Philosophische Untersuchungen: Difference between revisions

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'''495'''. Es ist klar, ich kann durch Erfahrung feststellen, daß ein Mensch (oder Tier) auf ein Zeichen so reagiert, wie ich es will, auf ein anderes nicht. Daß z.B. ein Mensch auf das Zeichen »→« hin nach rechts, auf das Zeichen »←« nach links geht; daß er aber auf das Zeichen »o-|« nicht so reagiert wie auf »←«, etc.
'''495'''. Es ist klar, ich kann durch Erfahrung feststellen, daß ein Mensch (oder Tier) auf ein Zeichen so reagiert, wie ich es will, auf ein anderes nicht. Daß z.B. ein Mensch auf das Zeichen »[[File:Par. 495a.png|50px|link=]]« hin nach rechts, auf das Zeichen »[[File:Par. 495b.png|50px|link=]]« nach links geht; daß er aber auf das Zeichen »[[File:Par. 495c.png|50px|link=]]« nicht so reagiert wie auf »[[File:Par. 495b.png|50px|link=]]«, etc.


Ja, ich brauche gar keinen Fall zu erdichten, und nur den tatsächlichen betrachten, daß ich einen Menschen, der nur Deutsch gelernt hat, nur mit der deutschen Sprache lenken kann. (Denn das Lernen der deutschen Sprache betrachte ich nun als ein Einstellen des Mechanismus auf eine gewisse Art der Beeinflussung; und es kann uns gleich sein, ob der Andre die Sprache gelernt hat, oder vielleicht schon von Geburt so gebaut ist, daß er auf die Sätze der deutschen Sprache so reagiert wie der gewöhnliche Mensch, wenn er Deutsch gelernt hat.)  
Ja, ich brauche gar keinen Fall zu erdichten, und nur den tatsächlichen betrachten, daß ich einen Menschen, der nur Deutsch gelernt hat, nur mit der deutschen Sprache lenken kann. (Denn das Lernen der deutschen Sprache betrachte ich nun als ein Einstellen des Mechanismus auf eine gewisse Art der Beeinflussung; und es kann uns gleich sein, ob der Andre die Sprache gelernt hat, oder vielleicht schon von Geburt so gebaut ist, daß er auf die Sätze der deutschen Sprache so reagiert wie der gewöhnliche Mensch, wenn er Deutsch gelernt hat.)  
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'''600'''. Macht alles, was uns nicht auffällt, den Eindruck der Unauffälligkeit? Macht uns das Gewöhnliche immer den ''Eindruck'' der Gewöhnlichkeit?
'''600'''. Macht alles, was uns nicht auffällt, den Eindruck der Unauffälligkeit? Macht uns das Gewöhnliche immer den ''Eindruck'' der Gewöhnlichkeit?
'''601'''. Wenn ich von diesem Tisch rede, – ''erinnere'' ich mich daran, daß dieser Gegenstand »Tisch« genannt wird?
'''602'''. Wenn man mich fragt »Hast du deinen Schreibtisch wiedererkannt, wie du heute morgens in dein Zimmer getreten bist?« – so würde ich wohl sagen »Gewiß!« Und doch wäre es irreführend, zu sagen, es habe sich da ein Wiedererkennen abgespielt. Der Schreibtisch war mir natürlich nicht fremd; ich war nicht überrascht, ihn zu sehen, wie ich es gewesen wäre, wenn ein Anderer da gestanden hätte, oder ein fremdartiger Gegenstand.
'''603'''. Niemand wird sagen, daß jedesmal, wenn ich in mein Zimmer komme, in die altgewohnte Umgebung, sich ein Wiedererkennen alles dessen, was ich sehe und hundertmal gesehen habe, abspielt.
'''604'''. Von den Vorgängen, die man »Wiedererkennen« nennt, haben wir leicht ein falsches Bild; als bestünde das Wiedererkennen immer darin, daß wir zwei Eindrücke miteinander vergleichen. Es ist, als trüge ich ein Bild eines Gegenstandes bei mir und agnoszierte danach einen Gegenstand als den, welchen das Bild darstellt. Unser Gedächtnis scheint uns so einen Vergleich zu vermitteln, indem es uns ein Bild des früher Gesehenen aufbewahrt, oder uns erlaubt (wie durch ein Rohr) in die Vergangenheit zu blicken.
'''605'''. Und es ist ja nicht so sehr, als vergliche ich den Gegenstand mit einem neben ihm stehenden Bild, sondern als ''deckte'' er sich mit dem Bild. Ich sehe also nur Eins und nicht Zwei.
'''606'''. Wir sagen: »Der Ausdruck seiner Stimme war ''echt''.« War er unecht, so denken wir uns quasi hinter ihm einen anderen stehen. – Er macht nach außen ''dieses'' Gesicht, im Innern aber ein anderes. – Das heißt aber nicht, daß, wenn sein Ausdruck ''echt'' ist, er zwei gleiche Gesichter macht.
