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22. 8. 14.


Die Logik muß für sich selber sorgen. [''S''. 5.473.]
Wenn sich syntaktische Regeln für Funktionen ''überhaupt'' aufstellen lassen, dann ist die ganze Theorie der Dinge, Eigenschaften etc. überflüssig. Es ist auch gar zu auffällig, daß weder in den "Grundgesetzen" noch in den "Principia Mathematica" von dieser Theorie die Rede ist. Nochmals: denn die Logik muß für sich selbst sorgen. Ein ''mögliches'' Zeichen muß auch bezeichnen können. Alles, was überhaupt möglich ist, ist auch legitim (erlaubt). Erinnern wir uns an die Erklärung, warum "Sokrates ist Plato" unsinnig ist. Nämlich darum, weil ''wir'' eine willkürliche Bestimmung nicht getroffen haben, aber NICHT darum, weil das Zeichen an und für sich etwa illegitim sei! [''Vgl.'' 5.473.]
2. 9. 14.
Wir müssen in einem gewissen Sinne uns nicht in der Logik irren können. Dies ist schon teilweise darin ausgedrückt: Die Logik  muß  für sich selbst sorgen. Dies ist eine ungemein tiefe und wichtige Erkenntnis. [''Vgl.'' 5.473.]
Frege sagt: jeder rechtmäßig gebildete Satz muß einen Sinn haben, und ich sage: jeder mögliche Satz ist rechtmäßig gebildet, und wenn er keinen Sinn hat, so kann das nur daran liegen daß wir einigen seiner Bestandteilen keine Bedeutung ''gegeben'' haben. Wenn wir auch glauben, es getan zu haben. [''Vgl.'' 5.4733.]
3. 9. 14.
Wie ist es mit der Aufgabe der Philosophie vereinbar, daß die Logik für sich selbst sorgen soll? Wenn wir z. B. fragen: ist die und die Tatsache von der Subjekt-Prädikat Form, dann müssen wir doch wissen, was wir unter der "Subjekt-Prädikat Form" verstehen. Wir müssen wissen, ''ob'' es so eine Form überhaupt gibt. Wie können wir dies wissen? "Aus den Zeichen!" Aber wie? Wir haben ja gar keine ''Zeichen'' von dieser Form. Wir können zwar sagen: Wir haben Zeichen, die sich so benehmen, wie solche von der Subjekt-Prädikat Form, aber beweist das, daß es wirklich Tatsachen dieser Form geben muß? Nämlich: wenn diese vollständig analysiert sind. Und hier fragt es sich wieder: gibt es so eine vollständige Analyse? ''Und wenn nicht:'' Was ist denn dann die Aufgabe der Philosophie?!!?
Also können wir uns fragen: Gibt es die Subjekt-Prädikat Form? Gibt es die Relationsform? Gibt es überhaupt irgend eine der Formen, von denen Russell und ich immer gesprochen haben? (Russell würde sagen: "ja! denn das ist einleuchtend." ''Jaha!'')
Also: wenn ''alles,'' was gezeigt werden braucht, durch die  Existenz der Subjekt-Prädikat SÄTZE etc. gezeigt wird, dann ist die Aufgabe der Philosophie eine andere, als ich ursprünglich annahm. Wenn dem aber nicht so ist, so müßte das Fehlende durch eine Art Erfahrung gezeigt werden, und das halte ich für ausgeschlossen.
Die Unklarheit liegt ''offenbar'' in der Frage, worin eigentlich die logische Identität von Zeichen und Bezeichnetem besteht! Und diese Frage ist ''(wieder)'' eine Hauptansicht des ganzen philosophischen Problems.
