Philosophische Untersuchungen: Difference between revisions

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{{ParPU|3}} Augustinus beschreibt, könnten wir sagen, ein System der Verständigung; nur ist nicht alles, was wir Sprache nennen, dieses System. Und das muß man in so manchen Fällen sagen, wo sich die Frage erhebt: »Ist diese Darstellung brauchbar, oder unbrauchbar?« Die Antwort ist dann: »Ja, brauchbar; aber nur für dieses eng umschriebene Gebiet, nicht für das Ganze, das du darzustellen vorgabst.«
{{ParPU|3}} Augustinus beschreibt, könnten wir sagen, ein System der Verständigung; nur ist nicht alles, was wir Sprache nennen, dieses System. Und das muß man in so manchen Fällen sagen, wo sich die Frage erhebt: »Ist diese Darstellung brauchbar, oder unbrauchbar?« Die Antwort ist dann: »Ja, brauchbar; aber nur für dieses eng umschriebene Gebiet, nicht für das Ganze, das du darzustellen vorgabst.«


Es ist, als erklärte jemand: »Spielen besteht darin, daß man Dinge, gewissen Regeln gemäß, auf einer Fläche verschiebt...« – und wir ihm antworten: Du scheinst an die Brettspiele zu denken; aber das sind nicht alle Spiele. Du kannst deine Erklärung richtigstellen, indem du sie ausdrücklich auf diese Spiele einschränkst.
Es ist, als erklärte jemand: »Spielen besteht darin, daß man Dinge, gewissen Regeln gemäß, auf einer Fläche verschiebt .....« – und wir ihm antworten: Du scheinst an die Brettspiele zu denken; aber das sind nicht alle Spiele. Du kannst deine Erklärung richtigstellen, indem du sie ausdrücklich auf diese Spiele einschränkst.




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{{ParPU|9}} Wenn das Kind diese Sprache lernt, muß es die Reihe der ›Zahlwörter‹ a, b, c, ... auswendiglernen. Und es muß ihren Gebrauch lernen. – Wird in diesem Unterricht auch ein hinweisendes Lehren der Wörter vorkommen? – Nun, es wird z.B. auf Platten gewiesen und gezählt werden: »a, b, c Platten«. – Mehr Ähnlichkeit mit dem hinweisenden Lehren der Wörter »Würfel«, »Säule«, etc. hätte das hinweisende Lehren von Zahlwörtern, die nicht zum Zählen dienen, sondern zur Bezeichnung mit dem Auge erfassbarer Gruppen von Dingen. So lernen ja Kinder den ''Gebrauch'' der ersten fünf oder sechs Grundzahlwörter.
{{ParPU|9}} Wenn das Kind diese Sprache lernt, muß es die Reihe der ›Zahlwörter‹ a, b, c, ... auswendiglernen. Und es muß ihren Gebrauch lernen. – Wird in diesem Unterricht auch ein hinweisendes Lehren der Wörter vorkommen? – Nun, es wird z.B. auf Platten gewiesen und gezählt werden: »a, b, c Platten«. – Mehr Ähnlichkeit mit dem hinweisenden Lehren der Wörter »Würfel«, »Säule«, etc. hätte das hinweisende Lehren von Zahlwörtern, die nicht zum Zählen dienen, sondern zur Bezeichnung mit dem Auge erfassbarer Gruppen von Dingen. So lernen ja Kinder den ''Gebrauch'' der ersten fünf oder sechs Grundzahlwörter.


Wird auch »dorthin« und »dieses« hinweisend gelehrt? – Stell dir vor, wie man ihren Gebrauch etwa lehren könnte! Es wird dabei auf Örter und Dinge gezeigt werden, – aber hier geschieht ja dieses Zeigen auch im ''Gebrauch'' der Wörter und nicht nur beim Lernen des Gebrauchs. –
Wird auch »dorthin« und »dieses« hinweisend gelehrt? – Stell dir vor, wie man ihren Gebrauch etwa lehren könnte! Es wird dabei auf Örter und Dinge gezeigt werden, – aber hier geschieht ja dieses Zeigen auch im ''Gebrauch'' der Wörter und nicht nur beim Lernen des Gebrauchs. –
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{{ParPU|10}} Was ''bezeichnen'' nun die Wörter dieser Sprache? – Was sie bezeichnen, wie soll ich das zeigen, es sei denn in der Art ihres Gebrauchs? Und den haben wir ja beschrieben. Der Ausdruck »dieses Wort bezeichnet ''das''« müßte also ein Teil dieser Beschreibung werden. Oder: die Beschreibung soll auf die Form gebracht werden: »Das Wort.... bezeichnet....«.
{{ParPU|10}} Was ''bezeichnen'' nun die Wörter dieser Sprache? – Was sie bezeichnen, wie soll ich das zeigen, es sei denn in der Art ihres Gebrauchs? Und den haben wir ja beschrieben. Der Ausdruck »dieses Wort bezeichnet ''das''« müßte also ein Teil dieser Beschreibung werden. Oder: die Beschreibung soll auf die Form gebracht werden: »Das Wort .... bezeichnet ....«.


Nun, man kann ja die Beschreibung des Gebrauchs des Wortes »Platte« dahin abkürzen, daß man sagt, dieses Wort bezeichne diesen Gegenstand. Das wird man tun, wenn es sich z.B. nurmehr darum handelt, das Mißverständnis zu beseitigen, das Wort »Platte« beziehe sich auf die Bausteinform, die wir tatsächlich »Würfel« nennen, – die Art und Weise dieses ›''Bezugs''‹ aber, d.h. der Gebrauch dieser Worte im übrigen, bekannt ist.
Nun, man kann ja die Beschreibung des Gebrauchs des Wortes »Platte« dahin abkürzen, daß man sagt, dieses Wort bezeichne diesen Gegenstand. Das wird man tun, wenn es sich z.B. nurmehr darum handelt, das Mißverständnis zu beseitigen, das Wort »Platte« beziehe sich auf die Bausteinform, die wir tatsächlich »Würfel« nennen, – die Art und Weise dieses ›''Bezugs''‹ aber, d.h. der Gebrauch dieser Worte im übrigen, bekannt ist.
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{{ParPU|22}} Freges Ansicht, daß in einer Behauptung eine Annahme steckt, die dasjenige ist, was behauptet wird, basiert eigentlich auf der Möglichkeit, die es in unserer Sprache gibt, jeden Behauptungssatz in der Form zu schreiben »Es wird behauptet, daß das und das der Fall ist.« – Aber »Daß das und das der Fall ist«, ist eben in unsrer Sprache kein Satz – es ist noch kein ''Zug'' im Sprachspiel. Und schreibe ich statt »Es wird behauptet, daß ...« »Es wird behauptet: das und das ist der Fall«, dann sind hier die Worte »Es wird behauptet« eben überflüssig.
{{ParPU|22}} Freges Ansicht, daß in einer Behauptung eine Annahme steckt, die dasjenige ist, was behauptet wird, basiert eigentlich auf der Möglichkeit, die es in unserer Sprache gibt, jeden Behauptungssatz in der Form zu schreiben »Es wird behauptet, daß das und das der Fall ist.« – Aber »Daß das und das der Fall ist«, ist eben in unsrer Sprache kein Satz – es ist noch kein ''Zug'' im Sprachspiel. Und schreibe ich statt »Es wird behauptet, daß ...« »Es wird behauptet: das und das ist der Fall«, dann sind hier die Worte »Es wird behauptet« eben überflüssig.


Wir könnten sehr gut auch jede Behauptung in der Form einer Frage mit nachgesetzter Bejahung schreiben; etwa: »Regnet es? Ja!« Würde das zeigen, daß in jeder Behauptung eine Frage steckt?
Wir könnten sehr gut auch jede Behauptung in der Form einer Frage mit nachgesetzter Bejahung schreiben; etwa: »Regnet es? Ja!« Würde das zeigen, daß in jeder Behauptung eine Frage steckt?
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{{ParPU|24}} Wem die Mannigfaltigkeit der Sprachspiele nicht vor Augen ist, der wird etwa zu den Fragen geneigt sein, wie dieser: »Was ist eine Frage?« – Ist es die Feststellung, daß ich das und das nicht weiß, oder die Feststellung, daß ich wünsche, der Andre möchte mir sagen....? Oder ist es die Beschreibung meines seelischen Zustandes der Ungewißheit? – Und ist der Ruf »Hilfe!« so eine Beschreibung?
{{ParPU|24}} Wem die Mannigfaltigkeit der Sprachspiele nicht vor Augen ist, der wird etwa zu den Fragen geneigt sein, wie dieser: »Was ist eine Frage?« – Ist es die Feststellung, daß ich das und das nicht weiß, oder die Feststellung, daß ich wünsche, der Andre möchte mir sagen ....? Oder ist es die Beschreibung meines seelischen Zustandes der Ungewißheit? – Und ist der Ruf »Hilfe!« so eine Beschreibung?


Denke daran, wieviel Verschiedenartiges »Beschreibung« genannt wird: Beschreibung der Lage eines Körpers durch seine Koordinaten; Beschreibung eines Gesichtsausdrucks; Beschreibung einer Tastempfindung; einer Stimmung.
Denke daran, wieviel Verschiedenartiges »Beschreibung« genannt wird: Beschreibung der Lage eines Körpers durch seine Koordinaten; Beschreibung eines Gesichtsausdrucks; Beschreibung einer Tastempfindung; einer Stimmung.


Man kann freilich statt der gewöhnlichen Form der Frage die der Feststellung, oder Beschreibung setzen: »Ich will wissen, ob,...«, oder »Ich bin im Zweifel, ob,...« – aber damit hat man die verschiedenen Sprachspiele einander nicht näher gebracht.
Man kann freilich statt der gewöhnlichen Form der Frage die der Feststellung, oder Beschreibung setzen: »Ich will wissen, ob, ....«, oder »Ich bin im Zweifel, ob, ....« – aber damit hat man die verschiedenen Sprachspiele einander nicht näher gebracht.


Die Bedeutsamkeit solcher Umformungsmöglichkeiten, z.B. aller Behauptungssätze in Sätze, die mit der Klausel »Ich denke«, oder »Ich glaube« anfangen (also sozusagen in Beschreibungen ''meines'' Innenlebens) wird sich an anderer Stelle deutlicher zeigen. (Solipsismus.)
Die Bedeutsamkeit solcher Umformungsmöglichkeiten, z.B. aller Behauptungssätze in Sätze, die mit der Klausel »Ich denke«, oder »Ich glaube« anfangen (also sozusagen in Beschreibungen ''meines'' Innenlebens) wird sich an anderer Stelle deutlicher zeigen. (Solipsismus.)
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Bist du nun noch geneigt, diese Wörter »Benennungen von Gegenständen« zu nennen?
Bist du nun noch geneigt, diese Wörter »Benennungen von Gegenständen« zu nennen?


In den Sprachen (2) und (8) gab es ein Fragen nach der Benennung nicht. Dies und sein Korrelat, die hinweisende Erklärung, ist, wie wir sagen könnten, ein eigenes Sprachspiel. Das heißt eigentlich: wir werden erzogen, abgerichtet dazu, zu fragen: »Wie heißt das?« – worauf dann das Benennen erfolgt. Und es gibt auch ein Sprachspiel: Für etwas einen Namen erfinden. Also, zu sagen: »Das heißt....«, und nun den neuen Namen zu verwenden. (So benennen Kinder z.B. ihre Puppen und reden dann von ihnen, und zu ihnen. Dabei bedenke gleich, wie eigenartig der Gebrauch des Personennamens ist, mit welchem wir den Benannten ''rufen''!)
In den Sprachen (2) und (8) gab es ein Fragen nach der Benennung nicht. Dies und sein Korrelat, die hinweisende Erklärung, ist, wie wir sagen könnten, ein eigenes Sprachspiel. Das heißt eigentlich: wir werden erzogen, abgerichtet dazu, zu fragen: »Wie heißt das?« – worauf dann das Benennen erfolgt. Und es gibt auch ein Sprachspiel: Für etwas einen Namen erfinden. Also, zu sagen: »Das heißt ....«, und nun den neuen Namen zu verwenden. (So benennen Kinder z.B. ihre Puppen und reden dann von ihnen, und zu ihnen. Dabei bedenke gleich, wie eigenartig der Gebrauch des Personennamens ist, mit welchem wir den Benannten ''rufen''!)




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»Siehst du dort das blaue Buch? Bring es her.«
»Siehst du dort das blaue Buch? Bring es her.«


»Dieses blaue Lichtsignal bedeutet....«
»Dieses blaue Lichtsignal bedeutet ....«


»Wie heißt nur dieses Blau? – ist es ›Indigo‹?«
»Wie heißt nur dieses Blau? – ist es ›Indigo‹?«
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{{ParPU|34}} Aber nimm an, Einer sagte: »Ich tue immer das Gleiche, wenn ich meine Aufmerksamkeit auf die Form richte: ich folge der Kontur mit den Augen und fühle dabei...«. Und nimm an, dieser gibt einem Andern die hinweisende Erklärung »Das heißt ›Kreis‹«, indem er, mit all diesen Erlebnissen, auf einen kreisförmigen Gegenstand zeigt –– kann der Andre die Erklärung nicht dennoch anders deuten, auch wenn er sieht, daß der Erklärende der Form mit den Augen folgt, und auch wenn er fühlt, was der Erklärende fühlt? Das heißt: diese ›Deutung‹ kann auch darin bestehen, wie er nun von dem erklärten Wort Gebrauch macht, z.B., worauf er zeigt, wenn er den Befehl erhält »Zeige auf einen Kreis!«. – Denn weder der Ausdruck »die Erklärung so und so meinen«, noch der, »die Erklärung so und so deuten«, bezeichnen einen Vorgang, der das Geben und Hören der Erklärung begleitet.
{{ParPU|34}} Aber nimm an, Einer sagte: »Ich tue immer das Gleiche, wenn ich meine Aufmerksamkeit auf die Form richte: ich folge der Kontur mit den Augen und fühle dabei ....«. Und nimm an, dieser gibt einem Andern die hinweisende Erklärung »Das heißt ›Kreis‹«, indem er, mit all diesen Erlebnissen, auf einen kreisförmigen Gegenstand zeigt –– kann der Andre die Erklärung nicht dennoch anders deuten, auch wenn er sieht, daß der Erklärende der Form mit den Augen folgt, und auch wenn er fühlt, was der Erklärende fühlt? Das heißt: diese ›Deutung‹ kann auch darin bestehen, wie er nun von dem erklärten Wort Gebrauch macht, z.B., worauf er zeigt, wenn er den Befehl erhält »Zeige auf einen Kreis!«. – Denn weder der Ausdruck »die Erklärung so und so meinen«, noch der, »die Erklärung so und so deuten«, bezeichnen einen Vorgang, der das Geben und Hören der Erklärung begleitet.




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{{ParPU|38}} Was benennt aber z.B. das Wort »dieses« im Sprachspiel (8), oder das Wort »das« in der hinweisenden Erklärung »Das heißt....«? – Wenn man keine Verwirrung anrichten will, so ist es am besten, man sagt gar nicht, daß diese Wörter etwas benennen. – Und merkwürdigerweise wurde von dem Worte »dieses« einmal gesagt, es sei der ''eigentliche'' Name. Alles, was wir sonst »Name« nennen, sei dies also nur in einem ungenauen, angenäherten Sinn.
{{ParPU|38}} Was benennt aber z.B. das Wort »dieses« im Sprachspiel (8), oder das Wort »das« in der hinweisenden Erklärung »Das heißt ....«? – Wenn man keine Verwirrung anrichten will, so ist es am besten, man sagt gar nicht, daß diese Wörter etwas benennen. – Und merkwürdigerweise wurde von dem Worte »dieses« einmal gesagt, es sei der ''eigentliche'' Name. Alles, was wir sonst »Name« nennen, sei dies also nur in einem ungenauen, angenäherten Sinn.


