ist eine Form des Zusammenhangs mit dem Sachverhalt, eine Form der Unselbständigkeit. (Es ist unmöglich, dass Worte in zwei verschiedenen Weisen auftreten, allein und im Satz.)

2.0123 Wenn ich den Gegenstand kenne, so kenne ich auch sämtliche Möglichkeiten seines Vorkommens in Sachverhalten.

(Jede solche Möglichkeit muss in der Natur des Gegenstandes liegen.)

Es kann nicht nachträglich eine neue Möglichkeit gefunden werden.

2.01231 Um einen Gegenstand zu kennen, muss ich zwar nicht seine externen—aber ich muss alle seine internen Eigenschaften ken- nen.

2.0124 Sind alle Gegenstände gegeben, so sind damit auch alle m ö g l i ch e n Sachverhalte gegeben.

2.013                Jedes Ding ist, gleichsam, in einem Raume möglicher Sachver- halte. Diesen Raum kann ich mir leer denken, nicht aber das Ding ohne den Raum.

2.0131 Der räumliche Gegenstand muss im unendlichen Raume liegen. (Der Raumpunkt ist eine Argumentstelle.)

Der Fleck im Gesichtsfeld muss zwar nicht rot sein, aber eine Farbe muss er haben: er hat sozusagen den Farbenraum um sich. Der Ton muss e i n e Höhe haben, der Gegenstand des Tastsinnes e i n e Härte usw.

2.014               Die Gegenstände enthalten die Möglichkeit aller Sachlagen.

2.0141   Die Möglichkeit seines Vorkommens in Sachverhalten, ist die Form des Gegenstandes.

2.02       Der Gegenstand ist einfach.

2.0201 Jede Aussage über Komplexe lässt sich in eine Aussage über deren Bestandteile und in diejenigen Sätze zerlegen, welche die Komplexe vollständig beschreiben.

2.021                Die Gegenstände bilden die Substanz der Welt. Darum können sie nicht zusammengesetzt sein.

2.0211 Hätte die Welt keine Substanz, so würde, ob ein Satz Sinn hat, davon abhängen, ob ein anderer Satz wahr ist.

2.0212 Es wäre dann unmöglich, ein Bild der Welt (wahr oder falsch) zu entwerfen.

2.022               Es ist offenbar, dass auch eine von der wirklichen noch so ver- schieden gedachte Welt Etwas—eine Form—mit der wirklichen gemein haben muss.

2.023               Diese feste Form besteht eben aus den Gegenständen.

2.0231 Die Substanz der Welt ka n n nur eine Form und keine materiel- len Eigenschaften bestimmen. Denn diese werden erst durch die Sätze dargestellt—erst durch die Konfiguration der Gegenstände gebildet.

2.0232 Beiläufig gesprochen: Die Gegenstände sind farblos.

2.0233 Zwei Gegenstände von der gleichen logischen Form sind—abge- sehen von ihren externen Eigenschaften—von einander nur da- durch unterschieden, dass sie verschieden sind.

2.02331 Entweder ein Ding hat Eigenschaften, die kein anderes hat, dann kann man es ohneweiteres durch eine Beschreibung aus den an- deren herausheben, und darauf hinweisen; oder aber, es gibt mehrere Dinge, die ihre sämtlichen Eigenschaften gemeinsam haben, dann ist es überhaupt unmöglich auf eines von ihnen zu zeigen.

Denn, ist das Ding durch nichts hervorgehoben, so kann ich es nicht hervorheben, denn sonst ist es eben hervorgehoben.

2.024               Die Substanz ist das, was unabhängig von dem was der Fall ist, besteht.

2.025               Sie ist Form und Inhalt.

2.0251   Raum, Zeit und Farbe (Färbigkeit) sind Formen der Gegenstän- de.

2.026               Nur wenn es Gegenstände gibt, kann es eine feste Form der Welt geben.

2.027               Das Feste, das Bestehende und der Gegenstand sind Eins.

2.0271        Der Gegenstand ist das Feste, Bestehende; die Konfiguration ist

das Wechselnde, Unbeständige.

