Über Gewißheit: Difference between revisions

no edit summary
No edit summary
No edit summary
Line 235: Line 235:
Bedenke, daß man von der ''Richtigkeit'' einer Anschauung manchmal durch ihre ''Einfachheit'' oder ''Symmetrie'' überzeugt wird, d. h.: dazu gebracht wird, zu dieser Anschauung überzugehen. Man sagt dann etwa einfach: »''So'' muß es sein.«
Bedenke, daß man von der ''Richtigkeit'' einer Anschauung manchmal durch ihre ''Einfachheit'' oder ''Symmetrie'' überzeugt wird, d. h.: dazu gebracht wird, zu dieser Anschauung überzugehen. Man sagt dann etwa einfach: »''So'' muß es sein.«


{{ParUG|93}} Die Sätze, die darstellen, was Moore ''»weiß«'', sind alle solcher Art, daß man sich schwer vorstellen kann, ''warum'' Einer das Gegenteil glauben sollte. Z. B. der Satz, daß Moore sein ganzes Leben in geringer Entfernung von der Erde verbracht hat. – Wieder kann ich hier von mir selber statt von Moore reden. Was könnte mich dazu bringen, das Gegenteil davon zu glauben? Entweder eine Erinnerung, oder daß es mir gesagt wurde. – Alles, was ich gesehen oder gehört habe, macht mich der Überzeugung, daß kein Mensch sich je weit von der Erde entfernt hat. Nichts spricht in meinem Weltbild für das Gegenteil.
{{ParUG|93}} Die Sätze, die darstellen, was Moore »''weiß''«, sind alle solcher Art, daß man sich schwer vorstellen kann, ''warum'' Einer das Gegenteil glauben sollte. Z. B. der Satz, daß Moore sein ganzes Leben in geringer Entfernung von der Erde verbracht hat. – Wieder kann ich hier von mir selber statt von Moore reden. Was könnte mich dazu bringen, das Gegenteil davon zu glauben? Entweder eine Erinnerung, oder daß es mir gesagt wurde. – Alles, was ich gesehen oder gehört habe, macht mich der Überzeugung, daß kein Mensch sich je weit von der Erde entfernt hat. Nichts spricht in meinem Weltbild für das Gegenteil.


{{ParUG|94}} Aber mein Weltbild habe ich nicht, weil ich mich von seiner Richtigkeit überzeugt habe; auch nicht, weil ich von seiner Richtigkeit überzeugt bin. Sondern es ist der überkommene Hintergrund, auf welchem ich zwischen wahr und falsch unterscheide.
{{ParUG|94}} Aber mein Weltbild habe ich nicht, weil ich mich von seiner Richtigkeit überzeugt habe; auch nicht, weil ich von seiner Richtigkeit überzeugt bin. Sondern es ist der überkommene Hintergrund, auf welchem ich zwischen wahr und falsch unterscheide.
Line 487: Line 487:
{{ParUG|203}} [Alles{{check|<sup>2</sup>}}, was wir als Evidenz betrachten, deutet darauf hin, die Erde habe schon lange vor meiner Geburt existiert. Die entgegengesetzte Hypothese hat ''keinerlei'' Bekräftigung.
{{ParUG|203}} [Alles{{check|<sup>2</sup>}}, was wir als Evidenz betrachten, deutet darauf hin, die Erde habe schon lange vor meiner Geburt existiert. Die entgegengesetzte Hypothese hat ''keinerlei'' Bekräftigung.


Wenn auch alles ''für'' eine Hypothese, nichts gegen sie spricht, – ist sie objektiv sicher? Man kann sie so ''nennen''. Aber stimmt sie ''unbedingt'' mit der Welt der Tatsachen überein? Sie zeigt uns bestenfalls, was »übereinstimmen« heißt. Wir finden es schwierig, sie uns (als) falsch vorzustellen, aber auch schwierig, eine Anwendung von ihr zu machen.] Worin besteht denn diese Übereinstimmung, wenn nicht darin, daß, was in diesen Sprachspielen Evidenz ist, für unseren Satz spricht? (Log. Phil. Abh.)
Wenn auch alles ''für'' eine Hypothese, nichts gegen sie spricht, – ist sie objektiv sicher? Man kann sie so ''nennen''. Aber stimmt sie ''unbedingt'' mit der Welt der Tatsachen überein? Sie zeigt uns bestenfalls, was »übereinstimmen« heißt. Wir finden es schwierig, sie uns (als) falsch vorzustellen, aber auch schwierig, eine Anwendung von ihr zu machen.]
 
Worin besteht denn diese Übereinstimmung, wenn nicht darin, daß, was in diesen Sprachspielen Evidenz ist, für unseren Satz spricht? (Log. Phil. Abh.)


{{ParUG|204}} Die Begründung aber, die Rechtfertigung der Evidenz kommt zu einem Ende; – das Ende aber ist nicht, daß uns gewisse Sätze unmittelbar als wahr einleuchten, also eine Art ''Sehen'' unsrerseits, sondern unser ''Handeln'', welches am Grunde des Sprachspiels liegt.
{{ParUG|204}} Die Begründung aber, die Rechtfertigung der Evidenz kommt zu einem Ende; – das Ende aber ist nicht, daß uns gewisse Sätze unmittelbar als wahr einleuchten, also eine Art ''Sehen'' unsrerseits, sondern unser ''Handeln'', welches am Grunde des Sprachspiels liegt.