Diese seltsame Auffassung rührt von einer Tendenz her, die Logik unserer Sprache zu sublimieren – wie man es nennen könnte. Die eigentliche Antwort darauf ist: »Name« nennen wir ''sehr Verschiedenes''; das Wort »Name« charakterisiert viele verschiedene, miteinander auf viele verschiedene Weisen verwandte, Arten des Gebrauchs eines Worts; – aber unter diesen Arten des Gebrauchs ist nicht die des Wortes »dieses«.
Diese seltsame Auffassung rührt von einer Tendenz her, die Logik unserer Sprache zu sublimieren – wie man es nennen könnte. Die eigentliche Antwort darauf ist: »Name« nennen wir ''sehr Verschiedenes''; das Wort »Name« charakterisiert viele verschiedene, miteinander auf viele verschiedene Weisen verwandte, Arten des Gebrauchs eines Worts; – aber unter diesen Arten des Gebrauchs ist nicht die des Wortes »dieses«.
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{{ParPU|46}} Was hat es nun für eine Bewandtnis damit, daß Namen eigentlich das Einfache bezeichnen ? –  
{{ParPU|46}} Was hat es nun für eine Bewandtnis damit, daß Namen eigentlich das Einfache bezeichnen ? –  


Sokrates (im Theätetus): »Täusche ich mich nämlich nicht, so habe ich von Etlichen gehört: für die ''Urelemente''  – um mich so auszudrücken – aus denen wir und alles übrige zusammengesetzt sind, gebe es keine Erklärung; denn alles, was an und für sich ist, könne man nur mit Namen ''bezeichnen''; eine andere Bestimmung sei nicht möglich, weder die, es ''sei'', noch die, ''es sei nicht'' .... Was aber an und für sich ist, müsse man .... ohne alle anderen Bestimmungen benennen. Somit aber sei es unmöglich, von irgend einem Urelement erklärungsweise zu reden; denn für dieses gebe es nichts als die bloße Benennung; es habe ja nur seinen Namen. Wie aber das, was aus diesen Urelementen sich zusammensetzt, selbst ein verflochtenes Gebilde sei, so seien auch seine Benennungen in dieser Verflechtung zur erklärenden Rede geworden; denn deren Wesen sei die Verflechtung von Namen.«[1]
Sokrates (im Theätetus): »Täusche ich mich nämlich nicht, so habe ich von Etlichen gehört: für die ''Urelemente''  – um mich so auszudrücken – aus denen wir und alles übrige zusammengesetzt sind, gebe es keine Erklärung; denn alles, was an und für sich ist, könne man nur mit Namen ''bezeichnen''; eine andere Bestimmung sei nicht möglich, weder die, es ''sei'', noch die, ''es sei nicht''. ..... Was aber an und für sich ist, müsse man .... ohne alle anderen Bestimmungen benennen. Somit aber sei es unmöglich, von irgend einem Urelement erklärungsweise zu reden; denn für dieses gebe es nichts als die bloße Benennung; es habe ja nur seinen Namen. Wie aber das, was aus diesen Urelementen sich zusammensetzt, selbst ein verflochtenes Gebilde sei, so seien auch seine Benennungen in dieser Verflechtung zur erklärenden Rede geworden; denn deren Wesen sei die Verflechtung von Namen.«[1]


Diese Urelemente waren auch Russell’s ›individuals‹, und auch meine ›Gegenstände‹ (Log. Phil. Abh.).
Diese Urelemente waren auch Russell’s ›individuals‹, und auch meine ›Gegenstände‹ (Log. Phil. Abh.).
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{{ParPU|73}} Wenn Einer mir den Namen der Farben erklärt, indem er auf Muster zeigt und sagt »Diese Farbe heißt ›Blau‹, diese ›Grün‹,...«, so kann dieser Fall in vieler Hinsicht dem verglichen werden, daß er mir eine Tabelle an die Hand gibt, in der unter den Mustern von Farben die Wörter stehen. – Wenn auch dieser Vergleich in mancher Weise irreführen kann. – Man ist nun geneigt, den Vergleich auszudehnen: Die Erklärung verstanden haben, heißt, einen Begriff des Erklärten im Geiste besitzen, und d.i. ein Muster, oder Bild. Zeigt man mir nun verschiedene Blätter und sagt: »Das nennt man ›Blatt‹«, so erhalte ich einen Begriff der Blattform, ein Bild von ihr im Geiste. – Aber wie schaut denn das Bild eines Blattes aus, das keine bestimmte Form zeigt, sondern ›das, was allen Blattformen gemeinsam ist‹? Welchen Farbton hat das ›Muster in meinem Geiste‹ der Farbe Grün – dessen, was allen Tönen von Grün gemeinsam ist?
{{ParPU|73}} Wenn Einer mir den Namen der Farben erklärt, indem er auf Muster zeigt und sagt »Diese Farbe heißt ›Blau‹, diese ›Grün‹, .....«, so kann dieser Fall in vieler Hinsicht dem verglichen werden, daß er mir eine Tabelle an die Hand gibt, in der unter den Mustern von Farben die Wörter stehen. – Wenn auch dieser Vergleich in mancher Weise irreführen kann. – Man ist nun geneigt, den Vergleich auszudehnen: Die Erklärung verstanden haben, heißt, einen Begriff des Erklärten im Geiste besitzen, und d.i. ein Muster, oder Bild. Zeigt man mir nun verschiedene Blätter und sagt: »Das nennt man ›Blatt‹«, so erhalte ich einen Begriff der Blattform, ein Bild von ihr im Geiste. – Aber wie schaut denn das Bild eines Blattes aus, das keine bestimmte Form zeigt, sondern ›das, was allen Blattformen gemeinsam ist‹? Welchen Farbton hat das ›Muster in meinem Geiste‹ der Farbe Grün – dessen, was allen Tönen von Grün gemeinsam ist?


»Aber könnte es nicht solche ›allgemeine‹ Muster geben? Etwa ein Blattschema, oder ein Muster von ''reinem'' Grün?« – Gewiß! Aber, daß dieses Schema als ''Schema'' verstanden wird, und nicht als die Form eines bestimmten Blattes, und daß ein Täfelchen von reinem Grün als Muster alles dessen verstanden wird, was grünlich ist, und nicht als Muster für reines Grün – das liegt wieder in der Art der Anwendung dieser Muster.
»Aber könnte es nicht solche ›allgemeine‹ Muster geben? Etwa ein Blattschema, oder ein Muster von ''reinem'' Grün?« – Gewiß! Aber, daß dieses Schema als ''Schema'' verstanden wird, und nicht als die Form eines bestimmten Blattes, und daß ein Täfelchen von reinem Grün als Muster alles dessen verstanden wird, was grünlich ist, und nicht als Muster für reines Grün – das liegt wieder in der Art der Anwendung dieser Muster.
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{{ParPU|79}} Betrachte dieses Beispiel: Wenn man sagt »Moses hat nicht existiert«, so kann das Verschiedenerlei bedeuten. Es kann heißen: die Israeliten haben nicht ''einen'' Führer gehabt, als sie aus Ägypten auszogen –– oder: ihr Führer hat nicht Moses geheißen –– oder: es hat keinen Menschen gegeben, der alles das vollbracht hat, was die Bibel von Moses berichtet –– oder etc. etc. – Nach Russell können wir sagen: der Name »Moses« kann durch verschiedene Beschreibungen definiert werden. Z.B. als: »der Mann, welcher die Israeliten durch die Wüste geführt hat«, »der Mann, welcher zu dieser Zeit und an diesem Ort gelebt hat und damals ›Moses‹ genannt wurde«, »der Mann, welcher als Kind von der Tochter Pharaos aus dem Nil gezogen wurde«, etc. Und je nachdem wir die eine oder die andere Definition annehmen, bekommt der Satz »Moses hat existiert« einen andern Sinn, und ebenso jeder andere Satz, der von Moses handelt. – Und wenn man uns sagt »N hat nicht existiert«, fragen wir auch: »Was meinst du? Willst du sagen, daß ...., oder daß ., etc.?«
{{ParPU|79}} Betrachte dieses Beispiel: Wenn man sagt »Moses hat nicht existiert«, so kann das Verschiedenerlei bedeuten. Es kann heißen: die Israeliten haben nicht ''einen'' Führer gehabt, als sie aus Ägypten auszogen –– oder: ihr Führer hat nicht Moses geheißen –– oder: es hat keinen Menschen gegeben, der alles das vollbracht hat, was die Bibel von Moses berichtet –– oder etc. etc. – Nach Russell können wir sagen: der Name »Moses« kann durch verschiedene Beschreibungen definiert werden. Z.B. als: »der Mann, welcher die Israeliten durch die Wüste geführt hat«, »der Mann, welcher zu dieser Zeit und an diesem Ort gelebt hat und damals ›Moses‹ genannt wurde«, »der Mann, welcher als Kind von der Tochter Pharaos aus dem Nil gezogen wurde«, etc. Und je nachdem wir die eine oder die andere Definition annehmen, bekommt der Satz »Moses hat existiert« einen andern Sinn, und ebenso jeder andere Satz, der von Moses handelt. – Und wenn man uns sagt »N hat nicht existiert«, fragen wir auch: »Was meinst du? Willst du sagen, daß ...., oder daß ...., etc.?«


Aber wenn ich nun eine Aussage über Moses mache, – bin ich immer bereit, irgend ''eine'' dieser Beschreibungen für »Moses« zu setzen? Ich werde etwa sagen: Unter »Moses« verstehe ich den Mann, der getan hat, was die Bibel von Moses berichtet, oder doch vieles davon. Aber wievieles? Habe ich mich entschieden, wieviel sich als falsch erweisen muß, damit ich meinen Satz als falsch aufgebe? Hat also der Name »Moses« für mich einen festen und eindeutig bestimmten Gebrauch in allen möglichen Fällen? – Ist es nicht so, daß ich sozusagen eine ganze Reihe von Stützen in Bereitschaft habe und bereit bin, mich auf eine zu stützen, wenn mir die andere entzogen werden sollte, und umgekehrt? –– Betrachte noch einen andern Fall. Wenn ich sage »N ist gestorben«, so kann es mit der Bedeutung des Namens »N« etwa diese Bewandtnis haben: Ich glaube, daß ein Mensch gelebt hat, den ich (1) dort und dort gesehen habe, der (2) so und so ausgeschaut hat (Bilder), (3) das und das getan hat und (4) in der bürgerlichen Welt diesen Namen »N« führt. – Gefragt, was ich unter »N« verstehe, würde ich alles das, oder einiges davon, und bei verschiedenen Gelegenheiten Verschiedenes, aufzählen. Meine Definition von »N« wäre also etwa: »der Mann, von dem alles das stimmt«. – Aber wenn sich nun etwas davon als falsch erwiese! – Werde ich bereit sein, den Satz »N ist gestorben« für falsch zu erklären, – auch wenn nur etwas mir nebensächlich Scheinendes sich als falsch herausstellt? Wo aber ist die Grenze des Nebensächlichen? – Hätte ich in so einem Fall eine Erklärung des Namens gegeben, so wäre ich nun bereit, sie abzuändern.
Aber wenn ich nun eine Aussage über Moses mache, – bin ich immer bereit, irgend ''eine'' dieser Beschreibungen für »Moses« zu setzen? Ich werde etwa sagen: Unter »Moses« verstehe ich den Mann, der getan hat, was die Bibel von Moses berichtet, oder doch vieles davon. Aber wievieles? Habe ich mich entschieden, wieviel sich als falsch erweisen muß, damit ich meinen Satz als falsch aufgebe? Hat also der Name »Moses« für mich einen festen und eindeutig bestimmten Gebrauch in allen möglichen Fällen? – Ist es nicht so, daß ich sozusagen eine ganze Reihe von Stützen in Bereitschaft habe und bereit bin, mich auf eine zu stützen, wenn mir die andere entzogen werden sollte, und umgekehrt? –– Betrachte noch einen andern Fall. Wenn ich sage »N ist gestorben«, so kann es mit der Bedeutung des Namens »N« etwa diese Bewandtnis haben: Ich glaube, daß ein Mensch gelebt hat, den ich (1) dort und dort gesehen habe, der (2) so und so ausgeschaut hat (Bilder), (3) das und das getan hat und (4) in der bürgerlichen Welt diesen Namen »N« führt. – Gefragt, was ich unter »N« verstehe, würde ich alles das, oder einiges davon, und bei verschiedenen Gelegenheiten Verschiedenes, aufzählen. Meine Definition von »N« wäre also etwa: »der Mann, von dem alles das stimmt«. – Aber wenn sich nun etwas davon als falsch erwiese! – Werde ich bereit sein, den Satz »N ist gestorben« für falsch zu erklären, – auch wenn nur etwas mir nebensächlich Scheinendes sich als falsch herausstellt? Wo aber ist die Grenze des Nebensächlichen? – Hätte ich in so einem Fall eine Erklärung des Namens gegeben, so wäre ich nun bereit, sie abzuändern.
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{{ParPU|136}} Im Grunde ist die Angabe von »Es verhält sich so und so« als allgemeine Form des Satzes das gleiche, wie die Erklärung: ein Satz sei alles, was wahr oder falsch sein könne. Denn, statt »Es verhält sich ....« hätte ich auch sagen können: »Das und das ist wahr«. (Aber auch: »Das und das ist falsch«.) Nun ist aber
{{ParPU|136}} Im Grunde ist die Angabe von »Es verhält sich so und so« als allgemeine Form des Satzes das gleiche, wie die Erklärung: ein Satz sei alles, was wahr oder falsch sein könne. Denn, statt »Es verhält sich ...« hätte ich auch sagen können: »Das und das ist wahr«. (Aber auch: »Das und das ist falsch«.) Nun ist aber


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{{ParPU|137}} Wie ist es denn, wenn wir das Subjekt im Satz bestimmen lernen durch die Frage »Wer oder was ...?« – Hier gibt es doch ein ›''Passen''‹ des Subjekts zu dieser Frage; denn wie erführen wir sonst durch die Frage, was das Subjekt ist? Wir erfahren es in ähnlicher Weise, wie wir erfahren, welcher Buchstabe im Alphabet nach dem ›K‹ kommt, indem wir uns das Alphabet bis zum ›K‹ hersagen. In wiefern paßt nun das ›L‹ zu jener Buchstabenreihe? – Und insofern könnte man auch sagen, »wahr« und »falsch« passe zum Satz; und man könnte ein Kind lehren, Sätze von andern Ausdrücken zu unterscheiden, indem man ihm sagt: »Frag dich, ob du danach sagen kannst ›ist wahr‹. Wenn diese Worte passen, so ist es ein Satz.« (Und ebenso hätte man sagen können: Frage dich, ob du davor die Worte »Es verhält sich ''so'':« setzen kannst.)  
{{ParPU|137}} Wie ist es denn, wenn wir das Subjekt im Satz bestimmen lernen durch die Frage »Wer oder was&nbsp;....?« – Hier gibt es doch ein ›''Passen''‹ des Subjekts zu dieser Frage; denn wie erführen wir sonst durch die Frage, was das Subjekt ist? Wir erfahren es in ähnlicher Weise, wie wir erfahren, welcher Buchstabe im Alphabet nach dem ›K‹ kommt, indem wir uns das Alphabet bis zum ›K‹ hersagen. In wiefern paßt nun das ›L‹ zu jener Buchstabenreihe? – Und insofern könnte man auch sagen, »wahr« und »falsch« passe zum Satz; und man könnte ein Kind lehren, Sätze von andern Ausdrücken zu unterscheiden, indem man ihm sagt: »Frag dich, ob du danach sagen kannst ›ist wahr‹. Wenn diese Worte passen, so ist es ein Satz.« (Und ebenso hätte man sagen können: Frage dich, ob du davor die Worte »Es verhält sich ''so'':« setzen kannst.)  