2.0272   Die Konfiguration der Gegenstände bildet den Sachverhalt.

2.03       Im Sachverhalt hängen die Gegenstände ineinander, wie die Glie- der einer Kette.

2.031                Im Sachverhalt verhalten sich die Gegenstände in bestimmter Art und Weise zueinander.

2.032               Die Art und Weise, wie die Gegenstände im Sachverhalt zusam- menhängen, ist die Struktur des Sachverhaltes.

2.033               Die Form ist die Möglichkeit der Struktur.

2.034               Die Struktur der Tatsache besteht aus den Strukturen der Sach- verhalte.

2.04               Die Gesamtheit der bestehenden Sachverhalte ist die Welt.

2.05               Die Gesamtheit der bestehenden Sachverhalte bestimmt auch, welche Sachverhalte nicht bestehen.

2.06               Das Bestehen und Nichtbestehen von Sachverhalten ist die Wirk- lichkeit.

(Das Bestehen von Sachverhalten nennen wir auch eine po- sitive, das Nichtbestehen eine negative Tatsache.)

2.061                Die Sachverhalte sind von einander unabhängig.

2.062               Aus dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Sachverhaltes kann nicht auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines anderen ge- schlossen werden.

2.063               Die gesamte Wirklichkeit ist die Welt.

2.1                   Wir machen uns Bilder der Tatsachen.

2.11               Das Bild stellt die Sachlage im logischen Raume, das Bestehen und Nichtbestehen von Sachverhalten vor.

2.12              Das Bild ist ein Modell der Wirklichkeit.

2.13              Den Gegenständen entsprechen im Bilde die Elemente des Bil- des.

2.131      Die Elemente des Bildes vertreten im Bild die Gegenstände.

2.14        Das Bild besteht darin, dass sich seine Elemente in bestimmter Art und Weise zu einander verhalten.

2.141      Das Bild ist eine Tatsache.

2.15   Dass sich die Elemente des Bildes in bestimmter Art und Wei- se zu einander verhalten stellt vor, dass sich die Sachen so zu einander verhalten.

Dieser Zusammenhang der Elemente des Bildes heisse seine Struktur und ihre Möglichkeit seine Form der Abbildung.

2.151      Die Form der Abbildung ist die Möglichkeit, dass sich die Dinge so zu einander verhalten, wie die Elemente des Bildes.

2.1511    Das Bild ist s o mit der Wirklichkeit verknüpft; es reicht bis zu ihr.

2.1512    Es ist wie ein Massstab an die Wirklichkeit angelegt.

2.15121 Nur die äussersten Punkte der Teilstriche b e r ü h r e n den zu messenden Gegenstand.

2.1513    Nach dieser Auffassung gehört also zum Bilde auch noch die abbildende Beziehung, die es zum Bild macht.

2.1514    Die abbildende Beziehung besteht aus den Zuordnungen der Ele- mente des Bildes und der Sachen.

2.1515    Diese Zuordnungen sind gleichsam die Fühler der Bildelemente, mit denen das Bild die Wirklichkeit berührt.

2.16               Die Tatsache muss um Bild zu sein, etwas mit dem Abgebildeten gemeinsam haben.

2.161      In Bild und Abgebildetem muss etwas identisch sein, damit das eine überhaupt ein Bild des anderen sein kann.

2.17                Was das Bild mit der Wirklichkeit gemein haben muss, um sie auf seine Art und Weise—richtig oder falsch—abbilden zu kön- nen, ist seine Form der Abbildung.

2.171           Das Bild kann jede Wirklichkeit abbilden, deren Form es hat. Das räumliche Bild alles Räumliche, das farbige alles Farbige, etc.