Es sei eine Frage der Philosophie  gegeben:  etwa die, ob "A ist gut" ein Subjekt-Prädikat Satz sei; oder die, ob "A ist heller als B" ein Relations-Satz seil ''Wie läßt sich so eine Frage überhaupt entscheiden?!'' Was für eine Evidenz kann mich darüber beruhigen, ''daß – zum Beispiel – die'' erste Frage bejaht werden muß? (Dies ist eine ungemein wichtige Frage.) Ist die einzige Evidenz hier wieder ''jenes höchst zweifelhafte "Einleuchten"??'' Nehmen wir eine ganz ähnliche Frage, die aber einfacher und grundlegender ist; nämlich diese: ist ein Punkt in unserem Gesichtsbild ein ''einfacher Gegenstand,'' ein ''Ding?'' Solche Fragen habe ich doch bisher immer als die eigentlichen philosophischen angesehen – und sie sind es auch gewiß  in einem  Sinne-aber  noch­ mals, wdche Evidenz könnte  so eine  Frage  überhaupt entscheiden? Ist hier nicht ein Fehler in der Fragestellung; denn es scheint als leuchtete mir über diese Frage ''gar nichts'' ein; es  scheint  als  könnte  ich mit Bestimmtheit sagen, daß diese Fragen überhaupt nie entschieden werden könnten.
4. 9. 14.
Wenn nicht die Existenz des Subjekt-Prädikat ''Satzes'' alles Nötige zeigt, dann könnte es doch nur die Existenz irgend einer besonderen Tatsache jener Form zeigen. Und die Kenntnis einer solchen  kann nicht für die Logik wesentlich sein.
Gesetzt den Fall, wir hätten ein Zeichen, das ''wirklich'' von der Subjekt­ Prädikat Form wäre, wäre dieses für den Ausdruck von Subjekt­ Prädikat Sätzen irgendwie geeigneter als unsere Subjekt-Prädikat Sätze? Es scheint nein! Liegt das an der bezeichnenden Relation?
Wenn sich die Logik ohne die Beantwortung gewisser Fragen abschließen läßt, dann ''muß sie ohne'' sie abgeschlossen werden.
Die logische Identität von Zeichen und Bezeichnetem besteht darin, daß man im Zeichen nicht mehr und nicht weniger wiedererkennen darf als im Bezeichneten.
Wären Zeichen und Bezeichnetes ''nicht'' ihrem vollen logischen Inhalte nach identisch, dann müßte es noch etwas Fundamentaleres geben als die Logik.
5. 9. 14.
<p style="text-align: center;">''φ''a, ''φ''b, aRb = Def φ [aRb]</p>
Erinnere dich, daß die Worte "Funktion", "Argument", "Satz" etc.
in der Logik nicht vorkommen dürfen!
Von zwei Klassen zu sagen, sie seien identisch, sagt etwas. Von zwei Dingen dies zu sagen, sagt nichts; dies schon zeigt die Unzulässigkeit der Russellschen Definition.
6. 9. 14.
Der letzte Satz ist eigentlich nichts Anderes als der uralte Einwand gegen die Identität in der Mathematik. Nämlich der, daß wenn 2 × 2 wirklich ''gleich'' 4 wäre, daß dieser Satz dann nicht mehr sagen wurde als a = a.
Könnte man sagen: Die Logik kümmert die Analysierbarkeit der Funktionen, mit denen sie arbeitet, ''nicht.''
7. 9. 14.
Bedenke, daß auch ein unanalysierter Subjekt-Prädikat Satz etwas ''ganz. Bestimmtes'' klar aussagt.
Kann man nicht sagen: Es kommt nicht darauf an, daß wir es mit nicht  analysierbaren Subjekt-Prädikat Sätzen zu tun haben, sondern darauf, daß unsere Subjekt-Prädikat Sätze sich ''in jeder'' Beziehung so wie solche benehmen, d. h. also, daß die Logik ''unserer'' Subjekt-Prädikat Sätze dieselbe ist, wie die Logik jener anderen. Es kommt uns Ja nur darauf an die Logik abzuschließen, und unser Haupteinwand gegen die nicht analysierten Subjekt-Prädikat Sätze war der, daß wir ihre Syntax nicht aufstelle können, solang wir ihre Analyse nicht kennen. Muß aber nicht die Logik eines scheinbaren Subjekt-Prädikat Satzes dieselbe sein wie die Logik eines wirklichen? Wenn eine Definition überhaupt möglich ist, die dem Satz die Subjekt-Prädikat Form gibt...?
8. 9. 14.
Das "Einleuchten", von dem Russell so viel sprach, kann nur dadurch in der Logik entbehrlich werden, daß die Sprache selbst jeden logischen Fehler verhindert. Und es ist klar, daß Jenes Einleuchten immer gänzlich trügerisch ist und war. [''Vgl.'' 5.4731.]

