Philosophische Untersuchungen: Difference between revisions

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Eine Erklärung dessen, was ich meine, wäre etwa eine Zeichnung und die Worte »So ungefähr hat der Boden ausgesehen«. Ich sage vielleicht auch: »''genau'' so hat er ausgesehen«. – Also waren genau ''diese'' Gräser und Blätter, in diesen Lagen, dort? Nein, das heißt es nicht. Und kein Bild würde ich, in ''diesem'' Sinne, als das genaue anerkennen.
Eine Erklärung dessen, was ich meine, wäre etwa eine Zeichnung und die Worte »So ungefähr hat der Boden ausgesehen«. Ich sage vielleicht auch: »''genau'' so hat er ausgesehen«. – Also waren genau ''diese'' Gräser und Blätter, in diesen Lagen, dort? Nein, das heißt es nicht. Und kein Bild würde ich, in ''diesem'' Sinne, als das genaue anerkennen.


 
{{PU box|Jemand sagt mir: »Zeige den Kindern ein Spiel!« Ich lehre sie, um Geld würfeln, und der Andere sagt mir »Ich habe nicht so ein Spiel gemeint«. Mußte ihm da, als er mir den Befehl gab, der Ausschluß des Würfelspiels vorschweben?}}
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Jemand sagt mir: »Zeige den Kindern ein Spiel!« Ich lehre sie, um Geld würfeln, und der Andere sagt mir »Ich habe nicht so ein Spiel gemeint«. Mußte ihm da, als er mir den Befehl gab, der Ausschluß des Würfelspiels vorschweben?
 
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{{ParPU|151}} Nun gibt es aber auch ''diese'' Verwendung des Wortes »wissen«: wir sagen »Jetzt weiß ich’s!« – und ebenso »Jetzt kann ich’s!« und »Jetzt versteh ich’s!«
{{ParPU|151}} Nun gibt es aber auch ''diese'' Verwendung des Wortes »wissen«: wir sagen »Jetzt weiß ich’s!« – und ebenso »Jetzt kann ich’s!« und »Jetzt versteh ich’s!«


Stellen wir uns dieses Beispiel vor: A schreibt Reihen von Zahlen an; B sieht ihm zu und trachtet, in der Zahlenfolge ein Gesetz zu finden. Ist es ihm gelungen, so ruft er: »Jetzt kann ich fortsetzen!« –– Diese Fähigkeit, dieses Verstehen ist also etwas, was in einem Augenblick eintritt. Schauen wir also nach: Was ist es, was hier eintritt? – A habe die Zahlen 1, 5, 11, 19, 29 hingeschrieben; da sagt B, jetzt wisse er weiter. Was geschah da? Es konnte verschiedenerlei geschehen sein; z.B.: Während A langsam eine Zahl nach der andern hinsetzte, ist B damit beschäftigt, verschiedene algebraische Formeln an den angeschriebenen Zahlen zu versuchen. Als A die Zahl 19 geschrieben hatte, versuchte B die Formel an = n2 + n – 1; die nächste Zahl bestätigte seine Annahme. ###
Stellen wir uns dieses Beispiel vor: A schreibt Reihen von Zahlen an; B sieht ihm zu und trachtet, in der Zahlenfolge ein Gesetz zu finden. Ist es ihm gelungen, so ruft er: »Jetzt kann ich fortsetzen!« –– Diese Fähigkeit, dieses Verstehen ist also etwas, was in einem Augenblick eintritt. Schauen wir also nach: Was ist es, was hier eintritt? – A habe die Zahlen 1, 5, 11, 19, 29 hingeschrieben; da sagt B, jetzt wisse er weiter. Was geschah da? Es konnte verschiedenerlei geschehen sein; z.B.: Während A langsam eine Zahl nach der andern hinsetzte, ist B damit beschäftigt, verschiedene algebraische Formeln an den angeschriebenen Zahlen zu versuchen. Als A die Zahl 19 geschrieben hatte, versuchte B die Formel a<sub>n</sub> = + n – 1; die nächste Zahl bestätigte seine Annahme.