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(a) »Ich glaube, das richtige Wort in diesem Fall ist ...... Zeigt das nicht, daß die Bedeutung des Worts ein Etwas ist, das uns vorschwebt, und das gleichsam das genaue Bild ist, welches wir hier brauchen wollen? Denke, ich wählte zwischen den Wörtern »stattlich«, »würdevoll«, »stolz«, »Achtung gebietend«; ist es nicht, als ob ich zwischen den Zeichnungen in einer Mappe wählte? – Nein; daß man vom ''treffenden Wort'' redet, ''zeigt'' nicht die Existenz eines Etwas, welches etc. Vielmehr ist man geneigt, von jenem bildartigen Etwas zu sprechen, weil man ein Wort als treffend empfinden kann; zwischen Worten oft, wie zwischen ähnlichen, aber doch nicht gleichen Bildern, wählt; weil man Bilder oft statt Wörtern, oder zur Illustration von Wörtern, gebraucht; etc.
(a) »Ich glaube, das richtige Wort in diesem Fall ist&nbsp;..... Zeigt das nicht, daß die Bedeutung des Worts ein Etwas ist, das uns vorschwebt, und das gleichsam das genaue Bild ist, welches wir hier brauchen wollen? Denke, ich wählte zwischen den Wörtern »stattlich«, »würdevoll«, »stolz«, »Achtung gebietend«; ist es nicht, als ob ich zwischen den Zeichnungen in einer Mappe wählte? – Nein; daß man vom ''treffenden Wort'' redet, ''zeigt'' nicht die Existenz eines Etwas, welches etc. Vielmehr ist man geneigt, von jenem bildartigen Etwas zu sprechen, weil man ein Wort als treffend empfinden kann; zwischen Worten oft, wie zwischen ähnlichen, aber doch nicht gleichen Bildern, wählt; weil man Bilder oft statt Wörtern, oder zur Illustration von Wörtern, gebraucht; etc.


(b) Ich sehe ein Bild: es stellt einen alten Mann dar, der auf einen Stock gestützt einen steilen Weg aufwärts geht. – Und wie das? Konnte es nicht auch so aussehen, wenn er in dieser Stellung die Straße hinunterrutschte? Ein Marsbewohner würde das Bild vielleicht so beschreiben. Ich brauche nicht zu erklären, warum ''wir'' es nicht so beschreiben.  
(b) Ich sehe ein Bild: es stellt einen alten Mann dar, der auf einen Stock gestützt einen steilen Weg aufwärts geht. – Und wie das? Konnte es nicht auch so aussehen, wenn er in dieser Stellung die Straße hinunterrutschte? Ein Marsbewohner würde das Bild vielleicht so beschreiben. Ich brauche nicht zu erklären, warum ''wir'' es nicht so beschreiben.  
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{{ParPU|143}} Betrachten wir nun diese Art von Sprachspiel: B soll auf den Befehl des A Reihen von Zeichen niederschreiben nach einem bestimmten Bildungsgesetz.
{{ParPU|143}} Betrachten wir nun diese Art von Sprachspiel: B soll auf den Befehl des A Reihen von Zeichen niederschreiben nach einem bestimmten Bildungsgesetz.


Die erste dieser Reihen soll die sein der natürlichen Zahlen im Dezimalsystem. – Wie lernt er dieses System verstehen? – Zunächst werden ihm Zahlenreihen vorgeschrieben und er wird angehalten, sie nachzuschreiben. (Stoß dich nicht an dem Wort »Zahlenreihen«, es ist hier nicht unrichtig verwendet!) Und schon hier gibt es eine normale und eine abnormale Reaktion des Lernenden. – Wir führen ihm etwa zuerst beim Nachschreiben der Reihe 0 bis 9 die Hand; dann aber wird die ''Möglichkeit der Verständigung'' daran hängen, daß er nun selbständig weiterschreibt. – Und hier können wir uns, z.B., denken, daß er nun zwar selbständig Ziffern kopiert, aber nicht nach der Reihe, sondern regellos einmal die, einmal die. Und dann hört ''da'' die Verständigung auf. – Oder aber er macht ›''Fehler''‹ in der Reihenfolge. – Der Unterschied zwischen diesem und dem ersten Fall ist natürlich einer der Häufigkeit. – Oder: er macht einen ''systematischen'' Fehler, er schreibt z.B. immer nur jede zweite Zahl nach; oder er kopiert die Reihe 0, 1, 2, 3, 4, 5, .... so: 1, 0, 3, 2, 5, 4, .... Hier werden wir beinahe versucht sein zu sagen, er habe uns ''falsch'' verstanden.
Die erste dieser Reihen soll die sein der natürlichen Zahlen im Dezimalsystem. – Wie lernt er dieses System verstehen? – Zunächst werden ihm Zahlenreihen vorgeschrieben und er wird angehalten, sie nachzuschreiben. (Stoß dich nicht an dem Wort »Zahlenreihen«, es ist hier nicht unrichtig verwendet!) Und schon hier gibt es eine normale und eine abnormale Reaktion des Lernenden. – Wir führen ihm etwa zuerst beim Nachschreiben der Reihe 0 bis 9 die Hand; dann aber wird die ''Möglichkeit der Verständigung'' daran hängen, daß er nun selbständig weiterschreibt. – Und hier können wir uns, z.B., denken, daß er nun zwar selbständig Ziffern kopiert, aber nicht nach der Reihe, sondern regellos einmal die, einmal die. Und dann hört ''da'' die Verständigung auf. – Oder aber er macht ›''Fehler''‹ in der Reihenfolge. – Der Unterschied zwischen diesem und dem ersten Fall ist natürlich einer der Häufigkeit. – Oder: er macht einen ''systematischen'' Fehler, er schreibt z.B. immer nur jede zweite Zahl nach; oder er kopiert die Reihe 0, 1, 2, 3, 4, 5,&nbsp;.... so: 1, 0, 3, 2, 5, 4,&nbsp;..... Hier werden wir beinahe versucht sein zu sagen, er habe uns ''falsch'' verstanden.


Aber merke: Es gibt keine scharfe Grenze zwischen einem regellosen und einem systematischen Fehler. D.h., zwischen dem, was du einen »regellosen«, und dem, was du einen »systematischen Fehler« zu nennen geneigt bist.
Aber merke: Es gibt keine scharfe Grenze zwischen einem regellosen und einem systematischen Fehler. D.h., zwischen dem, was du einen »regellosen«, und dem, was du einen »systematischen Fehler« zu nennen geneigt bist.
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{{ParPU|152}} Aber sind denn diese Vorgänge, die ich da beschrieben habe, das ''Verstehen''? »B versteht das System der Reihe« heißt doch nicht einfach: B fällt die Formel »an = ....« ein! Denn es ist sehr wohl denkbar, daß ihm die Formel einfällt und er doch nicht versteht. »Er versteht« muß mehr beinhalten als: ihm fällt die Formel ein. Und ebenso auch mehr, als irgendeiner jener, mehr oder weniger charakteristischen, ''Begleitvorgänge'', oder Äußerungen, des Verstehens. ###
{{ParPU|152}} Aber sind denn diese Vorgänge, die ich da beschrieben habe, das ''Verstehen''? »B versteht das System der Reihe« heißt doch nicht einfach: B fällt die Formel »an =&nbsp;....« ein! Denn es ist sehr wohl denkbar, daß ihm die Formel einfällt und er doch nicht versteht. »Er versteht« muß mehr beinhalten als: ihm fällt die Formel ein. Und ebenso auch mehr, als irgendeiner jener, mehr oder weniger charakteristischen, ''Begleitvorgänge'', oder Äußerungen, des Verstehens. ###




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{{ParPU|154}} Aber halt! – wenn »jetzt verstehe ich das System« nicht das Gleiche sagt, wie »mir fällt die Formel .... ein« (oder »ich spreche die Formel aus«, »ich schreibe sie auf«, etc.) – folgt daraus, daß ich den Satz »jetzt verstehe ich ....«, oder »jetzt kann ich fortsetzen«, als Beschreibung eines Vorgangs verwende, der hinter, oder neben dem des Aussprechens der Formel besteht?
{{ParPU|154}} Aber halt! – wenn »jetzt verstehe ich das System« nicht das Gleiche sagt, wie »mir fällt die Formel&nbsp;.... ein« (oder »ich spreche die Formel aus«, »ich schreibe sie auf«, etc.) – folgt daraus, daß ich den Satz »jetzt verstehe ich&nbsp;....«, oder »jetzt kann ich fortsetzen«, als Beschreibung eines Vorgangs verwende, der hinter, oder neben dem des Aussprechens der Formel besteht?


Wenn etwas ›hinter dem Aussprechen der Formel‹ stehen muß, so sind es ''gewisse Umstände'', die mich berechtigen, zu sagen, ich könne fortsetzen, – wenn mir die Formel einfällt.
Wenn etwas ›hinter dem Aussprechen der Formel‹ stehen muß, so sind es ''gewisse Umstände'', die mich berechtigen, zu sagen, ich könne fortsetzen, – wenn mir die Formel einfällt.
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Wenn wir an ''dieses'' Lesen, an das Lesen des Anfängers, denken und uns fragen, worin ''Lesen'' besteht, werden wir geneigt sein, zu sagen: es sei eine besondere bewußte geistige Tätigkeit.
Wenn wir an ''dieses'' Lesen, an das Lesen des Anfängers, denken und uns fragen, worin ''Lesen'' besteht, werden wir geneigt sein, zu sagen: es sei eine besondere bewußte geistige Tätigkeit.


Wir sagen von dem Schüler auch: »Nur er weiß natürlich, ob er wirklich liest, oder die Worte bloß auswendig sagt«. (Über diese Sätze »Nur ''er'' weiß, ...« muß noch geredet werden.)
Wir sagen von dem Schüler auch: »Nur er weiß natürlich, ob er wirklich liest, oder die Worte bloß auswendig sagt«. (Über diese Sätze »Nur ''er'' weiß,&nbsp;....« muß noch geredet werden.)


Ich will aber sagen: Wir müssen zugeben, daß – was das Aussprechen irgend ''eines'' der gedruckten Wörter betrifft – im Bewußtsein des Schülers, der ›vorgibt‹ es zu lesen, das Gleiche stattfinden kann wie im Bewußtsein des geübten Lesers, der es ›liest‹. Das Wort »lesen« wird ''anders'' angewandt, wenn wir vom Anfänger, und wenn wir vom geübten Leser sprechen. –– Wir möchten nun freilich sagen: Was im geübten Leser und was im Anfänger vor sich geht, wenn sie das Wort aussprechen, ''kann'' nicht das Gleiche sein. Und wenn kein Unterschied in dem wäre, was ihnen gerade bewußt ist, so im unbewußten Arbeiten ihres Geistes; oder auch im Gehirn. – Wir möchten also sagen: Hier sind jedenfalls zwei verschiedene Mechanismen! Und was in ihnen vorgeht, muß Lesen von Nichtlesen unterscheiden. – Aber diese Mechanismen sind doch nur Hypothesen; Modelle zur Erklärung, zur Zusammenfassung dessen, was du wahrnimmst.  
Ich will aber sagen: Wir müssen zugeben, daß – was das Aussprechen irgend ''eines'' der gedruckten Wörter betrifft – im Bewußtsein des Schülers, der ›vorgibt‹ es zu lesen, das Gleiche stattfinden kann wie im Bewußtsein des geübten Lesers, der es ›liest‹. Das Wort »lesen« wird ''anders'' angewandt, wenn wir vom Anfänger, und wenn wir vom geübten Leser sprechen. –– Wir möchten nun freilich sagen: Was im geübten Leser und was im Anfänger vor sich geht, wenn sie das Wort aussprechen, ''kann'' nicht das Gleiche sein. Und wenn kein Unterschied in dem wäre, was ihnen gerade bewußt ist, so im unbewußten Arbeiten ihres Geistes; oder auch im Gehirn. – Wir möchten also sagen: Hier sind jedenfalls zwei verschiedene Mechanismen! Und was in ihnen vorgeht, muß Lesen von Nichtlesen unterscheiden. – Aber diese Mechanismen sind doch nur Hypothesen; Modelle zur Erklärung, zur Zusammenfassung dessen, was du wahrnimmst.  
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Verwenden wir dagegen »Lesen« für ein gewisses Erlebnis des Übergangs vom Zeichen zum gesprochenen Laut, dann hat es wohl Sinn, von einem ''ersten'' Wort zu sprechen, das er wirklich gelesen hat. Er kann dann etwa sagen: »Bei diesem Worte hatte ich zum ersten Male das Gefühl: ›jetzt lese ich‹.«
Verwenden wir dagegen »Lesen« für ein gewisses Erlebnis des Übergangs vom Zeichen zum gesprochenen Laut, dann hat es wohl Sinn, von einem ''ersten'' Wort zu sprechen, das er wirklich gelesen hat. Er kann dann etwa sagen: »Bei diesem Worte hatte ich zum ersten Male das Gefühl: ›jetzt lese ich‹.«


Oder aber in dem hiervon verschiedenen Fall einer Lesemaschine, die, etwa nach Art eines Pianolas, Zeichen in Laute übersetzt, könnte man sagen: »Erst nachdem dies und dies an der Maschine geschehen war – die und die Teile durch Drähte verbunden worden waren – hat die Maschine ''gelesen''; das erste Zeichen, welches sie gelesen hat, war ....«
Oder aber in dem hiervon verschiedenen Fall einer Lesemaschine, die, etwa nach Art eines Pianolas, Zeichen in Laute übersetzt, könnte man sagen: »Erst nachdem dies und dies an der Maschine geschehen war – die und die Teile durch Drähte verbunden worden waren – hat die Maschine ''gelesen''; das erste Zeichen, welches sie gelesen hat, war&nbsp;....«


Im Falle aber der lebenden Lesemaschine hieß »lesen«: so und so auf Schriftzeichen reagieren. Dieser Begriff war also ganz unabhängig von dem eines seelischen, oder andern Mechanismus. – Der Lehrer kann hier auch vom Abgerichteten nicht sagen: »Vielleicht hat er dieses Wort schon gelesen«. Denn es ist ja kein Zweifel über das, was er getan hat. – Die Veränderung, als der Schüler zu lesen anfing, war eine Veränderung seines ''Verhaltens''; und von einem ›ersten Wort im neuen Zustand‹ zu reden, hat hier keinen Sinn.  
Im Falle aber der lebenden Lesemaschine hieß »lesen«: so und so auf Schriftzeichen reagieren. Dieser Begriff war also ganz unabhängig von dem eines seelischen, oder andern Mechanismus. – Der Lehrer kann hier auch vom Abgerichteten nicht sagen: »Vielleicht hat er dieses Wort schon gelesen«. Denn es ist ja kein Zweifel über das, was er getan hat. – Die Veränderung, als der Schüler zu lesen anfing, war eine Veränderung seines ''Verhaltens''; und von einem ›ersten Wort im neuen Zustand‹ zu reden, hat hier keinen Sinn.  
Line 1,183: Line 1,183:
Wir lassen nun den Schüler einmal eine Reihe (etwa »+2«) über 1000 hinaus fortsetzen, – da schreibt er: 1000, 1004, 1008, 1012.
Wir lassen nun den Schüler einmal eine Reihe (etwa »+2«) über 1000 hinaus fortsetzen, – da schreibt er: 1000, 1004, 1008, 1012.