Revision as of 20:22, 28 December 2020

22. 8. 14.

Die Logik muß für sich selber sorgen. [S. 5.473.]

Wenn sich syntaktische Regeln für Funktionen überhaupt aufstellen lassen, dann ist die ganze Theorie der Dinge, Eigenschaften etc. überflüssig. Es ist auch gar zu auffällig, daß weder in den "Grundgesetzen" noch in den "Principia Mathematica" von dieser Theorie die Rede ist. Nochmals: denn die Logik muß für sich selbst sorgen. Ein mögliches Zeichen muß auch bezeichnen können. Alles, was überhaupt möglich ist, ist auch legitim (erlaubt). Erinnern wir uns an die Erklärung, warum "Sokrates ist Plato" unsinnig ist. Nämlich darum, weil wir eine willkürliche Bestimmung nicht getroffen haben, aber NICHT darum, weil das Zeichen an und für sich etwa illegitim sei! [Vgl. 5.473.]


2. 9. 14.

Wir müssen in einem gewissen Sinne uns nicht in der Logik irren können. Dies ist schon teilweise darin ausgedrückt: Die Logik  muß  für sich selbst sorgen. Dies ist eine ungemein tiefe und wichtige Erkenntnis. [Vgl. 5.473.]

Frege sagt: jeder rechtmäßig gebildete Satz muß einen Sinn haben, und ich sage: jeder mögliche Satz ist rechtmäßig gebildet, und wenn er keinen Sinn hat, so kann das nur daran liegen daß wir einigen seiner Bestandteilen keine Bedeutung gegeben haben. Wenn wir auch glauben, es getan zu haben. [Vgl. 5.4733.]


3. 9. 14.

Wie ist es mit der Aufgabe der Philosophie vereinbar, daß die Logik für sich selbst sorgen soll? Wenn wir z. B. fragen: ist die und die Tatsache von der Subjekt-Prädikat Form, dann müssen wir doch wissen, was wir unter der "Subjekt-Prädikat Form" verstehen. Wir müssen wissen, ob es so eine Form überhaupt gibt. Wie können wir dies wissen? "Aus den Zeichen!" Aber wie? Wir haben ja gar keine Zeichen von dieser Form. Wir können zwar sagen: Wir haben Zeichen, die sich so benehmen, wie solche von der Subjekt-Prädikat Form, aber beweist das, daß es wirklich Tatsachen dieser Form geben muß? Nämlich: wenn diese vollständig analysiert sind. Und hier fragt es sich wieder: gibt es so eine vollständige Analyse? Und wenn nicht: Was ist denn dann die Aufgabe der Philosophie?!!?

Also können wir uns fragen: Gibt es die Subjekt-Prädikat Form? Gibt es die Relationsform? Gibt es überhaupt irgend eine der Formen, von denen Russell und ich immer gesprochen haben? (Russell würde sagen: "ja! denn das ist einleuchtend." Jaha!)

Also: wenn alles, was gezeigt werden braucht, durch die  Existenz der Subjekt-Prädikat SÄTZE etc. gezeigt wird, dann ist die Aufgabe der Philosophie eine andere, als ich ursprünglich annahm. Wenn dem aber nicht so ist, so müßte das Fehlende durch eine Art Erfahrung gezeigt werden, und das halte ich für ausgeschlossen.

Die Unklarheit liegt offenbar in der Frage, worin eigentlich die logische Identität von Zeichen und Bezeichnetem besteht! Und diese Frage ist (wieder) eine Hauptansicht des ganzen philosophischen Problems.