((»Ein ganz bestimmter Ausdruck.«))
'''607'''. Wie schätzt man, wieviel Uhr es ist? Ich meine aber nicht, nach äußeren Anhaltspunkten, dem Stand der Sonne, der Helligkeit im Zimmer, u. dergl. – Man fragt sich etwa »Wieviel Uhr kann es sein?«, hält einen Augenblick inne, stellt sich vielleicht das Zifferblatt vor; und dann spricht man eine Zeit aus. – Oder man überlegt sich mehrere Möglichkeiten; man denkt sich ''eine'' Zeit, dann eine andre, und bleibt endlich bei einer stehen. So und ähnlich geht es vor sich. –– Aber ist nicht der Einfall von einem Gefühl der Überzeugung begleitet; und heißt das nicht, daß er nun mit einer inneren Uhr übereinstimmt? – Nein, ich lese die Zeit von keiner Uhr ab; ein Gefühl der Überzeugung ist insofern da, als ich mir ''ohne'' Empfindung des Zweifels, mit Ruhe und Sicherheit, eine Zeit sage. – Aber schnappt nicht etwas bei dieser Zeitangabe ein? – Nichts, das ich wüßte; wenn du nicht das Zur-Ruhe-Kommen der Überlegung, das Stehenbleiben bei einer Zahl so nennst. Ich hätte hier auch nie von einem ›Gefühl der Überzeugung‹ geredet, sondern gesagt: ich habe eine Weile überlegt und mich dann dafür entschieden, daß es viertel sechs ist. – Wonach aber hab ich mich entschieden? Ich hätte vielleicht gesagt: »bloß nach dem Gefühl«; das heißt nur: ich habe es dem Einfall überlassen. –– Aber du mußtest dich doch wenigstens zum Schätzen der Zeit in einen bestimmten Zustand versetzen; und du nimmst doch nicht jede Vorstellung einer Zeitangabe als Angabe der richtigen Zeit! – Wie gesagt: ich hatte ''mich gefragt'' »Wieviel Uhr mag es sein?« D.h., ich habe diese Frage nicht, z.B., in einer Erzählung gelesen; noch sie als Ausspruch eines Andern zitiert; noch mich im Aussprechen dieser Wörter geübt; usf. Nicht unter ''diesen'' Umständen habe ich die Worte gesprochen. – Aber unter ''welchen'' also? – Ich dachte an mein Frühstück und ob es heute spät damit würde. Solcherart waren die Umstände. – Aber siehst du denn wirklich nicht, daß du doch in einem, wenn auch ungreifbaren, für das Schätzen der Zeit charakteristischen Zustand, gleichsam in einer dafür charakteristischen Atmosphäre warst? – Ja, das Charakteristische war, daß ich mich fragte »Wieviel Uhr mag es sein?« – Und hat dieser Satz eine bestimmte Atmosphäre, – wie soll ich sie von ihm selbst trennen können? Es wäre mir nie eingefallen, der Satz hätte einen solchen Dunstkreis, hätte ich nicht daran gedacht, wie man ihn auch anders – als Zitat, im Scherz, als Sprechübung, etc. – sagen könnte. Und ''da'' wollte ich auf einmal sagen, da erschien es mir auf einmal, ich müßte die Worte doch irgendwie besonders ''gemeint'' haben; anders nämlich als in jenen ändern Fällen. Es hatte sich mir das Bild von der besonderen Atmosphäre aufgedrängt; ich sehe sie förmlich vor mir – solange ich nämlich nicht auf das sehe, was nach meiner Erinnerung wirklich gewesen ist.
Und was das Gefühl der Sicherheit anbelangt: so sage ich mir manchmal »Ich bin sicher, es ist .... Uhr«, und in mehr oder weniger sicherem Tonfall, etc. Fragst du nach dem ''Grund'' für diese Sicherheit, so habe ich keinen.
Wenn ich sage: ich lese es auf einer Innern Uhr ab, – so ist das ein Bild, dem nur entspricht, daß ich diese Zeitangabe gemacht habe. Und der Zweck des Bildes ist, diesen Fall dem ändern anzugleichen. Ich sträube mich, die beiden verschiedenen Fälle anzuerkennen.
'''608'''. Von größter Wichtigkeit ist die Idee der Ungreifbarkeit jenes geistigen Zustands beim Schätzen der Zeit. Warum ist er ''ungreifbar''? Ist es nicht, weil wir, was an unserem Zustand greifbar ist, uns weigern, zu dem spezifischen Zustand zu rechnen, den wir postulieren?
'''609'''. Die Beschreibung einer Atmosphäre ist eine spezielle Sprachanwendung, zu speziellen Zwecken.
((Deuten des ›Verstehens‹ als Atmosphäre; als seelischer Akt. Man kann zu allem eine Atmosphäre hinzukonstruieren. ›Ein unbeschreiblicher Charakter‹.))
'''610'''. Beschreib das Aroma des Kaffees! – Warum geht es nicht? Fehlen uns die Worte? Und ''wofür'' fehlen sie uns? – Woher aber der Gedanke, es müsse doch so eine Beschreibung möglich sein? Ist dir so eine Beschreibung je abgegangen? Hast du versucht, das Aroma zu beschreiben, und es ist nicht gelungen?
((Ich möchte sagen: »Diese Töne sagen etwas Herrliches, aber ich weiß nicht was.« Diese Töne sind eine starke Geste, aber ich kann ihr nichts Erklärendes an die Seite stellen. Ein tief ernstes Kopfnicken. James: »Es fehlen uns die Worte«. Warum führen wir sie dann nicht ein? Was müßte der Fall sein, damit wir es könnten?))
'''611'''. »Das Wollen ist auch nur eine Erfahrung«, möchte man sagen (der ›Wille‹ auch nur ›Vorstellung‹). Er kommt, wenn er kommt, und ich kann ihn nicht herbeiführen.
Nicht herbeiführen? – Wie ''was?'' Was kann ich denn herbeiführen? Womit vergleiche ich das Wollen, wenn ich dies sage?
'''612'''. Von der Bewegung meines Armes, z.B., würde ich nicht sagen, sie komme, wenn sie komme, etc. Und hier ist das Gebiet, in welchem wir sinnvoll sagen, daß uns etwas nicht einfach geschieht, sondern daß wir es ''tun''. »Ich brauche nicht abwarten, bis mein Arm sich heben wird, – ich kann ihn heben.« Und hier setze ich die Bewegung meines Arms etwa dem entgegen, daß sich das heftige Klopfen meines Herzens legen wird.
'''613'''. In dem Sinne, in welchem ich überhaupt etwas herbeiführen kann (etwa Magenschmerzen durch Überessen), kann ich auch das Wollen herbeiführen. In diesem Sinne führe ich das Schwimmen-Wollen herbei, indem ich ins Wasser springe. Ich wollte wohl sagen: ich könnte das Wollen nicht wollen; d.h., es hat keinen Sinn, vom Wollen-Wollen zu sprechen. »Wollen« ist nicht der Name für eine Handlung und also auch für keine willkürliche. Und mein falscher Ausdruck kam daher, daß man sich das Wollen als ein unmittelbares, nichtkausales, Herbeiführen denken will. Dieser Idee aber liegt eine irreführende Analogie zu Grunde; der kausale Nexus erscheint durch einen Mechanismus hergestellt, der zwei Maschinenteile verbindet. Die Verbindung kann auslassen, wenn der Mechanismus gestört wird. (Man denkt nur an die Störungen, denen ein Mechanismus normalerweise ausgesetzt ist; nicht daran, daß etwa die Zahnräder plötzlich weich werden, oder einander durchdringen, etc.)