Wir sagen ihm: »Schau, was du machst!« – Er versteht uns nicht. Wir sagen: »Du solltest doch ''zwei'' addieren; schau, wie du die Reihe begonnen hast!« – Er antwortet: »Ja! Ist es denn nicht richtig? Ich dachte, so ''soll'' ich’s machen.« –– Oder nimm an, er sagte, auf die Reihe weisend: »Ich bin doch auf die gleiche Weise fortgefahren!« – Es würde uns nun nichts nützen, zu sagen »Aber siehst du denn nicht…?« – und ihm die alten Erklärungen und Beispiele zu wiederholen. – Wir könnten in so einem Falle etwa sagen: Dieser Mensch versteht von Natur aus jenen Befehl, auf unsre Erklärungen hin, so, wie ''wir'' den Befehl: »Addiere bis 1000 immer 2, bis 2000 4, bis 3000 6, etc.«. Dieser Fall hätte Ähnlichkeit mit dem, als reagierte ein Mensch auf eine zeigende Gebärde der Hand von Natur damit, daß er in der Richtung von der Fingerspitze zur Handwurzel blickt, statt in der Richtung zur Fingerspitze.  
Wir sagen ihm: »Schau, was du machst!« – Er versteht uns nicht. Wir sagen: »Du solltest doch ''zwei'' addieren; schau, wie du die Reihe begonnen hast!« – Er antwortet: »Ja! Ist es denn nicht richtig? Ich dachte, so ''soll'' ich’s machen.« –– Oder nimm an, er sagte, auf die Reihe weisend: »Ich bin doch auf die gleiche Weise fortgefahren!« – Es würde uns nun nichts nützen, zu sagen »Aber siehst du denn nicht&nbsp;.....?« – und ihm die alten Erklärungen und Beispiele zu wiederholen. – Wir könnten in so einem Falle etwa sagen: Dieser Mensch versteht von Natur aus jenen Befehl, auf unsre Erklärungen hin, so, wie ''wir'' den Befehl: »Addiere bis 1000 immer 2, bis 2000 4, bis 3000 6, etc.«. Dieser Fall hätte Ähnlichkeit mit dem, als reagierte ein Mensch auf eine zeigende Gebärde der Hand von Natur damit, daß er in der Richtung von der Fingerspitze zur Handwurzel blickt, statt in der Richtung zur Fingerspitze.  




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{{ParPU|187}} »Ich habe aber doch auch damals, als ich den Befehl gab, schon gewußt, daß er auf 1000 1002 schreiben soll!« – Gewiß; und du kannst sogar sagen, du habest es damals ''gemeint''; nur sollst du dich nicht von der Grammatik der Wörter »wissen« und »meinen« irreführen lassen. Denn du meinst ja nicht, daß du damals an den Übergang von 1000 auf 1002 gedacht hast – und wenn auch an diesen Übergang, so doch an andre nicht. Dein »Ich habe damals schon gewußt…« heißt etwa: »Hätte man mich damals gefragt, welche Zahl er nach 1000 schreiben soll, so hätte ich geantwortet ›1002‹.« Und daran zweifle ich nicht. Es ist das eine Annahme etwa von der Art dieser: »Wenn er damals ins Wasser gefallen wäre, so wäre ich ihm nachgesprungen.« – Worin lag nun das Irrige deiner Idee?  
{{ParPU|187}} »Ich habe aber doch auch damals, als ich den Befehl gab, schon gewußt, daß er auf 1000 1002 schreiben soll!« – Gewiß; und du kannst sogar sagen, du habest es damals ''gemeint''; nur sollst du dich nicht von der Grammatik der Wörter »wissen« und »meinen« irreführen lassen. Denn du meinst ja nicht, daß du damals an den Übergang von 1000 auf 1002 gedacht hast – und wenn auch an diesen Übergang, so doch an andre nicht. Dein »Ich habe damals schon gewußt&nbsp;....« heißt etwa: »Hätte man mich damals gefragt, welche Zahl er nach 1000 schreiben soll, so hätte ich geantwortet ›1002‹.« Und daran zweifle ich nicht. Es ist das eine Annahme etwa von der Art dieser: »Wenn er damals ins Wasser gefallen wäre, so wäre ich ihm nachgesprungen.« – Worin lag nun das Irrige deiner Idee?  




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{{ParPU|189}} »Aber sind die Übergänge also durch die algebraische Formel ''nicht'' bestimmt?« – In der Frage liegt ein Fehler.
{{ParPU|189}} »Aber sind die Übergänge also durch die algebraische Formel ''nicht'' bestimmt?« – In der Frage liegt ein Fehler.


Wir verwenden den Ausdruck: »die Übergänge sind durch die Formel bestimmt«. ''Wie'' wird er verwendet? – Wir können etwa davon reden, daß Menschen durch Erziehung (Abrichtung) dahin gebracht werden, die Formel y = x² so zu verwenden, daß Alle, wenn sie die gleiche Zahl für x einsetzen, immer die gleiche Zahl für y herausrechnen. Oder wir können sagen: »Diese Menschen sind so abgerichtet, daß sie alle auf den Befehl ›+3‹ auf der gleichen Stufe den gleichen Übergang machen. Wir könnten dies so ausdrücken: Der Befehl ›+3‹ bestimmt für diese Menschen jeden Übergang von einer Zahl zur nächsten völlig.« (Im Gegensatz zu andern Menschen, die auf diesen Befehl nicht wissen, was sie zu tun haben; oder die zwar mit völliger Sicherheit, aber ein jeder in anderer Weise, auf ihn reagieren.)
Wir verwenden den Ausdruck: »die Übergänge sind durch die Formel&nbsp;..... bestimmt«. ''Wie'' wird er verwendet? – Wir können etwa davon reden, daß Menschen durch Erziehung (Abrichtung) dahin gebracht werden, die Formel y = x² so zu verwenden, daß Alle, wenn sie die gleiche Zahl für x einsetzen, immer die gleiche Zahl für y herausrechnen. Oder wir können sagen: »Diese Menschen sind so abgerichtet, daß sie alle auf den Befehl ›+3‹ auf der gleichen Stufe den gleichen Übergang machen. Wir könnten dies so ausdrücken: Der Befehl ›+3‹ bestimmt für diese Menschen jeden Übergang von einer Zahl zur nächsten völlig.« (Im Gegensatz zu andern Menschen, die auf diesen Befehl nicht wissen, was sie zu tun haben; oder die zwar mit völliger Sicherheit, aber ein jeder in anderer Weise, auf ihn reagieren.)


Wir können anderseits verschiedene Arten von Formeln, und zu ihnen gehörige verschiedene Arten der Verwendung (verschiedene Arten der Abrichtung) einander entgegensetzen. Wir ''nennen'' dann Formeln einer bestimmten Art (und der dazugehörigen Verwendungsweise) »Formeln, welche eine Zahl y für ein gegebenes x bestimmen«, und Formeln anderer Art solche, »die die Zahl y für ein gegebenes x nicht bestimmen«. (y = x² wäre von der ersten Art, y ≠ x² von der zweiten.) Der Satz »Die Formel bestimmt eine Zahl y« ist dann eine Aussage über die Form der Formel – und es ist nun zu unterscheiden ein Satz wie dieser: »Die Formel, die ich hingeschrieben habe, bestimmt y« oder »Hier steht eine Formel, die y bestimmt« – von einem Satz der Art: »Die Formel y = x² bestimmt die Zahl y für ein gegebenes x«. Die Frage »Steht dort eine Formel, die y bestimmt?« heißt dann dasselbe wie: »Steht dort eine Formel dieser Art, oder jener Art?« – was wir aber mit der Frage anfangen sollen »Ist y = x² eine Formel, die y für ein gegebenes x bestimmt?« ist nicht ohne weiteres klar. Diese Frage könnte man etwa an einen Schüler richten, um zu prüfen, ob er die Verwendung des Wortes »bestimmen« versteht; oder es könnte eine mathematische Aufgabe sein, in einem bestimmten System zu beweisen, daß x nur ein Quadrat besitzt.  
Wir können anderseits verschiedene Arten von Formeln, und zu ihnen gehörige verschiedene Arten der Verwendung (verschiedene Arten der Abrichtung) einander entgegensetzen. Wir ''nennen'' dann Formeln einer bestimmten Art (und der dazugehörigen Verwendungsweise) »Formeln, welche eine Zahl y für ein gegebenes x bestimmen«, und Formeln anderer Art solche, »die die Zahl y für ein gegebenes x nicht bestimmen«. (y = x² wäre von der ersten Art, y ≠ x² von der zweiten.) Der Satz »Die Formel&nbsp;.... bestimmt eine Zahl y« ist dann eine Aussage über die Form der Formel – und es ist nun zu unterscheiden ein Satz wie dieser: »Die Formel, die ich hingeschrieben habe, bestimmt y« oder »Hier steht eine Formel, die y bestimmt« – von einem Satz der Art: »Die Formel y = x² bestimmt die Zahl y für ein gegebenes x«. Die Frage »Steht dort eine Formel, die y bestimmt?« heißt dann dasselbe wie: »Steht dort eine Formel dieser Art, oder jener Art?« – was wir aber mit der Frage anfangen sollen »Ist y = x² eine Formel, die y für ein gegebenes x bestimmt?« ist nicht ohne weiteres klar. Diese Frage könnte man etwa an einen Schüler richten, um zu prüfen, ob er die Verwendung des Wortes »bestimmen« versteht; oder es könnte eine mathematische Aufgabe sein, in einem bestimmten System zu beweisen, daß x nur ein Quadrat besitzt.  




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{{ParPU|193}} Die Maschine als Symbol ihrer Wirkungsweise: Die Maschine – könnte ich zuerst sagen – scheint ihre Wirkungsweise schon in sich zu haben. Was heißt das? – Indem wir die Maschine kennen, scheint alles Übrige, nämlich die Bewegungen, welche sie machen wird, schon ganz bestimmt zu sein.
{{ParPU|193}} Die Maschine als Symbol ihrer Wirkungsweise: Die Maschine – könnte ich zuerst sagen – scheint ihre Wirkungsweise schon in sich zu haben. Was heißt das? – Indem wir die Maschine kennen, scheint alles Übrige, nämlich die Bewegungen, welche sie machen wird, schon ganz bestimmt zu sein.


Wir reden so, als könnten sich diese Teile nur so bewegen, als könnten sie nichts anderes tun. Wie ist es – vergessen wir also die Möglichkeit, daß sie sich biegen, abbrechen, schmelzen, etc.? Ja; wir denken in vielen Fällen gar nicht daran. Wir gebrauchen eine Maschine, oder das Bild einer Maschine, als Symbol für eine bestimmte Wirkungsweise. Wir teilen z.B. Einem dieses Bild mit und setzen voraus, daß er die Erscheinungen der Bewegung der Teile aus ihm ableitet. (So wie wir jemand eine Zahl mitteilen können, indem wir sagen, sie sei die fünfundzwanzigste der Reihe 1, 4, 9, 16, )
Wir reden so, als könnten sich diese Teile nur so bewegen, als könnten sie nichts anderes tun. Wie ist es – vergessen wir also die Möglichkeit, daß sie sich biegen, abbrechen, schmelzen, etc.? Ja; wir denken in vielen Fällen gar nicht daran. Wir gebrauchen eine Maschine, oder das Bild einer Maschine, als Symbol für eine bestimmte Wirkungsweise. Wir teilen z.B. Einem dieses Bild mit und setzen voraus, daß er die Erscheinungen der Bewegung der Teile aus ihm ableitet. (So wie wir jemand eine Zahl mitteilen können, indem wir sagen, sie sei die fünfundzwanzigste der Reihe 1, 4, 9, 16,&nbsp;....)


»Die Maschine scheint ihre Wirkungsweise schon in sich zu haben« heißt: wir sind geneigt, die künftigen Bewegungen der Maschine in ihrer Bestimmtheit mit Gegenständen zu vergleichen, die schon in einer Lade liegen und nun von uns herausgeholt werden. –– So aber reden wir nicht, wenn es sich darum handelt, das wirkliche Verhalten einer Maschine vorauszusagen. Da vergessen wir, im allgemeinen, nicht die Möglichkeit der Deformation der Teile, etc. –– Wohl aber, wenn wir uns darüber wundern, wie wir denn die Maschine als Symbol einer Bewegungsweise verwenden können, – da sie sich doch auch ganz ''anders'' bewegen kann.
»Die Maschine scheint ihre Wirkungsweise schon in sich zu haben« heißt: wir sind geneigt, die künftigen Bewegungen der Maschine in ihrer Bestimmtheit mit Gegenständen zu vergleichen, die schon in einer Lade liegen und nun von uns herausgeholt werden. –– So aber reden wir nicht, wenn es sich darum handelt, das wirkliche Verhalten einer Maschine vorauszusagen. Da vergessen wir, im allgemeinen, nicht die Möglichkeit der Deformation der Teile, etc. –– Wohl aber, wenn wir uns darüber wundern, wie wir denn die Maschine als Symbol einer Bewegungsweise verwenden können, – da sie sich doch auch ganz ''anders'' bewegen kann.
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{{ParPU|208}} So erkläre ich also, was »Befehl« und was »Regel« heißt, durch »Regelmäßigkeit«? – Wie erkläre ich jemandem die Bedeutung von »regelmäßig«, »gleichförmig«, »gleich«? – Einem der, sagen wir, nur Französisch spricht, werde ich diese Wörter durch die entsprechenden französischen erklären. Wer aber diese ''Begriffe'' noch nicht besitzt, den werde ich die Worte durch ''Beispiele'' und durch ''Übung'' gebrauchen lehren. – Und dabei teile ich ihm nicht weniger mit, als ich selber weiß.
{{ParPU|208}} So erkläre ich also, was »Befehl« und was »Regel« heißt, durch »Regelmäßigkeit«? – Wie erkläre ich jemandem die Bedeutung von »regelmäßig«, »gleichförmig«, »gleich«? – Einem der, sagen wir, nur Französisch spricht, werde ich diese Wörter durch die entsprechenden französischen erklären. Wer aber diese ''Begriffe'' noch nicht besitzt, den werde ich die Worte durch ''Beispiele'' und durch ''Übung'' gebrauchen lehren. – Und dabei teile ich ihm nicht weniger mit, als ich selber weiß.


Ich werde ihm also in diesem Unterricht gleiche Farben, gleiche Längen, gleiche Figuren zeigen, ihn sie finden und herstellen lassen, usw. Ich werde ihn etwa dazu anleiten, Reihenornamente auf einen Befehl hin ›gleichmäßig‹ fortzusetzen. – Und auch dazu, Progressionen fortzusetzen. Also etwa auf . .. ... so fortzufahren: .... ..... .......###
Ich werde ihm also in diesem Unterricht gleiche Farben, gleiche Längen, gleiche Figuren zeigen, ihn sie finden und herstellen lassen, usw. Ich werde ihn etwa dazu anleiten, Reihenornamente auf einen Befehl hin ›gleichmäßig‹ fortzusetzen. – Und auch dazu, Progressionen fortzusetzen. Also etwa auf . .. ... so fortzufahren: .... ..... ......&nbsp;.###


Ich mach’s ihm vor, er macht es mir nach; und ich beeinflusse ihn durch Äußerungen der Zustimmung, der Ablehnung, der Erwartung, der Aufmunterung. Ich lasse ihn gewähren, oder halte ihn zurück; usw.
Ich mach’s ihm vor, er macht es mir nach; und ich beeinflusse ihn durch Äußerungen der Zustimmung, der Ablehnung, der Erwartung, der Aufmunterung. Ich lasse ihn gewähren, oder halte ihn zurück; usw.
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{{ParPU|214}} Ist eine Intuition zum Entwickeln der Reihe 1 2 3 4 nötig, dann auch zum Entwickeln der Reihe 2 2 2 2
{{ParPU|214}} Ist eine Intuition zum Entwickeln der Reihe 1 2 3 4&nbsp;... nötig, dann auch zum Entwickeln der Reihe 2 2 2 2&nbsp;...&nbsp;.