Oder aber: B denkt nicht an Formeln. Er sieht mit einem gewissen Gefühl der Spannung zu, wie A seine Zahlen hinschreibt; dabei schwimmen ihm allerlei unklare Gedanken im Kopf. Endlich fragt er sich »Was ist die Reihe der Differenzen?« Er findet: 4, 6, 8, 10 und sagt: Jetzt kann ich weiter.
Oder aber: B denkt nicht an Formeln. Er sieht mit einem gewissen Gefühl der Spannung zu, wie A seine Zahlen hinschreibt; dabei schwimmen ihm allerlei unklare Gedanken im Kopf. Endlich fragt er sich »Was ist die Reihe der Differenzen?« Er findet: 4, 6, 8, 10 und sagt: Jetzt kann ich weiter.
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{{ParPU|152}} Aber sind denn diese Vorgänge, die ich da beschrieben habe, das ''Verstehen''? »B versteht das System der Reihe« heißt doch nicht einfach: B fällt die Formel »an =&nbsp;....« ein! Denn es ist sehr wohl denkbar, daß ihm die Formel einfällt und er doch nicht versteht. »Er versteht« muß mehr beinhalten als: ihm fällt die Formel ein. Und ebenso auch mehr, als irgendeiner jener, mehr oder weniger charakteristischen, ''Begleitvorgänge'', oder Äußerungen, des Verstehens. ###
{{ParPU|152}} Aber sind denn diese Vorgänge, die ich da beschrieben habe, das ''Verstehen''? »B versteht das System der Reihe« heißt doch nicht einfach: B fällt die Formel »a<sub>n</sub> =&nbsp;....« ein! Denn es ist sehr wohl denkbar, daß ihm die Formel einfällt und er doch nicht versteht. »Er versteht« muß mehr beinhalten als: ihm fällt die Formel ein. Und ebenso auch mehr, als irgendeiner jener, mehr oder weniger charakteristischen, ''Begleitvorgänge'', oder Äußerungen, des Verstehens.




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{{ParPU|165}} Aber lesen – möchten wir sagen – ist doch ein ganz bestimmter Vorgang! Lies eine Druckseite, dann kannst du’s sehen; es geht da etwas Besonderes vor und etwas höchst Charakteristisches. –– Nun, was geht denn vor, wenn ich den Druck lese! Ich sehe gedruckte Wörter und spreche Wörter aus. Aber das ist natürlich nicht alles; denn ich könnte gedruckte Wörter sehen und Wörter aussprechen, und es wäre doch nicht Lesen. Auch dann nicht, wenn die Wörter, die ich spreche, die sind, die man zufolge einem bestehenden Alphabet, von jenen gedruckten ablesen ''soll''. – Und wenn du sagst, das Lesen sei ein bestimmtes Erlebnis, so spielt es ja gar keine Rolle, ob du nach einer von Menschen allgemein anerkannten Regel des Alphabets liest, oder nicht. – Worin besteht also das Charakteristische am Erlebnis des Lesens? – Da möchte ich sagen: »Die Worte, die ich ausspreche, ''kommen'' in besonderer Weise.« Nämlich sie kommen nicht so, wie sie kämen, wenn ich sie z.B. ersänne. – Sie kommen von selbst. – Aber auch das ist nicht genug; denn es können mir ja Wortklänge ''einfallen'', während ich auf die gedruckten Worte schaue, und ich habe damit diese doch nicht gelesen. – Da könnte ich noch sagen, daß mir die gesprochenen Wörter auch nicht so einfallen, als erinnerte mich, z.B., etwas an sie. Ich möchte z.B. nicht sagen: das Druckwort »nichts« erinnert mich immer an den Laut »nichts«. – Sondern die gesprochenen Wörter schlüpfen beim Lesen gleichsam herein. Ja, ich kann ein deutsches gedrucktes Wort gar nicht ansehen, ohne einen eigentümlichen Vorgang des Innern Hörens des Wortklangs.  
{{ParPU|165}} Aber lesen – möchten wir sagen – ist doch ein ganz bestimmter Vorgang! Lies eine Druckseite, dann kannst du’s sehen; es geht da etwas Besonderes vor und etwas höchst Charakteristisches. –– Nun, was geht denn vor, wenn ich den Druck lese! Ich sehe gedruckte Wörter und spreche Wörter aus. Aber das ist natürlich nicht alles; denn ich könnte gedruckte Wörter sehen und Wörter aussprechen, und es wäre doch nicht Lesen. Auch dann nicht, wenn die Wörter, die ich spreche, die sind, die man zufolge einem bestehenden Alphabet, von jenen gedruckten ablesen ''soll''. – Und wenn du sagst, das Lesen sei ein bestimmtes Erlebnis, so spielt es ja gar keine Rolle, ob du nach einer von Menschen allgemein anerkannten Regel des Alphabets liest, oder nicht. – Worin besteht also das Charakteristische am Erlebnis des Lesens? – Da möchte ich sagen: »Die Worte, die ich ausspreche, ''kommen'' in besonderer Weise.« Nämlich sie kommen nicht so, wie sie kämen, wenn ich sie z.B. ersänne. – Sie kommen von selbst. – Aber auch das ist nicht genug; denn es können mir ja Wortklänge ''einfallen'', während ich auf die gedruckten Worte schaue, und ich habe damit diese doch nicht gelesen. – Da könnte ich noch sagen, daß mir die gesprochenen Wörter auch nicht so einfallen, als erinnerte mich, z.B., etwas an sie. Ich möchte z.B. nicht sagen: das Druckwort »nichts« erinnert mich immer an den Laut »nichts«. – Sondern die gesprochenen Wörter schlüpfen beim Lesen gleichsam herein. Ja, ich kann ein deutsches gedrucktes Wort gar nicht ansehen, ohne einen eigentümlichen Vorgang des Innern Hörens des Wortklangs.  