'''614'''. Wenn ich meinen Arm ›willkürlich‹ bewege, so bediene ich mich nicht eines Mittels, die Bewegung herbeizuführen. Auch mein Wunsch ist nicht ein solches Mittel.
'''615'''. »Das Wollen, wenn es nicht eine Art Wünschen sein soll, muß das Handeln selber sein. Es darf nicht vor dem Handeln stehenbleiben.« Ist es das Handeln, so ist es dies im gewöhnlichen Sinne des Worts; also: sprechen, schreiben, gehen, etwas heben, sich etwas vorstellen. Aber auch: trachten, versuchen, sich bemühen, – zu sprechen, zu schreiben, etwas zu heben, sich etwas vorzustellen, etc.
'''616'''. Wenn ich meinen Arm hebe, so habe ich ''nicht'' gewünscht, er möge sich heben. Die willkürliche Handlung schließt diesen Wunsch aus. Man kann allerdings sagen: »Ich hoffe, ich werde den Kreis fehlerlos zeichnen«. Und damit drückt man einen Wunsch aus, die Hand möge sich so und so bewegen.
'''617'''. Wenn wir unsere Finger in besonderer Weise verschränken, so sind wir manchmal nicht im Stande, einen bestimmten Finger auf Befehl zu bewegen, wenn der Befehlende bloß auf den Finger ''zeigt'' – ihn bloß unserm Auge zeigt. Wenn er ihn dagegen berührt, so können wir ihn bewegen. Man möchte diese Erfahrung so beschreiben: wir seien nicht im Stande, den Finger bewegen zu ''wollen''. Der Fall ist ganz verschieden von dem, wenn wir nicht im Stande sind, den Finger zu bewegen, weil ihn etwa jemand festhält. Man wird nun geneigt sein, den ersten Fall so zu beschreiben: man könne für den Willen keinen Angriff finden, ehe der Finger nicht berührt werde. Erst wenn man ihn fühle, könne der Wille wissen, wo er anzugreifen habe. – Aber diese Ausdrucksweise ist irreführend. Man möchte sagen: »Wie soll ich denn wissen, wo ich mit dem Willen anzupacken habe, wenn das Gefühl nicht die Stelle bezeichnet?« Aber wie weiß man denn, wenn das Gefühl da ist, wohin ich den Willen zu lenken habe?
Daß der Finger in diesem Falle gleichsam gelähmt ist, ehe wir eine Berührung in ihm fühlen, das zeigt die Erfahrung; es war aber nicht a priori einzusehen.
'''618'''. Das wollende Subjekt stellt man sich hier als etwas Masseloses (Trägheitsloses) vor; als einen Motor, der in sich selbst keinen Trägheitswiderstand zu überwinden hat. Und also nur Treibendes und nicht Getriebenes ist. D.h.: Man kann sagen »Ich will, aber mein Körper folgt mir nicht« – aber nicht: »Mein Wille folgt mir nicht«. (Augustinus.)
Aber in dem Sinn, in welchem es mir nicht mißlingen kann, zu wollen, kann ich es auch nicht versuchen.
'''619'''. Und man könnte sagen: »Ich kann nur insofern jederzeit ''wollen'', als ich nie versuchen kann, zu wollen.«
'''620'''. ''Tun'' scheint selbst kein Volumen der Erfahrung zu haben. Es scheint wie ein ausdehnungsloser Punkt, die Spitze einer Nadel. Diese Spitze scheint das eigentliche Agens. Und das Geschehen in der Erscheinung nur Folge dieses Tuns. »Ich ''tue''« scheint einen bestimmten Sinn zu haben, abgelöst von jeder Erfahrung.
'''621'''. Aber vergessen wir eines nicht: wenn ›ich meinen Arm hebe‹, hebt sich mein Arm. Und das Problem entsteht: was ist das, was übrigbleibt, wenn ich von der Tatsache, daß ich meinen Arm hebe, die abziehe, daß mein Arm sich hebt?
((Sind nun die kinaesthetischen Empfindungen mein Wollen?))
'''622'''. Wenn ich meinen Arm hebe, ''versuche'' ich meistens nicht, ihn zu heben.
'''623'''. »Ich will unbedingt dieses Haus erreichen.« Wenn aber keine Schwierigkeit da ist, – ''kann'' ich da trachten, unbedingt dies Haus zu erreichen?
'''624'''. Im Laboratorium, unter dem Einfluß elektrischer Ströme etwa, sagt Einer mit geschlossenen Augen »Ich bewege meinen Arm auf und ab« – obgleich sich der Arm nicht bewegt. »Er hat also das besondere Gefühl dieser Bewegung«, sagen wir. – Beweg mit geschlossenen Augen deinen Arm hin und her. Und nun versuch, während du es tust, dir einzureden, der Arm stehe still, und du habest nur gewisse seltsame Empfindungen in Muskeln und Gelenken!
'''625'''. »Wie weißt du, daß du deinen Arm gehoben hast?« – »Ich fühle es.« Was du also wiedererkennst, ist die Empfindung? Und bist du sicher, daß du sie richtig wiedererkennst? – Du bist sicher, daß du deinen Arm gehoben hast; ist nicht dies das Kriterium, das Maß des Wiedererkennens?