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{{ParPU|223}} Man fühlt nicht, daß man immer des Winkes (der Einflüsterung) der Regel gewärtig sein muß. Im Gegenteil. Wir sind nicht gespannt darauf, was sie uns wohl jetzt sagen wird, sondern sie sagt uns immer dasselbe, und wir tun, was sie uns sagt.
{{ParPU|223}} Man fühlt nicht, daß man immer des Winkes (der Einflüsterung) der Regel gewärtig sein muß. Im Gegenteil. Wir sind nicht gespannt darauf, was sie uns wohl jetzt sagen wird, sondern sie sagt uns immer dasselbe, und wir tun, was sie uns sagt.


Man könnte dem, den man abrichtet, sagen: »Sieh, ich tue immer das Gleiche: ich …«
Man könnte dem, den man abrichtet, sagen: »Sieh, ich tue immer das Gleiche: ich&nbsp;.....«




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{{ParPU|226}} Nimm an, Einer folgt der Reihe 1, 3, 5, 7, indem er die Reihe der 2x + 1 hinschreibt. Und er fragte sich: »aber tue ich auch immer das Gleiche, oder jedesmal etwas anderes?«
{{ParPU|226}} Nimm an, Einer folgt der Reihe 1, 3, 5, 7,&nbsp;.... indem er die Reihe der 2x + 1 hinschreibt. Und er fragte sich: »aber tue ich auch immer das Gleiche, oder jedesmal etwas anderes?«


Wer von einem Tag auf den andern verspricht »Morgen will ich dich besuchen« – sagt der jeden Tag das Gleiche; oder jeden Tag etwas anderes?  
Wer von einem Tag auf den andern verspricht »Morgen will ich dich besuchen« – sagt der jeden Tag das Gleiche; oder jeden Tag etwas anderes?  
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{{ParPU|231}} »Aber du siehst doch…!« Nun, das ist eben die charakteristische Äußerung Eines, der von der Regel gezwungen ist.  
{{ParPU|231}} »Aber du siehst doch&nbsp;....!« Nun, das ist eben die charakteristische Äußerung Eines, der von der Regel gezwungen ist.  




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{{ParPU|239}} Wie soll er wissen, welche Farbe er zu wählen hat, wenn er »rot« hört? – Sehr einfach: er soll die Farbe nehmen, deren Bild ihm beim Hören des Wortes einfällt. – Aber wie soll er wissen, welche Farbe das ist, ›deren Bild ihm einfällt‹? Braucht es dafür ein weiteres Kriterium? (Es gibt allerdings einen Vorgang: die Farbe wählen, die einem beim Wort.... einfällt.)
{{ParPU|239}} Wie soll er wissen, welche Farbe er zu wählen hat, wenn er »rot« hört? – Sehr einfach: er soll die Farbe nehmen, deren Bild ihm beim Hören des Wortes einfällt. – Aber wie soll er wissen, welche Farbe das ist, ›deren Bild ihm einfällt‹? Braucht es dafür ein weiteres Kriterium? (Es gibt allerdings einen Vorgang: die Farbe wählen, die einem beim Wort&nbsp;.... einfällt.)


»›Rot‹ bedeutet die Farbe, die mir beim Hören des Wortes ›rot‹ einfällt« – wäre eine ''Definition''. Keine Erklärung des ''Wesens'' der Bezeichnung durch ein Wort.  
»›Rot‹ bedeutet die Farbe, die mir beim Hören des Wortes ›rot‹ einfällt« – wäre eine ''Definition''. Keine Erklärung des ''Wesens'' der Bezeichnung durch ein Wort.  
Line 1,636: Line 1,636:
{{ParPU|288}} Ich erstarre zu Stein und meine Schmerzen dauern an. – Und wenn ich mich nun irrte und es nicht mehr ''Schmerzen'' wären! –– Aber ich kann mich doch hier nicht irren; es heißt doch nichts, zu zweifeln, ob ich Schmerzen habe! – D.h.: wenn Einer sagte »Ich weiß nicht, ist das ein Schmerz, was ich habe, oder ist es etwas anderes?«, so dächten wir etwa, er wisse nicht, was das deutsche Wort »Schmerz« bedeute und würden’s ihm erklären. – Wie? Vielleicht durch Gebärden, oder indem wir ihn mit einer Nadel stächen und sagten, »Siehst du, das ist Schmerz«. Er könnte diese Worterklärung, wie jede andere, richtig, falsch, oder gar nicht verstehen. Und welches er tut, wird er im Gebrauch des Wortes zeigen, wie es auch sonst geschieht.
{{ParPU|288}} Ich erstarre zu Stein und meine Schmerzen dauern an. – Und wenn ich mich nun irrte und es nicht mehr ''Schmerzen'' wären! –– Aber ich kann mich doch hier nicht irren; es heißt doch nichts, zu zweifeln, ob ich Schmerzen habe! – D.h.: wenn Einer sagte »Ich weiß nicht, ist das ein Schmerz, was ich habe, oder ist es etwas anderes?«, so dächten wir etwa, er wisse nicht, was das deutsche Wort »Schmerz« bedeute und würden’s ihm erklären. – Wie? Vielleicht durch Gebärden, oder indem wir ihn mit einer Nadel stächen und sagten, »Siehst du, das ist Schmerz«. Er könnte diese Worterklärung, wie jede andere, richtig, falsch, oder gar nicht verstehen. Und welches er tut, wird er im Gebrauch des Wortes zeigen, wie es auch sonst geschieht.


Wenn er nun z.B. sagte: »O, ich weiß, was ›Schmerz‹ heißt, aber ob ''das'' Schmerzen sind, was ich jetzt hier habe, das weiß ich nicht« – da würden wir bloß die Köpfe schütteln und müßten seine Worte für eine seltsame Reaktion ansehen, mit der wir nichts anzufangen wissen. (Es wäre etwa, wie wenn wir jemand im Ernste sagen hörten: »Ich erinnere mich deutlich, einige Zeit vor meiner Geburt geglaubt zu haben, ...«)
Wenn er nun z.B. sagte: »O, ich weiß, was ›Schmerz‹ heißt, aber ob ''das'' Schmerzen sind, was ich jetzt hier habe, das weiß ich nicht« – da würden wir bloß die Köpfe schütteln und müßten seine Worte für eine seltsame Reaktion ansehen, mit der wir nichts anzufangen wissen. (Es wäre etwa, wie wenn wir jemand im Ernste sagen hörten: »Ich erinnere mich deutlich, einige Zeit vor meiner Geburt geglaubt zu haben,&nbsp;.....«)


Jener Ausdruck des Zweifels gehört nicht zu dem Sprachspiel; aber wenn nun der Ausdruck der Empfindung, das menschliche Benehmen, ausgeschlossen ist, dann scheint es, ich ''dürfe'' wieder zweifeln. Daß ich hier versucht bin, zu sagen, man könne die Empfindung für etwas andres halten, als was sie ist, kommt daher: Wenn ich das normale Sprachspiel mit dem Ausdruck der Empfindung abgeschafft denke, brauche ich nun ein Kriterium der Identität für sie; und dann bestünde auch die Möglichkeit des Irrtums.  
Jener Ausdruck des Zweifels gehört nicht zu dem Sprachspiel; aber wenn nun der Ausdruck der Empfindung, das menschliche Benehmen, ausgeschlossen ist, dann scheint es, ich ''dürfe'' wieder zweifeln. Daß ich hier versucht bin, zu sagen, man könne die Empfindung für etwas andres halten, als was sie ist, kommt daher: Wenn ich das normale Sprachspiel mit dem Ausdruck der Empfindung abgeschafft denke, brauche ich nun ein Kriterium der Identität für sie; und dann bestünde auch die Möglichkeit des Irrtums.  
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{{ParPU|295}} Und was soll »Ich weiß nur vom ''eigenen'' Fall ...« überhaupt für ein Satz sein? Ein Erfahrungssatz? Nein. – Ein grammatischer?
{{ParPU|295}} Und was soll »Ich weiß nur vom ''eigenen'' Fall&nbsp;....« überhaupt für ein Satz sein? Ein Erfahrungssatz? Nein. – Ein grammatischer?


Ich denke mir also: Jeder sage von sich selbst, er wisse nur vom eigenen Schmerz, was Schmerz sei. – Nicht, daß die Menschen das wirklich sagen, oder auch nur bereit sind zu sagen. Aber ''wenn'' nun Jeder es sagte –– es könnte eine Art Ausruf sein. Und wenn er auch als Mitteilung nichtssagend ist, so ist er doch ein Bild; und warum sollten wir uns so ein Bild nicht vor die Seele rufen wollen? Denke dir statt der Worte ein gemaltes allegorisches Bild.
Ich denke mir also: Jeder sage von sich selbst, er wisse nur vom eigenen Schmerz, was Schmerz sei. – Nicht, daß die Menschen das wirklich sagen, oder auch nur bereit sind zu sagen. Aber ''wenn'' nun Jeder es sagte –– es könnte eine Art Ausruf sein. Und wenn er auch als Mitteilung nichtssagend ist, so ist er doch ein Bild; und warum sollten wir uns so ein Bild nicht vor die Seele rufen wollen? Denke dir statt der Worte ein gemaltes allegorisches Bild.
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{{ParPU|306}} Warum soll ich denn leugnen, daß ein geistiger Vorgang da ist?! Nur heißt »Es hat jetzt in mir der geistige Vorgang der Erinnerung an ... stattgefunden« nichts andres als: »Ich habe mich jetzt an ... erinnert«. Den geistigen Vorgang leugnen, hieße, das Erinnern leugnen; leugnen, daß irgend jemand sich je an etwas erinnert.  
{{ParPU|306}} Warum soll ich denn leugnen, daß ein geistiger Vorgang da ist?! Nur heißt »Es hat jetzt in mir der geistige Vorgang der Erinnerung an&nbsp;.... stattgefunden« nichts andres als: »Ich habe mich jetzt an&nbsp;.... erinnert«. Den geistigen Vorgang leugnen, hieße, das Erinnern leugnen; leugnen, daß irgend jemand sich je an etwas erinnert.  




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{{ParPU|334}} »Du wolltest also eigentlich sagen ...« – Mit dieser Redeweise leiten wir Jemand von einer Ausdrucksform zu einer andern. Man ist versucht, das Bild zu gebrauchen: das, was er eigentlich ›sagen wollte‹, was er ›meinte‹, sei, noch ehe wir es aussprachen, in seinem Geist vorhanden gewesen. Was uns dazu bewegt, einen Ausdruck aufzugeben und an seiner Stelle einen andern anzunehmen, kann von mannigfacher Art sein. Das zu verstehen, ist es nützlich, das Verhältnis zu betrachten, in welchem Lösungen mathematischer Probleme zum Anlaß und Ursprung ihrer Fragestellung stehen. Der Begriff ›Dreiteilung des Winkels mit Lineal und Zirkel‹, wenn Einer nach der Dreiteilung sucht, und anderseits, wenn bewiesen ist, daß es sie nicht gibt.  
{{ParPU|334}} »Du wolltest also eigentlich sagen&nbsp;....« – Mit dieser Redeweise leiten wir Jemand von einer Ausdrucksform zu einer andern. Man ist versucht, das Bild zu gebrauchen: das, was er eigentlich ›sagen wollte‹, was er ›meinte‹, sei, noch ehe wir es aussprachen, in seinem Geist vorhanden gewesen. Was uns dazu bewegt, einen Ausdruck aufzugeben und an seiner Stelle einen andern anzunehmen, kann von mannigfacher Art sein. Das zu verstehen, ist es nützlich, das Verhältnis zu betrachten, in welchem Lösungen mathematischer Probleme zum Anlaß und Ursprung ihrer Fragestellung stehen. Der Begriff ›Dreiteilung des Winkels mit Lineal und Zirkel‹, wenn Einer nach der Dreiteilung sucht, und anderseits, wenn bewiesen ist, daß es sie nicht gibt.  




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{{ParPU|361}} Der Sessel denkt bei sich selber: ....
{{ParPU|361}} Der Sessel denkt bei sich selber:&nbsp;.....


Wo? In einem seiner Teile? Oder außerhalb seines Körpers; in der Luft um ihn? Oder gar nicht ''irgendwo''? Aber was ist dann der Unterschied zwischen dem inneren Sprechen dieses Sessels und eines ändern, der daneben steht? – Aber wie ist es dann mit dem Menschen: Wo spricht ''er'' zu sich selber? Wie kommt es, daß diese Frage sinnlos scheint; und keine Ortsbestimmung nötig ist, außer der, daß eben dieser Mensch zu sich selbst spricht? Während die Frage, ''wo'' der Sessel mit sich selbst spreche, eine Antwort zu verlangen scheint. – Der Grund ist: Wir wollen wissen, ''wie'' der Sessel hier einem Menschen gleichen soll; ob der Kopf z.B. am obern Ende der Lehne ist, usw.
Wo? In einem seiner Teile? Oder außerhalb seines Körpers; in der Luft um ihn? Oder gar nicht ''irgendwo''? Aber was ist dann der Unterschied zwischen dem inneren Sprechen dieses Sessels und eines ändern, der daneben steht? – Aber wie ist es dann mit dem Menschen: Wo spricht ''er'' zu sich selber? Wie kommt es, daß diese Frage sinnlos scheint; und keine Ortsbestimmung nötig ist, außer der, daß eben dieser Mensch zu sich selbst spricht? Während die Frage, ''wo'' der Sessel mit sich selbst spreche, eine Antwort zu verlangen scheint. – Der Grund ist: Wir wollen wissen, ''wie'' der Sessel hier einem Menschen gleichen soll; ob der Kopf z.B. am obern Ende der Lehne ist, usw.
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{{ParPU|366}} Ist das Rechnen im Kopf unwirklicher als das Rechnen auf dem Papier? – Man ist vielleicht geneigt, so etwas zu sagen; kann sich aber auch zur gegenteiligen Ansicht bringen, indem man sich sagt: Papier, Tinte, etc. seien nur logische Konstruktionen aus unsern Sinnesdaten. »Ich habe die Multiplikation ... im Kopfe ausgeführt« – ''glaube'' ich etwa so eine Aussage nicht? – Aber war es wirklich eine Multiplikation? Es war nicht bloß ›eine‹ Multiplikation, sondern ''diese'' – im Kopfe. Dies ist der Punkt, an dem ich irregehe. Denn ich will jetzt sagen: Es war irgend ein, dem Multiplizieren auf dem Papier ''entsprechender'', geistiger Vorgang. So daß es Sinn hätte, zu sagen: »''Dieser'' Vorgang im Geiste entspricht ''diesem'' Vorgang auf dem Papier.« Und es hätte dann Sinn, von einer Methode der Abbildung zu reden, nach welcher die Vorstellung des Zeichens das Zeichen selbst darstellt.  
{{ParPU|366}} Ist das Rechnen im Kopf unwirklicher als das Rechnen auf dem Papier? – Man ist vielleicht geneigt, so etwas zu sagen; kann sich aber auch zur gegenteiligen Ansicht bringen, indem man sich sagt: Papier, Tinte, etc. seien nur logische Konstruktionen aus unsern Sinnesdaten. »Ich habe die Multiplikation&nbsp;..... im Kopfe ausgeführt« – ''glaube'' ich etwa so eine Aussage nicht? – Aber war es wirklich eine Multiplikation? Es war nicht bloß ›eine‹ Multiplikation, sondern ''diese'' – im Kopfe. Dies ist der Punkt, an dem ich irregehe. Denn ich will jetzt sagen: Es war irgend ein, dem Multiplizieren auf dem Papier ''entsprechender'', geistiger Vorgang. So daß es Sinn hätte, zu sagen: »''Dieser'' Vorgang im Geiste entspricht ''diesem'' Vorgang auf dem Papier.« Und es hätte dann Sinn, von einer Methode der Abbildung zu reden, nach welcher die Vorstellung des Zeichens das Zeichen selbst darstellt.  