{{PU box|Die Grammatik des Ausdrucks: »Eine ganz bestimmte« (Atmosphäre).


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Man sagt »Dieses Gesicht hat einen ganz ''bestimmten'' Ausdruck«, und sucht etwa nach Worten, die ihn charakterisieren. }}
 
Die Grammatik des Ausdrucks: »Eine ganz bestimmte« (Atmosphäre).
 
Man sagt »Dieses Gesicht hat einen ganz ''bestimmten'' Ausdruck«, und sucht etwa nach Worten, die ihn charakterisieren.  
 
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{{ParPU|167}} Was ist nun an dem Satz, das Lesen sei doch ›ein ganz bestimmter Vorgang‹? Das heißt doch wohl, beim Lesen finde immer ''ein'' bestimmter Vorgang statt, den wir wiedererkennen. – Aber wenn ich nun einmal einen Satz im Druck lese und ein andermal nach Morsezeichen schreibe, – findet hier wirklich der gleiche seelische Vorgang statt? –– Dahingegen ist aber freilich eine Gleichförmigkeit in dem Erlebnis des Lesens einer Druckseite. Denn der Vorgang ist ja ein gleichförmiger. Und es ist ja leicht verständlich, daß sich dieser Vorgang unterscheidet von dem etwa, sich Wörter beim Anblick beliebiger Striche einfallen zu lassen. – Denn schon der bloße Anblick einer gedruckten Zeile ist ja ungemein charakteristisch, d.h., ein ganz spezielles Bild: Die Buchstaben alle von ungefähr der gleichen Größe, auch der Gestalt nach[1] verwandt, immer wiederkehrend; die Wörter, die zum großen Teil sich ständig wiederholen und uns unendlich wohlvertraut sind, ganz wie wohlvertraute Gesichter. – Denke an das Unbehagen, das wir empfinden, wenn die Rechtschreibung eines Wortes geändert wird. (Und an die noch tieferen Gefühle, die Fragen der Schreibung von Wörtern aufgeregt haben.) Freilich, nicht jede Zeichenform hat sich uns ''tief'' eingeprägt. Ein Zeichen z. B. in der Algebra der Logik kann durch ein beliebiges anderes ersetzt werden, ohne daß tiefe Gefühle in uns aufgeregt würden. –  
{{ParPU|167}} Was ist nun an dem Satz, das Lesen sei doch ›ein ganz bestimmter Vorgang‹? Das heißt doch wohl, beim Lesen finde immer ''ein'' bestimmter Vorgang statt, den wir wiedererkennen. – Aber wenn ich nun einmal einen Satz im Druck lese und ein andermal nach Morsezeichen schreibe, – findet hier wirklich der gleiche seelische Vorgang statt? –– Dahingegen ist aber freilich eine Gleichförmigkeit in dem Erlebnis des Lesens einer Druckseite. Denn der Vorgang ist ja ein gleichförmiger. Und es ist ja leicht verständlich, daß sich dieser Vorgang unterscheidet von dem etwa, sich Wörter beim Anblick beliebiger Striche einfallen zu lassen. – Denn schon der bloße Anblick einer gedruckten Zeile ist ja ungemein charakteristisch, d.h., ein ganz spezielles Bild: Die Buchstaben alle von ungefähr der gleichen Größe, auch der Gestalt nach<!