'''626'''. »Wenn ich mit einem Stock diesen Gegenstand abtaste, habe ich die Tastempfindung in der Spitze des Stockes, nicht in der Hand, die ihn hält.« Wenn Einer sagt »Ich habe nicht hier in der Hand, sondern im Handgelenk Schmerzen«, so ist die Konsequenz, daß der Arzt das Handgelenk untersucht. Welchen Unterschied macht es aber, ob ich sage, ich fühle die Härte des Gegenstands in der Stockspitze, oder in der Hand? Heißt, was ich sage: »Es ist, als hätte ich Nervenenden in der Stockspitze«? ''Inwiefern'' ist es so? – Nun, ich bin jedenfalls geneigt zu sagen: »Ich fühle die Härte, etc. in der Stockspitze«. Und damit geht zusammen, daß ich beim Abtasten nicht auf meine Hand, sondern auf die Stockspitze sehe; daß ich, was ich fühle, mit den Worten beschreibe »Ich fühle dort etwas Hartes, Rundes« – nicht mit den Worten »Ich fühle einen Druck gegen die Fingerspitzen des Daumens, Mittelfingers und Zeigefingers....« Wenn mich etwa jemand fragt »Was fühlst du jetzt in den Fingern, die die Sonde halten?«, so könnte ich ihm antworten: »Ich weiß nicht –– ich fühle ''dort'' etwas Hartes, Rauhes.«
'''627'''. Betrachte diese Beschreibung einer willkürlichen Handlung: »Ich fasse den Entschluß, um 5 Uhr die Glocke zu ziehen; und wenn es 5 schlägt, macht mein Arm nun diese Bewegung.« – Ist das die richtige Beschreibung, und nicht ''die'': ».... und wenn es 5 schlägt, hebe ich meinen Arm«? –– Die erste Beschreibung möchte man so ergänzen: »und siehe da! mein Arm hebt sich, wenn es 5 schlägt.« Und dies »siehe da« ist gerade, was hier wegfällt. Ich sage ''nicht'': »Sieh, mein Arm hebt sich!« wenn ich ihn hebe.
'''628'''. Man könnte also sagen: die willkürliche Bewegung sei durch die Abwesenheit des Staunens charakterisiert. Und nun will ich nicht, daß man fragt »''Aber warum'' erstaunt man hier nicht?«
'''629'''. Wenn Leute über die Möglichkeit eines Vorherwissens der Zukunft reden, vergessen sie immer die Tatsache des Vorhersagens der willkürlichen Bewegungen.
'''630'''. Betrachte die beiden Sprachspiele:
a) Einer gibt einem Andern den Befehl, bestimmte Armbewegungen zu machen, oder Körperstellungen einzunehmen (Turnlehrer und Schüler). Und eine Variante dieses Sprachspiels ist dies: Der Schüler gibt sich selbst Befehle und führt sie dann aus.
b) Jemand beobachtet gewisse regelmäßige Vorgänge – z.B. die Reaktion verschiedener Metalle auf Säuren – und macht daraufhin Vorhersagen über die Reaktionen, die in bestimmten Fällen eintreten werden.
Es ist zwischen diesen beiden Sprachspielen eine offenbare Verwandtschaft, und auch Grundverschiedenheit. In beiden könnte man die ausgesprochenen Worte »Voraussagen« nennen. Vergleiche aber die Abrichtung, die zu der ersten Technik führt, mit der Abrichtung für die zweite!
'''631'''. »Ich werde jetzt zwei Pulver einnehmen; eine halbe Stunde darauf werde ich erbrechen.« – Es erklärt nichts, wenn ich sage, im ersten Fall sei ich das Agens, im zweiten bloß der Beobachter. Oder: im ersten Falle sähe ich den kausalen Zusammenhang von innen, im zweiten von außen. Und vieles ähnliche.
Es ist auch nicht zur Sache, zu sagen, daß eine Vorhersage der ersten Art so wenig unfehlbar ist wie eine der zweiten Art.
Nicht auf Grund von Beobachtungen meines Verhaltens sagte ich, ich würde jetzt zwei Pulver einnehmen. Die Antezedentien dieses Satzes waren andere. Ich meine die Gedanken, Handlungen etc., die zu ihm hinleiten. Und es ist nur irreführend, zu sagen: »Die einzige wesentliche Voraussetzung deiner Äußerung war eben dein Entschluß.«
'''632'''. Ich will nicht sagen: im Falle der Willensäußerung »Ich werde Pulver einnehmen« sei die Voraussage Ursache – und ihre Erfüllung der Effekt. (Das könnte vielleicht eine physiologische Untersuchung entscheiden.) Soviel aber ist wahr: Wir können häufig aus der Äußerung des Entschlusses die Handlung eines Menschen vorhersagen. Ein wichtiges Sprachspiel.
'''633'''. »Du wurdest früher unterbrochen; weißt du noch, was du sagen wolltest?« – Wenn ich’s nun weiß und es sage – heißt das, daß ich es schon früher gedacht, und nur nicht gesagt hatte? Nein. Es sei denn, daß du die Sicherheit, mit der ich den unterbrochenen Satz weiterführe, als Kriterium dafür nimmst, daß der Gedanke damals bereits fertig war. – Aber es lag freilich schon alles mögliche in der Situation und in meinen Gedanken, das dem Satz weiterhilft.
'''634'''. Wenn ich den unterbrochenen Satz fortsetze und sage, ''so'' hätte ich ihn damals fortsetzen wollen, so ist das ähnlich, wie wenn ich einen Gedankengang nach kurzen Notizen ausführe.
Und ''deute'' ich also diese Notizen nicht? War nur ''eine'' Fortsetzung unter jenen Umständen möglich? Gewiß nicht. Aber ich ''wählte'' nicht unter diesen Deutungen. Ich ''erinnerte'' mich: daß ich das sagen wollte.
'''635'''. »Ich wollte sagen....« – Du erinnerst dich an verschiedene Einzelheiten. Aber sie alle zeigen nicht diese Absicht. Es ist, als wäre das Bild einer Szene aufgenommen worden, aber es sind von ihm nur einige verstreute Einzelheiten zu sehen; hier eine Hand, dort ein Stück eines Gesichts, oder ein Hut, – das übrige ist dunkel. Und nun ist es, als wüßte ich doch ganz gewiß, was das ganze Bild darstellt. Als könnte ich das Dunkel lesen.
'''636'''. Diese ›Einzelheiten‹ sind nicht irrelevant in dem Sinne, in welchem andere Umstände, an die ich mich gleichfalls erinnern kann, es sind. Aber wem ich mitteile »Ich wollte für einen Augenblick sagen....«, der erfährt dadurch diese Einzelheiten nicht und muß sie auch nicht erraten. Er muß z.B. nicht wissen, daß ich schon den Mund zum Sprechen geöffnet hatte. Er ''kann'' sich aber den Vorgang so ›ausmalen‹. (Und diese Fähigkeit gehört zum Verstehen meiner Mitteilung.)
'''637'''. »Ich weiß genau, was ich sagen wollte!« Und doch hatte ich’s nicht gesagt. – Und doch lese ich’s nicht von irgend einem ändern Vorgang ab, der damals stattfand und mir in der Erinnerung ist.