2.172          Seine Form der Abbildung aber, kann das Bild nicht abbilden; es weist sie auf.

2.173          Das Bild stellt sein Objekt von ausserhalb dar (sein Standpunkt ist seine Form der Darstellung), darum stellt das Bild sein Ob- jekt richtig oder falsch dar.

2.174          Das Bild kann sich aber nicht ausserhalb seiner Form der Dar- stellung stellen.

2.18 Was jedes Bild, welcher Form immer, mit der Wirklichkeit ge- mein haben muss, um sie überhaupt—richtig oder falsch—ab- bilden zu können, ist die logische Form, das ist, die Form der Wirklichkeit.

2.181           Ist die Form der Abbildung die logische Form, so heisst das Bild das logische Bild.

2.182          Jedes Bild ist a u ch ein logisches. (Dagegen ist z. B. nicht jedes Bild ein räumliches.)

2.19 Das logische Bild kann die Welt abbilden.

2.2         Das Bild hat mit dem Abgebildeten die logische Form der Ab- bildung gemein.

2.201           Das Bild bildet die Wirklichkeit ab, indem es eine Möglichkeit des Bestehens und Nichtbestehens von Sachverhalten darstellt.

2.202          Das Bild stellt eine mögliche Sachlage im logischen Raume dar.

2.203          Das Bild enthält die Möglichkeit der Sachlage, die es darstellt.

2.21               Das Bild stimmt mit der Wirklichkeit überein oder nicht; es ist richtig oder unrichtig, wahr oder falsch.

2.22              Das Bild stellt dar, was es darstellt, unabhängig von seiner Wahr- oder Falschheit, durch die Form der Abbildung.

2.221           Was das Bild darstellt, ist sein Sinn.

2.222          In der Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung seines Sin- nes mit der Wirklichkeit, besteht seine Wahrheit oder Falschheit.

2.223          Um zu erkennen, ob das Bild wahr oder falsch ist, müssen wir es mit der Wirklichkeit vergleichen.

2.224          Aus dem Bild allein ist nicht zu erkennen, ob es wahr oder falsch ist.

2.225          Ein a priori wahres Bild gibt es nicht.

3                        Das logische Bild der Tatsachen ist der Gedanke.

3.001     „Ein Sachverhalt ist denkbar“ heisst: Wir können uns ein Bild von ihm machen.

3.01               Die Gesamtheit der wahren Gedanken sind ein Bild der Welt.

3.02              Der Gedanke enthält die Möglichkeit der Sachlage die er denkt. Was denkbar ist, ist auch möglich.

3.03              Wir können nichts Unlogisches denken, weil wir sonst unlogisch denken müssten.

3.031                Man sagte einmal, dass Gott alles schaffen könne, nur nichts, was den logischen Gesetzen zuwider wäre.—Wir könnten näm- lich von einer „unlogischen“ Welt nicht s a g e n, wie sie aussähe.

3.032               Etwas „der Logik widersprechendes“ in der Sprache darstellen, kann man ebensowenig, wie in der Geometrie eine den Geset- zen des Raumes widersprechende Figur durch ihre Koordinaten darstellen; oder die Koordinaten eines Punktes angeben, welcher nicht existiert.

3.0321 Wohl können wir einen Sachverhalt räumlich darstellen, welcher den Gesetzen der Physik, aber keinen, der den Gesetzen der Geometrie zuwiderliefe.

3.04               Ein a priori richtiger Gedanke wäre ein solcher, dessen Möglich- keit seine Wahrheit bedingte.

3.05               Nur so könnten wir a priori wissen, dass ein Gedanke wahr ist, wenn aus dem Gedanken selbst (ohne Vergleichsobjekt) seine Wahrheit zu erkennen wäre.

3.1                  Im Satz drückt sich der Gedanke sinnlich wahrnehmbar aus.

3.11               Wir benützen das sinnlich wahrnehmbare Zeichen (Laut- oder Schriftzeichen etc.) des Satzes als Projektion der möglichen Sachlage.