-- “Nah” sarebbe una lezione più verosimile?--> verwandt, immer wiederkehrend; die Wörter, die zum großen Teil sich ständig wiederholen und uns unendlich wohlvertraut sind, ganz wie wohlvertraute Gesichter. – Denke an das Unbehagen, das wir empfinden, wenn die Rechtschreibung eines Wortes geändert wird. (Und an die noch tieferen Gefühle, die Fragen der Schreibung von Wörtern aufgeregt haben.) Freilich, nicht jede Zeichenform hat sich uns ''tief'' eingeprägt. Ein Zeichen z. B. in der Algebra der Logik kann durch ein beliebiges anderes ersetzt werden, ohne daß tiefe Gefühle in uns aufgeregt würden. –  


Bedenke, daß das gesehene Wortbild uns in ähnlichem Grade vertraut ist wie das gehörte.  
Bedenke, daß das gesehene Wortbild uns in ähnlichem Grade vertraut ist wie das gehörte.  
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{{ParPU|169}} Aber empfinden wir nicht, wenn wir lesen, eine Art Verursachung unseres Sprechens durch die Wortbilder? –– Lies einen Satz! – und nun schau der Reihe ###
{{ParPU|169}} Aber empfinden wir nicht, wenn wir lesen, eine Art Verursachung unseres Sprechens durch die Wortbilder? –– Lies einen Satz! – und nun schau der Reihe
 
 
&8§≠  §≠?ß   +%  8!’§*


<p style=text-align: center;">&8§≠  §≠?ß   +%  8!’§*</p>


entlang und sprich dabei einen Satz. Ist es nicht fühlbar, daß im ersten Fall das Sprechen mit dem Anblick der Zeichen ''verbunden'' war und im zweiten ohne Verbindung neben dem Sehen der Zeichen herläuft?
entlang und sprich dabei einen Satz. Ist es nicht fühlbar, daß im ersten Fall das Sprechen mit dem Anblick der Zeichen ''verbunden'' war und im zweiten ohne Verbindung neben dem Sehen der Zeichen herläuft?
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{{ParPU|185}} Gehen wir nun zu unserm Beispiel (143) zurück. Der Schüler beherrscht jetzt – nach den gewöhnlichen Kriterien beurteilt – die Grundzahlenreihe. Wir lehren ihn, nun auch andere Reihen von Kardinalzahlen anschreiben und bringen ihn dahin, daß er z.B. auf Befehle von der Form »+ n« Reihen der Form ###
{{ParPU|185}} Gehen wir nun zu unserm Beispiel (143) zurück. Der Schüler beherrscht jetzt – nach den gewöhnlichen Kriterien beurteilt – die Grundzahlenreihe. Wir lehren ihn, nun auch andere Reihen von Kardinalzahlen anschreiben und bringen ihn dahin, daß er z.B. auf Befehle von der Form »+ n« Reihen der Form
 
 
0, ''n'', 2''n'', 3''n'', etc.