Und ich ''deute'' auch nicht die damalige Situation und ihre Vorgeschichte. Denn ich überlege mir sie nicht und beurteile sie nicht.
'''638'''. Wie kommt es, daß ich dann trotzdem geneigt bin, ein Deuten darin zu sehen, wenn ich sage »Einen Augenblick lang wollte ich ihn betrügen«?
»Wie kannst du sicher sein, daß du einen Augenblick lang ihn betrügen wolltest? Waren nicht deine Handlungen und Gedanken viel zu rudimentär?«
Kann denn die Evidenz nicht zu spärlich sein? Ja, wenn man ihr nachgeht, scheint sie außerordentlich spärlich; aber ist das nicht, weil man die Geschichte dieser Evidenz außer acht läßt? Wenn ich einen Augenblick lang die Absicht hatte, dem Andern Unwohlsein vorzuheucheln, so brauchte es dazu eine Vorgeschichte.
Beschreibt der, der sagt »Für einen Augenblick....« wirklich nur einen momentanen Vorgang?
Aber auch die ganze Geschichte war nicht die Evidenz, auf Grund derer ich sagte »Für einen Augenblick....«
'''639'''. Die Meinung, möchte man sagen, ''entwickelt sich''. Aber auch darin liegt ein Fehler.
'''640'''. »Dieser Gedanke knüpft an Gedanken an, die ich früher einmal gehabt habe.« – Wie tut er das? Durch ein ''Gefühl'' der Anknüpfung? Aber wie kann das Gefühl die Gedanken wirklich verknüpfen? – Das Wort »Gefühl« ist hier sehr irreleitend. Aber es ist manchmal möglich, mit Sicherheit zu sagen »Dieser Gedanke hängt mit jenen früheren zusammen«, ohne daß man doch im Stande ist, den Zusammenhang zu zeigen. Dies gelingt vielleicht später.
'''641'''. »Wenn ich die Worte gesagt hätte ›Ich will ihn jetzt betrügen‹, hätte ich die Absicht nicht gewisser gehabt als so.« – Aber wenn du jene Worte gesagt hättest, mußtest du sie im vollen Ernste gemeint haben? (So ist also der am meisten explizite Ausdruck der Absicht allein keine genügende Evidenz der Absicht.)
'''642'''. »Ich habe ihn in diesem Augenblick gehaßt« – was geschah da? Bestand es nicht in Gedanken, Gefühlen und Handlungen? Und wenn ich mir nun diesen Augenblick vorführte, würde ich ein bestimmtes Gesicht machen, dächte an gewisse Geschehnisse, atmete in bestimmter Weise, brächte in mir gewisse Gefühle hervor. Ich könnte ein Gespräch, eine ganze Szene erdenken, in der dieser Haß zum Aufflammen käme. Und ich könnte diese Szene mit Gefühlen spielen, die denen eines wirklichen Vorfalls nahekämen. Dabei wird mir natürlich helfen, daß ich Ähnliches wirklich durchlebt habe.
'''643'''. Wenn ich mich nun des Vorfalls schäme, schäme ich mich des Ganzen: der Worte, des giftigen Tones, usw.
'''644'''. »Ich schäme mich nicht dessen, was ich damals tat, sondern der Absicht, die ich hatte.« – Und lag die Absicht nicht ''auch'' in dem, was ich tat? Was rechtfertigt die Scham? Die ganze Geschichte des Vorfalls.
'''645'''. »Einen Augenblick lang wollte ich....« D.h., ich hatte ein bestimmtes Gefühl, inneres Erlebnis; und ich erinnere mich dran. –– Und nun erinnere dich ''recht genau''! Da scheint das ›innere Erlebnis‹ des Wollens wieder zu verschwinden. Stattdessen erinnert man sich an Gedanken, Gefühle, Bewegungen, auch an Zusammenhänge mit früheren Situationen.
Es ist, als hätte man die Einstellung eines Mikroskops verändert, und was jetzt im Brennpunkt liegt, sah man früher nicht.
'''646'''. »Nun, das zeigt nur, daß du dein Mikroskop falsch eingestellt hast. Du solltest eine bestimmte Schicht des Präparats anschaun, und siehst nun eine andere.«
Daran ist etwas richtig. Aber nimm an, ich erinnere mich (mit einer bestimmten Einstellung der Linsen) an ''eine'' Empfindung; wie darf ich sagen, daß sie das ist, was ich die »Absicht« nenne? Es könnte sein, daß ein bestimmter Kitzel (z.B.) jede meiner Absichten begleitete.
'''647'''. Was ist der natürliche Ausdruck einer Absicht? – Sieh eine Katze an, wenn sie sich an einen Vogel heranschleicht; oder ein Tier, wenn es entfliehen will.
((Verbindung mit Sätzen über Empfindungen.))
'''648'''. »Ich erinnere mich nicht mehr an meine Worte, aber ich erinnere mich genau an meine Absicht; ich wollte ihn mit meinen Worten beruhigen.« Was ''zeigt'' mir meine Erinnerung; was führt sie mir vor die Seele? Nun, wenn sie nichts täte, als mir diese Worte einzugeben! und vielleicht noch andere, die die Situation noch genauer ausmalen. – (»Ich erinnere mich nicht mehr meiner Worte, aber wohl an den Geist meiner Worte.«)
'''649'''. »So kann also der gewisse Erinnerungen nicht haben, der keine Sprache gelernt hat?« Freilich, – er kann keine sprachlichen Erinnerungen, sprachlichen Wünsche oder Befürchtungen, etc. haben. Und Erinnerungen, etc., in der Sprache sind ja nicht bloß die fadenscheinigen Darstellungen der ''eigentlichen'' Erlebnisse; ist denn das Sprachliche kein Erlebnis?
'''650'''. Wir sagen, der Hund fürchtet, sein Herr werde ihn schlagen; aber nicht: er fürchte, sein Herr werde ihn morgen schlagen. Warum nicht?
'''651'''. »Ich erinnere mich, ich wäre damals gerne noch länger geblieben.« – Welches Bild dieses Verlangens tritt mir vor die Seele? Gar keins. Was ich in der Erinnerung vor mir sehe, läßt keinen Schluß auf meine Gefühle zu. Und doch erinnere ich mich ganz deutlich daran, daß sie vorhanden waren.