Die Projektionsmethode ist das Denken des Satz-Sinnes.

3.12              Das Zeichen, durch welches wir den Gedanken ausdrücken, nenne ich das Satzzeichen. Und der Satz ist das Satzzeichen in seiner projektiven Beziehung zur Welt.

3.13              Zum Satz gehört alles, was zur Projektion gehört; aber nicht das Projizierte.

Also die Möglichkeit des Projizierten, aber nicht dieses selbst.

Im Satz ist also sein Sinn noch nicht enthalten, wohl aber die Möglichkeit ihn auszudrücken.

(„Der Inhalt des Satzes“ heisst der Inhalt des sinnvollen Sat- zes.)

Im Satz ist die Form seines Sinnes enthalten, aber nicht des- sen Inhalt.

3.14              Das Satzzeichen besteht darin, dass sich seine Elemente, die Wörter, in ihm auf bestimmte Art und Weise zu einander ver- halten.

Das Satzzeichen ist eine Tatsache.

3.141           Der Satz ist kein Wörtergemisch.—(Wie das musikalische The- ma kein Gemisch von Tönen.)

Der Satz ist artikuliert.

3.142          Nur Tatsachen können einen Sinn ausdrücken, eine Klasse von Namen kann es nicht.

3.143          Dass das Satzzeichen eine Tatsache ist, wird durch die gewöhn- liche Ausdrucksform der Schrift oder des Druckes verschleiert.

Denn im gedruckten Satz z. B. sieht das Satzzeichen nicht wesentlich verschieden aus vom Wort.

(So war es möglich, dass Frege den Satz einen zusammenge- setzten Namen nannte.)

3.1431 Sehr klar wird das Wesen des Satzzeichens, wenn wir es uns, statt aus Schriftzeichen, aus räumlichen Gegenständen (etwa Tischen, Stühlen, Büchern) zusammengesetzt denken.

Die gegenseitige räumliche Lage dieser Dinge drückt dann den Sinn des Satzes aus.

3.1432 Nicht: „Das komplexe Zeichen ‚aRb‘ sagt, dass a in der Bezie- hung R zu b steht“, sondern: D a s s „a“ in einer gewissen Bezie- hung zu „b“ steht, sagt, d a s s aRb.

3.144          Sachlagen kann man beschreiben, nicht b e n e n n e n.

(Namen gleichen Punkten, Sätze Pfeilen, sie haben Sinn.)

3.2         Im Satze kann der Gedanke so ausgedrückt sein, dass den Gegen- ständen des Gedankens Elemente des Satzzeichens entsprechen.

3.201           Diese Elemente nenne ich „einfache Zeichen“ und den Satz „voll- ständig analysiert“.

3.202          Die im Satze angewandten einfachen Zeichen heissen Namen.

3.203          Der Name bedeutet den Gegenstand. Der Gegenstand ist seine Bedeutung. („A“ ist dasselbe Zeichen wie „A“.)

3.21               Der Konfiguration der einfachen Zeichen im Satzzeichen ent- spricht die Konfiguration der Gegenstände in der Sachlage.

3.22              Der Name vertritt im Satz den Gegenstand.

3.221 Die Gegenstände kann ich nur n e n n e n. Zeichen vertreten sie. Ich kann nur vo n ihnen sprechen, s i e a u s s p r e ch e n kann ich nicht. Ein Satz kann nur sagen, w i e ein Ding ist, nicht wa s es ist.

3.23               Die Forderung der Möglichkeit der einfachen Zeichen ist die For- derung der Bestimmtheit des Sinnes.

3.24               Der Satz, welcher vom Komplex handelt, steht in interner Be- ziehung zum Satze, der von dessen Bestandteil handelt.

Der Komplex kann nur durch seine Beschreibung gegeben sein, und diese wird stimmen oder nicht stimmen. Der Satz, in welchem von einem Komplex die Rede ist, wird, wenn dieser nicht existiert, nicht unsinnig, sondern einfach falsch sein.