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{{ParPU|369}} Man möchte fragen: »Wie ist das – was geht da vor – wenn Einer im Kopfe rechnet?« – Und im besondern Fall kann die Antwort sein: »Ich addiere zuerst 17 und 18, dann subtrahiere ich 39 ...« Aber das ist nicht die Antwort auf unsre Frage. Was im Kopf rechnen heißt, wird auf ''solche'' Weise nicht erklärt.  
{{ParPU|369}} Man möchte fragen: »Wie ist das – was geht da vor – wenn Einer im Kopfe rechnet?« – Und im besondern Fall kann die Antwort sein: »Ich addiere zuerst 17 und 18, dann subtrahiere ich 39&nbsp;.....« Aber das ist nicht die Antwort auf unsre Frage. Was im Kopf rechnen heißt, wird auf ''solche'' Weise nicht erklärt.  




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{{ParPU|388}} »Ich sehe zwar hier nichts Violettes, aber wenn du mir einen Farbkasten gibst, so kann ich’s dir darin zeigen.« Wie kann man ''wissen'', daß man es zeigen kann, wenn..., daß man es also erkennen kann, wenn man es sieht?
{{ParPU|388}} »Ich sehe zwar hier nichts Violettes, aber wenn du mir einen Farbkasten gibst, so kann ich’s dir darin zeigen.« Wie kann man ''wissen'', daß man es zeigen kann, wenn&nbsp;....., daß man es also erkennen kann, wenn man es sieht?


Wie weiß ich von meiner ''Vorstellung'' her, wie die Farbe wirklich ausschaut?
Wie weiß ich von meiner ''Vorstellung'' her, wie die Farbe wirklich ausschaut?
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{{ParPU|391}} Ich kann mir vielleicht auch vorstellen (obwohl es nicht leicht ist), jeder der Leute, die ich auf der Straße sehe, habe furchtbare Schmerzen, verberge sie aber kunstvoll. Und es ist wichtig, daß ich mir hier ein kunstvolles Verbergen vorstellen muß. Daß ich mir also nicht einfach sage: »Nun, seine Seele hat Schmerzen; aber was hat das mit seinem Leib zu tun!« oder »das muß sich schließlich am Leib nicht zeigen!« – Und wenn ich mir das nun vorstelle, – was tue ich; was sage ich zu mir selbst; wie sehe ich die Leute an? Ich schaue etwa Einen an und denke mir »Das muß schwer sein, zu lachen, wenn man solche Schmerzen hat«, und vieles dergleichen. Ich spiele gleichsam eine Rolle, ''tue so'', als hätten die Andern Schmerzen. Wenn ich das tue, sagt man etwa, ich stelle mir vor, ...
{{ParPU|391}} Ich kann mir vielleicht auch vorstellen (obwohl es nicht leicht ist), jeder der Leute, die ich auf der Straße sehe, habe furchtbare Schmerzen, verberge sie aber kunstvoll. Und es ist wichtig, daß ich mir hier ein kunstvolles Verbergen vorstellen muß. Daß ich mir also nicht einfach sage: »Nun, seine Seele hat Schmerzen; aber was hat das mit seinem Leib zu tun!« oder »das muß sich schließlich am Leib nicht zeigen!« – Und wenn ich mir das nun vorstelle, – was tue ich; was sage ich zu mir selbst; wie sehe ich die Leute an? Ich schaue etwa Einen an und denke mir »Das muß schwer sein, zu lachen, wenn man solche Schmerzen hat«, und vieles dergleichen. Ich spiele gleichsam eine Rolle, ''tue so'', als hätten die Andern Schmerzen. Wenn ich das tue, sagt man etwa, ich stelle mir vor,&nbsp;....




{{ParPU|392}} »Wenn ich mir vorstelle, er habe Schmerzen, geht eigentlich nur... in mir vor.« Ein Andrer sagt dann: »Ich glaube, ich kann es mir auch vorstellen, ''ohne'' dabei... zu denken«. (»Ich glaube, ich kann denken, ohne zu reden.«) Das führt zu nichts. Die Analyse schillert zwischen einer naturwissenschaftlichen und einer grammatischen.  
{{ParPU|392}} »Wenn ich mir vorstelle, er habe Schmerzen, geht eigentlich nur&nbsp;..... in mir vor.« Ein Andrer sagt dann: »Ich glaube, ich kann es mir auch vorstellen, ''ohne'' dabei&nbsp;..... zu denken«. (»Ich glaube, ich kann denken, ohne zu reden.«) Das führt zu nichts. Die Analyse schillert zwischen einer naturwissenschaftlichen und einer grammatischen.  




{{ParPU|393}} »Wenn ich mir vorstelle, daß Einer, der lacht, in Wirklichkeit Schmerzen hat, so stelle ich mir doch kein Schmerzbenehmen vor, denn ich sehe eben das Gegenteil. ''Was'' stelle ich mir also vor?« – Ich habe es schon gesagt. Und ich stelle mir dazu nicht notwendigerweise vor, daß ''ich'' Schmerzen fühle. –– »Aber wie geht es also vor sich: sich dies vorstellen?« –– Wo (außerhalb der Philosophie) verwenden wir denn die Worte »Ich kann mir vorstellen, daß er Schmerzen hat«, oder »Ich stelle mir vor, daß...«, oder »Stell dir vor, daß...!«?
{{ParPU|393}} »Wenn ich mir vorstelle, daß Einer, der lacht, in Wirklichkeit Schmerzen hat, so stelle ich mir doch kein Schmerzbenehmen vor, denn ich sehe eben das Gegenteil. ''Was'' stelle ich mir also vor?« – Ich habe es schon gesagt. Und ich stelle mir dazu nicht notwendigerweise vor, daß ''ich'' Schmerzen fühle. –– »Aber wie geht es also vor sich: sich dies vorstellen?« –– Wo (außerhalb der Philosophie) verwenden wir denn die Worte »Ich kann mir vorstellen, daß er Schmerzen hat«, oder »Ich stelle mir vor, daß&nbsp;....«, oder »Stell dir vor, daß&nbsp;....!«?


Man sagt z.B. dem, der eine Theaterrolle zu spielen hat: »Du mußt dir hier vorstellen, daß dieser Mensch Schmerzen hat, die er verbirgt« – und wir geben ihm nun keine Anweisung, sagen ihm nicht, was er ''eigentlich'' tun soll. Darum ist auch jene Analyse nicht zur Sache. – Wir schaun nun dem Schauspieler zu, der sich diese Situation vorstellt.  
Man sagt z.B. dem, der eine Theaterrolle zu spielen hat: »Du mußt dir hier vorstellen, daß dieser Mensch Schmerzen hat, die er verbirgt« – und wir geben ihm nun keine Anweisung, sagen ihm nicht, was er ''eigentlich'' tun soll. Darum ist auch jene Analyse nicht zur Sache. – Wir schaun nun dem Schauspieler zu, der sich diese Situation vorstellt.  
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{{ParPU|404}} »Wenn ich sage ›ich habe Schmerzen‹, weise ich nicht auf eine Person, die die Schmerzen hat, da ich in gewissem Sinne gar nicht weiß, ''wer'' sie hat.« Und das läßt sich rechtfertigen. Denn vor allem: Ich sage ja nicht, die und die Person habe Schmerzen, sondern »ich habe...«. Nun, damit nenne ich ja keine Person. So wenig wie dadurch, daß ich vor Schmerz ''stöhne''. Obwohl der Andre aus dem Stöhnen ersieht, wer Schmerzen hat.
{{ParPU|404}} »Wenn ich sage ›ich habe Schmerzen‹, weise ich nicht auf eine Person, die die Schmerzen hat, da ich in gewissem Sinne gar nicht weiß, ''wer'' sie hat.« Und das läßt sich rechtfertigen. Denn vor allem: Ich sage ja nicht, die und die Person habe Schmerzen, sondern »ich habe&nbsp;....«. Nun, damit nenne ich ja keine Person. So wenig wie dadurch, daß ich vor Schmerz ''stöhne''. Obwohl der Andre aus dem Stöhnen ersieht, wer Schmerzen hat.


Was heißt es denn: wissen, ''wer'' Schmerzen hat? Es heißt, z.B., wissen, welcher Mensch in diesem Zimmer Schmerzen hat: also, der dort sitzt, oder, der in dieser Ecke steht, der Lange mit den blonden Haaren dort, etc. – Worauf will ich hinaus? Darauf, daß es sehr verschiedene Kriterien der ›''Identität''‹ der Person gibt.
Was heißt es denn: wissen, ''wer'' Schmerzen hat? Es heißt, z.B., wissen, welcher Mensch in diesem Zimmer Schmerzen hat: also, der dort sitzt, oder, der in dieser Ecke steht, der Lange mit den blonden Haaren dort, etc. – Worauf will ich hinaus? Darauf, daß es sehr verschiedene Kriterien der ›''Identität''‹ der Person gibt.
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{{ParPU|406}} »Aber du willst doch durch die Worte ›Ich habe...‹ zwischen ''dir'' und ''dem Andern'' unterscheiden.« – Kann man das in allen Fällen sagen? Auch, wenn ich bloß stöhne? Und auch wenn ich zwischen mir und dem Andern ›unterscheiden will‹ – will ich damit zwischen den Personen L. W. und N. N. unterscheiden?  
{{ParPU|406}} »Aber du willst doch durch die Worte ›Ich habe&nbsp;....‹ zwischen ''dir'' und ''dem Andern'' unterscheiden.« – Kann man das in allen Fällen sagen? Auch, wenn ich bloß stöhne? Und auch wenn ich zwischen mir und dem Andern ›unterscheiden will‹ – will ich damit zwischen den Personen L. W. und N. N. unterscheiden?  




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{{ParPU|409}} Denke, mehrere Leute stehen in einem Kreis, darunter auch ich. Irgend einer von uns, einmal der, einmal jener, wird mit den Polen einer Elektrisiermaschine verbunden, ohne daß wir es sehen können. Ich beobachte die Gesichter der Andern und trachte zu erkennen, welcher von uns jetzt gerade elektrisiert wird. – Einmal sage ich: »Jetzt ''weiß'' ich, welcher es ist; ''ich'' bin’s nämlich.« In diesem Sinn könnte ich auch sagen: »Jetzt weiß ich, wer die Schläge spürt; ich nämlich«. Dies wäre eine etwas seltsame Ausdrucksweise. – Nehme ich aber hier an, daß ich Schläge auch dann fühlen kann, wenn Andre elektrisiert werden, dann wird nun die Ausdrucksweise »Jetzt weiß ich wer...« ganz unpassend. Sie gehört nicht zu diesem Spiel.  
{{ParPU|409}} Denke, mehrere Leute stehen in einem Kreis, darunter auch ich. Irgend einer von uns, einmal der, einmal jener, wird mit den Polen einer Elektrisiermaschine verbunden, ohne daß wir es sehen können. Ich beobachte die Gesichter der Andern und trachte zu erkennen, welcher von uns jetzt gerade elektrisiert wird. – Einmal sage ich: »Jetzt ''weiß'' ich, welcher es ist; ''ich'' bin’s nämlich.« In diesem Sinn könnte ich auch sagen: »Jetzt weiß ich, wer die Schläge spürt; ich nämlich«. Dies wäre eine etwas seltsame Ausdrucksweise. – Nehme ich aber hier an, daß ich Schläge auch dann fühlen kann, wenn Andre elektrisiert werden, dann wird nun die Ausdrucksweise »Jetzt weiß ich, wer&nbsp;....« ganz unpassend. Sie gehört nicht zu diesem Spiel.  




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{{ParPU|417}} Beobachte ich mich also und nehme wahr, daß ich sehe, oder bei Bewußtsein bin? Und wozu überhaupt von Beobachtung reden! Warum nicht einfach sagen »Ich nehme wahr, daß ich bei Bewußtsein bin«? – Aber wozu hier die Worte »Ich nehme wahr« – warum nicht sagen »Ich bin bei Bewußtsein«? –  
{{ParPU|417}} Beobachte ich mich also und nehme wahr, daß ich sehe, oder bei Bewußtsein bin? Und wozu überhaupt von Beobachtung reden! Warum nicht einfach sagen »Ich nehme wahr, daß ich bei Bewußtsein bin«? – Aber wozu hier die Worte »Ich nehme wahr« – warum nicht sagen »Ich bin bei Bewußtsein«? –  


Aber zeigen die Worte »ich nehme wahr« hier nicht an, daß ich auf mein Bewußtsein aufmerksam bin? – was doch gewöhnlich nicht der Fall ist. – Wenn es so ist, dann sagt der Satz »Ich nehme wahr, daß ....« nicht, daß ich bei Bewußtsein bin, sondern, daß meine Aufmerksamkeit so und so eingestellt sei.
Aber zeigen die Worte »ich nehme wahr« hier nicht an, daß ich auf mein Bewußtsein aufmerksam bin? – was doch gewöhnlich nicht der Fall ist. – Wenn es so ist, dann sagt der Satz »Ich nehme wahr, daß&nbsp;....« nicht, daß ich bei Bewußtsein bin, sondern, daß meine Aufmerksamkeit so und so eingestellt sei.


Aber ist es denn nicht eine bestimmte Erfahrung, die mich veranlaßt, zu sagen »Ich bin wieder bei Bewußtsein«? – ''Welche'' Erfahrung? In welcher Situation sagen wir es?  
Aber ist es denn nicht eine bestimmte Erfahrung, die mich veranlaßt, zu sagen »Ich bin wieder bei Bewußtsein«? – ''Welche'' Erfahrung? In welcher Situation sagen wir es?  
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{{ParPU|451}} Wie ist es, wenn ich Einem den Befehl gebe »Stell dir hier einen roten Kreis vor!« – und ich sage nun: den Befehl verstehen heiße, wissen, wie es ist, wenn er ausgeführt wurde – oder gar: sich vorstellen können, wie es ist...?  
{{ParPU|451}} Wie ist es, wenn ich Einem den Befehl gebe »Stell dir hier einen roten Kreis vor!« – und ich sage nun: den Befehl verstehen heiße, wissen, wie es ist, wenn er ausgeführt wurde – oder gar: sich vorstellen können, wie es ist&nbsp;....?  




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{{ParPU|454}} »Es liegt alles schon in ...« Wie kommt es, daß der Pfeil [[File:Par. 454.png|75px|link=]] ''zeigt''? Scheint er nicht schon etwas außerhalb seiner selbst in sich zu tragen? – »Nein, es ist nicht der tote Strich; nur das Psychische, die Bedeutung, kann dies.« – Das ist wahr und falsch. Der Pfeil zeigt nur in der Anwendung, die das Lebewesen von ihm macht.
{{ParPU|454}} »Es liegt alles schon in&nbsp;....« Wie kommt es, daß der Pfeil [[File:Par. 454.png|75px|link=]] ''zeigt''? Scheint er nicht schon etwas außerhalb seiner selbst in sich zu tragen? – »Nein, es ist nicht der tote Strich; nur das Psychische, die Bedeutung, kann dies.« – Das ist wahr und falsch. Der Pfeil zeigt nur in der Anwendung, die das Lebewesen von ihm macht.