'''652'''. »Er maß ihn mit feindseligem Blick und sagte ....« Der Leser der Erzählung versteht dies; er hat keinen Zweifel in seiner Seele. Nun sagst du: »Wohl, er denkt sich die Bedeutung hinzu, er errät sie.« – Im allgemeinen: Nein. Im allgemeinen denkt er sich nichts hinzu, errät nichts. – Es ist aber auch möglich, daß der feindselige Blick und die Worte sich später als Verstellung erweisen, oder daß der Leser im Zweifel darüber erhalten wird, ob sie es sind oder nicht, und daß er also wirklich auf eine mögliche Deutung rät. – Aber dann rät er vor allem auf einen Zusammenhang. Er sagt sich etwa: die Beiden, die hier so feindlich tun, sind in Wirklichkeit Freunde, etc. etc.
((»Wenn du den Satz verstehen willst, mußt du dir die seelische Bedeutung, die Seelenzustände, dazu vorstellen.«))
'''653'''. Denk dir diesen Fall: Ich sage Einem, ich sei einen gewissen Weg gegangen, einem Plan gemäß, den ich zuvor angefertigt habe. Ich zeige ihm darauf diesen Plan, und er besteht aus Strichen auf einem Papier; aber ich kann nicht erklären, inwiefern diese Striche der Plan meiner Wanderung sind, dem Andern keine Regel sagen, wie der Plan zu deuten ist. Wohl aber bin ich jener Zeichnung mit allen charakteristischen Anzeichen des Kartenlesens nachgegangen. Ich könnte so eine Zeichnung einen ›privaten‹ Plan nennen; oder die Erscheinung, die ich beschrieben habe: »einem privaten Plan folgen«. (Aber dieser Ausdruck wäre natürlich sehr leicht mißzuverstehen.)
Könnte ich nun sagen: »Daß ich damals so und so handeln wollte, lese ich gleichsam wie von einem Plan ab, obgleich kein Plan da ist«? Aber das heißt doch nichts anderes als: ''Ich bin jetzt geneigt zu sagen'': »Ich lese die Absicht, so zu handeln, in gewissen Seelenzuständen, an die ich mich erinnere.«
'''654'''. Unser Fehler ist, dort nach einer Erklärung zu suchen, wo wir die Tatsachen als ›Urphänomene‹ sehen sollten. D. h., wo wir sagen sollten: ''dieses Sprachspiel wird gespielt''.
'''655'''. Nicht um die Erklärung eines Sprachspiels durch unsre Erlebnisse handelt sich’s, sondern um die Feststellung eines Sprachspiels.
'''656'''. ''Wozu'' sage ich jemandem, ich hätte früher den und den Wunsch gehabt? – Sieh auf das Sprachspiel als das ''Primäre''! Und auf die Gefühle, etc. als auf eine Betrachtungsweise, eine Deutung, des Sprachspiels!
Man könnte fragen: Wie ist der Mensch je dahin gekommen, eine sprachliche Äußerung zu machen, die wir »Berichten eines vergangenen Wunsches«, oder einer vergangenen Absicht, nennen?
'''657'''. Denken wir uns, diese Äußerung nehme immer die Form an: »Ich sagte mir: ›wenn ich nur länger bleiben könnte!‹« Der Zweck einer solchen Mitteilung könnte sein, den Andern meine Reaktionen kennen zu lehren. (Vergleiche die Grammatik von »meinen« und »vouloir dire«.)
'''658'''. Denk, wir drückten die Absicht eines Menschen immer so aus, indem wir sagen: »Er sagte gleichsam zu sich selbst ›Ich will....‹« – Das ist das Bild. Und nun will ich wissen: Wie verwendet man den Ausdruck »etwas gleichsam zu sich selbst sagen«? Denn er bedeutet nicht: etwas zu sich selbst sagen.
'''659'''. Warum will ich ihm außer dem, was ich tat, auch noch eine Intention mitteilen? – Nicht, weil die Intention auch noch etwas war, was damals vor sich ging. Sondern, weil ich ihm etwas über ''mich'' mitteilen will, was über das hinausgeht, was damals geschah.
Ich erschließe ihm mein Inneres, wenn ich sage, was ich tun wollte. – Nicht aber auf Grund einer Selbstbeobachtung, sondern durch eine Reaktion (man könnte es auch eine Intuition nennen).
'''660'''. Die Grammatik des Ausdrucks »Ich wollte damals sagen....« ist verwandt der des Ausdrucks »Ich hätte damals fortsetzen können«.
Im einen Fall die Erinnerung an eine Absicht, im ändern, an ein Verstehen.
'''661'''. Ich erinnere mich, ''ihn'' gemeint zu haben. Erinnere ich mich eines Vorgangs oder Zustands? – Wann fing er an; wie verlief er; etc.?
'''662'''. In einer nur um weniges verschiedenen Situation hätte er, statt stumm mit dem Finger zu winken, jemandem gesagt: »Sag dem N., er soll zu mir kommen«. Man kann nun sagen, die Worte »Ich wollte, N. solle zu mir kommen« beschreiben den damaligen Zustand meiner Seele, und kann es auch wieder ''nicht'' sagen.
'''663'''. Wenn ich sage »Ich meinte ''ihn''«, da mag mir wohl ein Bild vorschweben, etwa davon, wie ich ihn ansah, etc.; aber das Bild ist nur wie eine Illustration zu einer Geschichte. Aus ihr allein wäre meistens gar nichts zu erschließen; erst wenn man die Geschichte kennt, weiß man, was es mit dem Bild soll.
'''664'''. Man könnte im Gebrauch eines Worts eine ›Oberflächengrammatik‹ von einer ›Tiefengrammatik‹ unterscheiden. Das, was sich uns am Gebrauch eines Worts unmittelbar einprägt, ist seine Verwendungsweise im ''Satzbau'', der Teil seines Gebrauches – könnte man sagen – den man mit dem Ohr erfassen kann. –– Und nun vergleiche die Tiefengrammatik, des Wortes »meinen« etwa, mit dem, was seine Oberflächengrammatik uns würde vermuten lassen. Kein Wunder, wenn man es schwer findet, sich auszukennen.