<p style="text-align: center;">0, n, 2n, 3n, etc.</p>


anschreibt; auf den Befehl »+1« also die Grundzahlenreihe. – Wir hätten unsre Übungen und Stichproben seines Verständnisses im Zahlenraum bis 1000 gemacht.
anschreibt; auf den Befehl »+1« also die Grundzahlenreihe. – Wir hätten unsre Übungen und Stichproben seines Verständnisses im Zahlenraum bis 1000 gemacht.
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{{ParPU|190}} Man kann nun sagen: »Wie die Formel gemeint wird, das bestimmt, welche Übergänge zu machen sind.« Was ist das Kriterium dafür, wie die Formel gemeint ist? Etwa die Art und Weise, wie wir sie ständig gebrauchen, wie uns gelehrt wurde, sie zu gebrauchen.
{{ParPU|190}} Man kann nun sagen: »Wie die Formel gemeint wird, das bestimmt, welche Übergänge zu machen sind.« Was ist das Kriterium dafür, wie die Formel gemeint ist? Etwa die Art und Weise, wie wir sie ständig gebrauchen, wie uns gelehrt wurde, sie zu gebrauchen.


Wir sagen z.B. Einem, der ein uns unbekanntes Zeichen gebraucht: »Wenn du mit ›x!2‹ meinst x2, so erhältst du ''diesen'' Wert für y, wenn du 2x damit meinst, ''jenen''.« – Frage dich nun: Wie macht man es, mit »x!2« das eine, oder das andere ''meinen''?###
Wir sagen z.B. Einem, der ein uns unbekanntes Zeichen gebraucht: »Wenn du mit ›x!2‹ meinst , so erhältst du ''diesen'' Wert für y, wenn du 2x damit meinst, ''jenen''.« – Frage dich nun: Wie macht man es, mit »x!2« das eine, oder das andere ''meinen''?


''So'' kann also das Meinen die Übergänge zum Voraus bestimmen.  
''So'' kann also das Meinen die Übergänge zum Voraus bestimmen.  
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{{ParPU|200}} Es ist natürlich denkbar, daß in einem Volke, das Spiele nicht kennt, zwei Leute sich an ein Schachbrett setzen und die Züge einer Schachpartie ausführen; ja auch mit allen seelischen Begleiterscheinungen. Und sähen ''wir'' dies, so würden wir sagen, sie spielten Schach. Aber nun denk dir eine Schachpartie nach gewissen Regeln in eine Reihe von Handlungen übersetzt, die wir nicht gewöhnt sind, mit einem ''Spiel'' zu assoziieren, – etwa ein Ausstoßen von Schreien und Stampfen mit den Füßen. Und jene Beiden sollen nun, statt die uns geläufige Form des Schach zu spielen, schreien und stampfen; und zwar so, daß diese Vorgänge sich nach geeigneten Regeln in eine Schachpartie übersetzen ließen. Wären wir nun noch geneigt, zu sagen, sie spielten ein Spiel; und mit welchem Recht könnte man das sagen?  
{{ParPU|200}} Es ist natürlich denkbar, daß in einem Volke, das Spiele nicht kennt, zwei Leute sich an ein Schachbrett setzen und die Züge einer Schachpartie ausführen; ja auch mit allen seelischen Begleiterscheinungen. Und sähen ''wir'' dies, so würden wir sagen, sie spielten Schach. Aber nun denk dir eine Schachpartie nach gewissen Regeln in eine Reihe von Handlungen übersetzt, die wir nicht gewöhnt sind, mit einem ''Spiel'' zu assoziieren, – etwa ein Ausstoßen von Schreien und Stampfen mit den Füßen. Und jene Beiden sollen nun, statt die uns geläufige Form des Schach zu spielen, schreien und stampfen; und zwar so, daß diese Vorgänge sich nach geeigneten Regeln in eine Schachpartie übersetzen ließen. Wären wir nun noch geneigt, zu sagen, sie spielten ein Spiel; und mit welchem Recht könnte man das sagen?  
----[1] “Nah” sarebbe una lezione più verosimile?###
 