Dass ein Satzelement einen Komplex bezeichnet, kann man aus einer Unbestimmtheit in den Sätzen sehen, worin es vor- kommt. Wir w i s s e n, durch diesen Satz ist noch nicht alles bestimmt. (Die Allgemeinheitsbezeichnung e nt h ä l t ja ein Ur- bild.)

Die Zusammenfassung des Symbols eines Komplexes in ein einfaches Symbol kann durch eine Definition ausgedrückt wer- den.


3.25               Es gibt eine und nur eine vollständige Analyse des Satzes.

3.251      Der Satz drückt auf bestimmte, klar angebbare Weise aus, was er ausdrückt: Der Satz ist artikuliert.

3.26       Der Name ist durch keine Definition weiter zu zergliedern: er ist ein Urzeichen.

3.261           Jedes definierte Zeichen bezeichnet ü b e r jene Zeichen, durch welche es definiert wurde; und die Definitionen weisen den Weg.

Zwei Zeichen, ein Urzeichen, und ein durch Urzeichen de- finiertes, können nicht auf dieselbe Art und Weise bezeichnen. Namen ka n n man nicht durch Definitionen auseinanderlegen. (Kein Zeichen, welches allein, selbständig eine Bedeutung hat.)

3.262          Was in den Zeichen nicht zum Ausdruck kommt, das zeigt ih- re Anwendung. Was die Zeichen verschlucken, das spricht ihre Anwendung aus.

3.263          Die Bedeutungen von Urzeichen können durch Erläuterungen erklärt werden. Erläuterungen sind Sätze, welche die Urzeichen enthalten. Sie können also nur verstanden werden, wenn die Be- deutungen dieser Zeichen bereits bekannt sind.

3.3   Nur der Satz hat Sinn; nur im Zusammenhange des Satzes hat ein Name Bedeutung.

3.31 Jeden Teil des Satzes, der seinen Sinn charakterisiert, nenne ich einen Ausdruck (ein Symbol).

(Der Satz selbst ist ein Ausdruck.)

Ausdruck ist alles, für den Sinn des Satzes wesentliche, was Sätze miteinander gemein haben können.

Der Ausdruck kennzeichnet eine Form und einen Inhalt.

3.311           Der Ausdruck setzt die Formen aller Sätze voraus, in welchen er vorkommen kann. Er ist das gemeinsame charakteristische Merkmal einer Klasse von Sätzen.

3.312          Er wird also dargestellt durch die allgemeine Form der Sätze, die er charakterisiert.

Und zwar wird in dieser Form der Ausdruck ko n s t a nt und alles übrige va r i a b e l sein.

3.313          Der Ausdruck wird also durch eine Variable dargestellt, deren Werte die Sätze sind, die den Ausdruck enthalten.

(Im Grenzfall wird die Variable zur Konstanten, der Aus- druck zum Satz.)

Ich nenne eine solche Variable „Satzvariable“.

3.314          Der Ausdruck hat nur im Satz Bedeutung. Jede Variable lässt sich als Satzvariable auffassen.

(Auch der variable Name.)

3.315          Verwandeln wir einen Bestandteil eines Satzes in eine Variable, so gibt es eine Klasse von Sätzen, welche sämtlich Werte des so entstandenen variablen Satzes sind. Diese Klasse hängt im allgemeinen noch davon ab, was wir, nach willkürlicher Über- einkunft, mit Teilen jenes Satzes meinen. Verwandeln wir aber alle jene Zeichen, deren Bedeutung willkürlich bestimmt wurde, in Variable, so gibt es nun noch immer eine solche Klasse. Die- se aber ist nun von keiner Übereinkunft abhängig, sondern nur noch von der Natur des Satzes. Sie entspricht einer logischen Form—einem logischen Urbild.