'''665'''. Denke, jemand zeigte mit dem Gesichtsausdruck des Schmerzes auf seine Wange und sagte dabei »abrakadabra!« – Wir fragen »Was meinst du?« Und er antwortet »Ich meine damit Zahnschmerzen.« – Du denkst dir sofort: Wie kann man denn mit diesem Wort ›Zahnschmerzen ''meinen''‹? Oder was ''hieß'' es denn: Schmerzen mit dem Wort ''meinen?'' Und doch hättest du, in anderem Zusammenhang, behauptet, daß die geistige Tätigkeit, das und das zu ''meinen'', gerade das Wichtigste beim Gebrauch der Sprache sei.
Aber wie, – kann ich denn nicht sagen »Mit ›abrakadabra‹ meine ich Zahnschmerzen«? Freilich; aber das ist eine Definition; nicht eine Beschreibung dessen, was in mir beim Aussprechen des Wortes vorgeht.
'''666'''. Denke, du habest Schmerzen und zugleich hörst du, wie nebenan Klavier gestimmt wird. Du sagst: »Es wird bald aufhören.« Es ist doch wohl ein Unterschied, ob du den Schmerz meinst, oder das Klavierstimmen! – Freilich; aber worin besteht dieser Unterschied? Ich gebe zu: es wird in vielen Fällen der Meinung eine Richtung der Aufmerksamkeit entsprechen, sowie auch oft ein Blick, eine Geste, oder ein Schließen der Augen, das man ein »Nach-Innen-Blicken« nennen könnte.
'''667'''. Denke, es simuliert Einer Schmerzen und sagt nun: »Es wird bald nachlassen«. Kann man nicht sagen, er meine den Schmerz? und doch konzentriert er seine Aufmerksamkeit auf keinen Schmerz. – Und wie, wenn ich endlich sage »Er hat schon aufgehört«?
'''668'''. Aber kann man nicht auch so lügen, indem man sagt »Es wird bald aufhören« und den Schmerz meint, – aber auf die Frage »Was hast du gemeint?« zur Antwort gibt: »Den Lärm im Nebenzimmer«? In Fällen dieser Art sagt man etwa: »Ich wollte antworten...., habe mir’s aber überlegt und geantwortet....«
'''669'''. Man kann sich beim Sprechen auf einen Gegenstand beziehen, indem man auf ihn zeigt. Das Zeigen ist hier ein Teil des Sprachspiels. Und nun kommt es uns vor, als spreche man von einer Empfindung dadurch, daß man seine Aufmerksamkeit beim Sprechen auf sie richtet. Aber wo ist die Analogie? Sie liegt offenbar darin, daß man durch ''Schauen'' und ''Horchen'' auf etwas zeigen kann.
Aber auch auf den Gegenstand ''zeigen'', von dem man spricht, kann ja für das Sprachspiel, für den Gedanken, unter Umständen ganz unwesentlich sein.
'''670'''. Denk, du telephonierst jemandem und sagst ihm: »Dieser Tisch ist zu hoch«, wobei du mit dem Finger auf den Tisch zeigst. Welche Rolle spielt hier das Zeigen? Kann ich sagen: ich ''meine'' den betreffenden Tisch, indem ich auf ihn zeige? Wozu dieses Zeigen, und wozu diese Worte und was sonst sie begleiten mag?
'''671'''. Und worauf zeige ich denn durch die innere Tätigkeit des Horchens? Auf den Laut, der mir zu Ohren kommt, und auf die Stille, wenn ich ''nichts'' höre?
Das Horchen ''sucht'' gleichsam einen Gehörseindruck und kann daher auf ihn nicht zeigen, sondern nur auf den ''Ort'', wo es ihn sucht.
'''672'''. Wenn die rezeptive Einstellung ein ›Hinweisen‹ auf etwas genannt wird, – dann nicht auf die Empfindung, die wir dadurch erhalten.
'''673'''. Die geistige Einstellung ›''begleitet''‹ das Wort nicht in demselben Sinne, wie eine Gebärde es begleitet. (Ähnlich, wie Einer allein reisen kann, und doch von meinen Wünschen begleitet, und wie ein Raum leer sein kann und doch vom Licht durchflossen.)
'''674'''. Sagt man z.B.: »Ich habe jetzt eigentlich nicht meinen Schmerz gemeint; ich habe nicht genügend auf ihn Acht gegeben«? Frage ich mich etwa: »Was habe ich denn jetzt mit diesem Wort gemeint? meine Aufmerksamkeit war zwischen meinem Schmerz und dem Lärm geteilt – «?
'''675'''. »Sag mir, was ist in dir vorgegangen, als du die Worte …. aussprachst?« – Darauf ist die Antwort nicht »Ich habe gemeint ....«!
'''676'''. »Ich meinte mit dem Wort ''dies''« ist eine Mitteilung, die anders verwendet wird als die einer Affektion der Seele.
'''677'''. Anderseits: »Als du vorhin fluchtest, hast du es wirklich gemeint?« Dies heißt etwa soviel wie: »Warst du dabei wirklich ärgerlich?« – Und die Antwort kann auf Grund einer Introspektion gegeben werden, und ist oft von der Art: »Ich habe es nicht sehr ernst gemeint«, »Ich habe es halb im Scherz gemeint« etc. Hier gibt es Gradunterschiede.
Und man sagt allerdings auch: »Ich habe bei diesem Wort halb und halb an ihn gedacht.«
'''678'''. Worin besteht dieses Meinen (der Schmerzen oder des Klavierstimmens)? Es kommt keine Antwort – denn die Antworten, die sich uns auf den ersten Blick anbieten, taugen nicht. – »Und doch ''meinte'' ich damals das eine und nicht das andre.« Ja, – nun hast du nur einen Satz mit Emphase wiederholt, dem ja niemand widersprochen hat.
'''679'''. »Kannst du aber zweifeln, daß du ''das'' meintest?« – Nein; aber sicher sein, es wissen, kann ich auch nicht.