Dieses Zeigen ist ''nicht'' ein Hokuspokus, welches nur die Seele vollziehen kann.  
Dieses Zeigen ist ''nicht'' ein Hokuspokus, welches nur die Seele vollziehen kann.  
Line 2,315: Line 2,315:




{{ParPU|459}} Wir sagen »Der Befehl befiehlt ''dies'' – « und tun es; aber auch: »Der Befehl befiehlt dies: ich soll ....«. Wir übertragen ihn einmal in einen Satz, einmal in eine Demonstration, und einmal in die Tat.  
{{ParPU|459}} Wir sagen »Der Befehl befiehlt ''dies'' – « und tun es; aber auch: »Der Befehl befiehlt dies: ich soll&nbsp;....«. Wir übertragen ihn einmal in einen Satz, einmal in eine Demonstration, und einmal in die Tat.  




Line 2,386: Line 2,386:




{{ParPU|478}} Was für einen Grund habe ich, anzunehmen, daß mein Finger, wenn er den Tisch berührt, einen Widerstand spüren wird? Was für einen Grund, zu glauben, daß dieser Bleistift sich nicht schmerzlos durch meine Hand wird stecken lassen? – Wenn ich dies frage, melden sich hundert Gründe, die einander kaum zu Wort kommen lassen wollen. »Ich habe es doch selbst unzählige Male erfahren; und ebenso oft von ähnlichen Erfahrungen gehört; wenn es nicht wäre, würde...; etc.«  
{{ParPU|478}} Was für einen Grund habe ich, anzunehmen, daß mein Finger, wenn er den Tisch berührt, einen Widerstand spüren wird? Was für einen Grund, zu glauben, daß dieser Bleistift sich nicht schmerzlos durch meine Hand wird stecken lassen? – Wenn ich dies frage, melden sich hundert Gründe, die einander kaum zu Wort kommen lassen wollen. »Ich habe es doch selbst unzählige Male erfahren; und ebenso oft von ähnlichen Erfahrungen gehört; wenn es nicht wäre, würde&nbsp;....; etc.«  




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{{ParPU|509}} Wie, wenn wir jemanden fragten »Inwiefern sind diese Worte eine Beschreibung dessen, was du siehst?« – und er antwortet: »Ich ''meine'' das mit diesen Worten.« (Er sah etwa auf eine Landschaft.) Warum ist diese Antwort »Ich ''meine'' das ...« gar keine Antwort?
{{ParPU|509}} Wie, wenn wir jemanden fragten »Inwiefern sind diese Worte eine Beschreibung dessen, was du siehst?« – und er antwortet: »Ich ''meine'' das mit diesen Worten.« (Er sah etwa auf eine Landschaft.) Warum ist diese Antwort »Ich ''meine'' das&nbsp;....« gar keine Antwort?


Wie ''meint'' man, was man vor sich sieht, mit Worten?
Wie ''meint'' man, was man vor sich sieht, mit Worten?
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{{ParPU|557}} Worin mag das gelegen haben, als ich die doppelte Verneinung aussprach, daß ich sie als verstärkte Verneinung und nicht als Bejahung meinte? Es gibt keine Antwort, die lautet: »Es lag darin, daß ...« Statt zu sagen »Diese Verdoppelung ist als Verstärkung gemeint«, kann ich sie unter gewissen Umständen als Verstärkung ''aussprechen''. Statt zu sagen »Die Verdoppelung der Verneinung ist als ihre Aufhebung gemeint«, kann ich z.B. Klammern setzen. – »Ja, aber diese Klammern selbst können doch verschiedene Rollen spielen; denn wer sagt, daß sie als ''Klammern'' aufzufassen seien?« Niemand sagt es. Und du hast ja deine Auffassung wieder durch Worte erklärt. Was die Klammern bedeuten, liegt in der Technik ihrer Anwendung. Die Frage ist: unter welchen Umständen hat es Sinn zu sagen: »Ich habe .... gemeint«, und welche Umstände berechtigen mich zu sagen »Er hat.... gemeint«?  
{{ParPU|557}} Worin mag das gelegen haben, als ich die doppelte Verneinung aussprach, daß ich sie als verstärkte Verneinung und nicht als Bejahung meinte? Es gibt keine Antwort, die lautet: »Es lag darin, daß&nbsp;....« Statt zu sagen »Diese Verdoppelung ist als Verstärkung gemeint«, kann ich sie unter gewissen Umständen als Verstärkung ''aussprechen''. Statt zu sagen »Die Verdoppelung der Verneinung ist als ihre Aufhebung gemeint«, kann ich z.B. Klammern setzen. – »Ja, aber diese Klammern selbst können doch verschiedene Rollen spielen; denn wer sagt, daß sie als ''Klammern'' aufzufassen seien?« Niemand sagt es. Und du hast ja deine Auffassung wieder durch Worte erklärt. Was die Klammern bedeuten, liegt in der Technik ihrer Anwendung. Die Frage ist: unter welchen Umständen hat es Sinn zu sagen: »Ich habe&nbsp;.... gemeint«, und welche Umstände berechtigen mich zu sagen »Er hat&nbsp;.... gemeint«?  




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{{ParPU|575}} Als ich mich auf diesen Stuhl setzte, glaubte ich natürlich, er werde mich tragen. Ich dachte gar nicht, daß er zusammenbrechen könnte.
{{ParPU|575}} Als ich mich auf diesen Stuhl setzte, glaubte ich natürlich, er werde mich tragen. Ich dachte gar nicht, daß er zusammenbrechen könnte.


Aber: »Trotz allem, was er tat, hielt ich an dem Glauben fest, ...« Hier wird gedacht, und etwa immer wieder eine bestimmte Einstellung erkämpft.  
Aber: »Trotz allem, was er tat, hielt ich an dem Glauben fest,&nbsp;....« Hier wird gedacht, und etwa immer wieder eine bestimmte Einstellung erkämpft.  




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In ''manchen'' Fällen wird man so etwas sagen können, in den meisten nicht.
In ''manchen'' Fällen wird man so etwas sagen können, in den meisten nicht.


Es hat Sinn, zu fragen: »Liebe ich sie wirklich, mache ich mir das nicht nur vor?« und der Vorgang der Introspektion ist das Wachrufen von Erinnerungen; von Vorstellungen möglicher Situationen und der Gefühle, die man hätte, wenn...
Es hat Sinn, zu fragen: »Liebe ich sie wirklich, mache ich mir das nicht nur vor?« und der Vorgang der Introspektion ist das Wachrufen von Erinnerungen; von Vorstellungen möglicher Situationen und der Gefühle, die man hätte, wenn&nbsp;....




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{{ParPU|607}} Wie schätzt man, wieviel Uhr es ist? Ich meine aber nicht, nach äußeren Anhaltspunkten, dem Stand der Sonne, der Helligkeit im Zimmer, u. dergl. – Man fragt sich etwa »Wieviel Uhr kann es sein?«, hält einen Augenblick inne, stellt sich vielleicht das Zifferblatt vor; und dann spricht man eine Zeit aus. – Oder man überlegt sich mehrere Möglichkeiten; man denkt sich ''eine'' Zeit, dann eine andre, und bleibt endlich bei einer stehen. So und ähnlich geht es vor sich. –– Aber ist nicht der Einfall von einem Gefühl der Überzeugung begleitet; und heißt das nicht, daß er nun mit einer inneren Uhr übereinstimmt? – Nein, ich lese die Zeit von keiner Uhr ab; ein Gefühl der Überzeugung ist insofern da, als ich mir ''ohne'' Empfindung des Zweifels, mit Ruhe und Sicherheit, eine Zeit sage. – Aber schnappt nicht etwas bei dieser Zeitangabe ein? – Nichts, das ich wüßte; wenn du nicht das Zur-Ruhe-Kommen der Überlegung, das Stehenbleiben bei einer Zahl so nennst. Ich hätte hier auch nie von einem ›Gefühl der Überzeugung‹ geredet, sondern gesagt: ich habe eine Weile überlegt und mich dann dafür entschieden, daß es viertel sechs ist. – Wonach aber hab ich mich entschieden? Ich hätte vielleicht gesagt: »bloß nach dem Gefühl«; das heißt nur: ich habe es dem Einfall überlassen. –– Aber du mußtest dich doch wenigstens zum Schätzen der Zeit in einen bestimmten Zustand versetzen; und du nimmst doch nicht jede Vorstellung einer Zeitangabe als Angabe der richtigen Zeit! – Wie gesagt: ich hatte ''mich gefragt'' »Wieviel Uhr mag es sein?« D.h., ich habe diese Frage nicht, z.B., in einer Erzählung gelesen; noch sie als Ausspruch eines Andern zitiert; noch mich im Aussprechen dieser Wörter geübt; usf. Nicht unter ''diesen'' Umständen habe ich die Worte gesprochen. – Aber unter ''welchen'' also? – Ich dachte an mein Frühstück und ob es heute spät damit würde. Solcherart waren die Umstände. – Aber siehst du denn wirklich nicht, daß du doch in einem, wenn auch ungreifbaren, für das Schätzen der Zeit charakteristischen Zustand, gleichsam in einer dafür charakteristischen Atmosphäre warst? – Ja, das Charakteristische war, daß ich mich fragte »Wieviel Uhr mag es sein?« – Und hat dieser Satz eine bestimmte Atmosphäre, – wie soll ich sie von ihm selbst trennen können? Es wäre mir nie eingefallen, der Satz hätte einen solchen Dunstkreis, hätte ich nicht daran gedacht, wie man ihn auch anders – als Zitat, im Scherz, als Sprechübung, etc. – sagen könnte. Und ''da'' wollte ich auf einmal sagen, da erschien es mir auf einmal, ich müßte die Worte doch irgendwie besonders ''gemeint'' haben; anders nämlich als in jenen ändern Fällen. Es hatte sich mir das Bild von der besonderen Atmosphäre aufgedrängt; ich sehe sie förmlich vor mir – solange ich nämlich nicht auf das sehe, was nach meiner Erinnerung wirklich gewesen ist.
{{ParPU|607}} Wie schätzt man, wieviel Uhr es ist? Ich meine aber nicht, nach äußeren Anhaltspunkten, dem Stand der Sonne, der Helligkeit im Zimmer, u. dergl. – Man fragt sich etwa »Wieviel Uhr kann es sein?«, hält einen Augenblick inne, stellt sich vielleicht das Zifferblatt vor; und dann spricht man eine Zeit aus. – Oder man überlegt sich mehrere Möglichkeiten; man denkt sich ''eine'' Zeit, dann eine andre, und bleibt endlich bei einer stehen. So und ähnlich geht es vor sich. –– Aber ist nicht der Einfall von einem Gefühl der Überzeugung begleitet; und heißt das nicht, daß er nun mit einer inneren Uhr übereinstimmt? – Nein, ich lese die Zeit von keiner Uhr ab; ein Gefühl der Überzeugung ist insofern da, als ich mir ''ohne'' Empfindung des Zweifels, mit Ruhe und Sicherheit, eine Zeit sage. – Aber schnappt nicht etwas bei dieser Zeitangabe ein? – Nichts, das ich wüßte; wenn du nicht das Zur-Ruhe-Kommen der Überlegung, das Stehenbleiben bei einer Zahl so nennst. Ich hätte hier auch nie von einem ›Gefühl der Überzeugung‹ geredet, sondern gesagt: ich habe eine Weile überlegt und mich dann dafür entschieden, daß es viertel sechs ist. – Wonach aber hab ich mich entschieden? Ich hätte vielleicht gesagt: »bloß nach dem Gefühl«; das heißt nur: ich habe es dem Einfall überlassen. –– Aber du mußtest dich doch wenigstens zum Schätzen der Zeit in einen bestimmten Zustand versetzen; und du nimmst doch nicht jede Vorstellung einer Zeitangabe als Angabe der richtigen Zeit! – Wie gesagt: ich hatte ''mich gefragt'' »Wieviel Uhr mag es sein?« D.h., ich habe diese Frage nicht, z.B., in einer Erzählung gelesen; noch sie als Ausspruch eines Andern zitiert; noch mich im Aussprechen dieser Wörter geübt; usf. Nicht unter ''diesen'' Umständen habe ich die Worte gesprochen. – Aber unter ''welchen'' also? – Ich dachte an mein Frühstück und ob es heute spät damit würde. Solcherart waren die Umstände. – Aber siehst du denn wirklich nicht, daß du doch in einem, wenn auch ungreifbaren, für das Schätzen der Zeit charakteristischen Zustand, gleichsam in einer dafür charakteristischen Atmosphäre warst? – Ja, das Charakteristische war, daß ich mich fragte »Wieviel Uhr mag es sein?« – Und hat dieser Satz eine bestimmte Atmosphäre, – wie soll ich sie von ihm selbst trennen können? Es wäre mir nie eingefallen, der Satz hätte einen solchen Dunstkreis, hätte ich nicht daran gedacht, wie man ihn auch anders – als Zitat, im Scherz, als Sprechübung, etc. – sagen könnte. Und ''da'' wollte ich auf einmal sagen, da erschien es mir auf einmal, ich müßte die Worte doch irgendwie besonders ''gemeint'' haben; anders nämlich als in jenen ändern Fällen. Es hatte sich mir das Bild von der besonderen Atmosphäre aufgedrängt; ich sehe sie förmlich vor mir – solange ich nämlich nicht auf das sehe, was nach meiner Erinnerung wirklich gewesen ist.


Und was das Gefühl der Sicherheit anbelangt: so sage ich mir manchmal »Ich bin sicher, es ist .... Uhr«, und in mehr oder weniger sicherem Tonfall, etc. Fragst du nach dem ''Grund'' für diese Sicherheit, so habe ich keinen.
Und was das Gefühl der Sicherheit anbelangt: so sage ich mir manchmal »Ich bin sicher, es ist&nbsp;... Uhr«, und in mehr oder weniger sicherem Tonfall, etc. Fragst du nach dem ''Grund'' für diese Sicherheit, so habe ich keinen.