3.316          Welche Werte die Satzvariable annehmen darf, wird festgesetzt. Die Festsetzung der Werte i s t die Variable.

3.317           Die Festsetzung der Werte der Satzvariablen ist die A n g a b e d e r S ä t z e, deren gemeinsames Merkmal die Variable ist.

Die Festsetzung ist eine Beschreibung dieser Sätze.

Die Festsetzung wird also nur von Symbolen, nicht von deren Bedeutung handeln.

Und nu r dies ist der Festsetzung wesentlich, d a s s s i e nu r e i n e B e s ch r e i b u n g vo n  S y mb o l e n i s t u n d n i cht s ü b e r d a s B e z e i ch n e t e a u s s a g t.

Wie die Beschreibung der Sätze geschieht, ist unwesentlich.

3.318          Den Satz fasse ich—wie Frege und Russell—als Funktion der in ihm enthaltenen Ausdrücke auf.

3.32 Das Zeichen ist das sinnlich Wahrnehmbare am Symbol.

3.321           Zwei verschiedene Symbole können also das Zeichen (Schrift- zeichen oder Lautzeichen etc.) miteinander gemein haben—sie bezeichnen dann auf verschiedene Art und Weise.

3.322          Es kann nie das gemeinsame Merkmal zweier Gegenstände an- zeigen, dass wir sie mit demselben Zeichen, aber durch zwei verschiedene B e z e i ch nu n g s we i s e n bezeichnen. Denn das Zeichen ist ja willkürlich. Man könnte also auch zwei verschiedene Zeichen wählen, und wo bliebe dann das Gemeinsame in der Bezeichnung.

3.323          In der Umgangssprache kommt es ungemein häufig vor, dass dasselbe Wort auf verschiedene Art und Weise bezeichnet—also verschiedenen Symbolen angehört—, oder, dass zwei Wörter, die auf verschiedene Art und Weise bezeichnen, äusserlich in der gleichen Weise im Satze angewandt werden.

So erscheint das Wort „ist“ als Kopula, als Gleichheitszei- chen und als Ausdruck der Existenz; „existieren“ als intransiti- ves Zeitwort wie „gehen“; „identisch“ als Eigenschaftswort; wir reden von E twa s, aber auch davon, dass e twa s geschieht.

(Im Satze „Grün ist grün“—wo das erste Wort ein Perso- nenname, das letzte ein Eigenschaftswort ist—haben diese Wor- te nicht einfach verschiedene Bedeutung, sondern es sind ve r - s ch i e d e n e S y mb o l e.)

3.324          So entstehen leicht die fundamentalsten Verwechslungen (deren die ganze Philosophie voll ist).

3.325          Um diesen Irrtümern zu entgehen, müssen wir eine Zeichen- sprache verwenden, welche sie ausschliesst, indem sie nicht das gleiche Zeichen in verschiedenen Symbolen, und Zeichen, welche auf verschiedene Art bezeichnen, nicht äusserlich auf die gleiche Art verwendet. Eine Zeichensprache also, die der l o g i s ch e n Grammatik—der logischen Syntax—gehorcht.

(Die Begriffsschrift Frege’s und Russell’s ist eine solche Spra- che, die allerdings noch nicht alle Fehler ausschliesst.)

3.326          Um das Symbol am Zeichen zu erkennen, muss man auf den sinnvollen Gebrauch achten.

3.327           Das Zeichen bestimmt erst mit seiner logisch-syntaktischen Ver- wendung zusammen eine logische Form.

3.328          Wird ein Zeichen n i c h t g e b r a u ch t, so ist es bedeutungslos. Das ist der Sinn der Devise Occams.

(Wenn sich alles so verhält als hätte ein Zeichen Bedeutung, dann hat es auch Bedeutung.)

3.33 In der logischen Syntax darf nie die Bedeutung eines Zeichens eine Rolle spielen; sie muss sich aufstellen lassen, ohne dass dabei von der B e d e u t u n g eines Zeichens die Rede wäre, sie darf nu r die Beschreibung der Ausdrücke voraussetzen.