{{ParPU|201}} Unser Paradox war dies: eine Regel könnte keine Handlungsweise bestimmen, da jede Handlungsweise mit der Regel in Übereinstimmung zu bringen sei. Die Antwort war: Ist jede mit der Regel in Übereinstimmung zu bringen, dann auch zum Widerspruch. Daher gäbe es hier weder Übereinstimmung noch Widerspruch.
{{ParPU|201}} Unser Paradox war dies: eine Regel könnte keine Handlungsweise bestimmen, da jede Handlungsweise mit der Regel in Übereinstimmung zu bringen sei. Die Antwort war: Ist jede mit der Regel in Übereinstimmung zu bringen, dann auch zum Widerspruch. Daher gäbe es hier weder Übereinstimmung noch Widerspruch.
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{{ParPU|208}} So erkläre ich also, was »Befehl« und was »Regel« heißt, durch »Regelmäßigkeit«? – Wie erkläre ich jemandem die Bedeutung von »regelmäßig«, »gleichförmig«, »gleich«? – Einem der, sagen wir, nur Französisch spricht, werde ich diese Wörter durch die entsprechenden französischen erklären. Wer aber diese ''Begriffe'' noch nicht besitzt, den werde ich die Worte durch ''Beispiele'' und durch ''Übung'' gebrauchen lehren. – Und dabei teile ich ihm nicht weniger mit, als ich selber weiß.
{{ParPU|208}} So erkläre ich also, was »Befehl« und was »Regel« heißt, durch »Regelmäßigkeit«? – Wie erkläre ich jemandem die Bedeutung von »regelmäßig«, »gleichförmig«, »gleich«? – Einem der, sagen wir, nur Französisch spricht, werde ich diese Wörter durch die entsprechenden französischen erklären. Wer aber diese ''Begriffe'' noch nicht besitzt, den werde ich die Worte durch ''Beispiele'' und durch ''Übung'' gebrauchen lehren. – Und dabei teile ich ihm nicht weniger mit, als ich selber weiß.


Ich werde ihm also in diesem Unterricht gleiche Farben, gleiche Längen, gleiche Figuren zeigen, ihn sie finden und herstellen lassen, usw. Ich werde ihn etwa dazu anleiten, Reihenornamente auf einen Befehl hin ›gleichmäßig‹ fortzusetzen. – Und auch dazu, Progressionen fortzusetzen. Also etwa auf . .. ... so fortzufahren: .... ..... ......&nbsp;.###
Ich werde ihm also in diesem Unterricht gleiche Farben, gleiche Längen, gleiche Figuren zeigen, ihn sie finden und herstellen lassen, usw. Ich werde ihn etwa dazu anleiten, Reihenornamente auf einen Befehl hin ›gleichmäßig‹ fortzusetzen. – Und auch dazu, Progressionen fortzusetzen. Also etwa auf . .. ... so fortzufahren: {{nowrap|....}} {{nowrap|.....}} {{nowrap|......}}&nbsp;.


Ich mach’s ihm vor, er macht es mir nach; und ich beeinflusse ihn durch Äußerungen der Zustimmung, der Ablehnung, der Erwartung, der Aufmunterung. Ich lasse ihn gewähren, oder halte ihn zurück; usw.
Ich mach’s ihm vor, er macht es mir nach; und ich beeinflusse ihn durch Äußerungen der Zustimmung, der Ablehnung, der Erwartung, der Aufmunterung. Ich lasse ihn gewähren, oder halte ihn zurück; usw.
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{{ParPU|513}} Betrachte diese Ausdrucksform: »Mein Buch hat soviel Seiten, wie eine Lösung der Gleichung x<sup>3</sup> + 2x – 3 = 0 beträgt.« Oder: »Die Zahl meiner Freunde ist n und n<sup>2</sup> + 2n + 2 = 0.« Hat dieser Satz Sinn? Es ist ihm unmittelbar nicht anzukennen. Man sieht an diesem Beispiel, wie es zugehen kann, daß etwas aussieht wie ein Satz, den wir verstehen, was doch keinen Sinn ergibt. ###
{{ParPU|513}} Betrachte diese Ausdrucksform: »Mein Buch hat soviel Seiten, wie eine Lösung der Gleichung {{nowrap|x³ + 2x – 3 = 0}} beträgt.« Oder: »Die Zahl meiner Freunde ist n und {{nowrap|n² + 2n + 2 = 0}}.« Hat dieser Satz Sinn? Es ist ihm unmittelbar nicht anzukennen. Man sieht an diesem Beispiel, wie es zugehen kann, daß etwas aussieht wie ein Satz, den wir verstehen, was doch keinen Sinn ergibt.