Wenn ich sage: ich lese es auf einer Innern Uhr ab, – so ist das ein Bild, dem nur entspricht, daß ich diese Zeitangabe gemacht habe. Und der Zweck des Bildes ist, diesen Fall dem ändern anzugleichen. Ich sträube mich, die beiden verschiedenen Fälle anzuerkennen.  
Wenn ich sage: ich lese es auf einer Innern Uhr ab, – so ist das ein Bild, dem nur entspricht, daß ich diese Zeitangabe gemacht habe. Und der Zweck des Bildes ist, diesen Fall dem ändern anzugleichen. Ich sträube mich, die beiden verschiedenen Fälle anzuerkennen.  
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{{ParPU|626}} »Wenn ich mit einem Stock diesen Gegenstand abtaste, habe ich die Tastempfindung in der Spitze des Stockes, nicht in der Hand, die ihn hält.« Wenn Einer sagt »Ich habe nicht hier in der Hand, sondern im Handgelenk Schmerzen«, so ist die Konsequenz, daß der Arzt das Handgelenk untersucht. Welchen Unterschied macht es aber, ob ich sage, ich fühle die Härte des Gegenstands in der Stockspitze, oder in der Hand? Heißt, was ich sage: »Es ist, als hätte ich Nervenenden in der Stockspitze«? ''Inwiefern'' ist es so? – Nun, ich bin jedenfalls geneigt zu sagen: »Ich fühle die Härte, etc. in der Stockspitze«. Und damit geht zusammen, daß ich beim Abtasten nicht auf meine Hand, sondern auf die Stockspitze sehe; daß ich, was ich fühle, mit den Worten beschreibe »Ich fühle dort etwas Hartes, Rundes« – nicht mit den Worten »Ich fühle einen Druck gegen die Fingerspitzen des Daumens, Mittelfingers und Zeigefingers....« Wenn mich etwa jemand fragt »Was fühlst du jetzt in den Fingern, die die Sonde halten?«, so könnte ich ihm antworten: »Ich weiß nicht –– ich fühle ''dort'' etwas Hartes, Rauhes.«  
{{ParPU|626}} »Wenn ich mit einem Stock diesen Gegenstand abtaste, habe ich die Tastempfindung in der Spitze des Stockes, nicht in der Hand, die ihn hält.« Wenn Einer sagt »Ich habe nicht hier in der Hand, sondern im Handgelenk Schmerzen«, so ist die Konsequenz, daß der Arzt das Handgelenk untersucht. Welchen Unterschied macht es aber, ob ich sage, ich fühle die Härte des Gegenstands in der Stockspitze, oder in der Hand? Heißt, was ich sage: »Es ist, als hätte ich Nervenenden in der Stockspitze«? ''Inwiefern'' ist es so? – Nun, ich bin jedenfalls geneigt zu sagen: »Ich fühle die Härte, etc. in der Stockspitze«. Und damit geht zusammen, daß ich beim Abtasten nicht auf meine Hand, sondern auf die Stockspitze sehe; daß ich, was ich fühle, mit den Worten beschreibe »Ich fühle dort etwas Hartes, Rundes« – nicht mit den Worten »Ich fühle einen Druck gegen die Fingerspitzen des Daumens, Mittelfingers und Zeigefingers&nbsp;....« Wenn mich etwa jemand fragt »Was fühlst du jetzt in den Fingern, die die Sonde halten?«, so könnte ich ihm antworten: »Ich weiß nicht –– ich fühle ''dort'' etwas Hartes, Rauhes.«  




{{ParPU|627}} Betrachte diese Beschreibung einer willkürlichen Handlung: »Ich fasse den Entschluß, um 5 Uhr die Glocke zu ziehen; und wenn es 5 schlägt, macht mein Arm nun diese Bewegung.« – Ist das die richtige Beschreibung, und nicht ''die'': ».... und wenn es 5 schlägt, hebe ich meinen Arm«? –– Die erste Beschreibung möchte man so ergänzen: »und siehe da! mein Arm hebt sich, wenn es 5 schlägt.« Und dies »siehe da« ist gerade, was hier wegfällt. Ich sage ''nicht'': »Sieh, mein Arm hebt sich!« wenn ich ihn hebe.  
{{ParPU|627}} Betrachte diese Beschreibung einer willkürlichen Handlung: »Ich fasse den Entschluß, um 5 Uhr die Glocke zu ziehen; und wenn es 5 schlägt, macht mein Arm nun diese Bewegung.« – Ist das die richtige Beschreibung, und nicht ''die'': »....&nbsp;und wenn es 5 schlägt, hebe ich meinen Arm«? –– Die erste Beschreibung möchte man so ergänzen: »und siehe da! mein Arm hebt sich, wenn es 5 schlägt.« Und dies »siehe da« ist gerade, was hier wegfällt. Ich sage ''nicht'': »Sieh, mein Arm hebt sich!« wenn ich ihn hebe.  




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{{ParPU|635}} »Ich wollte sagen....« – Du erinnerst dich an verschiedene Einzelheiten. Aber sie alle zeigen nicht diese Absicht. Es ist, als wäre das Bild einer Szene aufgenommen worden, aber es sind von ihm nur einige verstreute Einzelheiten zu sehen; hier eine Hand, dort ein Stück eines Gesichts, oder ein Hut, – das übrige ist dunkel. Und nun ist es, als wüßte ich doch ganz gewiß, was das ganze Bild darstellt. Als könnte ich das Dunkel lesen.  
{{ParPU|635}} »Ich wollte sagen&nbsp;....« – Du erinnerst dich an verschiedene Einzelheiten. Aber sie alle zeigen nicht diese Absicht. Es ist, als wäre das Bild einer Szene aufgenommen worden, aber es sind von ihm nur einige verstreute Einzelheiten zu sehen; hier eine Hand, dort ein Stück eines Gesichts, oder ein Hut, – das übrige ist dunkel. Und nun ist es, als wüßte ich doch ganz gewiß, was das ganze Bild darstellt. Als könnte ich das Dunkel lesen.  




{{ParPU|636}} Diese ›Einzelheiten‹ sind nicht irrelevant in dem Sinne, in welchem andere Umstände, an die ich mich gleichfalls erinnern kann, es sind. Aber wem ich mitteile »Ich wollte für einen Augenblick sagen....«, der erfährt dadurch diese Einzelheiten nicht und muß sie auch nicht erraten. Er muß z.B. nicht wissen, daß ich schon den Mund zum Sprechen geöffnet hatte. Er ''kann'' sich aber den Vorgang so ›ausmalen‹. (Und diese Fähigkeit gehört zum Verstehen meiner Mitteilung.)  
{{ParPU|636}} Diese ›Einzelheiten‹ sind nicht irrelevant in dem Sinne, in welchem andere Umstände, an die ich mich gleichfalls erinnern kann, es sind. Aber wem ich mitteile »Ich wollte für einen Augenblick sagen&nbsp;....«, der erfährt dadurch diese Einzelheiten nicht und muß sie auch nicht erraten. Er muß z.B. nicht wissen, daß ich schon den Mund zum Sprechen geöffnet hatte. Er ''kann'' sich aber den Vorgang so ›ausmalen‹. (Und diese Fähigkeit gehört zum Verstehen meiner Mitteilung.)  




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Kann denn die Evidenz nicht zu spärlich sein? Ja, wenn man ihr nachgeht, scheint sie außerordentlich spärlich; aber ist das nicht, weil man die Geschichte dieser Evidenz außer acht läßt? Wenn ich einen Augenblick lang die Absicht hatte, dem Andern Unwohlsein vorzuheucheln, so brauchte es dazu eine Vorgeschichte.
Kann denn die Evidenz nicht zu spärlich sein? Ja, wenn man ihr nachgeht, scheint sie außerordentlich spärlich; aber ist das nicht, weil man die Geschichte dieser Evidenz außer acht läßt? Wenn ich einen Augenblick lang die Absicht hatte, dem Andern Unwohlsein vorzuheucheln, so brauchte es dazu eine Vorgeschichte.


Beschreibt der, der sagt »Für einen Augenblick....« wirklich nur einen momentanen Vorgang?
Beschreibt der, der sagt »Für einen Augenblick&nbsp;....« wirklich nur einen momentanen Vorgang?


Aber auch die ganze Geschichte war nicht die Evidenz, auf Grund derer ich sagte »Für einen Augenblick....«  
Aber auch die ganze Geschichte war nicht die Evidenz, auf Grund derer ich sagte »Für einen Augenblick&nbsp;....«  




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{{ParPU|645}} »Einen Augenblick lang wollte ich....« D.h., ich hatte ein bestimmtes Gefühl, inneres Erlebnis; und ich erinnere mich dran. –– Und nun erinnere dich ''recht genau''! Da scheint das ›innere Erlebnis‹ des Wollens wieder zu verschwinden. Stattdessen erinnert man sich an Gedanken, Gefühle, Bewegungen, auch an Zusammenhänge mit früheren Situationen.
{{ParPU|645}} »Einen Augenblick lang wollte ich&nbsp;....« D.h., ich hatte ein bestimmtes Gefühl, inneres Erlebnis; und ich erinnere mich dran. –– Und nun erinnere dich ''recht genau''! Da scheint das ›innere Erlebnis‹ des Wollens wieder zu verschwinden. Stattdessen erinnert man sich an Gedanken, Gefühle, Bewegungen, auch an Zusammenhänge mit früheren Situationen.


Es ist, als hätte man die Einstellung eines Mikroskops verändert, und was jetzt im Brennpunkt liegt, sah man früher nicht.  
Es ist, als hätte man die Einstellung eines Mikroskops verändert, und was jetzt im Brennpunkt liegt, sah man früher nicht.  
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{{ParPU|652}} »Er maß ihn mit feindseligem Blick und sagte ....« Der Leser der Erzählung versteht dies; er hat keinen Zweifel in seiner Seele. Nun sagst du: »Wohl, er denkt sich die Bedeutung hinzu, er errät sie.« – Im allgemeinen: Nein. Im allgemeinen denkt er sich nichts hinzu, errät nichts. – Es ist aber auch möglich, daß der feindselige Blick und die Worte sich später als Verstellung erweisen, oder daß der Leser im Zweifel darüber erhalten wird, ob sie es sind oder nicht, und daß er also wirklich auf eine mögliche Deutung rät. – Aber dann rät er vor allem auf einen Zusammenhang. Er sagt sich etwa: die Beiden, die hier so feindlich tun, sind in Wirklichkeit Freunde, etc. etc.
{{ParPU|652}} »Er maß ihn mit feindseligem Blick und sagte&nbsp;....« Der Leser der Erzählung versteht dies; er hat keinen Zweifel in seiner Seele. Nun sagst du: »Wohl, er denkt sich die Bedeutung hinzu, er errät sie.« – Im allgemeinen: Nein. Im allgemeinen denkt er sich nichts hinzu, errät nichts. – Es ist aber auch möglich, daß der feindselige Blick und die Worte sich später als Verstellung erweisen, oder daß der Leser im Zweifel darüber erhalten wird, ob sie es sind oder nicht, und daß er also wirklich auf eine mögliche Deutung rät. – Aber dann rät er vor allem auf einen Zusammenhang. Er sagt sich etwa: die Beiden, die hier so feindlich tun, sind in Wirklichkeit Freunde, etc. etc.


((»Wenn du den Satz verstehen willst, mußt du dir die seelische Bedeutung, die Seelenzustände, dazu vorstellen.«))  
((»Wenn du den Satz verstehen willst, mußt du dir die seelische Bedeutung, die Seelenzustände, dazu vorstellen.«))  
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{{ParPU|658}} Denk, wir drückten die Absicht eines Menschen immer so aus, indem wir sagen: »Er sagte gleichsam zu sich selbst ›Ich will....‹« – Das ist das Bild. Und nun will ich wissen: Wie verwendet man den Ausdruck »etwas gleichsam zu sich selbst sagen«? Denn er bedeutet nicht: etwas zu sich selbst sagen.  
{{ParPU|658}} Denk, wir drückten die Absicht eines Menschen immer so aus, indem wir sagen: »Er sagte gleichsam zu sich selbst ›Ich will&nbsp;....‹« – Das ist das Bild. Und nun will ich wissen: Wie verwendet man den Ausdruck »etwas gleichsam zu sich selbst sagen«? Denn er bedeutet nicht: etwas zu sich selbst sagen.  




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{{ParPU|660}} Die Grammatik des Ausdrucks »Ich wollte damals sagen....« ist verwandt der des Ausdrucks »Ich hätte damals fortsetzen können«.
{{ParPU|660}} Die Grammatik des Ausdrucks »Ich wollte damals sagen&nbsp;....« ist verwandt der des Ausdrucks »Ich hätte damals fortsetzen können«.


Im einen Fall die Erinnerung an eine Absicht, im ändern, an ein Verstehen.  
Im einen Fall die Erinnerung an eine Absicht, im ändern, an ein Verstehen.  
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{{ParPU|668}} Aber kann man nicht auch so lügen, indem man sagt »Es wird bald aufhören« und den Schmerz meint, – aber auf die Frage »Was hast du gemeint?« zur Antwort gibt: »Den Lärm im Nebenzimmer«? In Fällen dieser Art sagt man etwa: »Ich wollte antworten...., habe mir’s aber überlegt und geantwortet....«  
{{ParPU|668}} Aber kann man nicht auch so lügen, indem man sagt »Es wird bald aufhören« und den Schmerz meint, – aber auf die Frage »Was hast du gemeint?« zur Antwort gibt: »Den Lärm im Nebenzimmer«? In Fällen dieser Art sagt man etwa: »Ich wollte antworten&nbsp;...., habe mir’s aber überlegt und geantwortet&nbsp;....«  




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{{ParPU|675}} »Sag mir, was ist in dir vorgegangen, als du die Worte . aussprachst?« – Darauf ist die Antwort nicht »Ich habe gemeint ....«!  
{{ParPU|675}} »Sag mir, was ist in dir vorgegangen, als du die Worte&nbsp;.... aussprachst?« – Darauf ist die Antwort nicht »Ich habe gemeint&nbsp;....«!  




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{{ParPU|686}} »Freilich habe ich den B gemeint; ich habe gar nicht an A gedacht!«
{{ParPU|686}} »Freilich habe ich den B gemeint; ich habe gar nicht an A gedacht!«


»Ich wollte, B sollte zu mir kommen, damit ....« – Alles dies deutet auf einen größern Zusammenhang.  
»Ich wollte, B sollte zu mir kommen, damit&nbsp;....« – Alles dies deutet auf einen größern Zusammenhang.  




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{{ParPU|692}} Ist es richtig, wenn Einer sagt: »Als ich dir diese Regel gab, meinte ich, du solltest in diesem Falle....«? Auch wenn er, als er die Regel gab, an diesen Fall gar nicht dachte? Freilich ist es richtig. »Es meinen« hieß eben nicht: daran denken. Die Frage ist nun aber: Wie haben wir zu beurteilen, ob Einer dies gemeint hat? – Daß er z.B. eine bestimmte Technik der Arithmetik und Algebra beherrschte und dem Andern den gewöhnlichen Unterricht im Entwickeln einer Reihe gab, ist so ein Kriterium.  
{{ParPU|692}} Ist es richtig, wenn Einer sagt: »Als ich dir diese Regel gab, meinte ich, du solltest in diesem Falle&nbsp;.....«? Auch wenn er, als er die Regel gab, an diesen Fall gar nicht dachte? Freilich ist es richtig. »Es meinen« hieß eben nicht: daran denken. Die Frage ist nun aber: Wie haben wir zu beurteilen, ob Einer dies gemeint hat? – Daß er z.B. eine bestimmte Technik der Arithmetik und Algebra beherrschte und dem Andern den gewöhnlichen Unterricht im Entwickeln einer Reihe gab, ist so ein Kriterium.  




{{ParPU|693}} »Wenn ich Einen die Bildung der Reihe .... lehre, meine ich doch, er solle an der hundertsten Stelle .... schreiben.« – Ganz richtig: du meinst es. Und offenbar, ohne notwendigerweise auch nur daran zu denken. Das zeigt dir, wie verschieden die Grammatik des Zeitworts »meinen« von der des Zeitworts »denken« ist. Und nichts Verkehrteres, als Meinen eine geistige Tätigkeit nennen! Wenn man nämlich nicht darauf ausgeht, Verwirrung zu erzeugen. (Man könnte auch von einer Tätigkeit der Butter reden, wenn sie im Preise steigt; und wenn dadurch keine Probleme erzeugt werden, so ist es harmlos.)
{{ParPU|693}} »Wenn ich Einen die Bildung der Reihe&nbsp;.... lehre, meine ich doch, er solle an der hundertsten Stelle&nbsp;.... schreiben.« – Ganz richtig: du meinst es. Und offenbar, ohne notwendigerweise auch nur daran zu denken. Das zeigt dir, wie verschieden die Grammatik des Zeitworts »meinen« von der des Zeitworts »denken« ist. Und nichts Verkehrteres, als Meinen eine geistige Tätigkeit nennen! Wenn man nämlich nicht darauf ausgeht, Verwirrung zu erzeugen. (Man könnte auch von einer Tätigkeit der Butter reden, wenn sie im Preise steigt; und wenn dadurch keine Probleme erzeugt werden, so ist es harmlos.)