3.331           Von dieser Bemerkung sehen wir in Russell’s „Theory of types“ hinüber: Der Irrtum Russell’s zeigt sich darin, dass er bei der Aufstellung der Zeichenregeln von der Bedeutung der Zeichen reden musste.

3.332          Kein Satz kann etwas über sich selbst aussagen, weil das Satzzei- chen nicht in sich selbst enthalten sein kann, (das ist die ganze „Theory of types“).

3.333          Eine Funktion kann darum nicht ihr eigenes Argument sein, weil das Funktionszeichen bereits das Urbild seines Arguments ent- hält und es sich nicht selbst enthalten kann.

Nehmen wir nämlich an, die Funktion F (fx) könnte ihr ei- genes Argument sein; dann gäbe es also einen Satz: „F (F (fx))“ und in diesem müssen die äussere Funktion F und die innere Funktion F verschiedene Bedeutungen haben, denn die innere hat die Form φ(fx), die äussere, die Form ψ(φ(fx)). Gemein- sam ist den beiden Funktionen nur der Buchstabe „F “, der aber allein nichts bezeichnet.

Dies wird sofort klar, wenn wir statt „F (F (u))“ schreiben „(∃φ) : F (φu) . φu = Fu“.

Hiermit erledigt sich Russell’s Paradox.

3.334          Die Regeln der logischen Syntax müssen sich von selbst verste- hen, wenn man nur weiss, wie ein jedes Zeichen bezeichnet.

3.34 Der Satz besitzt wesentliche und zufällige Züge.

Zufällig sind die Züge, die von der besonderen Art der Her- vorbringung des Satzzeichens herrühren. Wesentlich diejenigen, welche allein den Satz befähigen, seinen Sinn auszudrücken.

3.341           Das Wesentliche am Satz ist also das, was allen Sätzen, welche den gleichen Sinn ausdrücken können, gemeinsam ist.

Und ebenso ist allgemein das Wesentliche am Symbol das, was alle Symbole, die denselben Zweck erfüllen können, gemein- sam haben.

3.3411 Man könnte also sagen: Der eigentliche Name ist das, was alle Symbole, die den Gegenstand bezeichnen, gemeinsam haben. Es würde sich so successive ergeben, dass keinerlei Zusammenset- zung für den Namen wesentlich ist.

3.342          An unseren Notationen ist zwar etwas willkürlich, aber d a s ist nicht willkürlich: Dass, we n n wir etwas willkürlich bestimmt haben, dann etwas anderes der Fall sein muss. (Dies hängt von dem We s e n der Notation ab.)

3.3421 Eine besondere Bezeichnungsweise mag unwichtig sein, aber wichtig ist es immer, dass diese eine m ö g l i ch e Bezeichnungs- weise ist. Und so verhält es sich in der Philosophie überhaupt: Das Einzelne erweist sich immer wieder als unwichtig, aber die Möglichkeit jedes Einzelnen gibt uns einen Aufschluss über das Wesen der Welt.

3.343          Definitionen sind Regeln der Übersetzung von einer Sprache in eine andere. Jede richtige Zeichensprache muss sich in jede an- dere nach solchen Regeln übersetzen lassen: D i e s ist, was sie alle gemeinsam haben.

3.344          Das, was am Symbol bezeichnet, ist das Gemeinsame aller jener Symbole, durch die das erste den Regeln der logischen Syntax zufolge ersetzt werden kann.

  1. Die Decimalzahlen als Nummern der einzelnen Sätze deuten das logische Gewicht der Sätze an, den Nachdruck, der auf ihnen in meiner Darstellung liegt. Die Sätze n.1, n.2, n.3, etc., sind Bemerkungen zum Satze No. n; die Sätze n.m1, n.m2, etc. Bemerkungen zum Satze No. n.m; und so weiter.