(Dies wirft ein Licht auf den Begriff ›Verstehen‹ und ›Meinen‹.)  
(Dies wirft ein Licht auf den Begriff ›Verstehen‹ und ›Meinen‹.)  
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c) Mit den beiden Verneinungen verbinden wir verschiedene Vorstellungen. »X« dreht gleichsam den Sinn um 180 Grad. Und ''darum'' bringen zwei solche Verneinungen den Sinn in seine alte Lage zurück. »Y« ist wie ein Kopfschütteln. Und wie man nicht ein Kopfschütteln durch ein zweites aufhebt, so auch nicht ein »Y« durch ein zweites. Und wenn also auch Sätze mit den beiden Verneinungen praktisch aufs selbe hinauskommen, so drücken »X« und »Y« doch verschiedene Ideen aus.  
c) Mit den beiden Verneinungen verbinden wir verschiedene Vorstellungen. »X« dreht gleichsam den Sinn um 180 Grad. Und ''darum'' bringen zwei solche Verneinungen den Sinn in seine alte Lage zurück. »Y« ist wie ein Kopfschütteln. Und wie man nicht ein Kopfschütteln durch ein zweites aufhebt, so auch nicht ein »Y« durch ein zweites. Und wenn also auch Sätze mit den beiden Verneinungen praktisch aufs selbe hinauskommen, so drücken »X« und »Y« doch verschiedene Ideen aus.  


 
{{PU box|a) »Daß drei Verneinungen wieder eine Verneinung ergeben, muß doch schon in der einen Verneinung, die ich jetzt gebrauche, liegen.« (Die Versuchung, einen Mythos des »Bedeutens« zu erfinden.)
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a) »Daß drei Verneinungen wieder eine Verneinung ergeben, muß doch schon in der einen Verneinung, die ich jetzt gebrauche, liegen.« (Die Versuchung, einen Mythos des »Bedeutens« zu erfinden.)


Es hat den Anschein, als würde aus der Natur der Negation folgen, daß eine doppelte Verneinung eine Bejahung ist. (Und etwas Richtiges ist daran. Was? ''Unsere'' Natur hängt mit beiden zusammen.)
Es hat den Anschein, als würde aus der Natur der Negation folgen, daß eine doppelte Verneinung eine Bejahung ist. (Und etwas Richtiges ist daran. Was? ''Unsere'' Natur hängt mit beiden zusammen.)


b) Es kann keine Diskussion darüber geben, ob diese Regeln, oder andere, die richtigen für das Wort »nicht« sind (ich meine, ob sie seiner Bedeutung gemäß sind). Denn das Wort hat ohne diese Regeln noch keine Bedeutung; und wenn wir die Regeln ändern, so hat es nun eine andere Bedeutung (oder keine), und wir können dann ebensogut auch das Wort ändern.  
b) Es kann keine Diskussion darüber geben, ob diese Regeln, oder andere, die richtigen für das Wort »nicht« sind (ich meine, ob sie seiner Bedeutung gemäß sind). Denn das Wort hat ohne diese Regeln noch keine Bedeutung; und wenn wir die Regeln ändern, so hat es nun eine andere Bedeutung (oder keine), und wir können dann ebensogut auch das Wort ändern. }}
 
 
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