'''680'''. Wenn du mir sagst, du habest geflucht und dabei den N. gemeint, so wird es mir gleichgültig sein, ob du dabei sein Bild angeschaut, ob du dir ihn vorgestellt hast, seinen Namen aussprachst, etc. Die Schlüsse aus dem Faktum, die mich interessieren, haben damit nichts zu tun. Anderseits aber könnte es sein, daß Einer mir erklärt, der Fluch sei nur dann ''wirksam'', wenn man sich den Menschen klar vorstellt, oder seinen Namen laut ausspricht. Aber man würde nicht sagen: »Es kommt darauf an, wie der Fluchende sein Opfer ''meint''.«
'''681'''. Man fragt natürlich auch nicht: »Bist du sicher, daß du ''ihn'' verflucht hast, daß die Verbindung mit ihm hergestellt war?«
So ist also wohl diese Verbindung sehr leicht herzustellen, daß man ihrer so sicher sein kann?! Wissen kann, daß sie nicht daneben geht. – Nun, kann es mir passieren, daß ich an den ''Einen'' schreiben will und tatsächlich an den Andern schreibe? und wie könnte das geschehen?
'''682'''. »Du sagtest ›Es wird bald aufhören‹. – Hast du an den Lärm gedacht, oder an deine Schmerzen?« Wenn er nun antwortet »Ich habe ans Klavierstimmen gedacht« – konstatiert er, es habe diese Verbindung bestanden, oder schlägt er sie mit diesen Worten? – Kann ich nicht ''beides'' sagen? Wenn, was er sagte, wahr war, bestand da nicht jene Verbindung – und schlägt er nicht dennoch eine, die nicht bestand?
'''683'''. Ich zeichne einen Kopf. Du fragst »Wen soll das vorstellen?« – Ich: »Das soll N. sein.« – Du: »Es sieht ihm aber nicht ähnlich; eher noch dem M.« – Als ich sagte, es stelle den N. vor, – machte ich einen Zusammenhang, oder berichtete ich von einem? Welcher Zusammenhang hatte denn bestanden?
'''684'''. Was ist dafür zu sagen, daß meine Worte einen Zusammenhang, der bestanden hat, beschreiben? Nun, sie beziehen sich auf Verschiedenes, was nicht erst mit ihnen in die Erscheinung trat. Sie sagen, z.B., daß ich damals eine bestimmte Antwort gegeben ''hätte'', wenn ich gefragt worden wäre. Und wenn dies auch nur konditional ist, so sagt es doch etwas über die Vergangenheit.
'''685'''. »Suche den A« heißt nicht »Suche den B«; aber ich mag, indem ich die beiden Befehle befolge, genau das gleiche tun.
Zu sagen, es müsse dabei etwas anderes geschehen, wäre ähnlich, als sagte man: die Sätze »Heute ist mein Geburtstag« und »Am 26. April ist mein Geburtstag« müßten sich auf verschiedene Tage beziehen, da ihr Sinn nicht der gleiche sei.
'''686'''. »Freilich habe ich den B gemeint; ich habe gar nicht an A gedacht!«
»Ich wollte, B sollte zu mir kommen, damit ....« – Alles dies deutet auf einen größern Zusammenhang.
'''687'''. Statt »Ich habe ihn gemeint« kann man freilich manchmal sagen »Ich habe an ihn gedacht«; manchmal auch »Ja, wir haben von ihm geredet«. Also frag dich, worin es besteht ›von ihm reden‹!
'''688'''. Man kann unter Umständen sagen: »Als ich sprach, empfand ich, ich sagte es ''dir''.« Aber das würde ich nicht sagen, wenn ich ohnehin mit dir sprach.
'''689'''. »Ich denke an N.« »Ich rede von N.«
Wie rede ich von ihm? Ich sage etwa »Ich muß heute N. besuchen.« –– Aber das ist doch nicht genug! Mit »N.« könnte ich doch verschiedene Personen meinen, die diesen Namen haben. – »Also muß noch eine andere Verbindung meiner Rede mit dem N. bestehen, denn sonst hätte ich ''doch'' nicht IHN gemeint.«
Gewiß, eine solche Verbindung besteht. Nur nicht, wie du sie dir vorstellst: nämlich durch einen geistigen ''Mechanismus''.
(Man vergleicht »ihn meinen« mit »auf ihn zielen«.)
'''690'''. Wie, wenn ich einmal eine scheinbar unschuldige Bemerkung mache und sie mit einem verstohlenen Seitenblick auf jemand begleite; ein andermal, vor mich niedersehend, offen über einen Anwesenden rede, indem ich seinen Namen nenne, – denke ich wirklich ''eigens'' an ihn, wenn ich seinen Namen gebrauche?
'''691'''. Wenn ich das Gesicht des N. nach dem Gedächtnis für mich hinzeichne, so kann man doch sagen, ich ''meine'' ihn mit meiner Zeichnung. Aber von welchem Vorgang, der während des Zeichnens stattfindet (oder vor- oder nachher) könnte ich sagen, er wäre das Meinen?
Denn man möchte natürlich sagen: als er ihn meinte, habe er auf ihn gezielt. Wie aber macht das Einer, wenn er sich das Gesicht des Andern in die Erinnerung ruft?
Ich meine, wie ruft er sich IHN ins Gedächtnis?
''Wie ruft er ihn?''
'''692'''. Ist es richtig, wenn Einer sagt: »Als ich dir diese Regel gab, meinte ich, du solltest in diesem Falle....«? Auch wenn er, als er die Regel gab, an diesen Fall gar nicht dachte? Freilich ist es richtig. »Es meinen« hieß eben nicht: daran denken. Die Frage ist nun aber: Wie haben wir zu beurteilen, ob Einer dies gemeint hat? – Daß er z.B. eine bestimmte Technik der Arithmetik und Algebra beherrschte und dem Andern den gewöhnlichen Unterricht im Entwickeln einer Reihe gab, ist so ein Kriterium.
'''693'''. »Wenn ich Einen die Bildung der Reihe .... lehre, meine ich doch, er solle an der hundertsten Stelle .... schreiben.« – Ganz richtig: du meinst es. Und offenbar, ohne notwendigerweise auch nur daran zu denken. Das zeigt dir, wie verschieden die Grammatik des Zeitworts »meinen« von der des Zeitworts »denken« ist. Und nichts Verkehrteres, als Meinen eine geistige Tätigkeit nennen! Wenn man nämlich nicht darauf ausgeht, Verwirrung zu erzeugen. (Man könnte auch von einer Tätigkeit der Butter reden, wenn sie im Preise steigt; und wenn dadurch keine Probleme erzeugt werden, so ist es harmlos.)