Es sei eine Frage der Philosophie  gegeben:  etwa die, ob "A ist gut" ein Subjekt-Prädikat Satz sei; oder die, ob "A ist heller als B" ein Relations-Satz seil Wie läßt sich so eine Frage überhaupt entscheiden?! Was für eine Evidenz kann mich darüber beruhigen, daß – zum Beispiel – die erste Frage bejaht werden muß? (Dies ist eine ungemein wichtige Frage.) Ist die einzige Evidenz hier wieder jenes höchst zweifelhafte "Einleuchten"?? Nehmen wir eine ganz ähnliche Frage, die aber einfacher und grundlegender ist; nämlich diese: ist ein Punkt in unserem Gesichtsbild ein einfacher Gegenstand, ein Ding? Solche Fragen habe ich doch bisher immer als die eigentlichen philosophischen angesehen – und sie sind es auch gewiß  in einem  Sinne-aber  noch­ mals, wdche Evidenz könnte  so eine  Frage  überhaupt entscheiden? Ist hier nicht ein Fehler in der Fragestellung; denn es scheint als leuchtete mir über diese Frage gar nichts ein; es  scheint  als  könnte  ich mit Bestimmtheit sagen, daß diese Fragen überhaupt nie entschieden werden könnten.


4. 9. 14.

Wenn nicht die Existenz des Subjekt-Prädikat Satzes alles Nötige zeigt, dann könnte es doch nur die Existenz irgend einer besonderen Tatsache jener Form zeigen. Und die Kenntnis einer solchen  kann nicht für die Logik wesentlich sein.

Gesetzt den Fall, wir hätten ein Zeichen, das wirklich von der Subjekt­ Prädikat Form wäre, wäre dieses für den Ausdruck von Subjekt­ Prädikat Sätzen irgendwie geeigneter als unsere Subjekt-Prädikat Sätze? Es scheint nein! Liegt das an der bezeichnenden Relation?

Wenn sich die Logik ohne die Beantwortung gewisser Fragen abschließen läßt, dann muß sie ohne sie abgeschlossen werden.

Die logische Identität von Zeichen und Bezeichnetem besteht darin, daß man im Zeichen nicht mehr und nicht weniger wiedererkennen darf als im Bezeichneten.

Wären Zeichen und Bezeichnetes nicht ihrem vollen logischen Inhalte nach identisch, dann müßte es noch etwas Fundamentaleres geben als die Logik.


5. 9. 14.

φa, φb, aRb = Def φ [aRb]

Erinnere dich, daß die Worte "Funktion", "Argument", "Satz" etc.

in der Logik nicht vorkommen dürfen!

Von zwei Klassen zu sagen, sie seien identisch, sagt etwas. Von zwei Dingen dies zu sagen, sagt nichts; dies schon zeigt die Unzulässigkeit der Russellschen Definition.


6. 9. 14.

Der letzte Satz ist eigentlich nichts Anderes als der uralte Einwand gegen die Identität in der Mathematik. Nämlich der, daß wenn 2 × 2 wirklich gleich 4 wäre, daß dieser Satz dann nicht mehr sagen wurde als a = a.

Könnte man sagen: Die Logik kümmert die Analysierbarkeit der Funktionen, mit denen sie arbeitet, nicht.


7. 9. 14.

Bedenke, daß auch ein unanalysierter Subjekt-Prädikat Satz etwas ganz. Bestimmtes klar aussagt.

Kann man nicht sagen: Es kommt nicht darauf an, daß wir es mit nicht  analysierbaren Subjekt-Prädikat Sätzen zu tun haben, sondern darauf, daß unsere Subjekt-Prädikat Sätze sich in jeder Beziehung so wie solche benehmen, d. h. also, daß die Logik unserer Subjekt-Prädikat Sätze dieselbe ist, wie die Logik jener anderen. Es kommt uns Ja nur darauf an die Logik abzuschließen, und unser Haupteinwand gegen die nicht analysierten Subjekt-Prädikat Sätze war der, daß wir ihre Syntax nicht aufstelle können, solang wir ihre Analyse nicht kennen. Muß aber nicht die Logik eines scheinbaren Subjekt-Prädikat Satzes dieselbe sein wie die Logik eines wirklichen? Wenn eine Definition überhaupt möglich ist, die dem Satz die Subjekt-Prädikat Form gibt...?


8. 9. 14.

Das "Einleuchten", von dem Russell so viel sprach, kann nur dadurch in der Logik entbehrlich werden, daß die Sprache selbst jeden logischen Fehler verhindert. Und es ist klar, daß Jenes Einleuchten immer gänzlich trügerisch ist und war. [Vgl. 5.4731.]